Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Zweiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
(22. BAföGÄndG)

Der Bundesrat hat in seiner 832. Sitzung am 30. März 2007 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

2. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe e (§ 5 Abs. 5 Satz 1 und 3 BAföG)

Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe e ist wie folgt zu fassen:

Begründung

Bisher werden Auslandspraktika nur im Rahmen der Ausbildung an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen, nicht jedoch an Berufsfachschulen gefördert. Dies stellt eine deutliche Schlechterstellung der Berufsfachschulen und ihrer Absolventen dar.

Im Bereich der Dienstleistungsbranche Tourismus / Gaststättengewerbe wird ein Großteil der Beschäftigten in Berufsfachschulen ausgebildet. Im Rahmen der Bemühungen um die Internationalisierung dieser Ausbildungen ist es im Rahmen der Gleichbehandlung erforderlich und sinnvoll, auch Auszubildende an Berufsfachschulen - sofern sie ein nach der Schulordnung vorgeschriebenes Auslandspraktikum absolvieren - nach dem BAföG zu fördern.

Die Förderung des Besuchs von Berufsfachschulen im Ausland wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bereits weiter geöffnet werden (vgl. Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) Doppelbuchst. cc)). Diese Ausweitung würde Praktika jedoch nicht mit einschließen. Es ist deshalb folgerichtig, für diesen Bereich auch Regelungen zur Förderung von Auslandspraktika zu treffen.

Die finanziellen Auswirkungen der Änderung dieser Regelung dürften als gering einzuschätzen sein. So sind etwa in Bayern von der Änderung ca. 30 Schüler pro Schuljahr betroffen.

3. Zu Artikel 1 Nr. 5 ( § 8 Abs. 2 BAföG), Artikel 2 (§ 63 Abs. 2 SGB III)

Begründung

Mit der Änderung sollen Personen mit Aufenthaltstiteln nach § 23 Abs. 1 AufenthG in der Alternative "wegen des Krieges im Heimatland" und nach § 25 Abs. 5 AufenthG aus dem Anwendungsbereich des Änderungsgesetzes herausgenommen werden, da ansonsten Personen ohne verfestigten Aufenthaltsstatus und in der Regel ohne Bleibeperspektive Ausbildungsförderung erhielten. Diese müsste aber nach den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) sofort wieder eingezogen werden. Damit würde das Ziel der Gesetzesänderung für diese Personen nicht erreicht und zudem ein hoher und sinnloser Verwaltungsaufwand entstehen.

Die Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG, soweit die Aufenthaltserlaubnis wegen eines Krieges im Heimatland erteilt wurde, und nach § 25 Abs. 5 AufenthG werden nicht nur, wovon die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung ausgeht, typischerweise bei Bestehen einer aufenthaltsrechtlichen Verfestigungsperspektive erteilt.

Der Personenkreis mit den o. g. Aufenthaltstiteln besitzt im Regelfall keinen verfestigten Aufenthaltsstatus in Deutschland. Vielmehr ist der Aufenthalt auf einen vorübergehenden Zeitraum ausgerichtet und aus humanitären Gründen wegen Krieges im Heimatland des Ausländers bzw. wegen einer vom Ausländer nicht zu vertretenden rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit der Ausreise ( § 25 Abs. 5 AufenthG) erlaubt. Die letztgenannte Gruppe wäre ansonsten sogar vollziehbar ausreisepflichtig.

Beide Personengruppen wissen, dass sie nach Wegfall der Sondersituation das Bundesgebiet wieder verlassen müssen. Dieser Zeitpunkt kann grundsätzlich jederzeit eintreten. Eine dauerhafte Bleibeperspektive oder ein verfestigter Aufenthalt kann bei dieser Gruppe von Ausländern, denen der vorübergehende Aufenthalt im Bundesgebiet aus humanitären Gründen gestattet wird, um z.B. wegen einer persönlichen Notlage oder eines Bürgerkriegsereignis im Heimatland, nicht angenommen werden.

Es ist zudem mit einem hohen Verwaltungsaufwand zu rechnen, ohne dass der Ausländer, der nach AsylbLG Leistungen erhält, von der Ausbildungsförderung profitieren würde. Nach § 7 AsylbLG werden Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten angerechnet, ohne dass es Freigrenzen gäbe. Dazu gehören auch Leistungen, die auf Grund öffentlichrechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden, wie Ausbildungsförderung nach BAföG (vgl. hierzu RP OVG, Urteil vom 15.11.2001 - 12 A 11164/01). Die Ansprüche müssten zunächst festgestellt und dann nach § 7 Abs. 3 AsylbLG an die für den Vollzug des AsylbLG zuständigen Behörden übergeleitet werden. Der Leistungsberechtigte erhält im Ergebnis davon nichts. Die für den Vollzug des AsylbLG zuständige Verwaltung hingegen müsste das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BAföG-E bzw. § 63 SGB III-E prüfen.

4. Zu Artikel 1 Nr. 6 Buchstabe b und Buchstabe c Doppelbuchstabe aa und bb sowie Nummer 23 (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Absatz 4 Satz 2 und 3 sowie § 66a BAföG)

Die Bundesregierung wird gebeten, folgende Änderungsvorschläge zu prüfen:

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Zu Buchstabe a:

Durch die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. b) vorgesehene Änderung soll die bisherige elternunabhängige Förderung von Auszubildenden an Abendgymnasien und Kollegs beseitigt werden. Dies ist bildungspolitisch kontraproduktiv. Die Schulen des Zweiten Bildungswegs sind - neben den Gymnasien - als zweite Säule des Wegs zur Hinführung zur allgemeinen bzw. fachgebundenen Hochschulreife anzusehen. Es geht hier insbesondere um folgende Schwerpunkte:

Es ist bildungspolitisch notwendig, insbesondere für Auszubildende aus sog. bildungsferneren Schichten, Anreize zur Weiterbildung mit dem Ziel des Erwerbs der Hochschulreife zu bieten. Für den ersten Schritt in diese Richtung benötigen die Betreffenden finanzielle Unterstützung des Staates. Denn dieser erste Schritt ist für den betroffenen Personenkreis typischerweise mit erheblichen Hemmnissen und Risiken verbunden (z.B. Aufgabe des gesicherten Arbeitsplatzes; Gefahr des Scheiterns an der Schule und die damit verbundene Angst, keinen gleichwertigen Arbeitsplatz mehr zu finden; Verlust des eigenen, regelmäßigen Einkommens; ungeklärte Finanzierung des Unterhalts), sodass eine finanzielle Absicherung erforderlich erscheint.

Würde den Absolventen einer Berufsausbildung noch eine zusätzliche Berufstätigkeit abverlangt, bevor sie in den Genuss des elternunabhängigen BAföG gelangen könnten, würde dies die Gesamtausbildungszeit verlängern - ein Ergebnis, das allen politischen Forderungen nach Verkürzung von Ausbildungszeiten und früherem Einstieg insbesondere von Akademikern in das Erwerbsleben diametral zuwiderläuft.

Bei der Streichung von Buchst. c) Doppelbuchst. aa) in Art. 1 Nr. 6 handelt es sich um eine Folgeänderung zur Streichung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. b).

Zu Buchstabe b:

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Buchstabe a. Bei einem Weiterbestehen der elternunabhängigen Förderung ist die Übergangsregelung entbehrlich.

5. Zu Artikel 1 Nr. 10 ( § 14b BAföG)

Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, in welcher Weise der Kinderbetreuungszuschlag auch die Situation von Mehrkindfamilien berücksichtigen kann und ob gegebenenfalls eine Zahlung des Zuschlags pro Kind oder aber ein in Abhängigkeit von der Kinderzahl gestaffelter Kinderbetreuungszuschlag die Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung gezielter verbessern kann.

Begründung

Die Einführung eines Kinderbetreuungszuschlags ist als wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung und als sinnvoller Ansatz zur Entzerrung der u. a. vom Siebten Familienbericht beschriebenen Problematik der "Rush-Hour des Lebens" zu begrüßen.

Der Kinderbetreuungszuschlag soll es Auszubildenden ermöglichen, kostenpflichtige Angebote der Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen und auf diese Weise Familie und Ausbildung zu vereinbaren. Der Gesetzentwurf geht dabei davon aus, dass die Kosten der Kinderbetreuung im Wesentlichen unabhängig von der Zahl der jeweils zu betreuenden Kinder seien. Auch wenn im Einzelfall bei der Betreuung von Geschwisterkindern Ermäßigungen oder Befreiungen gewährt werden, kann sicherlich nicht allgemein und für jeden Fall unterstellt werden, dass die Betreuungskosten für mehrere Kinder im Wesentlichen genauso hoch sind wie die Betreuungskosten für ein einzelnes Kind. Die Betreuungskosten steigen vielmehr mit der Anzahl der Kinder; insbesondere dann, wenn die Kinder wegen unterschiedlichen Alters in unterschiedlichen Einrichtungen oder Betreuungsformen betreut werden.

Familie und Ausbildung zu vereinbaren, dürfte gerade für Auszubildende mit mehreren Kindern problematisch sein. Im Hinblick auf die Zielsetzung des Kinderbetreuungszuschlags, die Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung zu verbessern, ist es daher umso wichtiger, den erhöhten Betreuungskosten von Mehrkindfamilien auch bei der Gestaltung des Kinderbetreuungszuschlags Rechnung zu tragen.

Betreuungskosten für Kinder werden auch im Übrigen in den gesetzlichen Regelungen nicht pauschal pro Familie, sondern pro Kind berücksichtigt, z.B. bei der steuerlichen Absatzbarkeit von Kinderbetreuungskosten oder im Rahmen des Betreuungs- und Erziehungsfreibetrags.