Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG /EWG des Rates vom 5. April 1993, der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften

C(2018) 6905 final

Brüssel, den 19.10.2018 C(2018) 6905 final

Herrn Michael MÜLLER
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahmen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG {COM (2018)184 final)}sowie zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG /EWG, der Richtlinie 98/6/EG, der Richtlinie 2005/29/EG sowie der Richtlinie 2011/83/EU zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften {COM (2018) 185 final}.

Diese Vorschläge sollen im Einklang mit der "Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher", die Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 20171 angekündigt hat und deren Ziele in das Arbeitsprogramm der Kommission 20182 eingeflossen sind, die Einhaltung der Verbraucherschutzvorschriften der Europäischen Union verbessern, die Verbraucherrechtsvorschriften vor dem Hintergrund der Marktentwicklungen modernisieren und gegebenenfalls Belastungen für Unternehmen verringern.

Die Kommission begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für ein hohes Verbraucherschutzniveau in der gesamten Union und einheitlichere Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Europäischen Union.

Die Eignungsprüfung, die die Kommission in den Jahren 2016 und 2017 zu den EU-Verbraucherrechtsvorschriften durchgeführt hat, zeigte, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor Opfer einer unzureichenden Befolgung der Vorschriften durch Unternehmer sind und dadurch Nachteile erleiden. Deshalb hat die Kommission vorgeschlagen, die bereits umgesetzten oder noch laufenden Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechtsvorschriften zu ergänzen und einen wirksameren individuellen und kollektiven Verbraucherrechtsschutz sowie stärker abschreckende behördliche Durchsetzungsbefugnisse zu ermöglichen.

Im Einzelnen sehen diese Vorschläge kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten für ordnungsgemäß bezeichnete qualifizierte Einrichtungen vor, um die Kollektivinteressen der Verbraucher zu schützen und das bereits bestehende Unterlassungsverfahren zu verbessern, damit solche Einrichtungen Verstöße gegen das Verbraucherrecht abstellen können. Die Vorschläge bewirken außerdem eine weitere Harmonisierung der in der Europäischen Union derzeit stark voneinander abweichenden Sanktionsvorschriften hei Verstößen gegen das Verbraucherrecht und sehen Rechtsbehelfe für Opfer unlauterer Geschäftspraktiken vor.

Die Kommission begrüßt die grundsätzliche Zustimmung des Bundesrates zur Möglichkeit, die Kollektivinteressen der Verbraucher im Rahmen einer Verbandsklage durch qualifizierte Einrichtungen zu schützen, und teilt seine Einschätzung, dass die derzeitigen gemäß der Richtlinie 2009/22/EG3 bestehenden Möglichkeiten nicht ausreichen. Die Kommission nimmt den Standpunkt des Bundesrates zu spezifischen Teilen des Vorschlags, die nach Ansicht des Bundesrates einer Änderung oder Klarstellung bedürfen, zur Kenntnis.

Hinsichtlich der vorgeschlagenen Modernisierungsmaßnahmen stimmt die Kommission voll und ganz mit dem Bundesrat darin überein, dass die bestehenden Lücken geschlossen und im Einklang mit der vorgeschlagenen Richtlinie über digitale Inhalte der Verbraucherschutz und die Transparenz in Bezug auf "kostenlose" digitale Dienste, in Bezug auf Verträge, die über Online-Marktplätze geschlossen werden, und in Bezug auf die Präsentation von Online-Suchergebnissen verbessert werden müssen. All diese Punkte sind wesentliche Elemente der derzeitigen Kommissionsvorschläge.

Die Kommission begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Entlastung von Unternehmen hei der Erfüllung ihrer Informationspflichten und den Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie für den Vorschlag, die Befugnisse der Mitgliedstaaten zum Erlass nationaler Vorschriften zur Bekämpfung unlauterer Praktiken bei Haustürgeschäften und Ausflugsfahrten mit Verkauftveranstaltungen zu präzisieren. Die Kommission hat auch die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der vorgeschlagenen Änderungen des Widerrufsrechts bei Waren, hinsichtlich des vorgeschlagenen Rechtsbehelft für Opfer unlauterer Geschäftspraktiken und hinsichtlich der Klärung der Vorschriften über Produkte von zweierlei Qualität sorgfältig geprüft.

Die Kommission geht in den beigefügten Anhängen 1 und II auf die einzelnen Anmerkungen in den Stellungnahmen des Bundesrates ein.

Die Stellungnahme des Bundesrats wurde den Vertretern der Kommission im Rahmen der laufenden Verhandlungen mit den gesetzgebenden Organen übermittelt und wird in diese Erörterungen einfließen. Die Kommission ist nach wie vor zuversichtlich, dass vor den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 eine Einigung erzielt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermanns Vera Jourovä
Erster Vizepräsident Mitglied der Kommission

Anhang I
Stellungnahme des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG /EWG" der Richtlinie 98/6/EG, der Richtlinie 2005/29/EG sowie der Richtlinie 2011/83/EU zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften {COM (2018) 185 final}.

Die Kommission hat alle in der Stellungnahme des Bundesrates dargelegten Bedenken sorgfältig geprüft und merkt dazu Folgendes an:

Vorgeschlagene Änderungen der Richtlinie 2011/83/EU

In Bezug auf die vorvertraglichen Informationspflichten gemäß den Artikeln 5 und 6 der Richtlinie 2011/83/EU4 (Absatz 12 der Stellungnahme" I. Teil) hat die Kommission in ihren Bewertungen mittels verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse (Experimente) geprüft" wie relevant die verbindlichen allgemeinen Anforderungen an die Verbraucherinformation sind. Dabei zeigte sich" dass die derzeitigen verbindlichen Anforderungen der Richtlinien 2005/29/EG5 und 2011/83/EU,für die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin relevant sind und nur eine begrenzte Vereinfachung angezeigt ist. Allerdings muss sowohl im Hinblick auf obligatorische Angaben als auch jegliche zusätzliche Standardbedingungen, die der Unternehmer festlegt" der Zugang der Verbraucherinnen und Verbraucher zu Informationen deutlich verbessert werden. Die Kommission arbeitet daher mit den wichtigsten europäischen Unternehmens- und Verbraucherverbänden an einer Selbstregulierungsinitiative für eine bessere Präsentation der Verbraucherinformation.

Ein starker Verbraucherschutz ist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen besonders wichtig" da die Verbraucherinnen und Verbraucher unter psychologischen Druck gesetzt werden können und nicht immer vor Überraschungen sicher sind. Die Kommission stellt fest" dass einige Mitgliedstaaten weitere nationale Beschränkungen in Bezug auf Haustürgeschäfte und Ausflugsfahrten mit Verkaufsveranstaltungen eingeführt haben, um spezifischen nationalen Problemen im Zusammenhang mit diesen Verkaufstechniken Rechnung zu tragen. Deshalb hat die Kommission gezielte Änderungen der Richtlinie 2005/29/EG vorgeschlagen, um die Befugnis der Mitgliedstaaten zum Erlass nationaler Bestimmungen zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit diesen beiden Absatzkanälen zu klären.

In Bezug auf das Widerrufsrecht bei Waren (Absätze 14, 15 und 21 der Stellungnahme) versichert die Kommission dem Bundesrat, dass sie an diesem Recht als einem der grundlegenden Verbraucherrechte im elektronischen Handel in vollem Umfang festhält. Der Vorschlag sieht lediglich die Änderung von zwei spezifischen Aspekten des Widerrufsrechts vor" die Unternehmen in der Europäischen Union" und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen" nach Einschätzung der Kommission übermäßig belasten oder nicht das richtige Gleichgewicht zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schaffen.

Erstens schlägt die Kommission vor" Waren" die von Verbraucherinnen und Verbrauchern über die reine Tauglichkeitsprüfung hinaus benutzt wurden, ("gebrauchte" Waren) vom Widerrufsrecht auszunehmen. Das Widerrufsrecht im Fernabsatz von Waren soll sicherstellen" dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die gleiche Möglichkeit haben" ein Produkt in Augenschein zu sehen und zu prüfen" wie in einem Laden. Das Widerrufsrecht war nicht dazu gedacht" eine tatsächliche Nutzung der Ware während 14 Tagen zu ermöglichen. Durch die vorgeschlagenen Änderungen werden die Vorschriften für beide Parteien vereinfacht. Die Verkäufer müssen sich nicht mehr um zurückgegebene "gebrauchte" Waren kümmern, indem sie diese beispielsweise als Gebrauchtgegenstände weiterverkaufen" und sie müssen keinen Wertverlust ermitteln. Die Verbraucherinnen und Verbraucher laufen nicht länger Gefahr" im schlimmsten Fall den vollen Kaufpreis zurückgegebener "gebrauchter" Waren zahlen zu müssen" falls diese nicht mehr weiterverkauft werden können. Die vorgeschlagenen Änderungen dürften nicht zu vermehrten Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmern und Verbrauchern führen; sie zielen vielmehr darauf ab" Streitigkeiten über die Bestimmung der Höhe des Wertverlusts zu verhindern.

Zweitens hat die Kommission vorgeschlagen, die Verpflichtung der Verkäufer zur Erstattung des Kaufpreises auf der alleinigen Grundlage des Nachweises der Versendung der Waren noch vor deren tatsächlichem Erhalt ("vorzeitige Rückzahlung') zu streichen. Die Kommission weist darauf hin" dass die Streichung dieser Verpflichtung keine Auswirkung darauf hat" wer das Transportrisiko während der Rücksendung der Waren an den Unternehmer trägt. Ein solches Risiko ist in der Richtlinie 2011/83/EU nicht ausdrücklich geregelt und unterliegt gemäß Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie daher dem allgemeinen innerstaatlichen Vertragsrecht. Die derzeitige Verpflichtung zur "vorzeitigen Rückzahlung" kann zu Situationen führen, in denen der Verkäufer auf der Grundlage des Versandnachweises eine Rückzahlung leistet" die Ware, deren Beförderung rechtmäßig auf Risiko des Verbrauchers erfolgen kann, während des Transports jedoch beschädigt wird oder überhaupt nicht ankommt. Die vorgeschlagene Änderung bietet daher eine besser ausgewogene Lösung. bei der der Unternehmer die Rückzahlung erst nach Eingang der Waren leistet.

Die Kommission hat die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich eines möglichen Missbrauchs der neuen Vorschriften durch unseriöse Unternehmer zur Kenntnis genommen" möchte jedoch darauf hinweisen" dass die Gefahr des Missbrauchs durch unseriöse Geschäftemacher bereits bei den derzeit geltenden Vorschriften besteht" wonach Unternehmer bis zu 100 % des gezahlten Preises als Wertverlust beanspruchen können. Mit der vorgeschlagenen Änderung sollen gesetzestreue Verkäufer entlastet werden" die die Verbraucherrechte respektieren" bei der Ermittlung des exakten Wertverlusts und dem Weiterverkauf zurückgegebener "gebrauchter" Waren aber auf Schwierigkeiten stoßen. Die mangelnde Einhaltung der Vorschriften durch unseriöse Unternehmer muss durch stärkere öffentliche und private Durchsetzungsmaßnahmen angegangen werden. Die Kommission hat in ihren Vorschlägen den Schwerpunkt daher auf die Stärkung öffentlicher und privater Durchsetzungsmöglichkeiten sowie auf die Sensibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Unternehmer für das Verbraucherrecht gelegt.

In Bezug auf die zusätzlichen Transparenzanforderungen an Online-Marktplätzen (Absätze 13 und 18 der Stellungnahme) möchte die Kommission darauf hinweisen" dass eine Nichteinhaltung dieser Anforderungen durch Online-Marktplätze als unlautere Geschäftspraktik und damit als Verstoß gegen die Richtlinie 2005/29/EG betrachtet werden kann. Dementsprechend können die Verbraucherinnen und Verbraucher Anspruch auf die Rechtsbehelfe haben" die die Kommission zur Ergänzung der Richtlinie 2005/29/EG vorgeschlagen hat. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten wie bei jedem Verstoß gegen die Richtlinie 2011/83/EU im Einklang mit deren Artikel 24 wirksame" angemessene und abschreckende Sanktionen für solche Verstöße vorsehen. In Bezug auf die Bemerkungen des Bundesrates zur Anwendung spezifischer nationaler zivilrechtlicher Bestimmungen auf Online-Marktplätze stellt die Kommission schließlich lest" dass die Richtlinie 2011/83/EU gemäß Artikel 3 Absatz 5 das allgemeine innerstaatliche Vertragsrecht in seinen Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Was den Umfang der zusätzlichen Informationspflichten von Online-Marktplätzen (Absatz 17 der Stellungnahme) betrifft, möchte die Kommission darauf hinweisen" dass diese Anforderungen auch für Vergleichsportale gelten, die als Online-Marktplätze funktionieren" d.h. die über ihre Online-Schnittstellen den Abschluss von Verträgen ermöglichen. Dieser Ansatz steht im Einklang mit dem Geltungsbereich der Richtlinie 2011/83/EU, die Informationspflichten in der vorvertraglichen Phase von Geschäften regelt. Die allgemeinen Geschäftspraktiken" einschließlich der Bereitstellung von Informationen über Preisvergleichsportale und Suchmaschinen, die nicht als vorvertragliche Informationen im Sinne der Richtlinie 2011/83/EU gellen" unterliegen der Richtlinie 2005/29/EG. Die Kommission hat vorgeschlagen" die Bestimmungen der letztgenannten Richtlinie zu verschärfen" indem die Anwendung des Verbots "versteckter" Werbung in Online-Suchergebnissen" einschließlich der Suchergebnisse von Preisvergleichsportalen" geklärt wird (Anhang I Nummer 11 (" Schwarze Liste")).

In Bezug auf die Pflichten der Betreiber von Online-Marktplätzen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unseriösen Unternehmern und zur Gewährleistung der Einhaltung des Verbraucherrechts durch Dritte (Absätze 19 und 20 der Stellungnahme) stellt die Kommission lest" dass durch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr bereits ein Rechtsrahmen für die Entfernung illegaler Inhalte" einschließlich der Verhinderung illegaler Online-Geschäftspraktiken, festgelegt wurde. Mit dieser Richtlinie werden unter anderem die Bedingungen harmonisiert" unter denen bestimmte Online-Plattformen (einschließlich Online-Marktplätzen) von der Haftung für illegale Inhalte" die auf ihren Seiten erscheinen, ausgenommen werden können. Die Kommission veröffentlichte im Jahr 2017 eine Mitteilung'" die eine Reihe von Leitlinien und Grundsätzen dafür enthält" wie Online-Plattformen in Zusammenarbeit mit nationalen Behörden" Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten die Bekämpfung illegaler Online-Inhalte verstärken sollten. Diese Mitteilung zielt darauf ab" die Umsetzung bewährter Praktiken für die Vorbeugung" Erkennung und Entfernung illegaler Inhalte und für die Sperrung des Zugangs zu solchen Inhalten zu erleichtern und zu intensivieren" damit eine wirksame Entfernung rechtswidriger Inhalte, eine größere Transparenz und der Schulz der Grundrechte im Online-Umfeld sichergestellt werden.

Darüber hinaus unterliegen Online-Marktplätze den Anforderungen der Richtlinie 2005/29/EG8 an die berufliche Sorgfalt. Dazu gehören auch Maßnahmen" die es Dritten ermöglichen" die Anforderungen des Verbraucherrechts der Europäischen Union zu erfüllen" ohne eine allgemeine Überwachungspflicht im Sinne von Artikel 15 der Richtlinie 2000/31/EG aufzuerlegen. Insbesondere sollten die Online-Schnittstellen so gestaltet sein" dass Dritte die vorgeschriebenen Verbraucherinformationen liefern können.

Die vorn Bundesrat angesprochenen Gewährleistungsrechte für schadhafte Waren fallen unter die Richtlinie 1999/44/EG. Diese Richtlinie wird durch die aktuellen Vorschläge im Rahmen der "Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher" nicht geändert; ihre Überarbeitung ist derzeit jedoch Gegenstand von Verhandlungen auf der Grundlage eines gesonderten Kommissionsvorschlags. Die Richtlinie 1999/44/EG sieht eine Hierarchie von Abhilfemaßnahmen vor, denen zufolge Verbraucherinnen und Verbraucher zunächst vom Verkäufer verlangen können" die schadhaften Waren zu reparieren oder sie zu ersetzen. Die Richtlinie 1999/44/EG gilt für jeden Verkauf von Waren" einschließlich des Verkaufs über Online-Marktplätze. Die Verweigerung der Reparatur oder des Ersatzes von über Online-Marktplätze verkauften Waren, auf die der Bundesrat verweist" kann bereits jetzt als Verstoß gegen die Richtlinie 1999/44/EG betrachtet werden.

Vorgeschlagene Änderungen der Richtlinie 2005/29/EG

Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der vorgeschlagenen Regelung der Rechtsbehelfe für Opfer unlauterer Geschäftspraktiken zur Kenntnis (Absatz 24 der Stellungnahme). Wie in der Folgenabschätzung der Kommission zu den Vorschlägen erläutert" sollte bei den Rechtsbehelfen gemäß der Richtlinie 2005/29/EG die in der Eignungsprüfung getroffene Feststellung berücksichtigt werden" dass unlautere Geschäftspraktiken für die Verbraucherinnen und Verbraucher das am häufigsten auftretende verbraucherrechtliche Problem sind. Gleichzeitig werden viele Opfer unlauterer Geschäftspraktiken nicht tätig. Diese mangelnde Inanspruchnahme eines Rechtsbehelfs kann zumindest teilweise darauf zurückzuführen sein" dass es in mehreren Ländern keine speziellen Vorschriften über Abhilfemöglichkeiten gibt" die den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Falle unlauterer Geschäftspraktiken zur Verfügung stehen. Nach den der Kommission vorliegenden Informationen verfügen nur 14 Mitgliedstaaten über spezifische Vorschriften für Abhilftmaßnahmen gegen unlautere Geschäftspraktiken" die einen Verstoß gegen die Richtlinie 2005/29/EG darstellen. Diese sind jedoch in der Regel an den Vertrag gebunden und können daher nur gegen die Vertragspartner" nicht jedoch gegen andere Unternehmer wie Hersteller" mit denen der Verbraucher keinen direkten Vertrag hat, in Anspruch genommen werden.9 In der anderen Hälfte der Mitgliedstaaten gibt es keine ausdrückliche Verknüpfung zwischen unlauteren Geschäftspraktiken und Abhilfemaßnahmen.

Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass nach Auffassung des Bundesrates die nach nationalem deutschem Recht bestehenden Rechtsbehelfe es den Verbraucherinnen und Verbrauchern bereits ermöglichen, sich aus Verträgen zu lösen" die aufgrund arglistiger Täuschung geschlossen wurden" und dass die bestehenden außervertraglichen Haftungsregime ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten bieten. In mehreren Mitgliedstaaten wird die vorgeschlagene Änderung der Richtlinie 2005/29/EG tatsächliche keine Einführung neuer Rechtsmittel erfordern" sondern lediglich eine eindeutige rechtliche Verbindung zwischen unlauteren Geschäftspraktiken, die gegen die Richtlinie 2005/29/EG verstoßen" und den bereits bestehenden Abhilfemaßnahmen schaffen. Solche klaren Rechtsvorschriften sollten zu einer stärkeren Sensibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher für ihr Recht auf Schadensersatz im Falle unlauterer Geschäftspraktiken und zur häufigeren Ausübung dieser Rechte führen. Dies dürfte wiederum zu einer stärkeren Abschreckung und letztlich zu einer besseren Einhaltung der Richtlinie 2005/29/EG durch die Unternehmer, führen.

Der Vorschlag der Kommission für Abhilfemöglichkeiten lässt den Mitgliedstaaten ein gutes Maß an Flexibilität" da die Vertragskündigung als vertraglicher Rechtsbehelf und der Schadensersatz als außervertraglicher Rechtsbehelf als Minimum verlangt werden. Die Mitgliedstaaten können weitere Abhilfemaßnahmen hinzufügen oder beibehalten und die Bedingungen für deren Anwendung festlegen, wie etwa Bedingungen für die einseitige Vertragskündigung und die Art des Schadensersatzes, den Verbraucher geltend machen können. Die vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen berühren nicht die Anwendung anderer Verbraucherschutzmaßnahmen" die bereits in anderen EU-Verbraucherschutzrichtlinien vorgesehen sind" wie z.B. Abhilfemaßnahmen in Bezug auf schadhafte Produkte gemäß der Richtlinie 1999/44/EG.

Zu den Fragen des Bundesrates bezüglich der Formen unlauterer Praktiken, für die die vorgeschlagenen Rechtsbehelfe gelten" und bezüglich der Ermittlung der verantwortlichen Partei möchte die Kommission anmerken" dass die vorgeschlagenen Rechtsbehelfe den bestehenden Rechtsrahmen der Richtlinie 2005/29/EG ergänzen werden. Somit können die vorgeschlagenen Rechtsbehelfe gegen unlautere Geschäftspraktiken eingelegt werden" die einen Verstoß gegen die Richtlinie 2005/29/EG darstellen. Das Vorliegen unlauterer Geschäftspraktiken und die Ermittlung des verantwortlichen Unternehmers werden weiterhin im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften zur Durchsetzung der Richtlinie 2005/29/EG" die die Anforderungen von Artikel 11 der Richtlinie umsetzen" festgestellt.

In Bezug auf die Bemerkungen des Bundesrates zum Fehlen einer Kausalverbindung zwischen unlauterer Geschäftspraktik und Vertragsschluss möchte die Kommission darauf hinweisen" dass gemäß den allgemeinen Vorschriften über die Feststellung unlauterer Geschäftspraktiken nach den Artikeln 5 bis 9 der Richtlinie 2005/29/EG eine Voraussetzung darin besteht" dass die betreffende Geschäftspraktik Verbraucherinnen und Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst" die sie ansonsten nicht getroffen hätten.

Die Kommission nimmt auch zur Kenntnis" dass die Rechtsvorschriften über Geschäftspraktiken nach Auffassung des Bundesrates in erster Linie wettbewerber- und wettbewerbsschützende Funktion haben und die Richtlinie 2005/29/EG den Verbraucherinnen und Verbrauchern daher keine individuellen Rechte einräumen sollte.

In diesem Zusammenhang möchte die Kommission darauf hinweisen" dass mit der Richtlinie 2005/29/EG sowohl Ziele der Binnenmarktintegration als auch das Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus verfolgt werden. Die Kommission sieht kein konzeptuelles Problem in der Stärkung der Verbraucherrechte und somit der abschreckenden Wirkung der Richtlinie 2005/29/EG" selbst wenn die Durchsetzung ihrer Bestimmungen auch den konkurrierenden Unternehmen zugutekommt.

Schließlich nimmt die Kommission zur Kenntnis" dass der Bundesrat keine Notwendigkeit zur Änderung der Richtlinie 2005/29/EG im Hinblick auf "Produkte von zweierlei Qualität" sieht (Absatz 25 der Stellungnahme). Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrats" dass eine irreführende Vermarktung" auch bezüglich "Produkten von zweierlei Qualität" im Rahmen der bestehenden Vorschriften der Richtlinie 2005/29/EG geregelt werden kann10. Ungeachtet dessen weisen Durchsetzungsbehörden in Mitgliedstaaten" die mit Problemen im Zusammenhang mit "Produkten von zweierlei Qualität" konfrontiert sind" darauf hin, dass die Richtlinie detailliertere Vorschriften enthalten sollte. Um keinen Zweifel daran zu lassen" dass das Unionsrecht eine ungerechtfertigte und irreführende Produktdifferenzierung im Binnenmarkt verbietet" hat die Kommission eine Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vorgeschlagen" um explizit darauf hinzuweisen" dass die Vermarktung eines Produkts als Produkt" das mit einem in mehreren anderen Mitgliedstaaten in Verkehr gebrachten gleichen Produkt identisch ist" eine Irreführung im Sinne von Artikel 6 der Richtlinie darstellen kann" wenn die Produkte sich in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen erheblich voneinander unterscheiden. Die Änderung steht in engem Zusammenhang mit den Bemühungen der Kommission um eine Koordinierung der Arbeiten der Mitgliedstaaten in Bezug auf "Produkte von zweierlei Qualität"" die insbesondere durch die von der Gemeinsamen Forschungsstelle entwickelte harmonisierte Prüfmethode erreicht werden soll.