Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus

Der Bundesrat hat in seiner 893. Sitzung am 2. März 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 2 (§ 6 Satz 1, 2, 7 und 8 BVerfSchG)

Artikel 2 ist wie folgt zu fassen:

'Artikel 2
Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes

§ 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I 2954, 2970), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Begründung:

In Folge der Anschläge vom 11. September 2001 haben die Innenminister und -senatoren der Länder vereinbart, dass es zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eines umfassenden Wissens- und Informationsmanagements im Verfassungsschutzverbund bedarf (vgl. IMK-Beschluss vom 18. Juli 2004). Deshalb haben sie sich für die Schaffung eines NADIS-neu entschieden. Mit dieser Erweiterung des Verbundsystems sollte den Verfassungsschutzbehörden ermöglicht werden, gemeinsame Text- und multimediale Dateien ohne die bisherigen Einschränkungen zu führen. Zugleicht wurde das Bundesministerium des Innern gebeten, die Änderung des § 6 BVerfSchG zu initiieren.

Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des § 6 BVerfSchG ist nicht weitgehend genug, um die Verbunddatei NADIS-neu als umfassendes Analyseinstrument zu nutzen. Die Möglichkeit, mit NADIS-neu als gemeinsame Text- und multimediale Datei zu führen wird nur ausnahmsweise für eng begrenzte Bereiche, insbesondere des Rechtsextremismus ermöglicht, die grundsätzliche Beschränkung auf eine Aktenhinweisdatei bleibt bestehen. Dies führt dazu, dass alle Daten, die über die Identifizierung einer Person hinausgehen, grundsätzlich nur in den jeweiligen Amtsdateien der einzelnen Verfassungsschutzbehörden gespeichert werden können und nicht im Verbundsystem auch für die jeweils andere Behörde vorzufinden sind. Auch wenn hier eine erweiterte Speicherbefugnis für den Rechtsextremismus geschaffen wurde fehlen die Daten, die für eine phänomenübergreifende Erkennung von extremistischen bzw. terroristischen Netzwerkstrukturen erforderlich sind. Ereignisse, wie z.B. die Mordanschläge der Zwickauer Zelle, die nicht immer sofort und eindeutig einem Phänomenbereich zugeordnet werden können, könnten trotz der in dem Gesetzentwurf bislang vorgesehenen Änderung des § 6 Satz 8 BVerfSchG nicht gespeichert werden.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des § 6 Satz 8 BVerfSchG berücksichtigt im Übrigen nicht das weiterhin bestehende nachhaltige Aufklärungsinteresse an islamistischen Bestrebungen. Auch für sie gilt, dass die Grenze zwischen gewaltfreien islamistischen Bestrebungen und gewaltbereiten bzw. terroristischen islamistischen Bestrebungen fließend und dass legalistische Organisationen oftmals "der Einstieg bzw. der Wegbereiter" für den gewaltbereiten Islamismus sind. Insofern bedarf es auch zur Aufklärung von gewaltbereiten islamistischen Netzwerken einer umfassenden Speicherbefugnis in NADIS-neu.

2. Zu Artikel 2a - neu - (§ 5 Absatz 5 Satz 1 Nummer 4 - neu - WaffG), Artikel 3 Absatz 1 (Inkrafttreten)

Begründung:

Im Zuge der Ermittlungen um die sogenannte "Zwickauer Terrorzelle" ist offenbar geworden, dass es gut organisierte Strukturen rechtsextremistischer Gewalttäter gibt, die bereit sind, zur Durchsetzung ihrer Ziele gezielt Waffengewalt einzusetzen. In diesem Zusammenhang sind in mehreren Ländern anlassbezogene Abgleiche der Daten von bekannten Rechtsextremisten mit den Daten der legalen Waffenbesitzer durchgeführt worden. Bei diesen Datenabgleichen wurde festgestellt, dass eine - wenn auch geringe - Anzahl von Personen über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügte, obwohl bei den Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse vorlagen, wonach diese Personen verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen oder unterstützen und daher die Voraussetzungen der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Absatz 2 Nummer 3 WaffG erfüllten.

Das Waffengesetz verlangt von den zuständigen Vollzugsbehörden ausdrücklich nur, dass sie im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister, eine Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister und eine Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle einholen. Mit Hilfe dieser Abfragen werden die Voraussetzungen geschaffen, um u.a. das Vorliegen von Tatsachen für die Annahme der Regelunzuverlässigkeit im Sinne des § 5 Absatz 2 Nummern 1, 4 und 5 WaffG prüfen zu können. Ob ein Antragsteller oder ein Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis aber Mitglied

ist auf diesem Wege nicht zu erfahren, es sei denn, diese Person ist zugleich auch polizeilich/strafrechtlich in einschlägiger Weise in Erscheinung getreten.

Die Regelunzuverlässigkeitsgründe des § 5 Absatz 2 Nummer 2 und 3 WaffG werden daher im Ergebnis anders als die übrigen Regelunzuverlässigkeitsgründe keiner systematischen Prüfung unterzogen. In Anlehnung an die Regelungen in § 8a Absatz 5 Nummer 4 SprengG, § 12b Absatz 3 Nummer 2 AtG und in § 7 Absatz 3 Nummer 2 des LuftSiG soll daher mit dem Änderungsvorschlag bei jedem Antragsteller und - im Rahmen der Regelüberprüfung nach § 4 Absatz 3 WaffG - jedem Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis eine entsprechende Abfrage bei den Verfassungsschutzbehörden zur Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit eingeführt werden. Art und Umfang der Auskünfte der Verfassungsschutzbehörden haben sich dabei strikt am Zweck der Abfrage zu orientieren (vgl. insoweit die Regelungen des § 12b Absatz 3 Nummer 2 AtG und in § 7 Absatz 3 Nummer 2 des LuftSiG).