Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates: "Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern; Nachunternehmerhaftung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Unternehmen der Zustellbranche ausweiten"

Bundesministerium für Arbeit und Soziales Berlin, 5. Februar 2020
Parlamentarische Staatssekretärin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
anbei übersende ich die erbetene Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates "Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern; Nachunternehmerhaftung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Unternehmen der Zustellbranche ausweiten" (BR-Drs. 092/19 (PDF) Beschluss).

Mit ausgezeichneter Hochachtung
Kerstin Griese

Stellungnahme zur Entschließung des Bundesrates vom 12. April 2019: "Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern; Nachunternehmerhaftung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Unternehmen der Zustellbranche ausweiten" (BR-Drs. 092/19 (PDF) Beschluss) vom 5. Februar 2020

Der wesentliche Inhalt der Entschließung des Bundesrats ist mit dem Gesetz zur Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketbranche zum Schutz der Beschäftigten (Paketboten-Schutz-Gesetz), das am 23. November 2019 in Kraft trat, umgesetzt worden (BGBl. I 2019 S. 1602).

Mit dem Gesetz werden die bisher für die Baubranche und die Fleischwirtschaft geltenden Regelungen zur Haftung für Sozialversicherungsbeiträge auch auf die Paketdienstbranche übertragen. Für diese Branche gilt nun, dass ein Hauptunternehmer für die Pflicht der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen seines Nach- bzw. Subunternehmers haftet, wenn dieser seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt. Er hat jedoch die Möglichkeit, sich von der Haftung für seinen Nachunternehmer zu befreien, in dem er entweder eine vom Nachunternehmer beizubringende Präqualifikation vorlegt oder alternativ über Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Einzugsstelle(n) verfügt. Die Entschließung sieht vor, dass der Ausschluss der Haftung durch Exkulpation lediglich auf die bei der Einzugsstelle gemeldeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt wird. Dies wird von der Bundesregierung abgelehnt. Nach geltendem Recht haftet der sogenannte Generalunternehmer für einen Nachunternehmer nicht, wenn er nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllt. Unbedenklichkeitsbescheinigung und Präqualifikation wären für den Generalunternehmer letztlich wertlos, wenn er ausnahmslos haftet, falls Beschäftigte vom Nachunternehmer nicht gemeldet werden.

Mit dem Gesetz wurde gleichzeitig auch vorgesehen, dass der Nachunternehmer künftig erweiterte sozialversicherungsrechtliche Aufzeichnungspflichten hat. Er ist jetzt verpflichtet, für jeden seiner Beschäftigten Aufzeichnungen zu führen, aus denen hervorgeht, im Rahmen welches Auftragsverhältnisses dieser tätig geworden ist. Dies gilt in der Paketdienstbranche nur dann nicht, wenn er anhand einer Präqualifikation oder durch Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Einzugsstelle(n) seine Verlässlichkeit nachgewiesen hat.

Eine Erweiterung der Dokumentationspflichten zur genauen Erfassung der täglichen Arbeitszeiten in der Zustellbranche, wie in der Entschließung gefordert, wird von der Bundesregierung abgelehnt. In Anlehnung an die Forderung in der Entschließung hatte der Bundesrat auch in seiner Stellungnahme vom 11. Oktober 2019 zum Entwurf des o.g. Gesetzes entsprechende Ergänzungen im Mindestlohngesetz, im Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gefordert, die eine Ausweitung der Aufzeichnungspflichten zur Erfassung der täglichen Arbeitszeiten zum Ziel hatten (siehe Anlage 1). Auf die Ausführungen in der Gegenäußerung der Bundesregierung vom 16. Oktober 2019 zu dieser Stellungnahme (siehe Anlage 2) wird in diesem Zusammenhang daher verwiesen.

Eine gesetzliche Ausweitung von Aufzeichnungspflichten, die eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber im Bereich der Paketbranche zur Aufzeichnung von Arbeitsaufnahme, Arbeitsende und Dauer der täglichen Arbeitszeit beinhaltet und über die besonderen sozialversicherungsrechtlichen Aufzeichnungspflichten hinausgeht, erhöht hinsichtlich der geregelten Details die Gefahr ungewollter Rückschlüsse in Bezug auf andere Branchen. Zudem sollten aktuell alle Überlegungen zur Änderung von Vorschriften zur Arbeitszeitaufzeichnung den Bezug zu der insbesondere von der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof angestoßenen Grundsatzdebatte um die Arbeitszeitaufzeichnungspflichten im Blick behalten.

Die Entschließung sieht ferner vor, dass die Bundesregierung die Ausdehnung der sozialversicherungsrechtlichen Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche auch auf die Bestellerin oder den Besteller (Versandhandelsunternehmen) prüfen möge.

Eine Ausweitung auf den Bereich des Versandhandels wird von der Bundesregierung nicht beabsichtigt und ist auch nicht geplant. Ziel der gesetzlichen Regelung ist es allein, Missständen in der Paketdienstbranche im Zusammenhang mit der Beförderung von Paketen entgegenzuwirken. Nicht Bestandteil dieser Branche ist der Versandhandel selbst. Eine solche Ausweitung ginge insgesamt weit über dieses Ziel und den Bereich der Paketdienstbranche hinaus und würde insbesondere auch kleine Unternehmen treffen, die selbst wirtschaftlich nicht in der Lage wären, entsprechende Forderungen der Sozialversicherung zu begleichen.

Es ist gesetzlich vorgesehen, das Paketboten-Schutz-Gesetz durch einen Bericht der Bundesregierung unter Beteiligung des Normenkontrollrates zum 31. Dezember 2023 über die Wirksamkeit und Reichweite der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge zu evaluieren.