Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zur Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Ergänzung des Beschlusses des Rates vom 22. Mai 2017 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Einzelheiten seines Austritts aus der Europäischen Union

C(2018) 4204 final

Europäische Kommission
Brüssel, 5,7.2018 C(2018) 4204 final Herrn Michael MÜLLER

Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
D-10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission möchte dem Bundesrat für seine Stellungnahme zur Empfehlung der Kommission zu einem Beschluss des Rates vom 22. Mai 2017 über die Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Einzelheiten seines Austritts aus der Europäischen Union {COM (2017) 830 final} danken.

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ist ein außerordentliches und beispielloses Ereignis. Die Kommission erhielt vom Rat den Auftrag, als Verhandlungsführer in Artikel-50-Formation (d.h. mit einer Delegation, in der die restlichen 27 Mitgliedstaaten vertreten sind) die Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich im Rahmen von Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union im Namen der Union zu führen. Der Europäische Rat (Artikel 50) hat am 29. April 2018', am 15. Dezember 20172 und am 23. März 20183 detaillierte Leitlinien für diese Verhandlungen verabschiedet. Darüber hinaus hat der Rat (Artikel 50) auf Ebene der 27 Mitgliedstaaten am 22. Mai 20174 und am 29. Januar 20185 Verhandlungsrichtlinien auf der Grundlage der oben genannten Empfehlung der Kommission verabschiedet. Alles, was die Kommission in Bezug auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union unternimmt, beruht daher auf einen? klaren Mandat seitens des Europäischen Rates und des Rates in ihrer jeweiligen Artikel-50-Formation. Das Europäische Parlament wird von der Kommission umfassend und regelmäßig im Rahmen des Brexil-Lenkungsausschusses informiert.

Die Kommission bedauert die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, aus der Europäischen Union auszutreten, respektiert aber diese demokratische Entscheidung.

Oberste Priorität der Kommission ist es, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs geordnet auf der Grundlage einer Vereinbarung gemäß Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union erfolgt. Die Verhandlungsführer haben erhebliche Fortschritte und dabei eine Einigung über Teile des Rechtstexts des Abkommens über den Austritt in Bezug auf die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die finanziellen Verpflichtungen, eine Reihe weiterer Austrittsthemen und den Übergang erzielt. Weitere Fragen sind jedoch rechtlich noch zu klären, und Verhandlungen können nur dann vorankommen, wenn alle bislang eingegangenen Verpflichtungen in vollem Umfang eingehalten werden. Nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.

Künftig möchte die Europäische Union, wie in den Leitlinien des Europäischen Rates vom 29. April 2017 dargelegt, eine möglichst enge Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich unterhalten. Jedes derartige Abkommen muss sich auf ein ausgewogenes Verhältnis von Rechten und Pflichten stützen und gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten.

Der Europäische Rat hat am 23. März 2018 weitere Leitlinien für die künftigen Beziehungen festgelegt. Diesen Leitlinien zufolge sollte eine Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich den Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie Bereiche wie die Bekämpfung von Terrorismus und internationaler Kriminalität sowie die Verteidigung und Außenpolitik abdecken. Das Vereinigte Königreich hat wiederholt Standpunkte eingenommen, die die Tiefe einer solchen künftigen Partnerschaft begrenzen. Wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr der Zollunion und dem Binnenmarkt angehört, werden unweigerlich Spannungen im Handel auftreten. Die Leitlinien des Europäischen Rates vom 23. März 2018 spiegeln daher das Niveau der Rechte und Pflichten wider, die im Einklang mit den Standpunkt des Vereinigten Königreichs stehen.

Die Kommission stimmt mit dem vom Bundesrat geäußerten Wunsch überein, einen möglichst freien Austausch von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen zu führen, der gleichzeitig die Integrität und das Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet. Das Vereinigte Königreich hat den Wunsch geäußert, den Binnenmarkt zu verlassen. Es kann kein "Rosinenpicken" je nach sektorspezifischer Teilnahme am Binnenmarkt geben.

Die Europäische Union ist bereit, an einem ausgewogenen, ehrgeizigen und umfassenden Freihandelsabkommen zu arbeiten, solange ausreichende Garantien für gleiche Wettbewerbsbedingungen bestehen. Gegenstand eines solchen Abkommen wären folgende Aspekte:

Im allgemeinen Rahmen des Freihandelsabkommens sollte der bestehende gegenseitige Zugang zu den Fischereigewässern und -ressourcen beibehalten werden.

Damit das Abkommen für beide Seiten die gewünschten Ergebnisse bringen kann, müssen die künftigen Beziehungen auch solide Garantien umfassen, die gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherstellen. Unfaire Wettbewerbsvorteile für das Vereinigte Königreich durch Unterbietung des Schutzniveaus und der Normen der Europäischen Union in Bereichen wie Wettbewerb und staatliche Beihilfen, steuerliche, soziale, ökologische und ordnungspolitische Maßnahmen und Praktiken müssen verhindert werden. Dies erfordert eine Kombination von materiellrechtlichen Vorschriften im Einklang mit den europäischen und internationalen Normen, angemessene Durchführungsmechanismen, Durchsetzungs- und Streitbeilegungsmechanismen sowie autonome Maßnahmen der Europäischen Union.

Hinsichtlich einiger Aspekte der Stellungnahme des Bundesrates würde die künftige Partnerschaft auch andere Bereiche der Zusammenarbeit abdecken. Im Einklang mit den Leitlinien des Europäischen Rates

Für die Beteiligung des Vereinigten Königreichs an Programmen der Europäischen Union, etwa in den Bereichen Forschung und Innovation sowie Bildung und Kultur, werden dieselben Bedingungen gelten wie für Drittländer.

Strafverfolgung und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen sollte ein wichtiger Bestandteil der künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich sein und den wirksamen Informationsaustausch, die Unterstützung der operativen Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen abdecken. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das Vereinigte Königreich ein Drittland außerhalb des Schengen-Besitzstands sein wird.

Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrats angesprochenen Punkte mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Frans Timmermans Erster Vizepräsident