Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über vorrangige Aktionen zur Stärkung der Zusammenarbeit im europäischen Archivwesen KOM (2005) 53 endg.; Ratsdok. 6703/05

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 3. März 2005 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 21. Februar 2005 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Hinweis: vgl. Drucksache 590/91 = AE-Nr. 912403, AE-Nr. 941969, Drucksache 137/00 = AE-Nr. 000328 und Drucksache 239/04 (PDF) = AE-Nr. 041073

Begründung

Am 6. Mai 2003 verabschiedete der Ministerrat der Europäischen Union eine Entschließung zum Archivwesen in den Mitgliedstaaten.1 In dieser Entschließung wurde die Kommission aufgefordert, eine auch hinsichtlich der neuen Mitgliedstaaten repräsentative Gruppe von Experten einzusetzen, die sich mit einer Reihe von Fragen zur Lage der Archive in der Europäischen Union befassen sollten, und dem Rat einen Bericht vorzulegen, der auch Leitlinien für eine engere künftige Zusammenarbeit im Archivwesen auf europäischer Ebene enthält.

Die Entschließung vom 6. Mai 2003 stützt sich auf eine frühere Entschließung des Rates zum Archivwesen, die am 14. November 1991 verabschiedet wurde2. Diese Entschließung vom 14. November 1991 führte zu dem Bericht Die Archive in der Europäischen Union3, den die Sachverständigengruppe 1993 dem Rat vorlegte. Ausgehend von diesem Bericht hob der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 17. Juni 19944 die Bedeutung der Archive als Teil des europäischen Kulturerbes hervor und stellte einvernehmlich fest, dass eine verstärkte Zusammenarbeit im Archivwesen von großer Bedeutung ist. Diese Schlussfolgerungen des Rates waren in den letzten zehn Jahren ein wichtiges Element bei der Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Archivdiensten in Europa.

Seit 1993 haben die Informations- und Kommunikationstechnologien anhaltende und rasche Fortschritte mit direkten Auswirkungen auf die Schrift- und Archivgutverwaltung erzielt. Darüber hinaus wurde die Europäische Union in diesem Zeitraum von zwölf auf 25 Mitgliedstaaten erweitert. Viele Mitgliedstaaten und die Organe der Europäischen Union selbst haben zahlreiche Gesetzesänderungen vorgenommen, um dem Bürger einen besseren Zugang zu Informationen und Dokumenten zu ermöglichen. Die Bedeutung des grenzüberschreitenden Informationsflusses hat ebenfalls erheblich zugenommen. Diese Entwicklungen haben deutliche Konsequenzen für die Schrift- und Archivgutverwaltung und zu einer größeren Sensibilisierung für die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Organen in diesem Bereich geführt.

Die Kommission begrüßte daher die Entschließung des Rates vom 6. Mai 2003 als eine Möglichkeit, die Probleme der Schrift- und Archivgutverwaltung in der erweiterten Europäischen Union zu bewältigen. Entsprechend der Entschließung des Rates unterstützte eine Gruppe von Sachverständigen aus allen 25 Mitgliedstaaten die Kommission bei der Erstellung des Berichts über die Archive in der erweiterten Europäischen Union. Dieser Bericht wird dem Rat zusammen mit dem beigefügten Entwurf für einen Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates über vorrangige Aktionen zur Stärkung der Zusammenarbeit im europäischen Archivwesen vorgelegt.

Der Bericht beschreibt die aktuelle Situation der öffentlichen Archive in den Mitgliedstaaten und in den Organen der Europäischen Union sowie die mögliche Entwicklung der Schrift - und Archivgutverwaltung und die Rolle der Archivdienste im 21. Jahrhundert.

Gemäß der Entschließung des Rates vom 6. Mai 2003 enthält der Bericht zahlreiche Leitlinien für eine engere künftige Zusammenarbeit sowie Vorschläge für konkrete Aktionen im Archivwesen auf europäischer Ebene.5

Zu den im Bericht vorgeschlagenen vorrangigen Aktionen gehören Maßnahmen zur Vermeidung, Begrenzung oder Wiedergutmachung von Schäden an Dokumenten bzw. Verlusten von Archiven durch Natur- oder andere Katastrophen, indem man sich auf die Erfahrungen im Zusammenhang mit Naturkatastrophen wie den in jüngster Zeit in mehreren europäischen Ländern aufgetretenen Überschwemmungen stützt. Ebenfalls vorgeschlagen wird die Verbesserung der Erhaltung von Schriftstücken und Archivgut, wozu auch Maßnahmen zur Förderung von Normen und Spezifikationen für Archivgebäude und Magazine gehören. Die Zusammenarbeit im Archivwesen sollte insbesondere in den Bereichen Authentizität, langfristige Aufbewahrung und Zugänglichkeit elektronischer Dokumente und Archive intensiviert werden. Vorgeschlagen werden ebenfalls Maßnahmen zur Verhinderung des Diebstahls von Archivdokumenten und Vorkehrungen zur Wiederbeschaffung entwendeter Archivbestände. Darüber hinaus wird die Einrichtung eines EU-Portals für das Archiverbe der erweiterten Union vorgeschlagen, um den Bürgern der Europäischen Union einen leichteren grenzüberschreitenden Zugang zu den Archiven zu ermöglichen.

Diese vorrangigen Aktionen sollen durch eine verstärkte Zusammenarbeit sowie einen Austausch von Informationen und bewährten Verfahren auf europäischer Ebene umgesetzt werden. Zu diesem Zweck schlägt der Bericht die Einrichtung einer Archivargruppe der EU-Mitgliedstaaten und EU-Organe vor. Diese Gruppe gewährleistet den Informationsaustausch und bemüht sich um eine weitere Zusammenarbeit im Archivwesen auf einvernehmlicher Grundlage und unter vollständiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips. Hierbei konzentriert sie sich auf die im Bericht genannten konkreten Aktionen, insbesondere auf die oben erwähnten vorrangigen Aktionen. Die Archivargruppe soll nach drei Jahren einen ersten Fortschrittsbericht über diese vorrangigen Aktionen im europäischen Archivwesen vorlegen.

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates
über vorrangige Aktionen zur Stärkung der Zusammenarbeit im europäischen Archivwesen

Der Rat der Europäischen Union -

(1) Die Entschließung des Rates und der Kulturminister vom 14. November 1991 betreffend das Archivwesen6 und die Schlussfolgerungen des Rates vom 17. Juni 1994 zur verstärkten Zusammenarbeit im Archivwesen7 haben erste Fortschritte bei der Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Archivwesen ermöglicht;

(2) In der Entschließung des Rates vom 6. Mai 2003 zum Archivwesen in den Mitgliedstaaten8 wurde die Bedeutung der Archive für das Verständnis der europäischen Geschichte und Kultur und ihr Beitrag zum Funktionieren der Demokratie im Rahmen der EU-Erweiterung vom 1. Mai 2004 hervorgehoben;

(3) Die Gemeinschaft hat sich in interdisziplinären Gremien unter Beteiligung der öffentlichen Verwaltungen, der einzelstaatlichen Archivdienste und von Vertretern aus Wirtschaft und Forschung mit den Problemen der Verwaltung, Archivierung, Aufbewahrung und Konsultation maschinenlesbarer Daten befasst;

(4) Der Rat hat in seiner Entschließung vom 6. Mai 2003 die Auffassung vertreten, dass die Anwendungen und Lösungen der Informations- und Kommunikationstechnologie im Bereich des Archivwesens weiterentwickelt werden müssen;

(5) Die Kommission unterstreicht die von den EU-Organen im speziellen Bereich der Filmarchive in Europa geleistete Arbeit, wozu auch die Entschließung des Rates vom 24. November 2003 9 zur Hinterlegung von Kinofilmen in der Europäischen Union und der Vorschlag der Kommission vom 16. März 2004 für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Filmerbe und zur Wettbewerbsfähigkeit der einschlägigen Industriezweige zählt.

(6) In seiner Entschließung vom 6. Mai 2003 hat der Rat die Kommission ebenfalls ersucht, einen Bericht über die gegenwärtige Lage und die künftige Entwicklung der Archive in der erweiterten Europäischen Union vorzulegen. Dieser von einer Gruppe von Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten im Juni 2004 fertig gestellte "Bericht über die Archive in der erweiterten Europäischen Union" stellt eine solide Grundlage für die weitere Entwicklung der Archive in Europa dar. Er enthält auf Bitten des Rates Vorschläge für konkrete Aktionen und Leitlinien für eine Intensivierung der Zusammenarbeit im Archivwesen auf europäischer Ebene.

empfiehlt:

A. Die gemeinsame Durchführung der nachstehenden Maßnahmen betreffend das Archivwesen in der aufgeführten Rangfolge durch die Mitgliedstaaten und die EU-Organe in den nächsten Jahren:

B. Die Mitgliedstaaten und die EU-Organe fördern gemeinsam die Umsetzung der im "Bericht über die Archive in der erweiterten Europäischen Union" genannten und unter Punkt A dieser Empfehlung erwähnten vorrangigen Maßnahmen. Es wird nicht davon ausgegangen, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen Auswirkungen auf den Haushalt der Union haben wird.

C. Aus Sachverständigen der Mitgliedstaaten und EU-Organe wird eine Europäische Archivgruppe gebildet, um die Zusammenarbeit und Koordinierung in allgemeinen Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Archivwesen, Folgemaßnahmen zu den im "Bericht über die Archive in der erweiterten Europäischen Union" von Juni 2004 genannten Arbeiten, insbesondere zu den unter Punkt A dieser Empfehlung genannten vorrangigen Maßnahmen, zu gewährleisten.

D. Nach spätestens drei Jahren legt diese Europäische Archivgruppe einen Fortschrittsbericht über die Umsetzung der unter Punkt A genannten vorrangigen Maßnahmen vor.

Geschehen zu Brüssel am

Im Namen des Rates Der Präsident

1 ABl. C 113 vom 13.05.2003.
2 ABl. C 314 vom 05.12.1991.
3 OPOCE, 1994, ISBN 92-826-8233-1
4 ABl. C 235 vom 23.08.1994.
5 Weitere Einzelheiten enthält die beigefügte Zusammenfassung des Berichts.
6 ABl. C 314, 5.12.1991, S.2
7 ABl. C 235, 23.8.1994, S.3
8 ABl. C 113, 13.5.2003, S.2
9 ABl. C 295, 5.12.2003, S.5
10 DLM=Document Lifecycle Management (Verwaltung des Dokumenten-Lebenszyklus)