Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote
(Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz)

Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am 7. April 2006 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 7 (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WpÜG)

In Artikel 1 Nr. 7 § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 sind nach dem Wort "sowie" die Wörter ", soweit von dem Angebot betroffen," einzufügen.

Begründung

Eine Aufnahme von Geschäftsabsichten des Bieters, die mit dem Angebot nichts zu tun haben, in die Angebotsunterlage erscheint nicht als sinnvoll. Hier besteht die Gefahr, die Angebotsunterlagen mit unwichtigen Angaben aufzublähen und den Bieter unter Umständen unnötigerweise zu verpflichten, Betriebsdetails herauszugeben. Auch in Artikel 6 Abs. 3 Buchstabe i der Richtlinie ist nur eine Angabe derjenigen Geschäftsabsichten des Bieters verlangt, die von dem Angebot betroffen sind.

2. Zu Artikel 1 Nr. 11a - neu - (§ 20 Abs. 1 Satz 2 - neu - WpÜG)

Der Bundesrat bittet, den Gesetzentwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren wie folgt zu ändern:

In Artikel 1 ist nach Nummer 11 folgende Nummer 11a einzufügen:

Begründung

Die Ergänzung geht auf Erfahrungen aus der Praxis zurück und greift diese auf.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es im Zuge von Übernahmen dazu kommen kann, dass ein begleitendes Kreditinstitut kurzzeitig Aktien hält, ohne dabei jedoch die Absicht zu verfolgen, Stimmrechte oder eine Kontrolle auszuüben. § 20 WpÜG geltender Fassung normiert lediglich eine Ausnahme für den "Spekulationsbestand", nicht aber für den Handelsbestand der Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Auch für den Handelsbestand sollte - wie in § 23 WpHG - eine Ausnahme von der Zurechnung von Stimmrechten gelten.

3. Zu Artikel 1 Nr. 16 ( § 33a WpÜG)

In Artikel 1 Nr. 16 sind in § 33a Abs. 1 nach dem Wort "Zielgesellschaft" die Wörter "im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1" einzufügen.

Begründung

Die Ergänzung dient der Klarstellung. Laut Begründung der Bundesregierung soll § 33a Abs. 1 WpÜG-E inländischen Zielgesellschaften die Möglichkeit eröffnen in ihrer Satzung die Geltung des § 33a auszuschließen und sich damit der in § 33a Abs. 2 WpÜG-E vorgesehenen, dem "Verhinderungsverbot" des Artikels 9 Abs. 2 und 3 der Übernahmerichtlinie entsprechenden Regelung zu unterwerfen. Entgegen der Regierungsbegründung und der Vorgabe des Artikels 12 Abs. 1 der Übernahmerichtlinie erfasst der Wortlaut des § 33a Abs. 1 WpÜG-E nicht nur inländische, sondern auch ausländische Zielgesellschaften.

Durch die Ergänzung des § 33a Abs. 1 WpÜG-E wird sichergestellt, dass sich die Regelung ausschließlich auf inländische Zielgesellschaften erstreckt.

4. Zu Artikel 1 Nr. 16 (§ 33a Abs. 3, § 33b Abs. 3 WpÜG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens klarzustellen, in welchem Umfang die Satzungsbestimmungen nach § 33a Abs. 1 bzw. § 33b Abs. 1 WpÜG-E der Eintragung in das Handelsregister bedürfen.

Begründung

Satzungsbestimmungen werden, von den Angaben nach § 39 AktG abgesehen, grundsätzlich nicht im Einzelnen ihrem Inhalt nach im Handelsregister angegeben.

Dementsprechend ordnet § 181 Abs. 2 Satz 1 AktG an, dass bei Eintragung einer Satzungsänderung eine pauschale Bezugnahme auf die zum Handelsregister eingereichten Unterlagen genügt; in das Register einzutragen ist nur der Umstand, dass die Satzung geändert ist, nicht aber der Inhalt der Änderung.

Ob für Beschlüsse nach § 33a Abs. 1 und § 33b Abs. 1 WpÜG-E etwas anderes gelten soll, lässt sich der Formulierung von § 33a Abs. 3 und § 33b Abs. 3 WpÜG-E nicht mit der wünschenswerten Eindeutigkeit entnehmen. Lediglich im Rückschluss daraus, dass ein Beleg über die Eintragung "der Satzungsbestimmung nach Absatz 1 in das Handelsregister" zu übersenden ist, lässt sich auf eine erweiterte Eintragungspflicht schließen.

Zur Vermeidung von Unsicherheiten im Registerverfahren und divergierenden Eintragungen sollte ausdrücklich im Gesetz klargestellt werden, in welchem Umfang eine Satzungsbestimmung nach § 33a Abs. 1 bzw. § 33b Abs. 1 WpÜG-E in das Handelsregister einzutragen ist.

5. Zu Artikel 1 Nr. 16 (§ 33b Abs. 5 Satz 2 - neu - WpÜG)

In Artikel 1 Nr. 16 ist in § 33b dem Absatz 5 folgender Satz anzufügen:

Begründung

Eine zeitliche Beschränkung der gerichtlichen Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs ist aus Gründen der Rechtssicherheit geboten. Durch die Befristung wird den betroffenen Gesellschaften frühzeitig die erforderliche Rechtssicherheit gegeben. Die Befristungsregelung sollte sich an § 5 Abs. 3 Satz 2 EGAktG orientieren.

6. Zu Artikel 1 Nr. 16 ( § 33c Abs. 3 WpÜG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob nicht die zeitliche Begrenzung der Geltung eines Hauptversammlungsbeschlusses zum Vorbehalt der Gegenseitigkeit lediglich auf Maßnahmen, die in Anwendung des Gegenseitigkeitsvorbehalts getroffen werden sollen, zu beschränken ist.

Begründung

In § 33c WpÜG-E wird der so genannte Vorbehalt der Gegenseitigkeit ermöglicht, d.h. eine Gesellschaft, die sich grundsätzlich freiwillig dafür entschieden hat die strengeren europäischen Regeln zur Abwehr eines Übernahmeangebots anzuwenden kann davon abweichen, wenn der Bieter diesen Regeln nicht unterliegt. Damit soll eine "Waffengleichheit" hergestellt werden.

In § 33c Abs. 3 WpÜG-E ist allerdings vorgesehen, einen solchen Gegenseitigkeitsvorbehalt auf höchstens 18 Monate nach der Beschluss fassenden Hauptversammlung zu erstrecken. Nach Auffassung des Bundesrates entspricht dies nicht dem Ziel der Richtlinie. Mit dieser zeitlichen Beschränkung müsste der Gegenseitigkeitsvorbehalt faktisch auf der Tagesordnung jeder Hauptversammlung stehen. Deutlich sinnvoller wäre es dagegen, den Gegenseitigkeitsvorbehalt dauerhaft z.B. in die Satzung aufzunehmen, wenn dort die Möglichkeit des Opt-In gewählt wird.

Nach dem Wortlaut von Artikel 12 Abs. 5 der Richtlinie betrifft die zeitliche Beschränkung auf 18 Monate auch lediglich "Maßnahmen, die in Anwendung des Absatzes 3 durchgeführt werden sollen", damit also entsprechende Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft. Hier ist eine zeitliche Befristung sinnvoll, nicht jedoch bei der generellen Frage, ob von dem Gegenseitigkeitsvorbehalt Gebrauch gemacht werden soll.

7. Zu Artikel 1 Nr. 17 ( § 39a Abs. 1 WpÜG)

Die Möglichkeiten der Übernahmerichtlinie (Artikel 15), die Grenze für das Squeeze out auf 90 v. H. der stimmberechtigten Aktien abzusenken, werden durch § 39a WpÜG-E nicht ausgeschöpft. Der Bundesrat bittet deshalb, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob der in § 39a Abs. 1 WpÜG-E genannte Schwellenwert auf 90 v. H. abgesenkt werden kann. Dementsprechend würde die Grenze für das neu eingeführte Sell out dann ebenfalls bei 90 v. H. liegen.

Durch diese Änderung könnte der administrative und finanzielle Aufwand für eine Börsennotierung und die Durchführung von Hauptversammlungen bei den davon betroffenen Aktiengesellschaften reduziert werden.

8. Zu Artikel 1 Nr. 17 ( § 39a WpÜG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob § 39a WpÜG-E nicht derart gestaltet werden sollte, dass dem Bieter bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf Übertragung der verbleibenden Aktien zu einem angemessenen Preis gegen den verbleibenden Aktionär zusteht. Dieser wäre - erst und nur dann, wenn er nicht freiwillig erfüllt wird - im Verfahren nach § 39b WpÜG-E durchzusetzen. Die Kostenregelung sollte an die bestehende Regelung in § 15 SpruchG angelehnt werden.

Begründung

Beim übernahmerechtlichen Squeeze out bzw. beim Verfahren besteht eine Differenz zwischen Umsetzungsgesetz und Richtlinie: Nach Artikel 15 Abs. 2 der Richtlinie ist sicherzustellen, dass "ein Bieter von allen verbleibenden Wertpapierinhabern verlangen kann, dass sie ihm ihre Wertpapiere zu einem angemessenen Preis verkaufen". Damit hat der Bieter einen Anspruch auf den Kauf der Aktien zu einem angemessenen Preis, der - notfalls - gerichtlich geltend zu machen ist.

In § 39a Abs. 1 WpÜG-E wird dagegen eine Möglichkeit der Übertragung der verbleibenden Aktien auf den Bieter durch Gerichtsbeschluss gegeben. Ein erheblicher Unterschied zur Richtlinie entsteht dabei im Zusammenwirken mit der Regelung in § 39b Abs. 6 WpÜG-E, wonach der Antragsteller (Bieter) stets die Kosten des Verfahrens trägt (Vierfaches der vollen Gebühr). Eine Möglichkeit zum Abweichen von dieser starren Kostenregelung aus Billigkeitsgründen, wie diese in § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG besteht, ist im Entwurf nicht vorgesehen.

Damit kann ein verbleibender Aktionär, der keinerlei Prozesskostenrisiko trägt, versuchen den Preis für seine Aktien über einen angemessenen Preis hinaus in die Höhe zu treiben. Ein Risiko geht er damit nicht ein, weil er nur zu befürchten hat dass der Bieter das Ausschlussverfahren durchführt und er dann - ohne Verfahrenskosten tragen zu müssen - immer noch den angemessenen Preis erhält.

Lässt sich der Bieter auf dieses Verfahren nicht ein, bleibt dem Aktionär immer noch die Möglichkeit, kurz vor Fristablauf vom Andienungsrecht nach § 39c WpÜG-E Gebrauch zu machen.

Damit erhält der verbleibende Aktionär auf jeden Fall den angemessenen Preis für seine Wertpapiere, er hat jedoch die Möglichkeit, den Preis zur Vermeidung des Ausschlussverfahrens zumindest um die Höhe der Gerichtsgebühren hinaufzutreiben.

Im Übrigen ist fraglich, ob mit dem derzeitigen Entwurf (Übertragungsrecht auf Kosten des Bieters) die Vorgabe der Richtlinie (Ankaufsrecht als Anspruch gegen den Aktionär) überhaupt erfüllt ist. Nach Auffassung des Bundesrates bleibt das WpÜG-E damit deutlich hinter der Richtlinie zurück. Der Bieter trägt auf jeden Fall die Kosten eines durchzuführenden Verfahrens.

Hier sollten Änderungen vorgenommen werden: Der Bieter sollte bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39a WpÜG-E einen rechtlichen Anspruch auf Übertragung der verbleibenden Aktien zu einem angemessenen Preis gegen den verbleibenden Aktionär erhalten. Dieser ist - erst und nur dann, wenn er nicht freiwillig erfüllt wird - im Verfahren nach § 39b WpÜG-E durchzusetzen.

Für die Verfahrenskosten sollte die Kostenregelung des § 15 Abs. 2 SpruchG übernommen werden, wonach die Kosten aus Billigkeitsgründen ganz oder zum Teil auch dem verbleibenden Aktionär auferlegt werden können. Damit besteht für jeden Beteiligten ein Kostenrisiko und damit auch der Druck, sich auf einen zutreffenden angemessenen Preis zu einigen.

Die derzeit vorgesehene Kostenregelung gibt dem verbleibenden Aktionär dagegen die Möglichkeit, ohne jedwedes Kostenrisiko zu versuchen, mehr als einen angemessenen Preis zu erzielen.

Durch die zu prüfende Ausgestaltung als Anspruch würde eine verfrühte Einschaltung der Gerichtsbarkeit verhindert und eine zusätzliche Belastung der Gerichte verhindert.

9. Zu Artikel 1 Nr. 17 (§ 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die in § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG-E vorgesehene unwiderlegliche Vermutung der Angemessenheit der Abfindung mit dem verfassungsrechtlichen Schutz des Aktieneigentums nach Artikel 14 Abs. 1 GG und der hierzu bestehenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu vereinbaren ist.

Begründung

§ 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG-E bestimmt, dass die im Rahmen eines übernahmerechtlichen Squeeze out gewährte Gegenleistung stets als angemessene Abfindung anzusehen ist, wenn der Bieter auf Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Inhaltlich stimmt die Regelung mit Artikel 15 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie vollständig überein, wobei Artikel 15 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a unberücksichtigt bleibt und allein auf Buchstabe b abgestellt wird. Dieser geht jedoch von einem lebensfremden Ansatz aus, weil ein Angebot nur abgegeben wird wenn der Bieter bereits über ein erhebliches Grundkapital verfügt.

Nach der Entwurfsbegründung handelt es sich dabei um eine unwiderlegliche Vermutung, d.h. ein betroffener Minderheitsaktionär hat bei Vorliegen der Voraussetzungen der Regelung keine Möglichkeit mehr, die angebotene Abfindung durch ein Gericht überprüfen zu lassen. Eine Korrekturmöglichkeit für den Fall, dass die Abfindung zwar den vorbezeichneten Anforderungen, nicht jedoch dem wirtschaftlichen Wert der Beteiligung entspricht, besteht nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfGE 14, 261 ff. - "Feldmühle"; BVerfGE 100, 289 ff. - "DAT/Altana") muss der zum Ausscheiden gezwungene Aktionär stets den Wert seiner Beteiligung am Unternehmen erhalten. Der Wert der Beteiligung ist regelmäßig durch Gutachten auf Grundlage der Ertragswertmethode festzustellen wobei die Untergrenze der Barabfindung durch den Börsenkurs bestimmt wird.

Auch bei einer verhältnismäßig großen Akzeptanz der vom Bieter angebotenen Abfindung kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass diese dem tatsächlichen Wert der Beteiligung entspricht. Die Verkaufsentscheidungen anderer Aktionäre können auf ganz anderen Motiven beruhen.

Weiterhin besteht die Vermutung der Angemessenheit bereits dann, wenn 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals vom Bieter zu diesem Preis erworben wurden. Je nach Höhe der bisherigen Beteiligung des Bieters am Unternehmen kann diese Vergleichsgruppe auch relativ klein ausfallen.

Die vorgesehene Regelung, die angemessene Abfindung des ausscheidenden Aktionärs unabhängig vom wirtschaftlichen Wert der Beteiligung und unabhängig vom Börsenkurs festzulegen und gleichzeitig eine gerichtliche Kontrolle der Höhe der Abfindung auszuschließen, erscheint verfassungsrechtlich sehr bedenklich.

Eine vergleichbare Regelung mit der Schaffung einer unwiderleglichen Vermutung sollte bereits 2001 mit dem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen in § 327b Abs. 1 Satz 3 AktG eingeführt werden. Auf Grund verfassungsrechtlicher Bedenken des Bundesrates (BT-Drs. 014/7034, S. 86 f.) wurde jedoch von einer Umsetzung abgesehen (BGBl. 2001 I, S. 3822).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei Eingriffen in Grundrechte das Grundgesetz auch bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht zu beachten, soweit das Europarecht Spielraum lässt.

10. Zu Artikel 1 Nr. 17 ( § 39a Abs. 3 WpÜG)

Nach § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG-E ist die im Rahmen eines Übernahme- oder Pflichtangebots gewährte Gegenleistung als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter auf Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Angemessenheitsschwelle des Erwerbs von 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals im Hinblick auf Pflichtangebote erforderlich ist.

Begründung

Bei einem Pflichtangebot gilt nach Artikel 15 Abs. 5 letzter Satz der Übernahmerichtlinie die Gegenleistung des Angebots als angemessen. Die Richtlinie sieht die Angemessenheitsschwelle des Erwerbs von 90 Prozent des vom Angebot betroffenen stimmberechtigten Kapitals lediglich im Hinblick auf freiwillige Angebote vor (Artikel 15 Abs. 5 Satz 4). Um die Beachtung der in Artikel 3 Abs. 1 der Übernahmerichtlinie aufgeführten Grundsätze sicherzustellen, können die Mitgliedstaaten für Angebote zusätzliche Bedingungen und strengere Bestimmungen als in der Richtlinie festlegen (Artikel 3 Abs. 2 Buchst. b). Daher ist zu prüfen, ob die in § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG-E für Pflichtangebote - abweichend vom Wortlaut des Artikels 15 Abs. 5 letzter Satz der Übernahmerichtlinie - eingeführte Angemessenheitsschwelle tatsächlich im Hinblick auf die in Artikel 3 Abs. 1 der Übernahmerichtlinie normierten Grundsätze erforderlich ist.

11. Zu Artikel 1 Nr. 17 (§ 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens Verfahrensregelungen für die Feststellung der angemessenen Gegenleistung zu treffen, falls der Bieter auf Grund des Angebots Aktien in Höhe von weniger als 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Dabei sollte sichergestellt werden, dass die Entscheidung über den Übertragungsantrag nicht durch einen Streit über die Höhe der Gegenleistung unzumutbar verzögert wird.

Begründung

§ 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG-E sieht eine - laut Entwurfsbegründung unwiderlegliche - Vermutung für die Angemessenheit der Gegenleistung vor, wenn der Bieter auf Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Keine Regelung ist jedoch für den Fall getroffen, dass diese Voraussetzung nicht vorliegt. In diesem Fall wäre zu befürchten, dass - wie auch in den ähnlich gelagerten Fällen des § 327a AktG - umfangreiche Streitigkeiten zwischen Haupt- und Minderheitsaktionären über die Höhe der angemessenen Gegenleistung die Folge sind.

Wäre hierüber ebenfalls im Ausschlussverfahren selbst zu entscheiden, könnte das Ausschlussverfahren auf Jahre hinaus verzögert werden.

Entsprechend dem auch bei anderen Umstrukturierungsmaßnahmen üblichen System sollte daher auch hier getrennt werden zwischen der Entscheidung über die Umstrukturierungsmaßnahme einerseits und über die Höhe der Gegenleistung andererseits. Hierdurch wird gewährleistet, dass die Wirksamkeit der Umstrukturierungsmaßnahme nicht durch den Streit über die Höhe der Gegenleistung belastet und u.U. auf Jahre hinaus verzögert wird.

Die Verfahren zur Feststellung der angemessenen Gegenleistung sollten durch eine Ergänzung von § 1 SpruchG den dort genannten, auf derlei Fragen spezialisierten Gerichten zugewiesen werden, womit zugleich die besonderen Verfahrensregeln des Spruchverfahrens Anwendung fänden. Ohne eine solche Zuweisung wären für diese Streitigkeiten die in § 66 WpÜG genannten Gerichte zuständig das Verfahren wäre nach der Zivilprozessordnung zu führen. Dies würde den Besonderheiten eines solchen Verfahrens nicht gerecht.

Die Trennung zwischen Ausschluss- und Spruchverfahren widerspräche auch nicht der zu Grunde liegenden Richtlinie. In Artikel 15 Abs. 5 der Richtlinie 2004/25/EG wird nur gefordert, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass eine angemessene Abfindung garantiert wird. In welcher Weise dies erreicht wird ist den Mitgliedstaaten freigestellt.

12. Zu Artikel 1 Nr. 17 ( § 39a Abs. 4 WpÜG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 39a Abs. 4 WpÜG-E so gefasst werden sollte, dass die Frist für den Antrag auf Übertragung der Aktien nicht mit Ablauf der Annahmefrist beginnt, sondern mit dem Eintritt etwaiger aufschiebender Bedingungen.

Begründung

§ 39a Abs. 4 WpÜG-E sieht vor, dass ein Antrag auf Übertragung der Aktien innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist gestellt werden muss. Dabei ist nicht berücksichtigt, dass ein Bieter das Angebot grundsätzlich unter Bedingungen stellen kann. In der Praxis können Fälle auftreten, in denen der Bieter den Eintritt von aufschiebenden Bedingungen - wie etwa fusionskontrollrechtlicher Art - in zeitlicher Hinsicht nicht zu beeinflussen vermag.

Dem sollte das Gesetz Rechnung tragen. Anderenfalls wäre einem Bieter, der das Angebot wegen derartiger Bedingungen erst nach Ablauf von drei Monaten nach Ende der Annahmefrist vollziehen kann und deshalb erst zu diesem Zeitpunkt die Vorraussetzungen des § 39a Abs. 1 WpÜG-E erfüllt, die Ausschlussmöglichkeit genommen.

13. Zu Artikel 1 Nr. 17 (§ 39a Abs. 5, § 39b Abs. 1 Satz 2 - neu -, Abs. 3 Satz 4, 5 WpÜG)

Artikel 1 Nr. 17 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Die Regelungen der §§ 39a Abs. 5 und 39b Abs. 3 Satz 4 WpÜG konzentrieren die Entscheidungen über einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Anschluss an eine Übernahme, durch die der Hauptaktionär zum Ausschluss berechtigt wird, bei dem Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Hierfür ist kein Grund ersichtlich. Insbesondere ist eine bundesweite Konzentration der Verfahren auf ein einziges Gericht nicht unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Spezialisierung geboten. Bereits jetzt können Verfahren nach dem WpÜG durch landesrechtliche Regelung auf bestimmte Gerichte konzentriert werden. Von dieser Konzentrationsermächtigung haben die Länder in weitem Umfang Gebrauch gemacht. Damit ist gesichert, dass die entscheidenden Richter über ausreichende Spezialkenntnisse verfügen.

Zudem wären diese Landgerichte auch weiterhin zuständig für Squeeze-out-Verfahren außerhalb des WpÜG nach §§ 327a ff. Aktiengesetz, so dass sie weiterhin über das spezielle Fachwissen verfügen müssen.

Die Gefahr divergierender Entscheidungen wird damit durch die vorgesehene Regelung nicht beseitigt.

Für die Justizhaushalte der Länder wäre bei der vorgesehenen Konzentration auf das Landgericht Frankfurt a.M. angesichts der regelmäßig hohen Gegenstandswerte der Verfahren mit erheblichen Mindereinnahmen zu rechnen.

Ein weiterer Aspekt ergibt sich unter der Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Standortentscheidungen. Unternehmen richten sich dabei im erheblichen Maße nach der vorhandenen Infrastruktur. Dazu gehört u. a. auch das Angebot an spezialisierten Rechtsanwalts-Kanzleien und entsprechenden Beratern, die sich normalerweise am Standort der jeweiligen Gerichte ansiedeln.

Eine Konzentration dieser Branche mit den Folgen für entsprechende Standortentscheidungen kann nicht gewünscht sein.

Durch einen Verweis auf § 66 WpÜG wird klargestellt, welche verfahrensrechtlichen Bestimmungen anwendbar sind.

Eine weitere Beschwerde zum Bundesgerichtshof ist erforderlich, da ansonsten bei einer erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landgerichte die letztinstanzliche Zuständigkeit bei vielen verschiedenen Oberlandesgerichten liegen würde.

14. Zu Artikel 1 Nr. 17 (§ 39b Abs. 6 Satz 4 WpÜG)

In Artikel 1 Nr. 17 ist § 39b Abs. 6 Satz 4 wie folgt zu fassen:

Begründung

Für die Ermäßigung der Gebühr sollte sich möglichst eindeutig ermitteln lassen, wann die gerichtliche Entscheidung als ergangen gilt. Bei der bisherigen Fassung des § 39b Abs. 6 Satz 4 WpÜG-E ist eine eindeutige Bestimmung nicht gewährleistet. Überdies wird durch den Verweis auf "die Gebühr nach Satz 2" klargestellt, dass die Ermäßigung "auf die Hälfte" keine solche auf die Hälfte einer vollen Gebühr, sondern der anfallenden Verfahrensgebühr meint.

15. Zu Artikel 1 Nr. 17 ( § 39b WpÜG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Geltendmachung von Bewertungsrügen im Interesse der Transaktionssicherheit ausschließlich im Rahmen eines Spruchverfahrens erfolgen sollte.

Begründung

Die Verfahrensregelung des § 39b WpÜG-E knüpft an die Ausschlussregelung des § 39a WpÜG-E an. Nach § 39a Abs. 1 Satz 1 WpÜG-E erfolgt der Ausschluss der übrigen Aktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung. Der Gesetzentwurf lässt nicht eindeutig erkennen, wie ggf. eine Rüge, dass die gebotene Abfindung nicht angemessen sei (Bewertungsrüge), verfahrensrechtlich geltend zu machen wäre. Ein entsprechender Verweis auf das Spruchverfahren fehlt. Würde die Geltendmachung im Wege sofortiger Beschwerde nach dem FGG - § 39b Abs. 1 WpÜG-E erklärt grundsätzlich das FGG für anwendbar - erfolgen, so wäre wegen des Suspensiveffekts die Transaktionssicherheit erheblich beeinträchtigt. Es erscheint sachgerechter, Bewertungsrügen ausschließlich im Rahmen eines Spruchverfahrens zuzulassen.