Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2010 zur Lage in Jemen

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 102739 - vom 2. März 2010.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 10. Februar 2010 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass bereits seit langer Zeit eine generelle Verschlechterung der Sicherheitslage sowie der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation in Jemen verzeichnet wird, was in der internationalen Gemeinschaft erhebliche Sorge verursacht,

B. in der Erwägung, dass sich eine Schwesterorganisation von Al-Qaida zu dem fehlgeschlagenen Versuch, im Dezember 2009 ein Flugzeug über Detroit zur Explosion zu bringen, bekannt hat, der von dem nigerianischen Terroristen Umar Faruk Abdulmuttab unternommen wurde, der angab, er sei in einem jemenitischen Lager von Al-Qaida ausgebildet und ausgerüstet worden, sowie in der Erwägung, dass bei einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in Jemen Terroristen und aufständische Gruppen in der Region, insbesondere Al-Qaida, ein sicheres Rückzugsgebiet erhalten würden, in dem sie spätere terroristische Aktionen planen, organisieren und unterstützen könnten,

C. in der Erwägung, dass sich die Sicherheitslage durch den Bürgerkrieg gegen die Anhänger der Erweckungsbewegung "Zaidi Shi"i" in der Region Sa"da im Norden des Landes und den von der Separatistenbewegung im Süden verursachten Gewaltausbruch weiter verschärft,

D. in der Erwägung, dass Terrorismus in Jemen bereits vor dem 11. September 2001 seit vielen Jahren verbreitet war, was auch der Angriff von Al-Qaida auf die USS Cole vom 12. Oktober 2000 belegt, und dass sich der Terrorismus in Jemen seit 2007 mit vielen Anschlägen auf Pipelines, Ölanlagen, Regierungsgebäude, Botschaften (darunter die italienische und die US-amerikanische), Schiffe und Touristen im Land verschärft hat,

E. in der Erwägung, dass der lokale bewaffnete Konflikt in der Region Sa"da eine regionale Dimension erlangte, als saudiarabische Streitkräfte die Rebellen nach einem Übertritt der saudijemenitischen Grenze angriffen und Vorstöße gegen Positionen der Rebellen unternahmen, sowie in der Erwägung, dass die jemenitische Regierung außerdem behauptet hat, dass externe schiitische Gruppen die Bewegungen der Rebellen im Norden des Landes unterstützen,

F. in der Erwägung, dass die Kämpfe zwischen der jemenitischen Armee und den schiitischen Rebellen in der nördlichen Provinz Sa"ada, die im Jahr 2004 ausgebrochen sind, zu mehr als 175 000 Binnenflüchtlingen geführt und eine humanitäre Krise in der Region ausgelöst haben,

G. in der Erwägung, dass Jemen eines der ärmsten Länder der Welt ist und dass die Lebensmittelkrise von 2008 beträchtliche Konsequenzen für die ärmeren Schichten der jemenitischen Bevölkerung hatte, während die weltweite Finanzkrise und insbesondere die sinkenden Erdöleinkünfte zu einem unerträglichen Druck auf die Staatsfinanzen beigetragen haben, was durch die begrenzte Umsetzung überfälliger wirtschaftlicher und steuerlicher Reformen noch verschärft wurde,

H. in der Erwägung, dass Jemen über 75% seiner Einnahmen aus dem Ölgeschäft erzielt, die Ölreserven des Landes jedoch fast erschöpft sind und für das Land kaum realistische Optionen für eine nachhaltige Wirtschaft nach dem Versiegen der Ölquellen bestehen,

I. in der Erwägung, dass zu den weiteren schwerwiegenden Problemen, denen sich Jemen gegenübersieht, die bedrohliche Wasserknappheit gehört, die durch verschiedene Faktoren verursacht wird, unter anderem durch steigenden Wasserverbrauch der Haushalte, schlechtes Wassermanagement, Korruption, fehlende Ressourcenverwaltung und verschwenderische Bewässerungstechniken, sowie in der Erwägung, dass nach Schätzungen der Regierung 99% der Wasserentnahmen illegal sind,

J. in der Erwägung, dass der Mangel Jemens an Lebensmitteln und Wasser weiter kompliziert wird durch die Abhängigkeit der Bevölkerung von Kath, einer rasche Einkünfte erbringenden Pflanze, die einer umfangreichen Bewässerung bedarf und so extensiv angebaut wird, dass ca. 40% der jemenitischen Wasserressourcen für ihren Anbau verwendet werden, während das Land inzwischen ein Nettoimporteur von Lebensmitteln ist,

K. in der Erwägung, dass die Zunahme seeräuberischer Aktivitäten im Golf von Aden sowie der anhaltende Migrationsdruck, der vom Horn von Afrika ausgeht, weitere Faktoren sind, die die Stabilität des Landes beeinflussen,

L. in der Erwägung, dass die 18 Meilen breite Meerenge von Bab el Mandeb zwischen Jemen und Dschibuti große strategische Bedeutung hat, da durch sie pro Tag 3,3 Mio. Fässer Öl (4% der täglich weltweit geförderten Menge) verschifft werden,

M. in der Erwägung, dass die Europäische Union Jemen seit 2004 Hilfsmittel in Höhe von mehr als 144 Mio. Euro gewährt hat, von denen der größte Teil der Entwicklung zugute kam, und bilaterale Hilfsprogramme durchgeführt wurden, um Jemens Polizei und Küstenwache zu unterstützen,

N. in der Erwägung, dass die britische und die US-amerikanische Regierung nach dem fehlgeschlagenen Bombenanschlag von Detroit ihre militärische Hilfe und die Entwicklungshilfe für Jemen erheblich ausweiten und auch gemeinsam eine spezifische jemenitische Anti-Terror-Polizeieinheit finanzieren und die jemenitische Küstenwache unterstützen wollen,

O. in der Erwägung, dass die Parlamentswahlen, die im April 2009 hätten stattfinden sollen, auf 2011 verschoben wurden, um es den Behörden zu ermöglichen, die wesentlichen Reformen des Wahlsystems umzusetzen, sowie in der Erwägung, dass bisher keine konkreten Schritte zur Verwirklichung dieses Ziels unternommen wurden,

P. in der Erwägung, dass hinsichtlich der Entwicklung in Jemen in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Unabhängigkeit der Justiz nach wie vor schwerwiegende Bedenken bestehen, und in der Erwägung, dass Fälle einer Strafverfolgung von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern verzeichnet werden und dass die Lage der Frauen besonders schwierig ist, da sich die Zugangsmöglichkeiten zum Bildungswesen verschlechtern und eine aktive politische Beteiligung fehlt,

Q. in der Erwägung, dass sich sechs europäische Bürger - fünf Deutsche und ein Brite - seit ihrer Entführung im Juni 2009 in der Hand von Geiselnehmern befinden, während drei andere Mitglieder derselben Gruppe unmittelbar nach ihrer Entführung tot aufgefunden wurden,