Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung

C(2014) 6502 final

Brüssel, 19.9.2014
Herrn Stephan WEIL
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland

Sehr geehrter Herr Präsident,
Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie über die Förderung der Einbeziehung der Aktionäre (COM (2014) 213 final).

Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat ihr Ziel unterstützt, die Einbeziehung der Aktionäre zu verstärken und die Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften in Europa zu verbessern. Durch eine langfristige Einbeziehung der Aktionäre leisten die Anleger einen spürbaren Beitrag zur Wertschöpfung sowie zu mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass viele Aktionäre kurzfristige Gewinne anstreben, weshalb die Hauptversammlung nicht das geeignete Gremium sei, um verbindliche Entscheidungen über die Vergütungspolitik des Unternehmens zu treffen. Nach Auffassung des Bundesrates sollten Entscheidungen über Vergütungen vielmehr im Aufsichtsrat getroffen werden, dem auch Interessenvertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angehören.

Die Kommission hat nicht die Absicht, die Rolle des Aufsichtsrates bei Vergütungsfragen zu schwächen. Laut Richtlinienentwurf kommt dem Aufsichtsrat weiterhin eine Schlüsselrolle zu, denn er schlägt die Vergütungspolitik vor und setzt sie um. Ohne Vorschlag des Aufsichtsrates kann keine Vergütungspolitik festgelegt werden. Mit einer zusätzlichen Genehmigung durch die Aktionäre würden weitere Kontrollen der Vergütungspolitik hinzukommen, wodurch sich deren Legitimation weiter verbessern würde. Der Richtlinienvorschlag sieht außerdem eine rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, sicherzustellen, dass die Vergütungspolitik mit den langfristigen Interessen des Unternehmens in Einklang steht.

Im Hinblick auf eine obligatorische Begrenzung des Anteils der variablen Vergütung ist festzustellen, dass - im Gegensatz zur Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen - mit dem Vorschlag keine Regulierung der Vergütungsstruktur angestrebt wird. Die Begrenzung der variablen Vergütung bei Banken ist aus aufsichtsrechtlichen Gründen, aufgrund der Systemrelevanz bestimmter Banken und wegen der Möglichkeit notwendig, dass eine aus Steuermitteln finanzierte Rettung erforderlich werden könnte. Bei normalen Unternehmen würden diese Gründe eine solche Beschränkung durch den europäischen Gesetzgeber nicht rechtfertigen. Auch hier ist es an den Mitgliedstaaten zu entscheiden, auf welche Art und Weise sie sicherstellen, dass die Vergütungspolitik mit den langfristigen Interessen des Unternehmens im Einklang steht.

Außerdem spricht sich der Bundesrat gegen die Genehmigung von Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen aus, die mehr als 5 % des Vermögens des Unternehmens betreffen. Aus Sicht des Bundesrates könnte eine solche Genehmigungsregelung Fusionen und Übernahmen erschweren, bei denen die Unternehmensführung schnell handeln müsse.

Der Richtlinienvorschlag fußt auf der Überlegung, dass bei solchen großen, in der Praxis seltenen Transaktionen die Interessen von (Minderheits -)Aktionären möglicherweise nicht hinreichend berücksichtigt werden, weshalb (Minderheits-)Aktionäre ein Mitspracherecht erhalten sollten. Das unmittelbare Recht auf Genehmigung solcher umfangreicher, unter Umständen missbräuchlicher Transaktionen ist daher eine vorbildliche Governance-Praxis. Ein Recht auf Genehmigung sehr umfangreicher Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen durch (Minderheits -)Aktionäre könnte das Verantwortungsbewusstsein institutioneller Anleger steigern und die Zusammenarbeit zwischen Anlegern und Unternehmen verbessern. Die Einbindung von Aktionären in Fusionen und Übernahmen wird dadurch nicht beeinträchtigt, da deren Zustimmung gemäß den geltenden europäischen Vorschriften in jedem Fall erforderlich ist.

Die vorgenannten Punkte stützen sich auf den von der Kommission vorgelegten ersten Vorschlag, mit dem sich das Europäische Parlament und der Rat, in dem die deutsche Bundesregierung vertreten ist, derzeit im Gesetzgebungsverfahren befassen.

Die Kommission hofft, mit diesen Ausführungen die in der Stellungnahme des Bundesrates angesprochenen Punkte geklärt zu haben, und sieht der Weiterführung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen