Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates zur Optimierung der Lebensmittelsicherheit

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat mit Schreiben vom 26. April 2007 zu der oben genannten Entschließung des Bundesrates (siehe Drucksache. 059/07(B) HTML PDF ) wie folgt Stellung genommen:

Der Bundesrat hat auf Antrag des Freistaates Bayern in seiner 831. Sitzung am 09.03.2007 eine Entschließung gefasst, um die Unternehmerpflichten und die Kontrollinstrumente der Behörden dem modernen Marktgeschehen im Lebensmittelbereich noch besser anzupassen (BR-Drs. 059/07 (PDF) ).

Die in der Entschließung genannten Punkte sind zum größten Teil bereits Bestandteil der verschiedenen Programme, die von der Bundesregierung und den Ländern im Zusammenhang mit den Vorgängen um das sog. "Gammelfleisch" seit dem ersten Skandal im November 2005 aufgelegt wurden. Diese einzelnen Programmpunkte befinden sich in der Umsetzung oder sind bereits umgesetzt.

Eine Stellungnahme zu den einzelnen Punkten der Entschließung füge ich als Anlage bei. Ich bitte Sie, den Bundesrat hierüber zu informieren.

Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates zur Optimierung der Lebensmittelsicherheit

I. Forderungen nach Initiativen auf Gemeinschaftsebene

1. Einführung einer Meldepflicht

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2005 hat sich Herr Bundesminister Seehofer an Kommissar Kyprianou mit der Bitte gewandt, die Meldepflicht in Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 auf Lebensmittelunternehmer auszuweiten, denen unsichere Lebensmittel angeboten werden und die diese zurückweisen.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2006 an Herrn Bundesminister Seehofer hatte dieser den Vorschlag zunächst positiv als eine Verbesserung des Gemeinschaftsrechts bewertet und eine entsprechende Diskussion unter den mit den Mitgliedstaaten befürwortet.

Nachdem die Angelegenheit zwischenzeitlich zweimal im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit behandelt worden war, teilte Kommissar Kyprianou mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 mit, dass die Kommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht plane, die Meldepflicht zu erweitern, da eine solche Änderung des Gemeinschaftsrechts als allgemeine Maßnahme alle Lebensmittel betreffen würde. Statt dessen kündigte er ein Paket neuer Vorschriften an, die spezifisch Probleme bei der Konservierung und Lagerung von tiefgefrorenen Lebensmitteln lösen sollen.

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hält die Einführung einer solchen Meldepflicht aber nach wie vor für notwendig. Eine entsprechende Regelung soll im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch verankert werden; ein entsprechender Entwurf wird in Kürze vorgelegt.

2. Einführung einer Kodierung

Nach Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Futtermitteln, von der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren und allen sonstigen Stoffen, die dazu bestimmt sind, oder von denen erwartet werden kann, dass sie in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet werden, in allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen sicherzustellen. Die Unternehmer haben dazu geeignete Systeme und Verfahren einzurichten. Damit werden die zuständigen Überwachungsbehörden in die Lage versetzt, die Lieferwege von Erzeugnissen schnell und ohne größeren Aufwand in Erfahrung bringen zu können. Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch verpflichtet die Unternehmer darüber hinaus, Informationen zur Rückverfolgbarkeit, die in elektronischer Form vorhanden sind, den zuständigen Behörden auf Anforderung elektronisch zu übermitteln.

Sicherlich gibt es bei den derzeitigen Regelungen zur Rückverfolgbarkeit Verbesserungspotenzial. Dazu könnte auch eine EU-einheitliche Kodierungspflicht Rh verpackte Lebensmittel, aus der die zentralen kontrollrelevanten Produktinformationen hervorgehen, gehören.

Eine solche Kodierungspflicht kann aber nur dann ernsthaft ins Auge gefasst werden, wenn sie technisch für alle verpackten Lebensmittel machbar ist und die damit für die Wirtschaft einhergehenden Kosten sicher beziffert werden können.

Die Länder werden daher gebeten, über das Ergebnis einer diesbezüglichen Prüfung zu unterrichten. Erst danach wird zu entscheiden sein, ob ein derartiges Anliegen von deutscher Seite an die zuständigen Stellen der Kommission herangetragen werden sollte.

3. Einführung einer verbesserten K3-Kennzeichnung

Auf Gemeinschaftsebene wird zur Zeit ein Verordnungsentwurf erörtert, der die Kennzeichnung tierischer Nebenprodukte der Kategorien 1 und 2 betrifft. Nach dem gegenwärtigen Stand der Erörterungen findet eine Ausweitung der Kennzeichnungsverpflichtungen auf Material der Kategorie 3 keine Unterstützung auf Gemeinschaftsebene. Geprüft wird jedoch die Möglichkeit einer Rechtsgrundlage zur Verbesserung der Überwachung von Material der Kategorie 3.

4. Verschärfte Regelungen zur Mindesthaltbarkeit

Gegenstand der Erörterungen der LAGV-Arbeitsgruppe "Lebensmittel, Wein, Bedarfsgegenstände und Kosmetika" am 13./14.11. 2006 in Bremen war auch die Zulässigkeit einer nachträglichen Verlängerung das Mindesthaltbarkeitsdatums. Die Arbeitsgruppe hat beschlossen, ein zwischen ihr und der LAGV Arbeitsgruppe "Fleisch- und Geflügelfleischhygiene und fachspezifische Fragen von Lebensmitteln tierischer Herkunft" abgestimmtes Empfehlungspapier (Grundlage für Verfahrensanweisung) zu erarbeiten, das sowohl dem Lebensmittelunternehmer als auch den Überwachungsbehörden eine auf einer geltenden Rechtsgrundlage basierende Handlungsempfehlung zur Verlängerung des Mindesthaltbarkeitsdatums geben soll. Die Vorlage des Empfehlungspapiers bleibt abzuwarten.

5. Einführung eines Sachkundenachweises

Für den Bereich des Lebensmittelhygienerechts ist generell darauf hinzuweisen, dass das vorrangige Gemeinschaftsrecht bereits Regelungen zur Schulungsverpflichtung enthält. Nach den geltenden Rechtsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene ist jeder Lebensmittelbetrieb verpflichtet, die Schulung seiner Mitarbeiter in Fragen der Lebensmittelhygiene zu gewährleisten. Außerdem müssen in den Betrieben Mitarbeiter, die für die Durchführung HACCP-orientierter Überwachungsprogramme zuständig sind, in den Fragen der Anwendung der HACCP-Grundsätze geschult werden. Diese Anforderungen und Maßnahmen aus den Schulungsverpflichtungen verfolgen eine ähnliche Zielsetzung wie der angesprochene Sachkundenachweis. Die aktuellen Überlegungen des BMELV, die inzwischen in Zusammenarbeit mit Vertretern der Länder erarbeitet wurden, sehen vor, dass in die zur Zeit in Erarbeitung befindlichen Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts auch Regelungen zur Sachkunde aufgenommen werden sollen. Die vorgesehenen Regelungen orientieren sich an den Vorgaben des europäischen Lebensmittelhygienerechts (Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene). Im Einzelnen sollen die Anforderungen an die Inhalte der nach dem EU-Lebensmittelhygienerecht vorgesehenen Schulung über Fragen der Lebensmittelhygiene auf Grund eines risikobasierten Ansatzes konkretisiert werden. Dabei sollen bereits vorhandene berufliche Qualifikationen und Fachkenntnisse bei Personen, die mit Lebensmitteln umgehen, im Hinblick auf Schulungsverpflichtungen in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Mit der Verkündung der genannten Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts ist nach derzeitigem Planungsstand im 1. Halbjahr 2007 zu rechnen."

6. Pflicht zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten

Die Festlegung von Verantwortlichkeit innerhalb betrieblicher Abläufe ist fester Bestandteil der Qualitätsmanagementsysteme von Unternehmen. Größere Unternehmen haben in der Regel bereits solche Systeme. Insbesondere bei der Durchführung HACCP-orientierter Überwachungsprogramme. Für kleinere Unternehmen erscheint die Bestellung eines eigenen Beauftragten zur Überwachung der Lebensmittelhygiene unverhältnismäßig und dürfte erhebliche Kosten für solche Unternehmen mit sich bringen. Die Entschließung enthält weder Angaben zu Unterscheidungsmerkmalen großer von kleinen Unternehmen noch dazu, was als erforderliche Qualifikation für einen Betriebsbeauftragten fir Hygiene anzusehen ist. Darüber hinaus sind weitere Differenzierungsmerkmale z.B. bezüglich der Art des hergestellten Produktes oder der Art des Betriebes festzulegen. Eine Mehrheit auf Gemeinschaftsebene fiir eine derart pauschale und undifferenzierte Forderung scheint daher fraglich.

7. Förderung von Zertifizierungen

Im Lebensmittelbereich gibt es verschiedene gemeinschaftsweit bereits anerkannte Zertifizierungssysteme. Die Entscheidung für ein bestimmtes System ist gebunden an die Wahl der Zertifizierungsstelle. Die Zertifizierung ist Ausdruck der Eigenverantwortung unserer Wirtschaft. Diese ist daher zunächst von ihr selbst wahrzunehmen. Eine Vereinheitlichung bereits bestehender Systeme würde einen Eingriff in freie unternehmerische Entscheidungsmöglichkeiten bedeuten.

II. Forderungen nach Initiativen auf nationaler Ebene Lückenschluss im Hygienerecht

Der Grundgedanke des EG-Lebensmittelhygienerechts, nach der die primäre Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit dem Lebensmittelunternehmer übertragen ist, bringt es mit sich, dass viele Einzelanforderungen nicht mit der bislang im nationalen Recht üblichen Bestimmtheit formuliert sind, sondern es dem Lebensmittelunternehmer überlassen bleibt, im Einzelfall geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit von Lebensmitteln zu gewährleisten. Durch die Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung vom 19. September 2006 wurden die Anforderungen des seit dem 1. Januar 2006 unmittelbar anwendbaren neuen EG-Lebensmittelhygienerechts bewehrt, die nach der insoweit maßgeblichen nebenstrafrechtlichen Prüfung durch den BMJ den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes des Artikels 103 Abs. 2 des Grundgesetzes entsprechen.

Derzeit wird im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der Entwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung der Lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung erarbeitet, mit dem u.a. das Fundstellenverzeichnis der zitierten EU-Verordnungen aktualisiert werden soll.

Die vorgeschlagene Ergänzung von § 2 der Lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung wird im Rahmen dieser anstehenden Änderung geprüft werden.

Um verbliebene Strafbarkeitslücken nach Möglichkeit zu schließen, sollen nach informeller Abstimmung mit dem BMJ im Rahmen der Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts die Bußgeld bewehrte "Hygiene-Generalklausel" der geltenden Lebensmittelhygiene-Verordnung (§ 3) fortgeführt werden. Diese Regelung ist 1997 getroffen worden, um Verstöße gegen die ebenfalls nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechenden Anforderungen des damaligen Gemeinschaftsrechts bewehren zu können.

Dessen ungeachtet sind die Länder im Rahmen der Bund-Länder-Besprechung zum Entwurf einer Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts gebeten worden mitzuteilen, ob und wenn ja, welche Verbote und Beschränkungen zur Schließung weiterer erheblicher Strafbarkeitslücken in die Durchführungsverordnung aufgenommen werden sollten. Die Diskussion hierüber mit den Ländern dauert derzeit noch an.