Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Kinderschutzes
(Kinderschutzgesetz)

Der Bundesrat hat in seiner 856. Sitzung am 6. März 2009 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

2. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 3 1. Halbsatz und § 3 Absatz 3 1. Halbsatz KiSchZusG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Die Änderung dient der Klarstellung und der aus datenschutzrechtlicher Sicht notwendigen Beschränkung auf die erforderlichen Informationen.

Der Begriff der personenbezogenen Daten ist im Bundesdatenschutzgesetz definiert ( § 3 Absatz 1 BDSG). Danach sind dies Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.

Der im Entwurf verwendete Begriff der "gewichtigen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung" ist für die Mitteilung an das Jugendamt missverständlich. Denn zum einen benötigen die Jugendämter für eine Gefährdungseinschätzung oder für Maßnahmen zum Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht nur die gewichtigen Anhaltspunkte, die für eine Gefährdung des Wohls bekannt geworden sind, sondern auch persönliche Angaben wie Namen, Geburtstag und Anschrift des Kindes oder Jugendlichen. Zum anderen ist eine Weiterleitung personenbezogener Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen auf den für den Zweck erforderlichen Umfang zu beschränken.

3. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 4 - neu - KiSchZusG)

In Artikel 1 ist § 2 folgender Absatz 4 anzufügen:

Begründung

In mehreren Ländern - u. a. in Bayern (Artikel 14 Absatz 6 Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz) - existiert bereits eine gesetzliche Pflicht, wonach die in Absatz 1 genannten Personen nicht nur befugt, sondern verpflichtet sind, dem Jugendamt entsprechende Anhaltspunkte mitzuteilen. Nur eine solche Regelung wird dem in der Begründung angesprochenen "aktiven Kinderschutz" gerecht und schafft die dringend erforderliche Rechtssicherheit. Durch den angefügten Absatz wird klargestellt, dass weitergehendes Landesrecht die entsprechenden bundesrechtlichen Regelungen insoweit ergänzen kann.

4. Zu Artikel 1 (§ 3 KiSchZusG)

Der Bundesrat hält die Regelungen des Artikels 1 § 3 des Gesetzentwurfs - soweit sie die Lehrerinnen und Lehrer betreffen - für nicht verfassungskonform. Für die Bildung sind die Länder zuständig, die auch in der großen Mehrheit bereits deutlich weitergehende Regelungen in ihren Schulgesetzen beschlossen haben. Hier greift der Gesetzentwurf auch inhaltlich zu kurz.

5. Zu Artikel 1a - neu - (§ 20e - neu - und Inhaltsübersicht SGB V)

Nach Artikel 1 ist folgender Artikel 1a einzufügen:"

Artikel 1a
Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

Im Fünften Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird nach § 20d folgender Paragraph eingefügt:"

§ 20e
Primäre Prävention durch regionale Netzwerke

Als Folge ist in der Inhaltsübersicht nach der Angabe zu Artikel 1 die Angabe "Artikel 1a Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch" einzufügen.

Begründung

Während der letzten Jahre haben sich in allen Ländern regionale Netzwerke gebildet, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten und nicht selten ohne gesicherte finanzielle Absicherung der Verbesserung der Kindergesundheit und der Sicherung des Kindeswohls dienen. In einigen dieser Netzwerke leisten gut geschulte ehrenamtlich tätige Personen einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung und Entlastung von Schwangeren, Müttern und Familien. Insbesondere der präventive Hausbesuch in der Lebenswelt des Kindes ist ein sehr geeignetes Instrument, um die gesundheitliche Entwicklung von Kindern in den ersten Lebensjahren nachhaltig zu fördern. Durch diesen primärpräventiven, sozial nicht diskriminierenden Ansatz können auch Kindesgefährdungen vermieden bzw. frühzeitig erkannt werden.

Um diese präventiven Leistungen regionaler Netzwerke finanziell abzusichern und den Aufbau weiterer regionaler Netzwerke zur Förderung der Gesundheit und des Wohls von Kindern zu ermöglichen, ist eine gesetzliche Regelung im Fünften Buch Sozialgesetzbuch unerlässlich, welche die Krankenkassen zu einem angemessenen Zuschuss zu den von diesen Netzwerken erbrachten präventiven Leistungen verpflichtet. Durch diesen Zuschuss soll insbesondere die professionelle Gewinnung, Schulung, Koordination und Unterstützung der ehrenamtlich tätigen Personen sichergestellt werden.

6. Zu Artikel 2 Nummer 2 (§ 72a Absatz 2 und 3 SGB VIII)

In Artikel 2 Nummer 2 ist § 72a wie folgt zu ändern:

Begründung

Zu Buchstabe a:

Die Regelung beseitigt Unklarheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 72a SGB VIII auf Vereinsvormundschaften. Diese werden in aller Regel von Trägern der freien Jugendhilfe durchgeführt und unterliegen dem Erlaubnisvorbehalt des § 54 Absatz 1 SGB VIII. Im Rahmen solcher Vormundschaften muss darauf vertraut werden dürfen, dass die Kinder nicht von Mitarbeitern betreut werden, die den Anforderungen des § 72a SGB VIII nicht genügen.

Zu Buchstabe b:

Die Änderungen stellen zunächst klar, dass die Adressaten der jeweiligen Erlaubnis (der Entwurf spricht wenig präzise von "betroffenen Personen") Führungszeugnisse vorlegen sollen. Nur dies ist sachgerecht und entspricht der Systematik und inhaltlichen Logik der §§ 72, 72a SGB VIII sowie der Erlaubnisvorbehalte des SGB VIII. Die Neufassung verdeutlicht weiter, dass nicht nur bei Erteilung der Erlaubnis Führungszeugnisse vorgelegt werden sollen, sondern immer, wenn im Rahmen des entsprechenden Verfahrens die persönliche Eignung zu prüfen ist. So können verbleibende Schutzlücken vermieden und ein aktiver Kinderschutz gestärkt werden.

7. Zu Artikel 2 Nummer 2 (§ 72a Absatz 3 Satz 2 und 3 - neu - SGB VIII)

In Artikel 2 Nummer 2 sind § 72a Absatz 3 folgende Sätze anzufügen: "Bestehende landesrechtliche Verfahrensregelungen zur Nachweisführung bleiben unberührt. Durch Landesrecht können abweichende Verfahrensregelungen zur geeigneten Nachweisführung getroffen werden."

Begründung

Die vorgesehene Regelung des Bundes führt zu einer unverhältnismäßigen personellen Mehrbelastung der zuständigen Behörden der Länder sowie zu längeren Verfahrenszeiten und kollidiert mit bereits auf Länderebene getroffenen Regelungen zur geeigneten Nachweisführung. Durch die formulierte Öffnungsklausel sollen - bei Einvernehmen über die sachliche Gebotenheit der Nachweiserbringung - landesspezifische Verfahrensregelungen zugelassen werden.

8. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 86c Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 SGB VIII)

In Artikel 2 Nummer 3 ist § 86c wie folgt zu ändern:

Begründung

Bei Zielkonsens über die Notwendigkeit eines verbindlichen Übergabeverfahrens sollte andererseits eine Überregulierung zu Form, Art, Ort und konkreten Beteiligungen sowie Ausnahmetatbeständen im Gesetz selbst unterbleiben. Die vorgeschlagene Änderung reicht materiellrechtlich als bundesgesetzliche Verpflichtung aus, zumal die Ausgestaltung von Hilfeplangesprächen bereits in § 36 SGB VIII hinreichend geregelt ist.