Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Antiterrordateigesetzes und anderer Gesetze

Der Bundesrat hat in seiner 922. Sitzung am 23. Mai 2014 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 2 Satz 1 Nummer 2 ATDG)

Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b ist wie folgt zu fassen:

Begründung:

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - zu § 2 Satz 1 Nummer 2 ATDG ausgeführt, dass der Begriff der rechtswidrigen Gewalt verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass er nur Gewalt umfasst, die unmittelbar gegen Leib und Leben gerichtet oder durch gemeingefährliche Mittel geprägt ist, und dass der Begriff des vorsätzlichen Hervorrufens von Gewalt als willentliches Hervorrufen - unter Ausschluss des Eventualvorsatzes im Sinne strafrechtlicher Terminologie - verstanden werden muss (Rnr. 151 f.). Der Wortlaut des Gesetzes sollte entsprechend präzisiert werden, um Zweifel an der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit der Norm auszuräumen.

2. Zu Artikel 1 ( § 5 Absatz 2 ATDG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Eilfallregelung in dem derzeit geltenden § 5 Absatz 2 ATDG aufgehoben werden kann. Die Regelung soll nach dem Gesetzentwurf unverändert beibehalten werden, obwohl ausweislich der Evaluation, vgl. BT-Drucksache 17/12665(neu), im Zeitraum vom 1. August 2007 bis zum 1. August 2011 nur in einem einzigen Fall auf sie zurückgegriffen wurde. Bei insgesamt 300 000 durchgeführten Suchabfragen im Evaluationszeitraum (BT-Drucksache 17/12665(neu), S. 47, 5 1) ist eine praktische Bedeutung der Eilfallregelung nicht erkennbar, zumal im Bericht zur Evaluierung nicht nachvollziehbar dargetan ist, dass im einzigen Anwendungsfall die Voraussetzungen für eine Eilabfrage überhaupt gegeben waren. Allein der Verweis darauf, dass die Eilfallregelung "allgemein als fachlich notwendig angesehen" werde (BT-Drucksache 17/12665(neu), S. 47), kann nicht überzeugen. Die Evaluierung legt nahe, dass entsprechende Fälle in der Praxis durch die Einrichtung und Inanspruchnahme von Eildiensten und die Nutzung weiterer Verbunddateien gelöst werden können.

Begründung:

Die Eilfallregelung in § 5 Absatz 2 ATDG ist problematisch, weil die abfragende Behörde damit unmittelbar Zugriff auf die gespeicherten Daten erhält, ohne dass eine Prüfung durch die speichernde Behörde erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass wegen der damit verbunden Überwindung des informationellen Trennungsprinzips zwischen Nachrichtendiensten und Polizei dieser Regelung ein besonders schweres Eingriffsgewicht zukommt (BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 -, Rnr. 202 f.). Nachdem die Evaluation ergab, dass die Eilfallregelung keine praktische Bedeutung entfaltet hat, sollte sie hinterfragt und - sofern keine über die Angaben im Evaluierungsbericht hinausgehenden Gründe für ihre Erforderlichkeit angeführt werden können - aufgehoben werden.

3. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 6a ATDG)

Artikel 1 Nummer 7 ist zu streichen.

Begründung:

Diese Vorschrift dient nicht der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 -, so dass kein Zeitdruck besteht. Mit ihr soll die Möglichkeit einer erweiterten Datennutzung, wie sie in § 7 RED-G für die Rechtsextremismus-Datei bereits besteht, für die Antiterrordatei geschaffen werden.

Bevor eine derartige Strukturveränderung in der Antiterrordatei vorgenommen wird, sollten sowohl der Bedarf dafür als auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit gründlich geprüft werden.

Die Notwendigkeit für eine derartige Regelung, insbesondere für die vorgesehenen Anwendungsfälle, geht weder aus der Begründung des Gesetzentwurfs (S. 24) noch aus dem dort angesprochenen Evaluationsbericht (vgl. BT-Drucksache 17/12665(neu), S. 5, 54 f.) hinreichend substantiiert hervor. Zudem liegt die in Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus vom 20. August 2012 (BGBl. I, 1789) vorgesehene Evaluation des RED-G noch nicht vor. Deren Ergebnisse sollten abgewartet werden, bevor das Modell der erweiterten Datennutzung aus § 7 RED-G übernommen wird.

Verfassungsrechtlich ist zu bedenken, dass mit der erweiterten Datennutzung die Konzeption der Antiterrordatei als Verbunddatei, die im Kern auf die Informationsanbahnung beschränkt ist und eine Nutzung der Daten zur operativen Aufgabenwahrnehmung nur in dringenden Ausnahmefällen vorsieht, zumindest aufgeweicht wird. Denn die Ausnahme ist nun nicht mehr auf die eng konturierten Eilfälle im Sinne von § 5 Absatz 2 ATDG beschränkt, sondern umfasst auch bestimmte einzelfallbezogene Projekte. Daneben löst sie sich von dem Prinzip der Einzelabfrage. Beide Elemente waren maßgeblich für die positive Bewertung der Antiterrordatei durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. a.a. O. Rnr. 124 ff., 194). Schließlich beinhaltet die neue Möglichkeit die kritisch beurteilte Ausgabe von Grunddaten bei Inverssuchen. Ob diese Gesichtspunkte durch die in § 6a ATDG-E vorgesehenen sehr hohen inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Eingriffsschwellen und durch die Herausnahme der teilweise besonders sensiblen verdeckt gespeicherten Daten aus dem Anwendungsbereich aufgewogen werden, bedarf genauer Prüfung.

4. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 1 Absatz 2 Nummer 2 RED-G),

Nummer 8 Buchstabe a (§ 11 Absatz 1 Satz 2 RED-G)

In Artikel 2 Nummer 1 § 1 Absatz 2 Nummer 2 und in Nummer 8 Buchstabe a § 11 Absatz 1 Satz 2 ist jeweils das Wort "Antiterrordatei" durch das Wort "Rechtsextremismus-Datei" zu ersetzen.

Begründung:

Es handelt sich um eine redaktionelle Korrektur.

5. Zu Artikel 2 Nummer 9 (§ 15 RED-G)

Artikel 2 Nummer 9 ist zu streichen.

Begründung:

Solange die Evaluierung des RED-G noch aussteht, sollte die Regelung zur erweiterten Datennutzung in § 7 RED-G nicht entfristet werden.

Dass die zeitliche Geltungsdauer von § 7 RED-G im Hinblick auf die anhängige Verfassungsbeschwerde gegen das ATDG beschränkt wurde, wie es die Begründung des Gesetzentwurfs angibt (BR-Drucksache 153/14 (PDF) , S. 27), lässt sich dem Gesetzentwurf zum RED-G nicht entnehmen (vgl. BT-Drucksache 17/8672, S. 21). Vielmehr lässt die Übereinstimmung der Geltungsfrist mit der Frist, bis zu der die Evaluation durchgeführt sein soll (3 1. Januar 2016), vermuten, dass der Fortbestand des § 7 RED-G vom Ergebnis der Evaluation abhängig gemacht werden sollte.