Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union zur Arbeitsmigration

Der Bundesrat hat in seiner 953. Sitzung am 10. Februar 2017 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 6 ( § 16 Absatz 9 AufenthG), Nummer 13 Buchstabe f ( § 20 Absatz 8 AufenthG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Es wird begrüßt, dass der Gesetzentwurf unter anderem Verbesserungen beim Zugang zum Studium vorsieht sowie das Aufenthaltsrecht von Forschenden neu regelt. Allerdings sollten Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU genießen, von der Möglichkeit des studien- oder forschungsbezogenen nationalen Aufenthaltsrechts nicht ausgeschlossen werden.

Die umzusetzende Richtlinie 2016/801/EU (REST-Richtlinie) ist unter anderem für diese Gruppe von Drittstaatsangehörigen nicht anwendbar (siehe Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a). Jedoch sieht die REST-Richtlinie im Erwägungsgrund 29 ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörigen, die nicht unter diese Richtlinie fallen, andere als durch diese Richtlinie geregelte - also nationale - Aufenthaltstitel zu Studien- oder Forschungszwecken ausstellen können. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzentwurf in Artikel 1 Nummer 6 ( § 16 Absatz 9 AufenthG) und Nummer 13 Buchstabe f ( § 20 Absatz 8 AufenthG) Gebrauch gemacht, jedoch nicht in ausreichendem Maße. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Studieninteressierte oder Forschende, die gerade erst internationalen Schutz erhalten haben, im Vergleich zu Personen mit der gleichen Staatsangehörigkeit, die sich aber noch im Herkunftsland befinden, schlechter gestellt werden sollen. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Titelerteilung (unter anderem Lebensunterhaltssicherung bei Studierenden, Kostenübernahme der Forschungseinrichtung bis zu sechs Monaten nach der Aufnahmevereinbarung bei Forschenden) ist ein Missbrauch nicht zu befürchten.

2. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 16a Absatz 2, 5 AufenthG)

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Mobilität im Rahmen des Studiums nicht vor Abschluss des Mitteilungsverfahrens beginnen und daher vor diesem Zeitpunkt noch keine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erfolgen darf.

§ 16a Absatz 2 und 5 AufenthG-E (Mobilität im Rahmen des Studiums) sind daher zu ändern.

Begründung:

Das Zusammenspiel der Regelungen in Artikel 31 Absatz 2 bis 4, Absatz 7 und Absatz 9 der zugrundeliegenden REST-Richtlinie (EU) Nr. 2016/801 und deren Vergleich mit den Bestimmungen zur kurzfristigen Mobilität von Forschern (Artikel 28 REST-Richtlinie) deuten darauf hin, dass Studenten erst dann von der Mobilität Gebrauch machen dürfen, wenn gegen diese im Mitteilungsverfahren keine Einwände erhoben worden sind.

§ 16a Absatz 5 AufenthG-E regelt aber, dass im Fall einer Ablehnung das Studium einzustellen ist und ein Aufenthaltstitel notwendig wird. Daher ist nach Auffassung des Bundesrates die vorgesehene Regelung des § 16a Absatz 2 AufenthG-E in Verbindung mit § 16a Absatz 5 AufenthG-E nicht richtlinienkonform, weil insbesondere in den Fällen einer Mitteilung nach § 16a Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 AufenthG-E eine unverzügliche Einreise und ein Aufenthalt nach erfolgter Mitteilung erfolgen kann. Dies sieht Artikel 31 Absatz 4 REST-Richtlinie aber nicht vor. Günstigere Bestimmungen zu Artikel 31 REST-Richtlinie sind den Mitgliedstaaten nicht erlaubt (Artikel 4 Absatz 2 REST-Richtlinie).

3. Zu Artikel 1 Nummer 12 (§ 19c AufenthG)

Der Bundesrat hält bezüglich der Umsetzung der ICT-Richtlinie in § 19c AufenthG-E (Kurzfristige Mobilität für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer) eine Überarbeitung des darin vorgesehenen Mitteilungsverfahrens für dringend erforderlich. Der Bundesrat bittet daher im weiteren Gesetzgebungsverfahren, in den Fällen der kurzfristigen Mobilität von unternehmensintern Transferierten einen Verzicht auf das Mitteilungsverfahren oder dessen Modifizierung zu prüfen.

Bei einer bloßen Modifizierung würde es der Bundesrat jedenfalls dann für erforderlich halten, dass zusammen mit der Mitteilung auch Angaben zur geplanten Dauer und die Daten der Inanspruchnahme der kurzfristigen Mobilität gemacht werden.

Begründung:

In der derzeitigen Form scheint das Mitteilungsverfahren jedenfalls gerade im Hinblick auf die Unbestimmtheit von Adressat und Inhalt der Mitteilungsvorschrift sowie auf die damit verbundenen kurzen Fristen in der Praxis schwer umsetzbar und vor allem wenig attraktiv für die Wirtschaft. Der Bundesrat regt daher an zu prüfen, ob in den Fällen der kurzfristigen Mobilität bei unternehmensintern Transferierten gegebenenfalls auf das Mitteilungsverfahren verzichtet werden kann oder dieses modifiziert wird. Bei nur sehr kurzen Aufenthalten als unternehmensintern Transferierter würde das Mitteilungsverfahren wegen häufig bereits wieder erfolgter Ausreise zudem nicht selten ins Leere laufen.

Die Möglichkeit, Angaben zur geplanten Dauer und die Daten der Inanspruchnahme der kurzfristigen Mobilität zu fordern, ist in Artikel 21 Absatz 3 der ICT-Richtlinie vorgesehen und sinnvoll.

4. Zu Artikel 1 Nummer 12 (§ 19c Absatz 4 Satz 2

In Artikel 1 Nummer 12 § 19c Absatz 4 ist nach Satz 2 folgender Satz einzufügen:

"Im Fall des Satzes 1 Nummer 1 kann die Ausländerbehörde die Bundesagentur für Arbeit beteiligen."

Begründung:

Den Ausländerbehörden ist die seriöse Beurteilung der Angemessenheit des Arbeitsentgelts ohne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit nicht möglich.

5. Zu Artikel 1 Nummer 28 (§ 77 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 bis 4 AufenthG)

In Artikel 1 Nummer 28 ist § 77 Absatz 1a Satz 1 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Artikel 15 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 der Richtlinie 2014/66/EU verlangt lediglich in Fällen der Entziehung des Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer die Mitteilung der Gründe zusätzlich auch an die aufnehmende Niederlassung. Die Pflicht, diese dem Betroffenen unmittelbar mitzuteilen, ergibt sich bereits aus dem geltenden § 77 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a AufenthG. Zusätzliche, von der Richtlinie nicht vorgesehene Mitteilungspflichten den Ausländerbehörden aufzubürden, ist zu vermeiden. Zudem ist zweifelhaft, ob die Mitteilung etwa von sicherheitsrelevanten Gründen an die Unternehmen tatsächlich geboten bzw. sachdienlich ist.

6. Zu § 78a AufenthG

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass § 78a AufenthG anzupassen ist und darin eine Regelung zu den Aufenthaltstiteln für unternehmensintern Transferierte (ICT-Karte, Mobiler-ICT-Karte) eingefügt werden muss.

Begründung:

Durch die Umsetzung der ICT-Richtlinie 2014/66/EU sind neue Aufenthaltstitel vorgesehen. Da gerade im Hinblick auf unternehmensintern Transferierte auch nur kurze Aufenthalte in Betracht kommen werden, wird es in der Praxis schon aufgrund der tatsächlichen Dauer der Herstellung und der Ausstellung eines elektronischen Aufenthaltstitels gemäß § 78 AufenthG nicht möglich sein, in allen Fällen einen solchen Aufenthaltstitel auszustellen. In diesen Fällen muss eine Möglichkeit zur Erteilung des Aufenthaltstitels in Form eines einheitlichen Vordruckmusters ("Klebeetikett") bestehen und daher § 78a AufenthG ergänzt werden.

7. Zur nationalen Kontaktstelle

Der Bundesrat fordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob als nationale Kontaktstelle für die Mitteilungsverfahren nicht die Bundesagentur für Arbeit anstelle des bisher vorgesehenen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge dienen könnte.

Begründung:

Im weitesten Sinne behandeln alle umzusetzenden Richtlinien die Arbeitsmarktmigration bzw. sind mit dieser eng verknüpft. Hier ist in vielen Fällen, etwa bei der Beurteilung von Arbeitgebern im Falle der Umsetzungsnormen zur ICT-Richtlinie oder der Einschätzung von Verträgen für Forscher, mehr Sachnähe zu erwarten, gerade in Hinblick darauf, dass die nationale Kontaktstelle bereits die Vollständigkeit der jeweils für die Mobilität vorzulegenden Nachweise zu prüfen hat und den Ausländerbehörden für die Erhebung von Einwendungen gegen die Mobilität nur kurze Fristen zur Verfügung stehen. Auch der Normenkontrollrat hält die Prüfung einer solchen Alternative für grundsätzlich geboten.

8. Zur Zuständigkeit für Mobilitätsverfahren

Der Bundesrat schlägt vor, die nationale Kontaktstelle als allein zuständige Behörde für die entsprechenden Mobilitätsverfahren zu bestimmen.

Begründung:

Der Bundesrat hält die im Gesetzentwurf vorgesehenen Verfahren zur Inanspruchnahme der unionsweiten Mobilität mit Abstimmungen zwischen einer nationalen Kontaktstelle und Ausländerbehörden, die innerhalb kürzester Fristen erfolgen müssen, für wenig praxisgerecht. Mit der Übertragung aller Aufgaben im Rahmen der Mobilität auf die nationale Kontaktstelle könnten Entgegennahme der Mitteilungen, Prüfung der Unterlagen und Entscheidung über Zustimmung oder Ablehnung aus einer Hand erfolgen.