Empfehlungen der Ausschüsse 821. Sitzung des Bundesrates am 7. April 2006
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden KOM (2005) 587 endg.; Ratsdok. 5912/06

A

Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Verkehrsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:

Die mit dem Richtlinienvorschlag angestrebte Dienstleistungsfreiheit der Klassifikationsgesellschaften im Binnenmarkt würde das Niveau der technischen Standards zumindest mittelbar absenken. Dieses würde sich nachteilig auf die Sicherheit der Seefahrt auswirken.

Von Bedeutung ist dabei, dass auf ein objektives Kriterium zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit der in der Gemeinschaft tätigen Organisationen verzichtet wird. Gerade im Hinblick auf die Tätigkeit kleinerer Organisationen erscheint ein solches Kriterium jedoch als zwingend notwendig. Die stattdessen vorgesehenen unbestimmten Rechtsbegriffe sind nicht geeignet, eine weitere Erhöhung der Qualität des Klassifikationssystems in der Gemeinschaft zu gewährleisten. Vielmehr dürften sie zu unnötigen und nicht zielführenden Debatten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten führen.

Im Gegensatz zu den Industrienormen und den internationalen Schiffssicherheitsvorschriften werden die technischen Regeln von den Klassifikationsgesellschaften ständig weiterentwickelt und dem Stand der Technik unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen angepasst. Neue Erkenntnisse und Erfahrungen werden durch das weltweite Mitarbeiternetz und durch eigene Forschungs- und Entwicklungsprojekte gewonnen. Die nunmehr von der Kommission beabsichtigte Zentralisierung der technischen Regeln unter ihrer Aufsicht würde diesen Prozess zum Nachteil der ständigen Weiterentwicklung der Schiffssicherheit zunichte machen.

Der die Entwicklung vorantreibende Konkurrenzdruck im Bestreben nach bestmöglichen Regeln im Rahmen der International Association of Classification Societies (IACS) würde aufgehoben werden. Die Absicht, kleine nationale Gesellschaften nach den "EU-Regeln" agieren zu lassen, steht im Gegensatz zu dem grundlegenden Prinzip der Klassifikation, dass der Regelsetzer selbst die Überwachung durchführt. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass bei Anwendung der komplexen Regeln die dahinter stehende Sicherheitsphilosophie zum Tragen kommt.

Die vorgesehene Bildung einer "gemeinsamen Stelle" würde die Klassifikationsgesellschaften zu "Erfüllungsgehilfen" der Kommission machen. Damit würde die funktionierende Selbstkontrolle der Gesellschaften (z.B. bei den internen Qualitätssicherungssystemen) abgelöst und die Tätigkeit der IACS auf europäischer Ebene marginalisiert werden.

Der Bundesrat ist daran interessiert, dass die Schlussfolgerungen aus den Seeunfällen der "Erika" und der "Prestige" im Rahmen des Dritten Schiffssicherheitspakets auch hinsichtlich der weiteren Verbesserung des Systems der Schiffsklassifikation berücksichtigt werden. Diesem Anspruch wird der Richtlinienvorschlag jedoch nicht gerecht, zumal die Frage, ob die technische Überwachung für die betreffenden Unfälle mit ursächlich war, erst nach dem Vorliegen der abschließenden Unfalluntersuchungsergebnisse beantwortet werden kann.

B