Antrag des Freistaats Thüringen
Entschließung des Bundesrates zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für verdeckte Online-Durchsuchungen im Strafverfahren

Freistaat Thüringen Erfurt, den 27. Februar 2007
Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und
Chef der Staatskanzlei

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Landesregierung des Freistaats Thüringen hat beschlossen, dem Bundesrat die in der Anlage beigefügte


zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 831. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2007 zu setzen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.


Mit freundlichen Grüßen
Gerold Wucherpfennig

Entschließung des Bundesrates zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für verdeckte Online-Durchsuchungen im Strafverfahren

Mit Beschluss vom 31. Januar 2007 - StB 18/06 - hat der Bundesgerichtshof die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen eine Entscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs, mit der die Anordnung einer verdeckten Online-Durchsuchung abgelehnt worden war, verworfen. Gegenstand war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung.

Dieser Fall hat deutlich gemacht, dass bei der Bekämpfung des Terrorismus einerseits ein praktisches Bedürfnis für die verdeckte Online-Durchsuchung zur Aufrechterhaltung einer effektiven Strafverfolgung besteht, andererseits derzeit die erforderliche Eingriffsvoraussetzung fehlt.

Nicht nur im Terrorismusbereich benutzen Straftäter in zunehmendem Maße die moderne Informationstechnologie für kriminelle Zwecke. Dies gilt insbesondere auch für die organisierte Kriminalität. Der Einsatz der Computertechnologie und des Internets führt zunehmend zur verdeckten Kommunikation bei der Vorbereitung und Durchführung von Straftaten unter Verwendung von Verschlüsselungsprogrammen, so dass auch die Überwachung der Telekommunikation ins Leere zu gehen droht.

Dies führt dazu, dass die Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung solcher Straftaten auf Grund des schnellen technischen Fortschritts und der immer stärker werdenden Konspiration ins Hintertreffen geraten können. Dem kann auch nicht mit der Beschlagnahme von Speichermedien begegnet werden, weil die Offenheit dieser Maßnahme weitergehende Ermittlungsansätze endgültig vereiteln kann.

Um mit dem technischen Fortschritt, den Straftäter mit besonderer Energie für ihr sozialschädliches Verhalten auszunutzen verstehen, Schritt halten zu können, bietet sich die verdeckte Online-Durchsuchung als Erfolg versprechende Lösung an.

Bei einer verdeckten Online-Durchsuchung werden Datenspeicher eines Computers durchsucht indem dem Beschuldigten ein Computerprogramm zugespielt wird, das dafür konzipiert ist, die auf den Speichermedien des Computers abgelegten Dateien zu kopieren und zum Zwecke der Durchsicht an die Ermittlungsbehörden zu übertragen. Dadurch können ohne Wissen der Tatverdächtigen die Datenspeicher der von diesen genutzten Computer auf elektronischem Wege durchsucht und so als Informationsquelle erschlossen werden.

Der Bundesrat verkennt nicht, dass es sich bei der verdeckten Online-Durchsuchung um einen erheblichen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre der Betroffenen handelt, da Computer zunehmend auch den privaten Alltag bestimmen.

Andererseits kann es nicht hingenommen werden, dass der Strafverfolgungsanspruch des Staates bei der Bekämpfung schwerster Kriminalität hinter heutigen und künftigen technologischen Möglichkeiten zurücksteht. Deshalb bedarf es einer gesetzlichen Regelung, die den erforderlichen Rahmen für den Grundrechtseingriff durch verdeckte Online-Durchsuchungen ebenso setzt wie den praktischen Bedürfnissen der Strafverfolgungsorgane bei der Bekämpfung schwerster Kriminalität Rechnung trägt. Dabei muss auch sichergestellt werden, dass der unantastbare Kernbereich der privaten Lebensgestaltung (vgl. BVerfGE 80, 367 <373>) gegen entsprechende Eingriffe geschützt wird.

Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, die erforderliche Befugnisnorm in der Strafprozessordnung zu schaffen.