Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG

C(2018) 6905 final

Brüssel, den 19.10.2018 C(2018) 6905 final

Herrn Michael MÜLLER
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahmen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG {COM (2018) 184 final} sowie zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/1 3/EWG, der Richtlinie 98/6/EG, der Richtlinie 2005/29/EG sowie der Richtlinie 2011/83/EU zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften {COM (2018) 185 final}.

Diese Vorschläge sollen im Einklang mit der " Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher", die Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 20171 angekündigt hat und deren Ziele in das Arbeitsprogramm der Kommission 20182 eingeflossen sind, die Einhaltung der Verbraucherschutzvorschriften der Europäischen Union verbessern, die Verbraucherrechtsvorschriften vor dem Hintergrund der Marktentwicklungen modernisieren und gegebenenfalls Belastungen für Unternehmen verringern.

Die Kommission begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für ein hohes Verbraucherschutzniveau in der gesamten Union und einheitlichere Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Europäischen Union.

Die Eignungsprüfung, die die Kommission in den Jahren 2016 und 2017 zu den EU-Verbraucherrechtsvorschriften durchgeführt hat, zeigte, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor Opfer einer unzureichenden Befolgung der Vorschriften durch Unternehmer sind und dadurch Nachteile erleiden. Deshalb hat die Kommission vorgeschlagen, die bereits umgesetzten oder noch laufenden Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechtsvorschriften zu ergänzen und einen wirksameren individuellen und kollektiven Verbraucherrechtsschutz sowie stärker abschreckende behördliche Durchsetzungsbefugnisse zu ermöglichen.

Im Einzelnen sehen diese Vorschläge kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten für ordnungsgemäß bezeichnete qualifizierte Einrichtungen vor, um die Kollektivinteressen der Verbraucher zu schützen und das bereits bestehende Unterlassungsverfahren zu verbessern, damit solche Einrichtungen Verstöße gegen das Verbraucherrecht abstellen können. Die Vorschläge bewirken außerdem eine weitere Harmonisierung der in der Europäischen Union derzeit stark voneinander abweichenden Sanktionsvorschriften hei Verstößen gegen das Verbraucherrecht und sehen Rechtsbehelfe für Opfer unlauterer Geschäftspraktiken vor.

Die Kommission begrüßt die grundsätzliche Zustimmung des Bundesrates zur Möglichkeit, die Kollektivinteressen der Verbraucher im Rahmen einer Verbandsklage durch qualifizierte Einrichtungen zu schützen, und teilt seine Einschätzung, dass die derzeitigen gemäß der Richtlinie 2009/22/EG3 bestehenden Möglichkeiten nicht ausreichen. Die Kommission nimmt den Standpunkt des Bundesrates zu spezifischen Teilen des Vorschlags, die nach Ansicht des Bundesrates einer Änderung oder Klarstellung bedürfen, zur Kenntnis.

Hinsichtlich der vorgeschlagenen Modernisierungsmaßnahmen stimmt die Kommission voll und ganz mit dem Bundesrat darin überein, dass die bestehenden Lücken geschlossen und im Einklang mit der vorgeschlagenen Richtlinie über digitale Inhalte der Verbraucherschutz und die Transparenz in Bezug auf ",kostenlose" digitale Dienste, in Bezug auf Verträge, die über Online-Marktplätze geschlossen werden, und in Bezug auf die Präsentation von Online-Suchergebnissen verbessert werden müssen. All diese Punkte sind wesentliche Elemente der derzeitigen Kommissionsvorschläge.

Die Kommission begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Entlastung von Unternehmen bei der Erfüllung ihrer Informationspflichten und den Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie für den Vorschlag, die Befugnisse der Mitgliedstaaten zum Erlass nationaler Vorschriften zur Bekämpfung unlauterer Praktiken bei Haustürgeschäften und Ausflugsfahrten mit Verkauftveranstaltungen zu präzisieren. Die Kommission hat auch die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der vorgeschlagenen Änderungen des Widerrufsrechts bei Waren, hinsichtlich des vorgeschlagenen Rechtsbehelfs für Opfer unlauterer Geschäftspraktiken und hinsichtlich der Klärung der Vorschriften über Produkte von zweierlei Qualität sorgfältig geprüft.

Die Kommission geht in den beigefügten Anhängen 1 und 11 auf die einzelnen Anmerkungen in den Stellungnahmen des Bundesrates ein.

Die Stellungnahme des Bundesrats wurde den Vertretern der Kommission im Rahmen der laufenden Verhandlungen mit den gesetzgebenden Organen übermittelt und wird in diese Erörterungen einfließen. Die Kommission ist nach wie vor zuversichtlich, dass vor den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 eine Einigung erzielt werden kann.

Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrates aufgeworfenen Fragen mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermanns Vera Jourovä
Erster Vizepräsident Mitglied der Kommission

Anhang II
Stellungnahme des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG {COM (2018) 184 final}

Die Kommission hat alle in der Stellungnahme des Bundesrates dargelegten Bedenken sorgfältig geprüft und merkt dazu Folgendes an:

Die Kommission nimmt die Anmerkungen des Bundesrates zur Definition der kollektiven Verbraucherinteressen und seine Präferenz für eine Mindestanzahl an Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Kenntnis (Absatz 3 der Stellungnahme). Die kollektiven Verbraucherinteressen sind breit definiert, ohne eine Mindestanzahl an betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verlangen, was der Definition in der kürzlich überarbeiteten Verordnung (EU) Nr. 2017/2394 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz" entspricht.

Was die vom Bundesrat geforderte Klarstellung zum Kriterium des Gewinnverbots für qualifizierte Einrichtungen (Absatz 4 der Stellungnahme) betrifft, so wird dieses Kriterium allgemein definiert und werden die Einzelheiten im nationalen Recht geregelt. Dazu gehört auch die genaue Definition von " Erwerbszweck" im Falle, dass Verbraucherorganisationen öffentliche Mittel erhalten.

Die Kommission nimmt die Anmerkungen des Bundesrates zu den Merkmalen der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen und seine Präferenz für ein "Opt-in-Modell" (Absätze 5 und 6 der Stellungnahme) zur Kenntnis. Im Vorschlag wird in Bezug auf das "Optin" und "Opt-out" im Zusammenhang mit Abhilfemaßnahmen ein neutraler Standpunkt vertreten, sodass es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, zwischen den beiden Modellen zu wählen, wobei in den in Artikel 6 Absatz 3 des Vorschlags genannten Sonderfällen einige Ausnahmen gelten. Einige Mitgliedstaaten haben sich bereits für die Opt-out-Option oder eine Kombination der beiden Konzepte in ihren nationalen Systemen entschieden.

Die Kommission nimmt auch zur Kenntnis, dass der Bundesrat generell Klarstellungen hinsichtlich des Mandats in den Artikeln 5 und 6 (Absatz 9 der Stellungnahme) wünscht. In Bezug auf die in Artikel 5 Absatz 2 genannten Unterlassungsklagen wird im Vorschlag klargestellt, dass kein Mandat der Verbraucherin bzw. des Verbrauchers verlangt wird, wie es derzeit im Rahmen der Richtlinie 2009/22/EG der Fall ist. Bei Maßnahmen im Zusammenhang mit den in Artikel 6 genannten Abhilfemaßnahmen können die Mitgliedstaaten ein Mandat der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher verlangen. Im Fall von Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe a, der klar umrissene Fälle betrifft in denen die Verbraucher identifizierbar sind und durch die gleiche Praktik einen vergleichbaren Schaden erlitten haben, können keine Mandate als Voraussetzung für die Einleitung der Maßnahme verlangt werden. In solchen Fällen wäre es effizienter, die Mandate zu verlangen, nachdem die Maßnahme eingeleitet wurde, um beispielsweise die Regeln für die Ermittlung der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher in Anspruch nehmen zu können.

Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b betrifft Fälle, in denen Verbraucher einen geringfügigen Verlust erlitten haben und es unverhältnismäßig wäre, die Entschädigung auf sie zu verteilen. In diesem Fall wird kein Mandat verlangt. Diese Ausnahmen sind notwendig, um ein wirksames Funktionieren dieser spezifischen Arten von Verbandsklagen zu erleichtern.

Die Kommission nimmt die Anmerkungen des Bundesrates zu den in Artikel 9 des Vorschlags festgelegten Informationspflichten der Unternehmer zur Kenntnis (Absatz 7 der Stellungnahme). Diese Informationspflichten spielen nach Auffassung der Kommission eine wesentliche Rolle für eine stärkere Sensibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher für Verstöße gegen die Vorschriften und für ihre Rechtsschutzmöglichkeiten. Das Gericht oder die Verwaltungsbehörde, die mit einem bestimmten Fall befasst ist, wird sicherstellen, dass die Kommunikationsmittel den Umständen des jeweiligen Einzelfalls angemessen sind.

Die Kommission nimmt die Anmerkungen des Bundesrates zu Artikel 10 des Vorschlags und seinen Vorschlag für eine Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen für den Unternehmer im Falle, dass kein Verstoß festgestellt wurde, zur Kenntnis (Absatz 8 der Stellungnahme). Bei Artikel 10 des Vorschlags liegt der Schwerpunkt auf den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Wirkungen rechtskräftiger Entscheidungen, durch die ein Verstoß festgestellt wird, um Verbandsklagen oder individuelle Rechtsbehelfe zu erleichtern. Im Allgemeinen regelt der Vorschlag nur Aspekte, die für das Funktionieren des Rahmens fürs Verbandsklagen wesentlich sind, und überlässt den Mitgliedstaaten die Behandlung von Fragen, die in dem Vorschlag nicht geregelt sind, wie etwa etwaige andere Auswirkungen rechtskräftiger Entscheidungen.