Empfehlungen der Ausschüsse zu Punkt der 809. Sitzung des Bundesrates am 18. März 2005
Gesetz zur Regelung bestimmter Altforderungen (Altforderungsregelungsgesetz - AFRG)

Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat,

zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses aus folgendem Grund zu verlangen:

Zu Artikel 2

Artikel 2 ist aufzuheben.

Begründung

Die Regelungen in Artikel 2 AFRG sind aus folgenden Gründen abzulehnen:

Das Vermögensgesetz unterscheidet zwischen der Singularrestitution nach § 3 VermG und der Unternehmensrestitution nach § 6 VermG:

Bei der Singularrestitution ist die Ablösung von Altverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Rückübertragung des Vermögenswertes nach §§ 18 ff. VermG vorgesehen, d.h. der Berechtigte erhält den Vermögenswert in aller Regel erst zurückübertragen, wenn der Ablösebetrag gezahlt wurde.

Bei der Unternehmensrestitution, bei der die Rückgabe des Unternehmens selbst gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG ganz oder teilweise ausgeschlossen ist, ermöglicht § 6 Abs. 6a VermG die Rückgabe von Vermögenswerten dieses Unternehmens. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber entschieden, dass diese Rückübertragung nicht von der Zahlung von Ablösebeträgen für Altverbindlichkeiten nach §§ 18 ff. VermG abhängig gemacht wird, vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 VermG. Die Anrechnung von Verbindlichkeiten sollte vielmehr nachgelagert im Rahmen des Entschädigungsverfahrens für das nicht rückgebbare Unternehmen erfolgen, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 4 EntschG. Ziel war es, in den ostdeutschen Ländern Investitionen auf lastenfreien Grundstücken zu ermöglichen und die Investition nicht durch Ablöseverfahren bzgl. Altverbindlichkeiten zu be- bzw. zu verhindern.

Die Regelung in Artikel 2 AFRG wird nunmehr u. a. damit begründet, dass diese Anrechnung der Verbindlichkeiten im Entschädigungsverfahren ganz oder teilweise fehlschlägt, weil bereits der nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 EntschG in der Entschädigungsberechnung anzurechnende Zeitwert des nach § 6 Abs. 6a VermG zurückgegebenen Vermögenswertes die Entschädigung auf Null setzt.

Diese Folge hat der Gesetzgeber aber mit der seinerzeitigen Entscheidung, die Anrechnung von Verbindlichkeiten in das Entschädigungsverfahren für das Unternehmen zu verlagern und damit den nach § 6 Abs. 6a VermG zu restituierenden Vermögenswert dem Berechtigten ungeschmälert - letztlich im Sinne einer vorweggenommenen Entschädigung - zukommen zu lassen, in Kauf genommen. Nicht zuletzt konnte der Entschädigungsfonds von der Verrechnungsregelung in § 2 Abs. 1 EntschG profitieren, da zu Beginn der neunziger Jahre die Verkehrswerte aufgrund der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern sehr hoch gewesen sind und es im Ergebnis der Anrechnung des Verkehrswertes auf die Entschädigung für das Unternehmen zu keiner Entschädigungsleistung gekommen ist.

Mit Artikel 2 AFRG wird diese Entscheidung des Gesetzgebers rückwirkend revidiert, so dass bereits aus Vertrauensschutzgesichtspunkten diese Regelung abzulehnen ist. Die von Artikel 2 AFRG zukünftig betroffenen Entschädigungsberechtigten konnten aufgrund der bisherigen gesetzlichen Regelungen davon ausgehen, dass sie - im Gegensatz zu den Berechtigten bezüglich Singularrestitutionen - keine Ablöse- und damit Zahlungspflicht für die Altverbindlichkeiten trifft, sondern dass sie bezüglich dieser Verbindlichkeiten ausschließlich im Rahmen des Entschädigungsverfahrens mit einer Verrechnung mit dem Entschädigungsanspruch für das enteignete Unternehmen zu rechnen haben. Vor diesem Hintergrund haben sie - entsprechend der oben genannten gesetzgeberischen Zielstellung - Investitionen getätigt. Mit Artikel 2 AFRG wird den Entschädigungsberechtigten bzgl. eines enteigneten und nicht mehr rückgebbaren Unternehmens nunmehr eine Zahlungsverpflichtung auferlegt, insbesondere auch bezüglich bereits abgeschlossener Entschädigungsverfahren, sog. Null-Bescheide.

Zudem ist in Artikel 2 AFRG keine Härtefallregelung für Fälle vorgesehen, in denen der aus der Altverbindlichkeit resultierende neue Zahlungsanspruch zu unangemessenen Härten für die Betroffenen führt. Solche Härtefälle sind insbesondere für solche ostdeutschen Unternehmen zu erwarten, die sich mit nach § 6 Abs. 6a VermG zurückübertragenen Vermögenswerten neu gegründet haben. Bekanntermaßen verfügen ostdeutsche Unternehmen oft nur über eine sehr niedrige Eigenkapitaldeckung, so dass diese i. d. R. kleinen und mittelständischen Unternehmen der für sie neue Zahlungsanspruch aus Artikel 2 AFRG u. U. besonders hart und existenzgefährdend treffen wird.