Antrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern
Entschließung des Bundesrates für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Projekte der Sektorenkopplung im Rahmen einer Experimentierklausel

Die Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Schwerin, 30. Januar 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Projekte der Sektorenkopplung im Rahmen einer Experimentierklausel zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 985. Sitzung des Bundesrates am 14. Februar 2020 aufzunehmen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.

Mit freundlichen Grüßen
Manuela Schwesig

Entschließung des Bundesrates für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Projekte der Sektorenkopplung im Rahmen einer Experimentierklausel

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

Begründung:

Im Unterschied zur traditionellen Stromerzeugung ist die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien schwankend und mit einer starken Zufälligkeitskomponente behaftet. Um das Ziel des 65-prozentigen Anteils der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch im Jahre 2030 erreichen zu können und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewähren, müssen diese Schwankungen ausgeglichen werden. Dies erfolgt gegenwärtig zentral durch Engpassmanagementmaßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber. Diese führen jedoch zu hohen Kosten. Deshalb muss der Ausgleich zukünftig dezentral, das heißt schon bei der Einspeisung erfolgen.

Neben der Möglichkeit der Speicherung des grünen Stroms besteht eine weitere Möglichkeit des Ausgleichs in der Nutzung des grünen Stroms in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie mit Hilfe von Umwandlungsprozessen. Dies ist die Idee der Sektorenkopplung. Neben der Dekarbonisierung der genannten Sektoren ermöglicht die Sektorenkopplung auch die Integration von hohen Anteilen erneuerbarer Energien, so dass Schwankungen insbesondere der Wind- und Solarenergie besser ausgeglichen werden können. Dies führt zu einer größeren Flexibilität der Nachfrage und senkt die Kosten beim Netzengpassmanagement und für teure elektrische Speicher.

In der Bundesrepublik Deutschlang besteht Konsens, dass eine funktionierende Sektorenkopplung für das Erreichen der Klimaschutzziele und die Umsetzung der Energiewende zwingend erforderlich ist.

Diese funktioniert jedoch nur, wenn die verwendeten Energieträger wettbewerbsfähige Preise haben. Momentan behindern die massiven Preisunterschiede der verschiedenen Energieträger zum Teil bedingt durch deren divergierende Belastung durch Steuern, Abgaben und Umlagen die Verkopplung der Sektoren. Deshalb müssen gleichwertige Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Energieträgern geschaffen werden.

Die derzeit geltenden rechtlichen Regelungen verhindern somit tragfähige Geschäftsmodelle für Sektorenkopplungsprojekte. Alternative Energieträger, wie beispielsweise grüner Wasserstoff, können auf absehbare Zeit preislich nicht mit fossilen Energieträgern konkurrieren. Infolge der nur moderat und langsam ansteigenden CO₂-Bepreisung wird dies nicht ausreichend ausgeglichen.

Auch die Reallabore der Energiewende, von denen sich die Bundesregierung einen Markthochlauf für Sektorenkopplungstechnologien, insbesondere der Wasserstofftechnologie erhofft, laufen ins Leere, wenn die Rahmenbedingungen weiterhin die Wirtschaftlichkeit von Projekten verhindern. Ohne tragfähiges Geschäftsmodell werden keine Investitionen angestoßen. Selbst wenn die Bundesregierung anstrebt, auch die Betriebskosten der Reallabore zu fördern, stünden diese nach Ablauf des Förderzeitraums wieder vor der Unwirtschaftlichkeit. Solche "stranded investments" gilt es zu vermeiden. Reallabore machen daher nur Sinn im Zusammenhang mit regulatorischen Experimenten. Dazu bedarf es einer Experimentierklausel, um neue wirtschaftliche Rahmenbedingungen zur Überwindung dieser Hemmnisse mit zeitlich befristeten und räumlich begrenzten Experimenten zu erproben.

Die Studie "Experimentierklauseln für verbesserte Rahmenbedingungen bei der Sektorenkopplung" des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität enthält zwei Vorschläge, wie eine Experimentierklausel formuliert werden könnte. Kern der Vorschläge ist die Definition eines neuen Anlagentypus, der Anlagenkopplung. Diese umfasst gekoppelte Erzeugungs-, Speicher- und Umwandlungsanlagen sowie deren Infrastruktur, die als eine wirtschaftliche Einheit betrachtet werden. Die Kopplung von verschiedenen Erzeugungsanlagen, Speicheranlagen und Sektorenkopplungsanlagen (Powerto-X) ermöglicht eine netz- und systemdienliche Lieferung von erneuerbarem Strom nach Fahrplan. Die Einspeisung ins Netz erfolgt damit ausgeregelt wie bei einem Kraftwerk. Gleichzeitig kann über Powerto-X erneuerbarer Strom in andere Sektoren transferiert und dort genutzt werden. Die Anlagenkopplung sieht eine Finanzierung durch den Ausgleich der bei der Powerto-X anfallenden Stromnebenkosten (Stromsteuer, EEG-Umlage, Netzentgelte) vor. Die Preisfindung für die Reduktion der Stromnebenkosten könnte in Form einer Ausschreibung von Sektorenkopplungsprojekten erfolgen. Die Powerto-X wird innerhalb der Anlagenkopplung für den weit überwiegenden Bezug von grünem Strom gefördert und privilegiert.

Die Experimentierklausel soll zeitlich befristete und räumlich begrenzte Experimente zulassen sowie auf eine bestimmte Anzahl oder Größe von Projekten begrenzt werden. Dieser minimalinvasive Vorschlag ermöglicht es, zunächst die Auswirkungen der Rechtsänderungen zu untersuchen, bevor größere Reformen vorgenommen werden. Dies soll auch durch eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Experimente gewährleistet werden. Eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Betrachtung kann Teil dieser Untersuchungen sein. Dadurch lassen sich wirksame regulatorische Stellschrauben identifizieren.

Sowohl die Regierungschefinnen und Regierungschefs als auch die Fachministerinnen und Fachminister der Länder haben sich bereits mehrfach für solche Experimentierklausel ausgesprochen und dazu Beschlüsse auf Konferenzen im Jahre 2019 gefasst.