Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften

954. Sitzung des Bundesrates am 10. März 2017

A

Der federführende Rechtsausschuss (R) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren Regelungen in den Gesetzentwurf aufzunehmen, durch die der gemäß §§ 113, 114 StGB-E besonders geschützte Personenkreis auf alle Amtsträger gemäß § 11 Absatz 1 Nummer 2 StGB, Richter gemäß § 11 Absatz 1 Nummer 3 StGB und Soldaten der Bundeswehr erstreckt wird.

Begründung:

Der Widerstand im weitesten Sinne in jedweder Form hat in der Vergangenheit nicht nur gegenüber den bislang von § 113 StGB lediglich erfassten Vollstreckungsbeamten und Soldaten der Bundeswehr zugenommen. Auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in und aus vielen anderen Bereichen sind vermehrt betroffen; so zum Beispiel aus Sozial-, Finanz- und Ordnungsämtern sowie der Justiz und dies jeweils in all ihren Facetten.

Der persönliche Schutzbereich des § 113 StGB-E und des § 114 StGB-E ist daher entsprechend angemessen erheblich und umfassend auszuweiten. Durch die Bezugnahmen auf § 11 StGB findet auch keine Privilegierung einer im Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich aufgeführten und definierten Personengruppe statt.

2. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa (§ 113 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 StGB)

Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa ist zu streichen.

Begründung:

Es ist vorhersehbar, dass die Erweiterung der Regelbeispiele der besonders schweren Fälle auf das bloße Beisichführen eines (anderen) gefährlichen Werkzeugs ohne Verwendungsabsicht zu praktischen Problemen führen wird:

Bereits in der zu § 244 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a StGB ergangenen Rechtsprechung zeigt sich die Schwierigkeit der Abgrenzung eines gefährlichen von einem sonstigen Werkzeug.

Absehbar wird die gesamte im Zusammenhang mit § 244 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a StGB entstandene Problematik um die subjektive Komponente des Werkzeugbegriffs bzw. die Frage des Erfordernisses einer "konkreten Gefährlichkeit" (vgl. BGH Beschluss vom 3. Juni 2008 - 3 StR 246/07 - BGHSt 52, 257 [262]; Fischer, StGB, 64. Auflage, § 244 Rn. 14ff.; Peglau JR 2009, 162 [164]) in den Tatbestand der §§ 113, 114 StGB-E hineingetragen.

Der Vorsatz hinsichtlich des bloßen Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs wird im Bereich des § 113 StGB noch schwieriger als beim Diebstahl nachzuweisen sein, da Widerstandshandlungen und tätliche Übergriffe oftmals aus einer Affekthandlung erwachsen, denen eine Reflexion über das Mitführen eines abstrakt gefährlichen Gegenstandes regelmäßig nicht vorausgehen dürfte.

Zudem führt die vorgesehene Streichung der Verwendungsabsicht zu unbilligen Strafverschärfungen. Etwa würde sich der Fußballer, der nach dem Training in einer Polizeikontrolle Widerstand leistet, "nur" nach § 113 Absatz 1 StGB strafbar machen, während der Hockeyspieler, der seinen Schläger dabei hat, bereits das Regelbeispiel des § 113 Absatz 2 Nummer 1 StGB-E verwirklichen würde, auch wenn der Hockeyschläger nicht zum Einsatz gelangt und auch nie gelangen sollte. Dadurch, dass die Schwelle des Widerstandes nach § 113 Absatz 1 StGB-E relativ schnell erreicht ist, etwa durch Sperren bei einer Festnahme, würde eine Strafbarkeit hier stark überdehnt und die erhöhte Sanktion erscheint nicht verhältnismäßig.

Überdies führt die vorgeschlagene Neuregelung zu Wertungswidersprüchen. So würde etwa das bloße Mitsichführen eines gefährlichen Werkzeugs ohne Verwendungsabsicht bei dem Versuch, einen Polizeibeamten zu ohrfeigen, nach § 114 Absatz 2 StGB-E i.V.m. § 113 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 StGB zu derselben Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe führen wie eine vollendete Körperverletzung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Absatz 1 Nummer 2 StGB).

Ein Regelungsbedürfnis für die vorgesehene Streichung der Verwendungsabsicht besteht ohnehin nicht, da sich ein Täter auch nach der bisherigen Rechtslage strafbar macht, sobald er das Werkzeug tatsächlich einsetzt.

3. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc (§ 113 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 StGB)

In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc sind in § 113 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 nach dem Wort "gemeinschaftlich" die Wörter "oder aus einer Menschenmenge heraus" einzufügen.

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht vor, eine neue Nummer 3 in den Katalog der Regelbeispiele des § 113 Absatz 2 Satz 2 StGB einzufügen, der zufolge in der Regel ein besonders schwerer Fall vorliegen soll, wenn "die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird".

Dieses Regelbeispiel ist dahingehend zu erweitern, dass hiervon auch Fälle erfasst werden, in denen die Tat "aus einer Menschenmenge heraus" begangen wird. Gerade bei Demonstrationen oder Sportveranstaltungen kommt es nicht selten vor, dass gewaltbereite Personen den Schutz einer größeren Personengruppe oder Menschenansammlung dazu nutzen, um mit Mitteln körperlicher Gewalt gegen Polizeibeamte, Feuerwehr und Rettungskräfte vorzugehen. Die besondere Gefährlichkeit und damit Strafwürdigkeit derartiger Handlungen ergibt sich daraus, dass der Täter im Schutz und in der Anonymität der Masse handelt, er hierdurch in der Tatausführung bestärkt wird und die typische Eigendynamik von Menschenmengen geeignet ist, bei dem Täter das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückzudrängen und die Verfolgung entsprechender Taten zu erschweren. Die Variante der gemeinschaftlichen Begehung deckt die genannten Konstellationen häufig nicht ab, da ein bewusstes Zusammenwirken mehrerer Personen am Tatort vielfach nicht vorliegt oder jedenfalls nicht nachweisbar ist.

Die Strafbarkeit des Landfriedensbruchs (§ 125 StGB) vermag das spezifische Schutzanliegen der Regelungen in §§ 113 ff. StGB-E nicht abzudecken. Um das Merkmal des Handelns "aus einer Menschenmenge heraus" zu konkretisieren, kann an die Auslegung zu § 125 StGB angeknüpft werden.

4. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 114 Absatz 1, Absatz 2a - neu - StGB)

In Artikel 1 Nummer 3 ist § 114 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a

Der Verzicht auf den bisher erforderlichen Bezug zu einer Vollstreckungshandlung und das Abstellen auf die Vornahme allgemeiner Diensthandlungen hätte zur Folge, dass Vollstreckungsbeamte bei allgemeinen Diensthandlungen besser geschützt würden als andere Amtsträger. Wären an derselben allgemeinen Diensthandlung etwa ein Vollstreckungsbeamter und ein sonstiger Amtsträger beteiligt und würden beide angegriffen, fiele die strafrechtliche Prüfung widersinnigerweise unterschiedlich aus.

Auch andere Beschäftigte als Polizeibeamte und Rettungskräfte sind zunehmend Übergriffen ausgesetzt. In der Rechtswirklichkeit sind es häufig Angriffe auf Mitarbeiter von Behörden wie Jobcenter, Sozialämter und ähnliches, in denen sich stellvertretend die Wut des Bürgers auf den Staat und seine Organe in körperlicher Gewalt entlädt. Wenn aber für die Strafbarkeit eines tätlichen Angriffs auf den Bezug zu einer Vollstreckungshandlung verzichtet werden soll, muss dies für tätliche Angriffe auf sämtliche Amtsträger bei der Dienstausübung gelten.

Zu Buchstabe b

Obwohl § 114 StGB-E (Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte) einen deutlich verschärften Strafrahmen aufweist, sieht der Gesetzentwurf keinen minder schweren Fall vor. Dies führt zu Wertungswidersprüchen und insbesondere zu einem Missverhältnis zu den §§ 224, 226 StGB (gefährliche und schwere Körperverletzung), die die Möglichkeit der Bestrafung als minder schwerer Fall eröffnen. Es ist daher geboten, auch hier eine Regelung für minder schwere Fälle zu treffen. 5.

Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 114 Absatz 1 StGB)

Der Bundesrat fordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Ausdehnung des von § 114 Absatz 1 StGB-E gewährten Schutzes auf sämtliche Fälle zu prüfen, in denen die Tat "in Beziehung auf den Dienst" der geschützten Personen begangen wird.

Begründung:

Die Regelung in § 114 Absatz 1 StGB-E verlangt situativ einen Angriff "bei einer Diensthandlung". Dies erscheint nicht weitreichend genug. Denn auf diese Weise können die Fälle nicht erfasst werden, in denen die geschützten Amtsträger zwar außerhalb des Dienstes, aber mit Blick auf ihre Diensttätigkeit angegriffen werden. Derartige Angriffe betreffen nicht den privaten Bereich der Opfer. Die im vorgelegten Gesetzentwurf besonderen Schutzinteressen, welche die Sonderregelung in § 114 StGB-E rechtfertigen, kommen auch insoweit zum Tragen. Ausreichend sollte daher sein, dass die Tat "in Beziehung auf den Dienst" begangen wird.

B