Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte

C(2016) 5656 final

Brüssel, 8.9.2016
C(2016) 5656 final

Herrn Stanislaw Tillich
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin
Deutschland

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,

Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte (COM (2015) 634 final).

Zusammen mit dem Vorschlag in Bezug auf den Online-Warenhandel und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren1 bildet dieser Vorschlag einen wesentlichen Baustein der Kommissionstrategie für den digitalen Binnenmarkt (DBM), die zu den Prioritäten von Präsident Juncker zählt. Wichtigstes Ziel dieser beiden Vorschläge ist es, durch die Beseitigung der vertragsrechtlichen Hindernisse für den grenzüberschreitenden Online-Handel zu einem rascheren Wachstum des digitalen Binnenmarktes beizutragen.

Für digitale Inhalte gibt es derzeit auf EU-Ebene fast keine spezifischen vertragsrechtlichen Bestimmungen. Dies hat für die Unternehmen Rechtsunsicherheit zur Folge, während den Verbrauchern wirtschaftliche Nachteile erwachsen, wenn ein Produkt fehlerhaft ist. Zudem beginnen die Mitgliedstaaten nun, eigene Rechtsvorschriften für digitale Inhalte einzuführen. Der Richtlinienvorschlag über die Bereitstellung digitaler Inhalte soll verhindern, dass in der EU ein fragmentierter Rechtsrahmen mit unterschiedlichen verbindlichen Vertragsrechtsbestimmungen in den Mitgliedstaaten entsteht. Sonst hätten die Unternehmen, die in mehr als einem EU-Land digitale Inhalte anbieten möchten, hohe Kosten zu tragen, und die Verbraucher müssten ebenfalls Nachteile hinnehmen, da sie keine Klarheit über ihre Rechte und kein Vertrauen in den elektronischen Handel hätten.

Die Modernisierung und Vereinfachung des rechtlichen Rahmens für digitale Inhalte wird sich für Unternehmen wie Verbraucher positiv auswirken. So werden mehr Anbieter dazu ermutigt, ihre Waren grenzüberschreitend zu verkaufen, und ihre Kosten werden sinken. Gleichzeitig werden die Verbraucher Zugang zu mehr Produkten und besseren Angeboten erhalten, wodurch ihr Vertrauen in den digitalen Binnenmarkt steigen wird.

Die Kommission nimmt erfreut zur Kenntnis, dass der Bundesrat ihr Ziel unterstützt, durch die Harmonisierung der einschlägigen Vorschriften einen digitalen Binnenmarkt zu erreichen, um die Rechtsunsicherheit in Bezug auf die grenzüberschreitende Bereitstellung digitaler Inhalte zu beseitigen. Die Kommission begrüßt ferner, dass der Bundesrat das aus dem Vorschlag ersichtliche Ansinnen unterstützt, den Anwendungsbereich auf Verträge auszuweiten, bei denen die Bereitstellung digitaler Inhalte im Austausch gegen Daten erfolgt.

Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates in Bezug auf folgende Aspekte gebührend zur Kenntnis:

Hinsichtlich der Beschränkung auf Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern ist anzumerken, dass in diesem Bereich die zwingenden Vorschriften des jeweiligen nationalen Verbrauchervertragsrechts als Hindernisse für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel identifiziert wurden. Bezüglich Verträgen zwischen Unternehmen erachteten die Interessenträger die Vertragsfreiheit als obersten Grundsatz. In der Strategie für den digitalen Binnenmarkt wird jedoch eingeräumt, dass auch KMU vor unausgewogenen Verträgen in Bezug auf digitale Inhalte geschützt werden sollten. Dieser Aspekt wird im Rahmen anderer in der Strategie angekündigter Maßnahmen analysiert. Ferner hindert die vorgeschlagene Richtlinie die Mitgliedstaaten selbstverständlich nicht daran, deren Vorschriften in ihrem nationalen Recht auch auf Verträge zwischen Unternehmen anzuwenden.

Betreffend die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der Zersplitterung des Vertragsrechts und möglicher Inkohärenzen zwischen dem Online-Warenhandel und anderen Formen des Fernabsatzes von Waren auf der einen Seite und stationären bzw. Offline-Warenhandel auf der anderen Seite verweist die Kommission auf ihre Antwort an den Bundesrat zum Vorschlag in Bezug auf den Online-Warenhandel und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren [COM (2015) 635 final]. Was die etwaige Einführung gesonderter Vorschriften für digitale Inhalte betrifft, so vertritt die Kommission die Ansicht, dass diese Vorschriften zwar so weit wie möglich auf den Warenverkaufsvorschriften beruhen sollten, die besondere Natur der digitalen Inhalte jedoch in vielerlei Hinsicht maßgeschneiderte Vorschriften erforderlich macht. Außerdem ist anzumerken, dass der Vorschlag zwecks Vermeidung einer Zersplitterung für jegliche Bereitstellung digitaler Inhalte gilt, sei es im Fernabsatz oder im stationären Handel.

Was die Gefahr anbelangt, dass den Unternehmen und insbesondere KMU zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht, so schafft der Vorschlag nach Auffassung der Kommission ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einer durch vollständige Harmonisierung bedingten wesentlichen Verbesserung des Geschäftsumfelds für Unternehmen auf der einen Seite und einem EU-weit hohen Verbraucher Schutzniveau auf der anderen Seite. Die Kommission ist nicht der Ansicht, dass gesonderte Vorschriften für digitale Inhalte den Verwaltungsaufwand für KMU besonders stark erhöhen würden. Wie der Bundesrat zu Recht anmerkt, sind KMU bereits heute mit unterschiedlichen Regeln für Verträge zwischen Unternehmen und für Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern konfrontiert. Nach Auffassung der Kommission wird die Initiative sogar besonders für KMU von Vorteil sein, da ihr Hauptproblem oftmals in der Erschließung neuer Märkte besteht. Dass KMU einheitliche Regeln begrüßen würden, haben die KMU selbst sowie KMU-Verbände im Rahmen der Konsultationen bestätigt.

Zu den übrigen, eher technischen Fragen nimmt die Kommission in der Anlage Stellung und hofft, dass die obigen Erläuterungen die Bedenken des Bundesrates ausräumen konnten.

Die Kommission freut sich auf eine Fortsetzung des politischen Dialogs.

Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermans
Erster Vizepräsident
Andrus Ansip
Vizepräsident

Anhang

Die Kommission hat die Anmerkungen des Bundesrates eingehend analysiert und stellt zu den wichtigsten Aspekten folgende Erläuterungen bereit.

Zu möglichen Problemen bei der Umsetzung in deutsches Recht

Die Kommission räumt ein, dass die vorgeschlagenen Vorschriften digitale Inhalte zum Gegenstand haben, während das geltende deutsche Vertragsrecht konzeptionell so angelegt ist, dass jeweils die Pflichten in Bezug auf die verschiedenen Vertragstypen festgeschrieben werden. Die Kommission geht jedoch davon aus, dass dieser Ansatz nicht zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den allgemeinen Konzepten der nationalen Rechtssysteme führen wird. Wie der Bundesrat festgestellt hat, sieht der Vorschlag lediglich die Harmonisierung der wichtigsten vertraglichen Rechte und Pflichten vor, die letztlich für Verbraucher wie Unternehmen entscheidend sind, während beispielsweise die Frage, ob diese Verträge als Kauf-, Dienst- oder Mietverträge oder aber als Verträge sui generis zu betrachten sind, nicht berührt wird. Somit steht es den Mitgliedstaaten frei, die spezifischen Rechte und Pflichten in ihre Vorschriften für die verschiedenen Vertragstypen (Kaufvertrag, Dienstvertrag oder Mietvertrag) aufzunehmen oder einem neuen Vertragstyp (Vertrag sui generis) zuzuordnen. Folglich ermöglicht es dieser Kommissionvorschlag den Mitgliedstaaten, ihr jeweiliges rechtliches Grundkonzept beizubehalten.

Zur Abgrenzung des Geltungsbereichs in Bezug auf eingebettete Software und physische Datenträger mit digitalen Inhalten

Die Kommission räumt ein, dass die Grenzen zwischen herkömmlichen, physischen Waren und digitalen Inhalten verschwimmen, insbesondere bei Waren mit eingebetteter Software sowie angesichts der verschiedenen Vertriebskanäle (Online-Handel, stationärer (Offline-)Handel, gemischte Kanäle), über die (eingebettete) digitale Inhalte verkauft werden. Um Rechtssicherheit und Klarheit zu gewährleisten, muss jedoch zwischen herkömmlichen, physischen Waren und digitalen Inhalten unterschieden werden. Diese Unterscheidung wird im Kommissionsvorschlag anhand der für den durchschnittlichen Verbraucher maßgeblichen Hauptfunktion der verkauften Ware getroffen: Sind die digitalen Inhalte so in ein Produkt eingebettet, dass ihre Funktionen den wichtigsten Funktionen der Ware untergeordnet sind, so gilt für beide Bestandteile des Produkts die Richtlinie über den Warenverkauf Wenn also die Ware wichtiger und wertvoller ist als die eingebetteten Inhalte, dann sollten die Vorschriften in Bezug auf Waren und nicht die Vorschriften für digitale Inhalte gelten. Dient hingegen das physische Medium lediglich als Träger der digitalen Inhalte, so ist die Funktion des Datenträgers eindeutig den digitalen Inhalten untergeordnet. In diesem Fall greift der in Rede stehende Vorschlag der Kommission.

Zur Bestimmung des Begriffs "Anbieter" in Bezug auf Plattformen

Die Definition des Begriffs "digitale Inhalte" könnte Plattformen einschließen, jedoch nur, soweit die Plattform die digitalen Inhalte selbst bereitstellt. Wird die Plattform von anderen Anbietern für die Bereitstellung digitaler Inhalte genutzt, so sind diese Anbieter (und nicht die Plattform) für die Bereitstellung der digitalen Inhalten verantwortlich.

Zur Anwendbarkeit des Vorschlags ausschließlich auf als Gegenleistung aktiv bereitgestellte

Daten Die Richtlinie gilt nur für Verträge, bei denen der Anbieter Daten verlangt und der Verbraucher diese bewusst, also aktiv, bereitstellt. Die Kommission hat diesen Ansatz gewählt, weil sie eine klare, aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers pragmatische Unterscheidung anstrebte und sie die Regulierung unzähliger Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets vermeiden wollte. Unter "aktiv bereitgestellte Daten" sind beispielsweise der Name und die E-Mail-Adresse oder Fotos zu verstehen, die der Verbraucher dem Anbieter direkt bereitstellt, etwa bei der Anlegung eines individuellen Kundenkontos oder auf der Grundlage eines Vertrags, in dessen Rahmen Zugang zu den Fotos des Verbrauchers gewährt wird. Diese Richtlinie sollte hingegen nicht in Fällen gelten, in denen der Anbieter Informationen einschließlich personenbezogener Daten wie z.B. die IP-Adresse oder sonstige automatisch generierte Informationen erhebt, ohne dass der Verbraucher diese aktiv bereitstellt.

Zur Einbeziehung digitaler Inhalte auf physischen Datenträgern in den Anwendungsbereich des Vorschlags

Die Kommission versteht den Einwand des Bundesrates, dass CDs und DVDs möglicherweise nicht immer "ausschließlich" als Träger digitaler Inhalte dienen. In den allermeisten Fällen werden physische Datenträger jedoch ausschließlich als Träger digitaler Inhalte verwendet. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der wirtschaftliche Wert der physischen Datenträger in der Regel vernachlässigbar ist und der wirkliche Mehrwert in den digitalen Inhalten besteht.

Ferner erklärt die Kommission, dass der Vorschlag nicht für Verträge über den Verkauf unbespielter dauerhafter Datenträger oder die Verpackung bestimmter dauerhafter Datenträger gilt. Denn anders als beim Verkauf digitaler Inhalte, die sich auf einem physischen Datenträger befinden, besteht bei unbespielten physischen Datenträgern der gesamte wirtschaftliche Wert in dem Datenträger selbst.

Zur unbefristeten Beweislastumkehr und zur Gewährleistungsfrist

Nach Auffassung der Kommission sollte die Beweislastumkehr nicht zeitlich begrenzt sein und es sollte auch keine Mindestgewährleistungsfrist für digitale Inhalte geben. Die Einführung dieser Fristen für Verträge über den Verkauf von Waren beruhte auf der Annahme, dass nach einiger Zeit auftretende Probleme nicht darauf zurückzuführen sind, dass die Ware bei Erhalt nicht vertragsgemäß war, sondern erst durch die Nutzung der Waren entstehen.

Im Gegensatz zu Waren unterliegen digitale Inhalte aber nicht der Abnutzung. Mit anderen Worten: Die Nutzung und die Zeit haben keinen Einfluss auf die Qualität oder die Funktionen digitaler Inhalte. Mängel treten nicht erst nach einer gewissen Nutzungsdauer auf, wenn sie nicht bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden. Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass physische Datenträger, auf denen digitale Inhalte bereitgestellt werden, Abnutzung unterliegen. Hieraus ergibt sich einer der unvermeidbaren Nachteile einer einheitlichen Vorschrift, mit der einer weiteren Zersplitterung nach den einzelnen Datenträgern vorgebeugt wird. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass bei anderen digitalen Inhalten, die nicht auf einem physischen Datenträger bereitgestellt werden, Computerviren und andere Schadsoftware, die digitale Inhalte beschädigen können, als externe Faktoren und nicht als "Abnutzung" der digitalen Inhalte selbst anzusehen sind.

Außerdem passt eine Mindestgewährleistungsfrist nicht zum Wesen einiger Kategorien von digitalen Inhalten, die kontinuierlich über einen gewissen Zeitraum bereitgestellt werden. In der Tat wäre zu erwarten, dass digitale Inhalte während der gesamten Vertragslaufzeit die zugesagte Qualität aufweisen.

Die Kommission hat in den Vorschlägen zwar keine Fristen vorgesehen, doch das bedeutet nicht, dass Unternehmen unbefristet mit Beschwerden konfrontiert werden können. Die Rechte der Verbraucher würden durch nationale Verjährungsfristen beschränkt.

Zu den Kriterien für die Vertragsmäßigkeit digitaler Inhalte

Es gibt zwei grundlegende Ansätze für die Bestimmung der Vertragsmäßigkeit: einen subjektiven Ansatz, der sich auf die vertraglichen Anforderungen stützt, und einen objektiven Ansatz, der von den gesetzlichen Anforderungen ausgeht.

Nach Artikel 6 Absatz 1 wird die Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte grundsätzlich nach den Vertragsbestimmungen beurteilt. Diese Lösung wurde vor allem aus zwei Gründen gewählt. Erstens sollen Konflikte mit Rechten des geistigen Eigentums vermieden werden. In nahezu allen Fällen ist der Anbieter, der einen Vertrag mit einem Verbraucher schließt, nicht der Urheber, sondern ein Lizenzinhaber. In der Regel erlegt der Urheber dem Lizenzinhaber Beschränkungen auf und untersagt ihm beispielsweise die Nutzung der digitalen Inhalte zu einem bestimmten Zweck. Wenn die Vertragsmäßigkeit eines Produkts anhand gesetzlich festgelegter, objektiver Anforderungen bestimmt würde, müsste der Anbieter unter Umständen bestimmte Funktionen bereitstellen, die er aufgrund von Beschränkungen vonseiten des Urhebers nicht bereitstellen darf. Zweitens fördert der gewählte Ansatz auch Innovationen, da sogenannte Beta-Versionen ermöglicht werden. In der Regel sind Beta-Versionen Produkte (z.B. von kleinen Startup-Unternehmen entwickelte Software), die wahrscheinlich Mängel aufweisen, aber deren mögliche Mängel nicht bekannt sind. Wenn Entwickler solche Produkte auf den Markt bringen, vertrauen sie ausdrücklich auf die Reaktionen der Nutzer, um Probleme bei den Inhalten zu ermitteln. Auf diese Weise können die Produkte verbessert werden. Eine sofortige Anwendung objektiver Kriterien auf diese innovativen Produkte würde deren Entwicklung verhindern.

Es kann jedoch vorkommen, dass der Vertrag über die in Artikel 6 Absatz 1 genannten Parameter für die Beurteilung der Vertragsmäßigkeit des digitalen Inhalts nicht oder nicht hinreichend Aufschluss gibt. In manchen Verträgen sind die entsprechenden Ausführungen eher vage oder unvollständig. In solchen Fällen sind nach Artikel 6 Absatz 2 gesetzliche, objektive Kriterien anzuwenden. Diese Kriterien leiten sich vor allem aus der Richtlinie 1999/44/EG über den Verbrauchsgüterkauf und Garantien für Verbrauchsgüter ab. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Verbraucher ausreichend geschützt wird.

Deshalb ist die Kommission der Auffassung, dass im Interesse der Rechtssicherheit eine Hierarchie zwischen den subjektiven und den objektiven Kriterien geschaffen werden sollte, wobei die objektiven Kriterien nachgeordnet sind und nur dann greifen, wenn zwischen den Parteien keine Vereinbarung vorliegt, die die subjektiven Kriterien erfüllt.

Zur Bereitstellung der neuesten Version digitaler Inhalte

In Artikel 6 Absatz 4 wird die Frage der neuesten Version digitaler Inhalte zumindest teilweise geregelt. Demnach muss der Anbieter grundsätzlich die neueste zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfügbare Version der digitalen Inhalte bereitstellen. Bei nach Abschluss des Vertrags auf den Markt gebrachten Versionen greift Artikel 6 Absatz 1. Folglich hängt es dann von dem betreffenden Vertrag ab, ob eine neuere Version bereitgestellt werden muss.

Die Kommission ist sich bewusst, dass in bestimmten Fällen eine ältere Version der digitalen Inhalte dem Bedarf der Verbraucher besser entspricht. Die Kommission ist jedoch nicht der Meinung, dass Artikel 6 Absatz 4 die Parteien zwingt, in jedem Fall die neueste Version der digitalen Inhalte bereitzustellen, denn gemäß Artikel 6 Absatz 4 können die Parteien ja die Bereitstellung einer älteren Version vereinbaren. Soweit dies nicht eindeutig aus dem Wortlaut des Vorschlags hervorgeht, kann eine Anpassung der Formulierung im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erwogen werden.

Zur Beweislast

Bereits die Richtlinie über den Warenverkauf aus dem Jahr 1999 sieht eine Umkehr der Beweislast vor. Der Gesetzgeber vertrat damals die Auffassung, dass Verbraucher bei technischen Produkten schwerlich beweisen können, dass ein Mangel bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestand. Diese Argumentation gilt in noch stärkerem Maße für digitale Inhalte. Aufgrund der technischen Komplexität digitaler Inhalte verfügt der Durchschnittsverbraucher nicht über die Kenntnisse, die nötig wären, um zu ermitteln, ob ein Problem mit digitalen Inhalten bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestand. Deshalb sollte die Last zu beweisen, dass zum Zeitpunkt der Lieferung eine Vertragswidrigkeit vorlag, umgekehrt werden. Der Verbraucher muss jedoch nachweisen, dass überhaupt ein Problem bei den digitalen Inhalten besteht.

Die Ursache des Problems kann jedoch auch beim Verbraucher liegen. So ist es beispielsweise möglich, dass die Hardware des Verbrauchers nicht geeignet ist, um auf die digitalen Inhalte zuzugreifen, oder seine Internetverbindung zu langsam ist. In diesem Fall wäre es unangemessen, den Anbieter zur Rechenschaft zu ziehen. Deshalb muss der Verbraucher mit dem Anbieter zusammenarbeiten, um zu ermitteln, ob das Problem auf die digitale Umgebung des Verbrauchers zurückzuführen ist (zum Beispiel, indem der Verbraucher zulässt, dass sein Computer automatische Problemberichte an den Anbieter sendet, oder indem er genaue Angaben zu seiner Internetverbindung macht). Bei dieser Pflicht zur Zusammenarbeit sollte der Anbieter stets nach einen möglichst "geringen Eingriff" für den Verbraucher streben. Nach Ansicht der Kommission ist dies eine ausgewogene Lösung, die dem Recht des Verbrauchers auf Schutz seiner Privatsphäre ordnungsgemäß Rechnung trägt.

Ferner ist es aus den bereits angeführten Gründen nicht notwendig, die Beweislastumkehr in Bezug auf digitale Inhalte zeitlich zu begrenzen. Die Kommission teilt allerdings die Auffassung des Bundesrates, dass wenn im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens die Beweislastumkehr doch noch befristet werden sollte, diese Frist bei Online- und Offline-Verträgen sowie bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte gleich sein sollte.

Zu Rechten Dritter, die zu Vertragswidrigkeit führen

Artikel 8 bezieht sich allein auf diejenigen Rechte Dritter, die einen Einfluss auf die Möglichkeiten des Käufers haben, die digitalen Inhalte vertragsgemäß zu nutzen. Soweit diese Einschränkung nicht eindeutig aus dem Wortlaut des Vorschlags hervorgeht, kann eine Anpassung der Formulierung im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erwogen werden.

Zur Vertragswidrigkeit während eines Zeitraums, in dem die digitalen Inhalte bereitzustellen sind

Nach Artikel 10 Buchstabe c haftet der Anbieter für jede Vertragswidrigkeit, die während des Zeitraums eintritt, in dem die digitalen Inhalte dem Vertrag zufolge bereitzustellen sind. Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass diese Bestimmung beispielsweise nicht auf das einmalige Herunterladen einer Film- oder Musikdatei anwendbar ist (Verträge mit "kaufartigem Charakter" im Gegensatz zu Verträgen "mit Dienstleistungscharakter"). Soweit diese Einschränkung nicht eindeutig aus dem Wortlaut des Vorschlags hervorgeht, kann eine Anpassung der Formulierung oder eine Änderung des Erwägungsgrunds 34 im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erwogen werden.

Zum Recht auf Beendigung des Vertrags bei nicht erfolgter Bereitstellung der digitalen Inhalte

Wie aus Erwägungsgrund 35 hervorgeht, stellt die unterlassene Bereitstellung der digitalen Inhalte eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, aufgrund deren der Verbraucher das Recht hat, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu beenden. Im Rahmen der Konsultationen mit den Interessenträgern gaben viele Unternehmen der IT-Branche an, dass sie nicht auf eine zweite Chance zur Bereitstellung der digitalen Inhalte bestehen, da eine vollkommen neue Übermittlung der Inhalte oftmals leichter zu bewerkstelligen ist. Allerdings kann eine Anpassung der Formulierung im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens in Betracht gezogen werden.

Zur fehlenden Unterscheidung zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung

Bei der Bereitstellung digitaler Inhalte kann nicht klar zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung des digitalen Inhalts unterschieden werden. Deshalb wird im Vorschlag ganz bewusst die Formulierung "Herstellung des vertragsgemäßen Zustands" gewählt, die in der Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf zur Definition des Begriffs "Nachbesserung" verwendet wird. Letztlich obliegt dem Anbieter dieselbe Pflicht, er kann jedoch selbst entscheiden, wie er diese erfüllen will.

Zum fehlenden Recht des Verbrauchers, bei eigener Mangelbeseitigung eine Aufwandsentschädigung zu erhalten

Im Kommissionsvorschlag wird es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie Verträge in Bezug auf digitale Inhalte in ihr nationales Vertragsrecht, ggf. mit entsprechenden Vertragstypen, einordnen wollen. Aufgrund der über den Vorschlag vorgesehenen vollständigen Harmonisierung sind bestimmte Rechte, die in Verträgen bezüglich anderer Produkte eingeräumt werden, wie das Recht des Verbrauchers auf Aufwandsentschädigung für die eigene Beseitigung von Mängeln an digitalen Inhalten, bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte möglicherweise nicht anwendbar. Die Kommission ist jedoch davon überzeugt, dass die Verbesserung der Verbraucherrechte in anderen Bereichen diesen Verlust mehr als ausgleicht. Außerdem stellt sich die Frage, inwiefern das Verbraucherrecht für eigene Mangelbeseitigung in der Praxis überhaupt relevant ist. Wenn es sich bei dem digitalen Inhalt beispielsweise um Cloud-Dienste oder andere internetbasierte Dienstleistungen handelt, hat der Verbraucher nicht genügend Zugang, um etwaige Mängel selbst zu beseitigen.

Zur fehlenden Formvorschrift für die Vertragsbeendigung durch den Verbraucher

Der Vorschlag sieht keine formalen Vorschriften für die Vertragsbeendigung vor. Der Verbraucher kann sein Recht auf Vertragsbeendigung durch eine "auf beliebige Weise" abgegebene Mitteilung ausüben. Etwaige Formvorschriften hätten für den Verbraucher den Nachteil, dass eine Vertragsbeendigung bei Nichteinhaltung dieser Vorschriften ungültig sein könnte. Da der Verbraucher allerdings die Beweislast dafür trägt, dass er den Vertrag auch tatsächlich beendet hat, hat er ohnehin ein Interesse daran, eine Mitteilungsform zu wählen, die es ihm ermöglicht, die Vertragsbeendigung zu beweisen.

Zum Ausschluss der Zahlungspflicht für die Nutzung der digitalen Inhalte vor Beendigung des Vertrags

Nach Artikel 13 Absatz 4 hat der Anbieter nicht das Recht, als Ausgleich für die Nutzung der digitalen Inhalte durch den Verbraucher einen Teil des Kaufpreises einzubehalten. Diese Bestimmung steht mit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache Quellet im Zusammenhang mit Artikel 3 der Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf im Einklang und dient der Umsetzung des Urteils in Bezug auf digitale Inhalte. Die Bestimmung fördert die wirksame Wahrnehmung der Verbraucherrechte. Dies sollte nicht durch andere rechtliche Folgen beeinträchtigt werden, die den Verbraucher davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen.

Zu weiteren Vorschriften zum Schadenersatz im nationalen Recht

Artikel 14 sieht Mindestvorgaben für das Recht auf Schadenersatz vor. Die Ausgestaltung der Schadensregulierung ist Sache der Mitgliedstaaten. Mit dem Vorschlag werden nur die wichtigsten Grundsätze in Bezug auf Schäden an Soft- und Hardware der Verbraucher vollständig harmonisiert. Für andere wirtschaftliche Schäden (z.B. mittelbare Verluste) sowie nichtwirtschaftliche Schäden sind die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten maßgeblich. Diese Lösung stärkt den Verbraucherschutz, ohne nationale Rechtstraditionen im Bereich des Schadenersatzes in Frage zu stellen.

Soweit die Formulierung dieser Beschränkung des Geltungsbereichs im Vorschlag möglicherweise nicht klar ist, räumt die Kommission Klarstellungsbedarf ein.

Zum Recht auf Beendigung langfristiger Verträge

Digitale Inhalte werden den Verbrauchern oftmals auf Basis einer Art Abonnement bereitgestellt, sodass der Verbraucher über einen langfristigen Vertrag gebunden ist. Eine Mehrheit der Teilnehmer der öffentlichen Konsultation vertrat die Ansicht, dass die Nutzer das Recht haben sollten, solche langfristigen Verträge nach Unterrichtung des Anbieters zu beenden. Aus den kürzlich erschienenen Daten einer europaweiten Studie über irreführende kostenlose Probeabos und Abofallen3 geht hervor, dass eine wesentliche Schwierigkeit bei Online-Diensten (wie Cloud-Speicherung und Video- bzw. Musik-Streaming) darin besteht, das Abonnement zu beenden. So gaben 17 % der EU-Online-Verbraucher die Aussage "Die Beendigung des Abonnements ist nicht einfach" als eines ihrer fünf größten Bedenken an.

Das Recht auf Beendigung langfristiger Verträge bietet den Verbrauchern einen Ausweg aus Abonnements und ermöglicht es ihnen, den Anbieter zu wechseln, was zu höherem Wettbewerbsdruck auf die Preise und zu mehr Innovation und somit zu einem gesunden Markt mit niedrigeren Marktzutrittsschranken führt. Dies ist insbesondere für KMU und Marktneulinge von Bedeutung.