Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Zweite strategische Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union KOM (2008) 32 endg.; Ratsdok. 6077/08

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 7. Februar 2008 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 4. Februar 2008 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 4. Februar 2008 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 817/05 (PDF) = AE-Nr. 052947

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss UND den Ausschuss der Regionen
Zweite Strategische Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union

I. Einleitung

Die amtierende Kommission hat der Vereinfachung und Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa höchste Priorität eingeräumt. Dieses Vorhaben ist Teil des übergreifenden Ziels der Kommission, Bürgern und Unternehmen konkrete Ergebnisse zu liefern. Die Agenda für bessere Rechtsetzung von 2005 soll zum einen gewährleisten, dass alle neuen Initiativen hohen Qualitätsanforderungen genügen, und zum anderen, dass das bestehende Recht modernisiert und vereinfacht wird. Auf diese Weise werden Innovation und unternehmerische Initiative gefördert, dem Binnenmarkt zur vollen Entfaltung seines Potenzials verholfen und so zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen beigetragen.

Eine bessere Rechtsetzung ist daher ein wesentlicher Bestandteil der Lissabonner Wachstums- und Beschäftigungsstrategie. Die Agenda für eine bessere Rechtsetzung hilft der EU darüber hinaus die Globalisierung zu bewältigen und die globale Ordnung mitzugestalten, statt sich ihr zu unterwerfen.

Die Kommission nimmt an mehreren Stufen des Beschlussfassungsprozesses derzeit Verbesserungen vor. Bessere Rechtsetzung bedeutet nicht Deregulierung oder Verzicht auf neue EU-Vorschriften, wenn sie gebraucht werden. Legislativvorschläge und politische Maßnahmen werden jedoch jetzt systematisch bewertet, und für jede Initiative wird ein breites Spektrum an Alternativen - legislativer und nicht legislativer Art - geprüft. Ein unabhängiger Ausschuss für Folgenabschätzung wacht über die Qualität dieser Bewertungen. Geltende Rechtsvorschriften werden vereinfacht und kodifiziert, und es wird mit vereinten Kräften versucht die mit EU-Vorschriften verbundenen Verwaltungskosten zu senken. Anhängige Vorschläge werden überprüft und zurückgezogen, wenn sie nicht mehr relevant sind oder wenn sie nicht mehr den Prioritäten der Kommission entsprechen. Zusammen mit den Mitgliedstaaten wird derzeit eine effizientere Vorgehensweise für den Umgang mit Schwierigkeiten bei der konformen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und dessen Anwendung erarbeitet.

Die Agenda für bessere Rechtsetzung bringt Unternehmen und Verbrauchern bereits konkrete Vorteile. Sie wird ihre Wirkung jedoch nur dann voll entfalten können, wenn alle europäischen Institutionen und Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Diese Mitteilung gibt einen Überblick über die Bereiche, in denen Fortschritte erzielt wurden, sowie über die Bereiche, in denen weitere Anstrengungen erforderlich sind. Sie ist ein Beitrag zu der Bestandsaufnahme im Bereich bessere Rechtsetzung, die der Europäische Rat für März 2008 terminiert hat.

II. Modernisierung der bestehenden Rechtsvorschriften

EU-Recht macht Unternehmen, Bürgern und Behörden das Leben leichter, indem es 27 Rechtssysteme durch ein einziges ersetzt. Die im Laufe der letzten 50 Jahre erlassenen Rechtsvorschriften müssen jedoch in einer sich rasch verändernden Welt ständig überarbeitet und aktualisiert werden.

1. Vereinfachung der bestehenden Rechtsvorschriften

Ziel des fortlaufenden Vereinfachungsprogramms der Kommission ist die Vereinfachung und Modernisierung des EU-Rechts. Das Programm, das inzwischen Teil des Jahresarbeitsprogramms ist, umfasst für den Zeitraum 2005-2009 164 Maßnahmen. Die Kommission hat bereits 91 dieser Maßnahmen vorgeschlagen oder angenommen und wird 2008 weitere 44 neue Maßnahmen vorlegen.

Mit der Rechtsvereinfachung sind konkrete Vorteile verbunden. Landwirte und landwirtschaftliche Betriebe beispielsweise haben es jetzt mit einem stark vereinfachten Rechtsrahmen zu tun: 21 gemeinsame Marktorganisationen wurden jetzt in einer einzigen Regelung zusammengefasst. Auch die Verpackungsvorschriften wurden vereinfacht. Für etwa 70 Konsumgüter ist keine Vorverpackung mehr vorgeschrieben. KMU, die Arzneimittel anmelden zahlen jetzt niedrigere Gebühren und können administrative Unterstützung in Anspruch nehmen. Eine vereinfachte Typgenehmigung wird die Zulassung und den Vertrieb von Kraftfahrzeugen erleichtern, ohne dass Abstriche bei der Sicherheit gemacht werden. In einem effizienteren und stärker wettbewerbsfähigen Zahlungsverkehrsmarkt werden Zahlungen innerhalb der Europäischen Union ebenso leicht, billig und sicher vorgenommen werden können wie heute innerhalb eines Mitgliedstaats. Sobald die Überarbeitung des Versicherungsrechts (Solvabilität II) abgeschlossen ist, werden die Unternehmen in naher Zukunft von einfacheren Versicherungsbestimmungen profitieren können. Auch die Modernisierung des Zollkodexes wird sich positiv bemerkbar machen. Erleichterungen sind jetzt schon durch die Informatisierung in den Bereichen Zoll und Handel spürbar.

Die Arbeiten zur Vereinfachung des EU-Rechts sind inzwischen in vollem Gange. Die Kommission wird die Arbeiten mit unvermindertem Elan fortsetzen. Sie wird alle geltenden EU-Vorschriften auf eine mögliche Vereinfachung hin überprüfen und die Ergebnisse in das aktualisierte fortlaufende Vereinfachungsprogramm aufnehmen, dessen Vorlage für Anfang 2009 geplant ist. Weitere Vereinfachungsvorschläge werden mit den entsprechenden Folgenabschätzungen folgen1. Die Kommission wird sich vorrangig Vereinfachungsinitiativen zuwenden, die KMU zugute kommen, und die Stakeholder enger in die Vorarbeiten einbeziehen. Sie wird mit Hilfe der Folgenabschätzungen (FA) sicherstellen, dass bei neuen Legislativvorschlägen alle Vereinfachungsmöglichkeiten genutzt werden.

Die Kommission setzt zunehmend auf die Neufassung2 und Kodifizierung3 bestehender Regelungen. Von etwa 400 Rechtsakten, die für eine Kodifizierung in Frage kommen, hat die Kommission 152 fertiggestellt: 87 sind bereits erlassen worden, 65 sind noch beim Rat und beim Parlament anhängig. Das Kodifizierungsprogramm dürfte in den nächsten 18 Monaten abgeschlossen werden. Überholte Rechtsakte, die nicht mehr angewandt werden, aber noch in Kraft sind, werden von der Kommission aufgehoben. Davon sind rund 2 500 Rechtsakte betroffen. Sie könnten schneller aufgehoben werden, wenn mit dem Europäischen Parlament und mit dem Rat für diesen Zweck ein beschleunigtes Verfahren vereinbart werden könnte.

Die Kommission prüft zudem regelmäßig alle beim Gesetzgeber anhängigen Vorschläge, um sicherzugehen dass sie noch aktuell sind und den Qualitätsanforderungen genügen.

78 Vorschläge sind seit 2005 zurückgezogen worden, 30 weitere kommen dem Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 zufolge für eine Rücknahme in Frage.

2. Verringerung der Verwaltungslasten

Im Januar 2007 hat die Kommission ein Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union - um 25 % bis 2012 - angenommen4. Das Aktionsprogramm wurde vom Europäischen Rat im März 2007 gebilligt. Er stimmte der Zielvorgabe für die Reduzierung des durch EU-Vorschriften bedingten Verwaltungsaufwands zu und empfahl den Mitgliedstaaten, sich "im Rahmen ihrer Zuständigkeiten bis 2008 ähnlich ehrgeizige nationale Ziele zu setzen"5. Zwölf Mitgliedstaaten sind bislang diesem Aufruf gefolgt6.

Ein Schwerpunkt des Aktionsprogramms besteht darin, den Verwaltungsaufwand zu ermitteln der den Unternehmen dadurch entsteht, dass sie auf der Grundlage von EU-Vorschriften und nationalen Umsetzungsvorschriften Meldepflichten unterliegen. Mit der Erhebung wurde im Juli 2007 begonnen. Gegenstand sind 43 Rechtsakte (in 13 vorrangigen Bereichen), die schätzungsweise für über 80 % der EU-bedingten Verwaltungslasten verantwortlich sind7.

Hunderte durch EU-Recht bedingte Pflichten werden derzeit durchforstet und festgehalten.

Mit Unterstützung der von den Mitgliedstaaten eingerichteten zentralen Anlaufstellen wird auch geprüft, wie die EU-Anforderungen in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sind.

Beide Vorgänge dürften Anfang 2008 abgeschlossen sein. Die Kommission wird dann den Kosten- und Zeitaufwand ermitteln, der der Wirtschaft aufgrund dieser Anforderungen entsteht. Daran wird sich zeigen, welche Pflichten über die EU-Anforderungen hinausgehen und welche Kosten damit verbunden sind. Ein Vergleich dieser Größenordnung wurde bis dato noch nicht angestellt. Er wird zur Ermittlung vorbildlicher Umsetzungspraktiken beitragen. Empfehlungen zur Verringerung des Verwaltungsaufwands dürften Ende 2008 vorliegen. Im Bereich des Gesellschaftsrechts ist die Kommission ihrem Zeitplan voraus, so dass sie schon im Sommer 2008 Vorschläge vorlegen kann. Die Erhebungen der Mitgliedstaaten zeigen, dass der Verwaltungsaufwand in diesem Bereich erheblich ist:

Frühzeitiges Handeln wäre daher eindeutig von Vorteil.

Die Kommission sichtet darüber hinaus die Vorschläge, die von den Mitgliedstaaten und von Unternehmen im Rahmen einer Online-Konsultation zum Thema "Verringerung der Verwaltungslasten" eingegangen sind8. Sie wird auch auf den fachlichen Rat der Hochrangigen Gruppe für den Bürokratieabbau zurückgreifen, die ihre Arbeit im Januar 2008 unter Vorsitz von Dr. Edmund Stoiber aufgenommen hat. Der Gruppe gehören Leiter mehrerer Einrichtungen an, die Programme zum Bürokratieabbau in den Mitgliedstaaten betreuen sowie Vertreter der Industrie, von KMU sowie von Umwelt- und Verbraucherverbänden, die alle über einschlägige Erfahrungen im Bereich bessere Rechtsetzung verfügen. Die Kommission wird die Reduzierung unnötiger Verwaltungslasten durch Förderung des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien fortsetzen.

Um rasche Ergebnisse vorweisen zu können, sind im Aktionsprogramm zehn Sofortmaßnahmen aufgeführt, mit denen durch relativ geringfügige gesetzliche Änderungen eine beträchtliche Kostenersparnis erzielt werden soll (schätzungsweise 1,3 Mrd. EUR). Die Kommission hat hierzu in einem Zeitraum von etwa sechs Monaten vier entsprechende Legislativpakete angenommen. Ein Vorschlag hat das Mitentscheidungsverfahren in Rekordzeit durchlaufen. Die anderen fünf dürften Anfang 2008 verabschiedet werden. Die Kommission wird auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates eine Reihe weiterer Maßnahmen dieser Art vorlegen9.

III. Die Einbeziehung der Folgenabschätzung in den politischen Prozess

Das integrierte Folgenabschätzungssystem der Kommission hilft der EU beim Entwurf besserer Strategien und Regelungen. Eine Folgenabschätzung verhilft zu sachkundigeren Entscheidungen im gesamten Rechtsetzungsprozess und einer besseren Qualität der Vorschläge. Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit werden besser gewahrt ebenso die Übereinstimmung mit übergreifenden Zielen wie der Lissabon-Strategie und der Strategie für eine nachhaltige Entwicklung. Eine Folgenabschätzung ermöglicht der Kommission auch eine bessere Vermittlung ihrer Politik. Seit 2003 hat die Kommission 284

Folgenabschätzungen erstellt und veröffentlicht. Eine Zusammenfassung der Folgenabschätzungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, liegt in allen Amtssprachen vor10.

Im Rahmen einer sich insgesamt wandelnden Arbeitsweise sind Folgenabschätzungen Teil des Arbeits- und Entscheidungsprozesses der Kommission geworden. Sie haben den politischen Prozess verändert. Ob und wie eine Initiative weiter verfolgt wird, entscheidet die Kommission anhand transparenter Fakten, Stakeholder-Beiträge und einer Analyse etwaiger Alternativen, unter anderem der Möglichkeit der Ko- und Selbstregulierung. 2007 stoppte die Kommission beispielsweise drei Initiativen, weil die Folgenabschätzungen ergeben hatten, dass mit einem Tätigwerden der EU in diesen Fällen derzeit kein zusätzlicher Nutzen verbunden wäre11. Dabei ging es um das Verhältnis zwischen Kapitalbeteiligung und Kontrolle, um einen geänderten Vorschlag für eine 14. Gesellschaftsrechtsrichtlinie über die Verlegung des Gesellschaftssitzes in einen anderen Mitgliedstaat und um eine Zeugenschutz-Regelung. Mitunter führen Kommissionsdienststellen von sich aus Folgenabschätzungen durch auch wenn sie formal nicht dazu verpflichtet wären12. Der Ausschuss für Folgenabschätzung leistet eine unabhängige Qualitätskontrolle und trägt zur Entwicklung der Methodik bei.

Die Kommission hat sich verpflichtet, das Folgenabschätzungssystem weiter zu verbessern.

Sie aktualisiert die Methodik, konsolidiert die Folgenabschätzung im Laufe des politischen Prozesses, greift auf Expertise aus ihren eigenen Dienststellen zurück, nimmt Vorschläge aus anderen Institutionen, aus den Mitgliedstaaten und von Stakeholdern auf und zieht die Ergebnisse der externen Evaluierung von 2007 zu Rate13. Bei der externen Evaluierung wurde festgestellt dass sich die Kommission den Zielen nähert, die sie mit ihren Folgenabschätzungen verfolgt: Verbesserung der Qualität ihrer Vorschläge, konkrete Unterstützung der Beschlussfassung und Erhöhung der Transparenz. Festgestellt wurde jedoch auch, dass der Grundsatz der "proportionalen Analyse" (d. h. die Folgenabschätzung muss sich nach der Tragweite des Vorschlags richten) klärungsbedürftig ist und die Initiativen, die einer Folgenabschätzung zu unterziehen sind, genauer abzugrenzen sind. Es wurde empfohlen, mit der Folgenabschätzung in einem früheren Stadium des politischen Prozesses zu beginnen und die Qualitätskontrolle sowie die Hilfsinstrumente, einschließlich des Zugangs zu Datenquellen, zu verbessern. Die Evaluierung verwies darauf, dass zu viele Folgenabschätzungen vermeintlich nur dazu dienen, eine vorgegebene politische Option zu rechtfertigen.

Die Kommission hat auf diese externe Evaluierung mit den nachstehenden Verbesserungen reagiert. Im Zuge der Überarbeitung der Leitlinien für die Folgenabschätzung, die abgeschlossen wird, nachdem der Europäische Rat im März 2008 die Fortschritte bei der Verbesserung der Rechtsetzung begutachtet hat, werden weitere Verbesserungen folgen.

1. Konsolidierung der Folgenabschätzung im politischen Prozess

Das Folgenabschätzungssystem ist solide und hat sich - in erster Linie für die Kommission, aber auch für die übrigen Organe - als wertvolles Hilfsinstrument im Beschlussfassungsprozess erwiesen. Überdies hat die Kommission dafür gesorgt, dass die Folgenabschätzungen und Stellungnahmen des Ausschusses für Folgenabschätzung während des gesamten Beschlussfassungsprozesses herangezogen werden. Auf diesen Fortschritten aufbauend lässt sich das System in einigen Bereichen noch verbessern. Ein Bereich ist die zeitliche Planung. Folgenabschätzungen müssen in einer früheren Phase des politischen Prozesses durchgeführt werden, damit alternative Handlungsoptionen gründlich geprüft werden können, bevor ein Vorschlag vorgelegt wird. Dies bedeutet eine frühzeitige Planung der Folgenabschätzung und eine frühzeitige Konsultation des FA-Ausschusses zu dieser Planung. Die Kommission wird diese Koordinierung "im Vorfeld" weiter ausbauen ebenso wie die Hilfsinstrumente und die FA-Qualitätskontrolle bei wichtigen Initiativen.

2. Ausrichtung der Ressourcen auf Folgenabschätzungen mit dem höchsten Mehrwert

Als das Folgenabschätzungssystem eingeführt wurde, wurden alle Vorhaben im Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission einer Folgenabschätzung unterzogen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass ein differenzierteres Vorgehen erforderlich ist.

Folgenabschätzungen sollten bei den wichtigsten Vorschlägen und bei Vorschlägen mit besonders weit reichenden Folgen durchgeführt werden, unabhängig davon, ob sie im Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission erfasst sind. Sie sollten außerdem im Verhältnis zur Bedeutung der betreffenden Initiative durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass bei Initiativen, die nur begrenzte Folgen oder Auswirkungen allgemeiner Art aufweisen, auf eine Folgenabschätzung verzichtet oder die Folgenabschätzung in ihrem Umfang beschränkt wird. 2008 wird die Kommission annähernd 180 Folgenabschätzungen durchführen. 2007 waren es 130. Über die Hälfte dieser Folgenabschätzungen betreffen Initiativen, die nicht im Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission aufgeführt sind, einschließlich Maßnahmen, die im Komitologieverfahren beschlossen wurden.

3. Mehr Unterstützung und Anleitung bieten

Die Kommission wird mehr Unterstützung und Anleitung insbesondere in Gestalt ihrer Leitlinien für die Folgenabschätzung und des Ausschusses für Folgenabschätzung bieten.

Dabei ist vor allem auf folgende Aspekte zu achten:

4. Gewährleistung strenger Qualitätskontrollen

Ende 2006 setzte die Kommission den Ausschuss für Folgenabschätzung ein, der dem Präsidenten untersteht und aus hochrangigen Kommissionsbeamten zusammengesetzt ist, die unabhängig von den Dienststellen, die sie vorgeschlagen haben, tätig werden. Der Ausschuss, der erforderlichenfalls externe Sachverständige hinzuzieht, nimmt Beratungs- und Kontrollfunktionen in den Bereichen Methodik und Qualität wahr. Die Stellungnahmen des Ausschusses liegen dem endgültigen Beschluss der Kommission zugrunde und werden veröffentlicht sobald die Initiative beschlossen worden ist15.

Die Kommission hat die Erfahrungen des ersten Jahres nun - zum Teil auf der Grundlage des Ausschussberichts - bewertet16. Sie begrüßt die Unparteilichkeit des Ausschusses und würdigt seine sachkundigen Folgenabschätzungen niedergeschlagen haben. Der Ausschuss hat zur Erhöhung der Standards beigetragen und nützliche Anleitung zur Methodik geboten. Die internen Arbeitsmethoden und -verfahren werden weiter verbessert, indem beispielsweise dafür gesorgt wird, dass in den Folgenabschätzungen, die zu bestimmten Vorschlägen ausgearbeitet werden auf die Empfehlungen des Ausschusses eingegangen wird, bevor die betreffenden Vorschläge dem Kollegium zur Beschlussfassung vorgelegt werden.

IV. Gemeinsame Verantwortung

Die Rechtsvorschriften der EU werden von der Kommission vorgeschlagen und vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen. Die nationalen Regierungen und Parlamente setzen sie in nationale Gesetze um und erlassen außerdem Gesetze in eigener Verantwortung, die sie häufig durch regionale und lokale Vorschriften ergänzen. All diese Vorschriften haben Rückwirkungen auf Unternehmen und Bürger. Daher muss die Agenda für eine bessere Rechtsetzung als eine gemeinsame Anstrengung der EU-Institutionen und der Mitgliedstaaten weiterverfolgt werden17. In diesem Zusammenhang wird die Kommission ihren wertvollen Informationsaustausch mit der Gruppe hochrangiger nationaler Rechtsetzungssachverständiger fortsetzen.

1. Effizientere Beschlussfassung in der EU

Die Initiative für eine bessere Rechtsetzung wird nur dann greifbare Vorteile bringen, wenn die von der Kommission vorgeschlagenen legislativen Verbesserungen angenommen werden und in Kraft treten. Dieser Prozess braucht Zeit, denn strengere Qualitätsnormen verlängern die Vorbereitung von Kommissionsinitiativen. Im Durchschnitt vergehen zwei Jahre, bis Rat und Europäisches Parlament einer Initiative zustimmen. Unter Einrechnung der Fristen für die Umsetzung und Inkraftsetzung neuer Richtlinien18 vergehen von der Konzeption bis zur Durchführung einer Initiative der EU rund vier Jahre - häufig bedarf es auch der doppelten Zeit.

Vor diesem Hintergrund muss allerdings gewährleistet sein, dass die europäischen Institutionen das Vereinfachungsprogramm anhaltend unterstützen. Nur 16 Initiativen aus diesem Vereinfachungsprogramm sind bisher von Rat und Parlament verabschiedet worden.

Die Kommission wird auch 2008 Vereinfachungsvorschläge vorlegen, in der Erwartung, dass die Mitgesetzgeber ihre Prioritäten so setzen, dass diese bis zum Frühjahr 2009 angenommen werden. Für das Jahr 2008 und für Anfang 2009 erwartet die Kommission von den Mitgesetzgebern zudem, dass sie Vorschläge zur Verringerung des Verwaltungsaufwands Vorrang einräumen.

Parlament und Rat greifen bei der Prüfung von Vorschlägen zunehmend auf Folgenabschätzungen der Kommission zurück, doch müssen sie ihre Anstrengungen verstärken. Auch müssen sie ihre eigenen Folgenabschätzungen erstellen, wenn sie beabsichtigen wesentliche Änderungen an einem Vorschlag der Kommission in Punkten vorzunehmen die von der Folgenabschätzung der Kommission nicht erfasst sind. Die Kommission wird darüber hinaus zu gewährleisten suchen, dass in den Folgenabschätzungen die in Rat und Parlament zu erwartenden Fragen - beispielsweise zur Wahl des Instruments für EU-Maßnahmen - besser antizipiert werden. Außerdem können Rat und Parlament die Kommission auffordern, bestimmte Aspekte ihrer ursprünglichen Bewertung zu erläutern.

Auch wenn diese Bewertungen in erster Linie der Beschlussfassung innerhalb der Kommission dienen sollen, wird die Kommission von Fall zu Fall konstruktiv entscheiden, wie auf diese Anträge zu reagieren ist. Die für Mitte 2008 vorgesehene Überprüfung des "Gemeinsamen Ansatzes für Folgenabschätzung"19 durch die drei Institutionen wird Gelegenheit bieten, in diesen Fragen weitere Fortschritte zu erzielen.

2. Anwendung des Gemeinschaftsrechts

Für die Kommission hat die korrekte Anwendung des Gemeinschaftsrechts hohe Priorität. Im September 2007 zeigte sie Wege der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zur Verbesserung der gegenwärtigen Problemlösung auf, mit denen sich raschere und bessere Ergebnisse erzielen lassen20. Außerdem sucht sie nach Möglichkeiten, wie Kommission und Mitgliedstaaten den Akzent auf Präventivmaßnahmen setzen können und wie die Kommission Verstöße effizienter behandeln und mehr Informationen liefern kann. Die Kommission wird diese Initiativen in den kommenden Monaten entwickeln und umsetzen und 2009 eine Bewertung der Fortschritte vornehmen.

V. Die globale Ordnung mitgestalten

Nichttarifäre Handelshemmnisse wie rechtliche Unterschiede gelten in einer immer stärker globalisierten Welt, in der die Zollschranken im Laufe vieler Jahre abgebaut wurden, zunehmend als Behinderung des internationalen Handels. Viele rechtliche Unterschiede sind Ausdruck legitimer politischer Entscheidungen und sind mit dem WTO-Übereinkommen und anderen internationalen Übereinkünften vereinbar. Einige dieser Unterschiede ergeben sich jedoch auch als unbeabsichtigte Nebeneffekte der Regulierungsweise einzelner Parteien und mögen unnötig und für Unternehmen und Verbraucher schädlich sein.

Bei der Konzeption ihrer Initiativen profitiert die Kommission bereits von den Beiträgen dritter Länder zu ihrem Konsultationsprozess. Außerdem erfordert die Folgenabschätzung die Berücksichtigung externer Auswirkungen. Die Kommission wird sicherstellen, dass diese externen Effekte beispielsweise auf Handel und Investitionen sowie auf Entwicklungsländer eingehend geprüft werden. In den Bereichen, in denen internationale Normen bestehen, wird anhand von Folgenabschätzungen beurteilt, ob eine spezifische europäische Initiative ergriffen oder vielmehr auf diese Normen zurückgegriffen werden sollte.

Die Kommission verfügt über eine langjährige Praxis beim Dialog über Rechtsetzungsfragen in multilateralen Organisationen wie der OECD und den Vereinten Nationen sowie mit wichtigen Handelspartnern. Um der Lissabon-Strategie über die EU hinaus Geltung zu verschaffen wird die Kommission im internationalen Dialog horizontale und systemimmanente Hemmnisse zur Sprache zu bringen und die Konvergenz zu fördern suchen.

Das Konzept der EU für eine bessere Rechtsetzung könnte das Ausland inspirieren und umgekehrt.

VI. Nächste Schritte

Die vorstehenden Überlegungen machen deutlich, dass die EU zu ihrer Verpflichtung steht und sich um eine Verbesserung der Rechtsetzung bemüht. Allerdings kann noch mehr erreicht werden wenn Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten gemeinsam darauf hinarbeiten.

Vereinfachung der Rechtsvorschriften

Verringerung der Verwaltungslasten

Folgenabschätzungen für geplante Initiativen

Gemeinsame Verantwortung

Anwendung des Gemeinschaftsrechts

Eine globale Ordnung mitgestalten

VII. Fazit

Auf dem Weg zu einer besseren Rechtsetzung in der EU ist viel erreicht worden. Die Rechtsetzung zu verbessern, so dass sie Bürgern und Unternehmen Vorteile bringt, erfordert Zeit, finanzielle Mittel und Humanressourcen sowie die Anpassung der institutionellen und administrativen Strukturen. Dies ist ohne eine nachhaltige politische Unterstützung nicht zu leisten.

Die Kommission hat sich fest verpflichtet, ihren Teil dazu beizutragen. Sie hat in erheblichem Umfang in ihr Vereinfachungsprogramm sowie ihr Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten investiert und ihr Folgenabschätzungssystem kontinuierlich weiter ausgebaut. Letztendlich wird der Erfolg vom Engagement der anderen europäischen Institutionen, der Mitgliedstaaten, der lokalen/regionalen Behörden und der Stakeholder abhängen. Die Kommission ruft sie alle auf, an dieser kollektiven Anstrengung mitzuwirken.