Empfehlungen der Ausschüsse
Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen

943. Sitzung des Bundesrates am 18. März 2016

A

Begründung:

Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Zahlungskontengesetz (ZKG) erstmals für alle Bürgerinnen und Bürger ein Rechtsanspruch auf Zugang zu einem eigenen Konto und damit das "Girokonto für jedermann" geschaffen wird.

Der Bundesrat begrüßt auch, dass das Gesetz zu Gunsten der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher einen umfassenden Rechtsschutz zur Durchsetzung dieses Rechtsanspruchs vorsieht. Er stellt aber fest, dass die Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes in einem Teilbereich weder verbraucherfreundlich noch nachvollziehbar ist und sich überdies nicht in die Systematik der Prozessordnungen einfügt:

Das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz sieht in §§ 48 ff. ZKG vor, dass Berechtigte, deren Antrag auf Abschluss eines Basiskontovertrages von dem Verpflichteten (Kreditinstitut) verweigert wird, ein Wahlrecht zwischen drei Rechtsschutzoptionen ausüben können: Sie können entweder ein Verfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle oder ein Klageverfahren vor dem Zivilgericht unmittelbar gegen das Kreditinstitut durchführen oder ein Verwaltungsverfahren bei der BaFin als Aufsichtsbehörde beantragen.

Entscheiden sich die Berechtigten für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, so soll im Falle einer anschließenden Klage gegen die Entscheidung der BaFin das Zivilgericht (Landgericht) für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der getroffenen oder der unterlassenen Entscheidung der BaFin zuständig sein (§ 50 Absatz 1 ZKG), obgleich die BaFin ein Verwaltungsverfahren nach den hierfür geltenden verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen durchführt.

Der Bundesrat hält diese Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes in der vorgenannten Fallkonstellation für nicht nachvollziehbar und nicht praktikabel. Die vorgesehene Kombination aus verwaltungs- und zivilprozessualen Elementen sowie die gerichtliche Zuständigkeitszuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit - hier Landgerichte - ist überdies systemwidrig, weil ein ordentliches Gericht über die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung befindet. Die Zuständigkeit der Zivilgerichte in dieser Fallkonstellation widerspricht auch der Systematik der Prozessordnungen, denn das Zivilverfahren ist für eine Vielzahl der für die gerichtliche Überprüfung im ZKG enthaltenen und dem Verwaltungsprozess nachgebildeten Besonderheiten nicht ausgelegt, wie beispielsweise der Vorschaltung eines behördlichen Widerspruchsverfahrens vor Klageerhebung, der gesetzlichen Anordnung des Entfallens der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage, dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Amtsermittlungs- und Untersuchungsgrundsatz gegenüber dem zivilverfahrensrechtlichen Beibringungsgrundsatz und den Regelungen zum vorläufigen Rechtsschutz.

Der Bundesrat hält daher bei Klagen gegen Entscheidungen der BaFin die Anordnung des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten für geboten, da es sich um eine Entscheidung in einer originär öffentlichrechtlichen Streitigkeit handelt. Er hatte bereits im ersten Durchgang des Gesetzgebungsverfahrens in seiner Stellungnahme einen Änderungsvorschlag beschlossen, der eine systemgerechte Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes vorsah (BR-Drucksache 537/15(B) HTML PDF , Ziffer 19).

Der Bundesrat bedauert, dass der Deutsche Bundestag diese Stellungnahme übergangen hat, obgleich die geforderte Änderung in Übereinstimmung mit der weit überwiegenden Mehrheit der zivil- und verwaltungsgerichtlichen Praxis erfolgt ist, die im Vorfeld des Gesetzesbeschlusses zur Rechtswegausgestaltung befragt worden war. Die o.g. Stellungnahme des Bundesrates sah zudem bereits konkrete Formulierungsvorschläge vor, die ohne erheblichen Aufwand hätten umgesetzt werden können.

Die Begründung in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des federführenden Finanzausschusses des Deutschen Bundestages für die Beibehaltung der Rechtswegzuweisung (BT-Drucksache 18/7691, S. 84 ff.) überzeugt nicht. Entgegen der Bewertung des Deutschen Bundestages entscheidet die BaFin nicht im Kern über das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines zivilrechtlichen Anspruchs, sondern darüber, ob die in §§ 35 bis 37 ZKG genannten Ablehnungsgründe vorliegen. Die Behörde führt damit eine Form der "Zuverlässigkeitsprüfung" des Antragstellers durch, die dem öffentlichen Recht näher ist als dem Zivilrecht.

Der Bundesrat hält auch die in der genannten Beschlussempfehlung angesprochene "drohende Rechtswegzersplitterung" für nicht nachvollziehbar, die angeblich dann entstehen soll, wenn neben dem reinen Zugang zum Basiskonto noch andere Streitigkeiten zwischen Verbraucher und Kreditinstitut im gerichtlichen Verfahren geklärt werden müssen (Höhe der geschuldeten Entgelte, des Umfangs des Leistungsinhalts oder Berechtigung einer Kündigung). Die Argumentation übersieht, dass im Vorverfahren die BaFin ausschließlich überprüft, ob Gründe vorliegen, die ein Kreditinstitut zur Ablehnung der Einräumung eines Zahlungskontos berechtigen. Erst als Ergebnis dieser Prüfung ordnet die BaFin gegenüber dem Kreditinstitut den Abschluss des Basiskontovertrages oder die Eröffnung des Basiskontos an oder lehnt ihn ab. Die Frage des Abschlusses eines Basiskontovertrages ist damit logisch sämtlichen Folgestreitigkeiten - wie auch den oben beispielhaft genannten - vorgelagert, so dass widersprüchliche Rechtswege jedenfalls dann ausscheiden, wenn der betroffene Verbraucher gegen die ablehnende BaFinEntscheidung gerichtlich vorgeht.

Die Ausgestaltung des Rechtsweges widerspricht auch der Auffassung der Landesjustizministerinnen und Landesjustizminister (vgl. z.B. die Beschlüsse der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder vom 29./30. Juni 2005, vom 011/12. Juni 2008 und jüngst vom 17./18. Juni 2015, mit denen jeweils das Ziel der Bereinigung des Systems der Rechtswegzuweisungen verfolgt wurde). Auch danach ist die Zuweisung von originär öffentlichrechtlichen Streitigkeiten an die Verwaltungsgerichtsbarkeit geboten.

Entgegen der Einschätzung des Deutschen Bundestages hält der Bundesrat diese Rechtswegzuweisung zum Zivilgericht nicht für verbraucherfreundlich, sondern im Gegenteil für nachteilig für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Während das Zivilgericht aufgrund des dort geltenden Beibringungsgrundsatzes auf das Vorbringen der Parteien beschränkt ist, gilt beim Verwaltungsgericht der Amtsermittlungsgrundsatz, nach dem das Verwaltungsgericht insbesondere zum Vorteil von nicht anwaltlich vertretenen Verbraucherinnen und Verbrauchern Tatsachengrundlagen selbst ermitteln und würdigen kann. Gerade zu Gunsten von sozial schwachen Menschen, denen bislang ein Basiskonto von Banken verweigert worden war und die überwiegend als Zielgruppe eines solchen Anspruchs in Betracht kommen, würde die Rechtsdurchsetzung damit vereinfacht. Darüber hinaus dürfte es den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch kaum verständlich sein, warum die im Vorverfahren gegenüber der BaFin geltenden öffentlichrechtlichen Verfahrensgrundsätze nicht mehr im anschließenden (zivilgerichtlichen) Klageverfahren gelten.

Angesichts des Umstandes, dass die Umsetzungsfrist der dem Gesetz zugrundeliegenden Richtlinie erst am 18. September 2016 abläuft, sieht der Bundesrat keine Hindernisse, die einer fristgerechten Änderung der Rechtswegzuständigkeit durch ein Vermittlungsverfahren im Wege stehen könnten.

B