Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates: Fertigung von Batteriezellen als Speichermedium zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz in Deutschland

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Berlin, 31. Januar 2020
Parlamentarische Staatssekretärin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
namens der Bundesregierung übersende ich Ihnen in der Anlage die Antwort zur Entschließung des Bundesrates vom 17. Mai 2019: Fertigung von Batteriezellen als Speichermedium zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz in Deutschland (BR-Drs. 143/19(B) HTML PDF .

Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker

Antwort der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates vom 17. Mai 2019 Fertigung von Batteriezellen als Speichermedium zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz in Deutschland (BR-Drs. 143/19(B) HTML PDF

Zu Ziff. 1:

Infolge von Digitalisierung und Elektrifizierung erleben wir tiefgreifende Veränderungen in den Produktions- und Logistikprozessen, im Verbraucherverhalten sowie bei Wertschöpfungsketten und Produktionsweisen. Die Wettbewerbsfähigkeit auf diesen Zukunftsgebieten ist entscheidend für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschlands und Europas. Politik und Unternehmen müssen gemeinsam Antworten auf diese großen Herausforderungen finden. In einer sozialen Marktwirtschaft ist es die Aufgabe privater Unternehmen, neue Technologien zu entwickeln, aufzubauen und marktfähig zu machen. Das BMWi schafft hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen und ist bereit, zeitlich begrenzte Anschubhilfe im Rahmen des EU-Beihilferechts zu leisten. Entscheidend ist, dass Unternehmen in Deutschland zusätzlich zur Förderung selber investieren.

Aufgrund der hohen Bedeutung der Batterietechnologie unterstützt die Bundesregierung Unternehmen beim Aufbau der "Wertschöpfungskette Batterie" in Deutschland und Europa - von der Rohstoff- und Materialproduktion, über den Maschinen- und Anlagenbau bis hin zur Zellproduktion und dem Recycling. Auf diese Weise können die großen Wertschöpfungspotentiale dieser Schlüsseltechnologie in Deutschland und Europa erschlossen werden.

Ein wesentliches Element dieser Wertschöpfung und technologischer Kern der batterieelektrischer Mobilität sind Batteriezellen. Bislang ist die europäische Produktion von Batteriezellen ein Nischenmarkt mit einem Weltmarktanteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Ohne die umfassende Förderung einer innovativen Batteriezellforschung und insbesondere -produktion in Deutschland besteht die Gefahr, dass deutsche Unternehmen auf einem zentralen Zukunftsfeld den Anschluss verlieren. Die bereits in Deutschland ansässigen Zellhersteller fertigen bisher nur in kleinen Stückzahlen für spezialisierte Anwendungen.

Um auch für den Schlüsselmarkt Verkehr in Deutschland und Europa geeignete großskalige Produktionskapazitäten für Batterien und entsprechendes Knowhow aufzubauen, unterstützt das BMWi den gesamteuropäischen zur Förderung der Batterieinnovation und -investition unter dem Beihilfeinstrument "Important Project of Common European Interest" (IPCEI). Derzeit werden vom BMWi gemeinsam mit der EU-KOM und über 12 weiteren interessierten Mitgliedsstaaten parallel zwei IPCEIs zu Batterien verfolgt (sog. "Summer-IPCEI" und sog. "Autumn-IPCEI"). Die Aufteilung ist aus prozeduralen Gründen erfolgt und impliziert keine unterschiedlichen thematischen Fokuspunkte.

Am 23./24. November 2020 wird das BMWi als EU-Präsidentschaftsveranstaltung die "european networking conference batterycell innovation" für rd. 800 europäische Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchführen, um den Aufbau der europaübergreifenden Wertschöpfung Schwung zu verleihen.

Zu Ziff. 2:

Mit dem Klimaabkommen von Paris haben rund 200 Staaten beschlossen, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Mit dem Klimaschutzplan hat sich die Bundesregierung verpflichtet, bis 2030 etwa 40 % des CO₂-Ausstosses gegenüber 1990 im Verkehrsbereich einzusparen. Wir müssen Stickoxid und Feinstaub vor allem in Ballungsräumen reduzieren. Daher strebt die Bundesregierung bis 2030 7 bis 10 Mio. zugelassene Elektrofahrzeugen in Deutschland an.

Die Automobilbranche geht davon aus, dass zur Erreichung der EU-Flottenverbrauchs-Grenzwerte bis 2030 in Deutschland >40% elektrifizierte Fahrzeuge verkauft werden müssen. Zurzeit ist der CO₂-Footprint der Batterie von Elektrofahrzeugen in einer Lebenszyklusbetrachtung noch signifikant. Typische Elektrofahrzeuge schneiden laut Forschungsergebnissen bei der Ladung mit dem heutigen deutschen Strommix erst nach mehreren 10.000 km besser ab als vergleichbare Verbrennerfahrzeuge. Daher ist die CO₂-ärmere Produktion von Batterien ein wesentliches Ziel der Förderung der Batteriezellfertigung.

Die Erfüllung der hier formulierten Anforderungen wird in der Förderung umgesetzt werden, indem von den beteiligten Unternehmen ambitionierte Zielwerte für Nachhaltigkeit und Emissionsintensität abgefragt und im Rahmen des Projektcontrollings nachgehalten werden. Schon jetzt zeichnet sich im Rahmen der Vorhabensplanungen ab, dass das Vorhandensein erneuerbarer Energien bei ausgewählten Projekten eine entscheidende Rolle spielt und diese zügig eine vollständige Abdeckung mit Strom aus erneuerbaren Energien anstreben werden.

Zu Ziff. 3:

Die Bundesregierung wird gemeinsam mit den Bundesländern die Rahmenbedingungen für attraktive Standortbedingungen der Batteriezellfertigung weiterentwickeln und aktiv gestalten, um eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung ansässiger Unternehmen und/oder von Neuansiedlungen zu ermöglichen.

Grundsätzlich zählen die Hersteller von Batterien und Akkumulatoren bereits heute zu den Branchen, für die die EEG-Umlage entsprechend durch die Besonderen Ausgleichsregelung begrenzt werden kann.

§ 19 Absatz 2 StromNEV ermöglicht reduzierte Netzentgelte für stromintensive Unternehmen. Sofern sie die dafür genannten Voraussetzungen erfüllen, können auch in der Batteriezellenfertigung tätige Unternehmen von der Regelung profitieren. Auch bei der Stromsteuer gibt es verschiedene Entlastungsregelungen, von denen auch die Hersteller von Batterien profitieren können. Eine Fortführung des Stromsteuer-Spitzenausgleichs über 2022 hinaus wird in diesem Jahr verhandelt.

Weitergehende Befreiungen oder Begünstigungen begegnen einer Reihe von Problemen, die analysiert und bewertet werden müssen. Verzerrungen zwischen verschiedenen Technologien sollten vermieden werden. Des Weiteren ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch, wenn die Last der EEG-Umlage auf immer weniger Schultern verteilt wird und die nicht privilegierten Stromverbraucher die Dekarbonisierung der anderen Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie finanzieren.

Zu Ziff. 4:

Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt, aufbauend auf die bestehende Ressortforschung des BMBF und des BMWi, die industrielle Umsetzung der Batteriezellfertigung am Standort Deutschland. Das BMBF fördert eine umfassende Batterieforschung und den Transfer in die industrielle Anwendung im Rahmen des Dachkonzeptes "Forschungsfabrik Batterie". Mit der "Forschungsfertigung Batteriezelle" (FFB), die in Münster aufgebaut wird, werden die vorhandenen Kompetenzen von der Materialentwicklung bis zur Produktionstechnologie genutzt und in eine neue Pilotfertigung im großvolumigen Maßstab überführt. Mit der Forschungsfertigung wird die wissenschaftliche Basis für den Aufbau und für die nachhaltige Weiterentwicklung einer international führenden, wettbewerbsfähigen Batteriezellproduktion in Deutschland gelegt. Das BMBF wird in Ergänzung zu den laufenden Initiativen im Rahmen des Dachkonzeptes "Forschungsfabrik Batterie" vier neue Kompetenzcluster mit den Schwerpunkten intelligente Batteriezellfertigung, grüne Batterien/Recycling, Batterienutzungskonzepte und Analytik/Charakterisierung fördern.

Im Rahmen der Energie- und Verkehrswende wird ein deutlich größerer Bedarf an Batteriezellen erkennbar. Bis 2030 ist ein Wachstum der globalen Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien von heute 200 GWh p.a. auf >1500 GWh p.a. prognostiziert. Lithium-Ionen-Batterien stellen einen großen Teil der Wertschöpfung in Elektroautos, der heute von asiatischen Anbietern kontrolliert wird. Es ist wichtig, dass im Zuge der Energie- und Verkehrswende nicht nur Wettbewerber aus Drittländern, sondern auch europäische Unternehmen innovative Energiespeicher fertigen können, auf der Basis eigenen Wissens.

Zu Ziff. 5:

Die Bundesregierung stimmt mit dem Bundesrat in der Einschätzung überein, dass die Umstellung auf Elektroantriebe und andere klimaschonende Technologien eine Reduktion der Fertigungstiefe und einen Verlust von Arbeitstätigkeiten bedeuten kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dieser Anpassungsdruck sich vor allem bei den Zulieferern im Segment Antriebsstrang einstellen wird. Die negativen Beschäftigungseffekte in der Automobilindustrie insgesamt dürften geringer ausfallen, wenn mit der Umstellung der Produktion auch neue Wertschöpfung generiert wird, wie dies beispielsweise im Bereich der Batteriezellproduktion möglich ist, aber darüber hinaus etwa auch in den Bereichen E-Maschine, Leistungselektronik oder Brennstoffzelle. Zudem ist zu beachten, dass ein großer Teil des in Studien prognostizierten Abbaus an Arbeitsplätzen durch allgemeine Produktivitäts- bzw. Effizienzsteigerungen ausgelöst wird, die mithin auch ohne die technologische Umstellung auf klimaschonende Antriebe auftreten würde.

Durch die Realisierung einer großskaligen Batterieproduktion kann ein erheblicher Beschäftigungseffekt generiert bzw. der Strukturwandel der Automobilbranche abgefedert werden kann. Dazu ist zu erwarten, dass in einem intakten Wertschöpfungsnetzwerk am Standort, das sich von der Ressourcenbereitstellung und Materialaufbereitung über die eigentliche Batteriezellproduktion bis hin zu Aftermarket/Wartung, Nachnutzung und Recycling erstreckt, zusätzliche Arbeitsplätze indirekt induziert würden (bspw. im Bereich Nachnutzung und Recycling).

Zu den Ziffern 6 und 8:

Im Februar 2019 hat das BMWi ein Interessensbekundungsverfahren gestartet. Die Resonanz auf die Förderinitiative zur Batteriezellfertigung war deutlich höher als erwartet, mit in der Folge zu erwartender unmittelbarer Investitionen in diese neue Technologie am Standort Deutschland.

Die Bundesregierung misst auch dem Aufbau eines europäischen Netzwerks für die Batteriezellfertigung eine besondere Bedeutung bei. Die seit 2017 bestehende Europäische Batterieallianz hat das Ziel, den Aufbau einer innovativen Batterie-Wertschöpfung in Europa zu unterstützen. Mittlerweile haben sich über 12 interessierte Mitgliedstaaten (DEU, FRA, BEL, ITA, POL, ESP, FIN, SWE, SVK, AUT, HRV, GRE) zusammengeschlossen, um gemeinsam die Batterie¬innovation entlang der Wertschöpfung als "Wichtiges Projekt Gemeinsamen Europäischen Interesses" (IPCEI) zu fördern. Weitere Mitgliedstaaten werden über die Wertschöpfung beteiligt (sog. "Spillover-Effekte"). Eines von zwei IPCEIs wird von Deutschland koordinierend geleitet.

Für das Summer IPCEI, an dem aus Deutschland fünf Unternehmen teilnehmen, wurde am 9. Dezember 2019 die beihilferechtliche Genehmigung durch die EU-KOM erteilt. Beim Autumn IPCEI, an dem voraussichtlich elf deutsche Unternehmen teilnehmen, wurde am 20. Dezember 2019 die Prä-Notifizierung gestartet und das BMWi rechnet mit einer Beihilfeentscheidung im ersten Halbjahr 2020.

Jedes Unternehmen bringt mit seinen Projekten spezifische Elemente der Wertschöpfung von Batteriezellen sowie seine Abnehmer mit. Die zu erwartende Nachfrage nach Batteriezellen in Deutschland, Europa und weltweit liegt weit über den derzeit verfügbaren Batteriezellkapazitäten. Auf der Basis der schon jetzt vorliegenden beihilferechtlichen Genehmigungen werden in Deutschland Zellfertiger gefördert werden können, die den Auf- und Ausbau ihrer Standorte für Zellfertigungen planen. Es wird eine Produktion für Batteriematerialien gefördert werden können, ebenso eine Pilotanlage für das Batterierecycling sowie der Ausbau einer Forschungsanlagen für Batteriezellen bei einem Automobilhersteller.

Aufgrund der daraus resultierenden langwierigen Abstimmungs- und Auswahlprozesse und der anspruchsvollen Koordinierung ist die Bescheiderteilung auf nationaler Ebene für das Summer IPCEI im ersten Quartal 2020 geplant, für das Autumn IPCEI in der zweiten Jahreshälfte vorgesehen. Die Bundesregierung begrüßt die unterstützende Position des Bundesrats und bedankt sich an dieser Stelle für die bislang sehr konstruktive zu

Zusammenarbeit mit den Bundesländern in der Anbahnung der betreffenden Förderung.

Zu Ziff. 7:

Im Kontext der beiden in Anbahnung befindlichen "Wichtigen Projekte gemeinsamen Europäischen Interesses" (IPCEIs) werden Technologien und Anwendungsfälle für die Nachnutzung und das Recycling von Fahrzeug- und weiteren Batterien intensiv entwickelt und erprobt werden. Auch in Deutschland werden entsprechende (Teil-)Projekte durch das BMWi gefördert werden. Die von der EU-KOM angekündigten Initiativen zur Änderung der EU-Batterierichtlinie werden im Grundsatz von der Bundesregierung unterstützt.

Zu Ziff. 9:

Die Einhaltung von Umwelt- und Arbeitsschutzstandards bei der Batterieproduktion, auch in den u.U. in Drittstaaten verorteten Vorketten, ist aus BMWi-Sicht zwingend sicher zu stellen und im Übrigen eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz der Elektromobilität.

Die Bundesregierung erwartet daher, dass deutsche Unternehmen die zentralen Rahmenwerke der UN, der ILO und der OECD sowie die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) erfüllen. Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen stellen ein umfassendes Regelwerk für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln u.a. in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz dar. Sie gelten branchenunabhängig und damit auch für die Rohstoffgewinnung bzgl. der Batteriezellfertigung. Ergänzt werden sie durch den sektorspezifischen OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur konstruktiven Stakeholder-Beteiligung im Rohstoffsektor sowie die OECD-Leitsätze für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten, die für alle Minerale gelten.

Mit dem am 21. Dezember 2016 von der Bundesregierung beschlossenen NAP werden die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umgesetzt. Er formuliert das Ziel, dass bis 2020 mindestens 50 % aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten die im NAP beschriebenen Elemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht in ihre Unternehmensprozesse integriert haben. Die Umsetzung des NAP wird durch ein umfassendes Monitoring evaluiert. Sofern keine ausreichende Umsetzung erfolgt ist, wird die Bundesregierung laut NAP weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen.

Wenn 2023 erstmals die Wirksamkeit der sogenannten EU-Konfliktminerale-Verordnung überprüft wird, wird auch darüber zu diskutieren sein, die Regelungen nachzujustieren, wo dies notwendig und sinnvoll erscheint. Dies könnte auch eine Ausweitung auf weitere Minerale und Metalle umfassen.

Des Weiteren sind Angebote zur Unterstützung der Rohstoffversorgung, wie z.B. die Übernahmen von Garantien für Ungebundene Finanzkredite, explizit an die Einhaltung von internationalen Umwelt- und Sozialstandards geknüpft. Auch in den beiden "Wichtigen Projekten gemeinsamen Europäischen Interesses" (IPCEIs) zur Batterieproduktion spielt die Nachhaltigkeit von Batteriematerial-Lieferketten eine wichtige Rolle, siehe dazu auch Punkt 7). Die Aktivitäten zielen u.a. auch darauf, durch konsequentes Recycling von Batterien die Abhängigkeit von Rohstoffeinfuhren aus Nicht-EU-Staaten zu reduzieren.