Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren
(PlVereinhG)

896. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2012

Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b (§ 25 Absatz 3 Satz 1 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b § 25 Absatz 3 Satz 1 sind die Wörter "Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können," durch die Wörter "planfeststellungspflichtigen Vorhaben sowie Anlagen, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegen," zu ersetzen.

Begründung:

Der Anwendungsbereich des § 25 Absatz 3 VwVfG-E ist klar zu definieren. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs ist der Anwendungsbereich der Vorschrift weit gefasst. Auch wenn baugenehmigungspflichtige Vorhaben regelmäßig nicht betroffen sein werden, können sie im Einzelfall Auswirkungen im Sinne des § 25 Absatz 3 Satz 1 VwVfG-E haben und damit in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Im Baugenehmigungsverfahren hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, sofern dem Vorhaben nicht öffentlichrechtliche Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Der unter anderem mit der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung verfolgte Zweck einer "Optimierung der Vorhabensplanung" im Hinblick auf eine "Steigerung der Akzeptanz in der Bevölkerung" ist mit dieser gebundenen Entscheidung nicht vereinbar.

Darüber hinaus würde die Regelung zu einer Verzögerung des Baugenehmigungsverfahrens führen. Die Bauaufsichtsbehörde erlangt regelmäßig erst mit Antragstellung Kenntnis von einem geplanten Bauvorhaben. Verschiedene Landesbauordnungen sehen Fristen für die Entscheidung über einen Bauantrag vor. Die Durchführung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung würde eine Verlängerung der Entscheidungsfrist erfordern und damit der mit den Fristenregelungen der Landesbauordnungen beabsichtigten Verfahrensbeschleunigung widersprechen.

Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b (§ 25 Absatz 3 VwVfG)

2. Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die in § 25 Absatz 3 VwVfG-E geregelte frühe Öffentlichkeitsbeteiligung derart zu konkretisieren, dass [der Anwendungsbereich der Norm eindeutig feststellbar ist und] das einer Behörde zur Verfügung stehende Umsetzungsinstrumentarium in rechtsstaatlich einwandfreier Weise geregelt ist.

Begründung:

Der neu eingefügte § 25 Absatz 3 VwVfG-E lässt offen, [ob die "frühe Öffentlichkeitsbeteiligung" nur für Planfeststellungsverfahren, oder auch bei gebundenen Einzelgenehmigungen wie z.B. Baugenehmigungen Anwendung finden soll. Unklar ist auch,] wie und wann die Behörde auf die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit hinwirken soll und wie sich dieses Beteiligungsverfahren und seine Ergebnisse zum nachfolgenden förmlichen Verfahren verhalten.

4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Anwendung der Regelungen zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nach fünf Jahren unter Einbeziehung eines oder mehrerer wissenschaftlicher Sachverständiger zu evaluieren.

Die mit diesem Gesetz eingefügte Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung ist im geltenden Recht der Planfeststellung beziehungsweise Genehmigung von Vorhaben ohne Vorbild. Es ist erforderlich, die dazu gewonnenen Erfahrungen der Verwaltungspraxis auszuwerten und zu prüfen, ob gesetzliche Anpassungen geboten sind. Mit Einführung einer Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung stellt sich die - im Gesetzentwurf verneinte - Frage, ob es sinnvoll ist, eine Pflicht zur Durchführung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung bei bestimmten Vorhaben oder eine Pflicht zur Berücksichtigung des Ergebnisses der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen von Ermessens- oder Abwägungsentscheidungen vorzusehen. Außerdem stellt sich die Frage, ob die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung weiteren Verfahrensregelungen unterworfen werden soll. Angesichts dieser offenen Fragen sollte die Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nach einigen Jahren unter wissenschaftlicher Betreuung evaluiert werden, um die gewonnenen Erfahrungen der Verwaltungspraxis auszuwerten und zu prüfen, ob gesetzliche Anpassungen erforderlich sind.

5. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b (§ 37 Absatz 6 Satz 1 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b § 37 Absatz 6 Satz 1 sind die Wörter "die die Verwaltungsbehörde" durch die Wörter "die Behörde" zu ersetzten.

Begründung:

Es handelt sich hierbei um eine redaktionelle Änderung. Das VwVfG verwendet durchgängig den Begriff "Behörde". Im Interesse einheitlicher Begrifflichkeit ist der aus der VwGO übernommene Begriff "Verwaltungsbehörde" nicht zu verwenden. Daneben ist der doppelt vorhandene Artikel zu streichen.

6. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe a (§ 73 Absatz 2 Satz 2 - neu - bis 4 - neu - VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 5 ist Buchstabe a wie folgt zu fassen:

'a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Voraussetzung für eine wirksame Öffentlichkeitsbeteiligung ist die frühzeitige und aktive Information der Betroffenen und der anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigungen. Artikel 6 Absatz 4 der UVP-Richtlinie gebietet in Umsetzung der Aarhus-Konvention, dass die Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise beteiligt wird und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen stehen. Es ist daher sicherzustellen, dass auch die anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigungen aktiv und möglichst frühzeitig über die Planauslegung informiert werden. Ziel ist es, den anerkannten Vereinigungen wegen der erheblich verkürzten Fristen die Möglichkeit zur Stellungnahme effektiv zu eröffnen. Dazu dient eine frühzeitige und aktive Information.

Wenn die Planunterlagen elektronisch verfügbar sind und sofern möglich, sollen diese auf Verlangen den Vereinigungen übersandt werden. Sofern eine Koordinierungsstelle der Umwelt- und Naturschutzvereinigungen existiert, kann die Benachrichtigung aus Effizienzgründen auch gegenüber dieser einen Stelle erfolgen.

7. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe d Doppelbuchstabe aa - neu - (§ 73 Absatz 4 Satz 1 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 5 ist Buchstabe d wie folgt zu fassen:

'd) Absatz 4 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Beschränkung der Stellungnahmefrist auf zwei Wochen im derzeit geltenden Recht ist entschieden zu kurz. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der nach Fristablauf eintretenden materiellen Präklusion. Zwar wird auch seitens der Gerichte der Auslegungszeitraum der Stellungnahmefrist hinzugerechnet. Angesichts der Komplexität sehr vieler Planfeststellungsverfahren, die sukzessive auch auf Grund neuer rechtlicher Anforderungen gewachsen ist, ist die Auslegungsfrist gerade ausreichend, die Planungsunterlagen einzusehen, zu sichern und sie auszuwerten. Es trägt nicht zur Qualifizierung der Verfahren bei, den Bürger zu zwingen, prophylaktisch jeden nur erdenkbaren Einwand zu äußern, um den Vortrag nicht zu präkludieren.

8. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe f Doppelbuchstabe bb1 - neu - (§ 73 Absatz 6 Satz 6 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe f ist nach Doppelbuchstabe bb folgender Doppelbuchstabe einzufügen:

'bb1) In Satz 6 wird das Wort "Im" durch die Wörter "Die Erörterung ist öffentlich, die Anhörungsbehörde kann zum Schutz privater Rechte bei der Erörterung einzelner Einwendungen die Öffentlichkeit auf Antrag von der Teilnahme ausschließen; im" ersetzt.'

Begründung:

Es entspricht dem Sinn und Zweck eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung, bei Planfeststellungsverfahren die Öffentlichkeit im Erörterungstermin entgegen der bisherigen Regelung grundsätzlich zuzulassen. Der Schutz privater Rechte in der Erörterung, insbesondere in Bezug auf personenbezogene Daten, wird dadurch sichergestellt, dass die Anhörungsbehörde auf diesbezüglichen Antrag die Öffentlichkeit von der Erörterung einzelner Einwendungen ausschließen kann.

9. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe f Doppelbuchstabe bb1 - neu - (§ 73 Absatz 6 Satz 6 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe f ist nach Doppelbuchstabe bb folgender Doppelbuchstabe einzufügen:

'bb1) In Satz 6 wird die Angabe "(§ 67 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 1 und 4 und Abs. 3, § 68)" durch die Angabe "(§ 67 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3, § 68)" ersetzt.

Begründung von Vk und Wi:*

Planfeststellungsverfahren sind nicht nur bei umstrittenen Großvorhaben vorgeschrieben, sondern auch bei kleineren Vorhaben, bei denen relativ wenige oder sogar keine Einwendungen erhoben werden. Für diese Konstellationen soll mehr Flexibilität geschaffen werden, unter bestimmten Voraussetzungen auf einen Erörterungstermin zu verzichten. Die Verweisung auf § 67 Absatz 2 VwVfG soll deshalb erweitert werden, denn nach gegenwärtigem Recht gelten für das Erfordernis der mündlichen Verhandlung (bei der Planfeststellung des Erörterungstermins) nur § 67 Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 4 VwVfG entsprechend.

Die für die Praxis häufiger vorkommenden Fallkonstellationen für den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung sind jedoch in § 67 Absatz 2 Nummer 2 und Nummer 3 VwVfG geregelt.

Nach Nummer 2 kann auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden, wenn kein Beteiligter innerhalb der hierfür gesetzten Frist Einwendungen gegen die vorgesehene Maßnahme erhoben hat. Wenn keine Einwendungen vorliegen ist die Durchführung des Erörterungstermins überflüssiger Aufwand, denn mangels Einwendungen wird zu dem Termin auch niemand erscheinen. Es ist daher ein Gebot effizienten Verwaltungshandelns, in solchen Fällen ohne vorherigen Erörterungstermin zu entscheiden. Mangels vorhandener Einwender sind durch den Verzicht auf den Erörterungstermin auch keine Rechte Dritter verletzt.

Nach Nummer 3 kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn die Behörde den Beteiligten mitgeteilt hat, dass sie beabsichtige, so zu verfahren, und kein Beteiligter innerhalb einer hierfür gesetzten Frist Einwendungen dagegen erhoben hat. Das kommt z.B. zur Anwendung, wenn nur wenige Einwendungen mit überschaubarem, ausermitteltem Konfliktpotenzial eingegangen sind und die Anhörungsbehörde deshalb ohne Erörterungstermin entscheiden will. Hier gebietet die Effizienz des Verwaltungshandelns auch bei Planfeststellungsverfahren nach Nummer 3 zu verfahren: Die Anhörungsbehörde würde die Beteiligten anschreiben und mitteilen, dass sie beabsichtige, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und eine Frist für eine Rückäußerung dazu setzen. Nach Ablauf der Frist würde nur dann eine Entscheidung ohne Erörterungstermin fallen, wenn kein Beteiligter innerhalb der gesetzten Frist Einwendungen gegen den Verzicht auf die mündliche Verhandlung erhoben hat. Auch bei Nummer 3 ist eine Verletzung von Beteiligungsrechten Dritter nicht zu besorgen, da jeder Beteiligte mit seiner Einwendung die Durchführung des Erörterungstermins erzwingen kann.

Begründung des Wo: *

Gemäß § 73 Absatz 6 Satz 6 VwVfG kann die Anhörungsbehörde von dem Erörterungstermin in den Fällen des § 67 Absatz 2 Nummer 1 und 4 VwVfG absehen. Aufgrund dieser Verweisung entfällt ein Erörterungstermin nur, wenn Einwendungen im Einvernehmen mit allen Beteiligten in vollem Umfang entsprochen werden (§ 67 Absatz 2 Nummer 1 VwVfG), oder wenn alle Beteiligten auf den Erörterungstermin verzichtet haben (§ 67 Absatz 2 Nummer 4 VwVfG). Nicht erfasst werden die Fälle des § 67 Absatz 2 Nummer 2 und 3 VwVfG. Es wird somit vorgeschlagen, den Erörterungstermin auch für die Fälle fakultativ zu stellen, in denen die Beteiligten keine Einwendungen gegen die vorgesehene Maßnahme erhoben haben (§ 67 Absatz 2 Nummer 2 VwVfG) oder die Anhörungsbehörde den Beteiligten mitgeteilt hat, ohne Erörterungstermin verhandeln zu wollen und kein Beteiligter hiergegen Einspruch erhoben hat (§ 67 Absatz 2 Nummer 3 VwVfG). Eine derartige Regelung würde der Verfahrensbeschleunigung dienen.

10. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe f Doppelbuchstabe cc (§ 73 Absatz 6 Satz 7 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe f ist Doppelbuchstabe cc zu streichen.

Begründung:

§ 73 Absatz 6 Satz 7 VwVfG-E ist zu streichen, da eine starre Frist über die notwendige Zeitdauer zum Abschluss der Erörterung (ab Ende der Einwendungsfrist) bei Großprojekten mit tausenden von Einwendungen im Einzelfall keine ausreichende Vor- und Nachbereitung des Erörterungstermins erlauben würde und so die unnötige Gefahr von Verfahrensfehlern bewirken kann. Die bisherige gesetzliche "Soll-Formulierung" entspricht hier den gesetzlichen Anforderungen an eine Abweichungsmöglichkeit im begründeten Einzelfall.

11. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe g Doppelbuchstabe aa1 - neu - (§ 73 Absatz 8 Satz 1a - neu - VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe g ist nach Doppelbuchstabe aa folgender Doppelbuchstabe einzufügen:

'aa1) Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

"Handelt es sich um eine umfassende Veränderung des Plans, kann bei erstmaliger Betroffenheit die Frist auf bis zu drei Monate verlängert werden." '

Begründung:

Die pauschale Begrenzung der Äußerungsfrist auch bei erstmaliger Betroffenheit auf zwei Wochen ist bei komplizierten Planungen zu kurz, da davon auszugehen ist, dass sich erst durch eine Planänderung Betroffene in der Regel zuvor noch nicht mit dem Verfahren beschäftigt haben.

Deswegen muss es hier möglich sein, die Frist sachgerecht zu verlängern.

12. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe h (§ 73 Absatz 9 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe h § 73 Absatz 9 ist nach dem Wort "Planfeststellungsbehörde" das Wort "möglichst" einzufügen.

Begründung:

Nach der gegenwärtigen Fassung von § 73 Absatz 9 VwVfG erfolgt die Weiterleitung der Stellungnahme der Anhörungsbehörde bisher "möglichst" innerhalb eines Monats. Diese Regelung ist sinnvoll, da sie im begründeten Einzelfall besonders umstrittener oder planungsrechtlich komplizierter Vorhaben auch eine Abweichung erlaubt. Eine Notwendigkeit hierfür kann sich z.B. dann ergeben, wenn Ergebnisse nachträglicher Untersuchungen, die der Vorhabenträger im Rahmen des Erörterungstermins übernimmt oder auferlegt bekommt, erst vorliegen müssen, um das Anhörungsverfahren sachgemäß und rechtmäßig abschließen zu können. Die Streichung des Wortes "möglichst" im Gesetzentwurf würde eine unnötige Gefahr von Verfahrensfehlern bewirken, wenn diese Möglichkeit auf Grund sich aus dem Anhörungsverfahren ergebender Nachuntersuchungen nicht besteht. Die bisherige gesetzliche Formulierung an dieser Stelle entspricht deshalb den gesetzlichen Anforderungen an eine Abweichungsmöglichkeit im begründeten Einzelfall und muss deshalb auch in die Neufassung übernommen werden.

13. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe a (§ 74 Absatz 4 Satz 1 VwVfG) Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgeschlagene Regelung des § 74 Absatz 4 Satz 1 VwVfG-E bestehen und inwiefern Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger durch die geplante Rechtsänderung erschwert werden.

Begründung:

Der Planfeststellungsbeschluss soll nach dem Gesetzentwurf künftig nicht mehr den vom Plan bekannten Betroffenen zugestellt werden, sondern nur noch denjenigen, über deren Einwendung entschieden worden ist. Damit würden künftig unmittelbar betroffene Grundstückseigentümer nicht mehr informiert, sofern diese keine Einwendung erhoben haben, z.B. weil sie keine Kenntnis von dem Planfeststellungsverfahren erlangt hatten oder die Einwendungsfrist krankheits- oder urlaubsbedingt versäumt hatten. Soweit dieses Verständnis des Gesetzentwurfs zutrifft, hätte das zur Folge, dass Eigentümern, obwohl der Planfeststellungsbeschluss ihr Eigentumsrecht unmittelbar berührt, künftig der Beschluss nicht zugestellt wird. Gleiches gälte für alle sonstigen betroffenen Individualrechtsträger, die nicht oder nicht fristgerecht eine Einwendung erhoben haben. Die Zustellung an die bekannten Betroffenen erscheint aber eine bürgernahe Praxis, die nicht vorschnell aufgegeben werden sollte. Die Betroffenen werden auf die Auswirkungen des Beschlusses hingewiesen und können sich auf die Folgen einrichten, z.B. eine enteignende Vorwirkung oder sonstige Inanspruchnahme der Grundstücke.

14. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa (§ 74 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 VwVfG)

Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa ist wie folgt zu fassen:

'aaa) In Nummer 1 wird das Wort "und" durch ein Komma ersetzt.'

Begründung:

Auf die im Tatbestand des § 74 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 VwVfG-E vorgesehene Einfügung der Wörter "oder nur unwesentlich" sollte verzichtet werden. Ein solcher interpretationsbedürftiger Einschub dürfte den Vollzugsbehörden erhebliche Schwierigkeiten bereiten, die regelmäßig die Verfahrensdauer und die Angreifbarkeit der Plangenehmigung erhöhen können.

Ob die Rechte Dritter nur unwesentlich beeinträchtigt werden, lässt sich vorab kaum einschätzen. In der Regel kann die konkrete Betroffenheit erst anhand der Einwendungen beurteilt werden. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsunsicherheit kann man in der Praxis dem Antragsteller nur raten, sofern Rechte Dritter berührt sind, nicht das Risiko eines möglichen Verfahrensfehlers und daraus resultierender Verzögerungen einzugehen.

15. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe a (§ 75 Absatz 1a Satz 2 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe a § 75 Absatz 1a Satz 2 sind die Wörter "von Verfahrens- oder Formvorschriften" durch die Wörter "gesetzlicher Vorschriften" zu ersetzen.

Begründung:

Nach der Begründung zu § 75 Absatz 1a Satz 2 VwVfG-E soll durch die Erweiterung der Heilungsmöglichkeit bei Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften das vorrangige Ziel der Planerhaltung verwirklicht werden. Dieser Grundsatz der Planerhaltung sollte allgemein auf die Verletzung gesetzlicher Vorschriften ausgedehnt werden, soweit sie durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Die Vorschrift des § 75 Absatz 1a Satz 2 VwVfG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Ausprägung des Grundsatzes der Planerhaltung, der eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf andere Fehler bei der Anwendung materiellrechtlicher Regelungen eröffnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - Az. 9 C 1/06, Rn. 11- 13). Im Sinne der Rechtsklarheit sollte diese Rechtsprechung bei der Änderung des § 75 Absatz 1a VwVfG umgesetzt werden.

16. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe b (§ 75 Absatz 4 Satz 2, 3 - neu - VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 7 ist Buchstabe b wie folgt zu fassen:

'b) Dem Absatz 4 werden folgende Sätze angefügt:

"Als Beginn der Durchführung eines Plans gilt jede erstmals nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger Bedeutung zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens. Bei einer oder mehreren späteren Durchbrechungen tritt der Plan außer Kraft, wenn damit insgesamt mehr als 20 Jahre seit der Feststellung des Plans vergangen sind." '

Begründung:

Der im Entwurf vorgeschlagene Satz 2 ermöglicht es, dass ein letzter Teil eines Planfeststellungsbeschlusses Jahrzehnte nach der Feststellung des Planes realisiert wird, beispielsweise wenn die Realisierung bei einem Straßenbauvorhaben in mehrere Abschnitt e geteilt wird.

Zu diesem Zeitpunkt werden die Grundlagen der Planung beispielsweise zur Situation der Umwelt und der möglichen Auswirkungen längst überholt sein.

Mit der vorgeschlagenen Änderung wird bewirkt, dass der Plan 20 Jahre nach dem Planfeststellungsbeschluss beendet sein muss, weil danach die Grundlagen der Planung sich im Regelfall so sehr verändert haben, dass darauf keine Realisierung des Plans mehr gestützt werden kann.

17. Zu Artikel 4 Nummer 3 (§ 43c Nummer 1 und 4 EnWG, Artikel 7 Nummer 4 (§ 17c Nummer 1 und 4 FStrG), Artikel 8 Nummer 3 (§ 18c Nummer 1 und 4 AEG), Artikel 10 Nummer 3 (§ 2b Nummer 1 und 4 MBPlG), Artikel 11 Nummer 8 (§ 14c Nummer 1 und 4 WaStrG), Artikel 13 Nummer 3 Buchstabe d ( § 9 Absatz 5 LuftVG)

Begründung:

Nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens treten in der Praxis nicht selten Verzögerungen bei der Durchführung des Vorhabens auf. Obwohl ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss vorliegt, der im Vergleich zu anderen Genehmigungen ein sehr hohes Maß an Rechts- und Planungssicherheit gewährt, insbesondere weil Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen sind (§ 75 Absatz 2 Satz 1 VwVfG), wird das Vorhaben gelegentlich Jahre lang nicht umgesetzt. Die Nichtumsetzung von Planfeststellungsbeschlüssen über einen sehr langen Zeitraum ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Erstens, anderweitige Vorhaben und Investitionen werden blockiert oder, sofern das Vorhaben endgültig aufgegeben und der Planfeststellungsbeschluss aufgehoben wird, signifikant verzögert. Zweitens, Ansprüche und Interessen der von der Planung unmittelbar Betroffenen werden für diesen Zeitraum beeinträchtigt und müssen zurückstehen, z.B. Grundstückseigentümer und sonstige dinglich Berechtigte. Drittens, der Zustand der natürlichen Umwelt, aber auch die Sach- und Rechtslage, welche für die Rechtmäßigkeit der Planung bedeutsam sind, können sich über einen mehr als fünfjährigen Zeitraum erheblich ändern.

Im Interesse des Bestandsschutzes sieht § 75 Absatz 4 VwVfG gleichwohl vor, dass der Planfeststellungsbeschluss fünf Jahre lang in Kraft bleibt, auch wenn mit der Durchführung des Vorhabens nicht begonnen worden ist. Damit gilt im Planfeststellungsrecht bereits eine längere Bestandsschutzfrist als etwa im Baurecht (vier Jahre - § 74 LBauO) oder im Immissionsschutzrecht (behördliche Frist oder drei Jahre kein Betrieb - § 18 BImSchG), die ebenfalls Großprojekte vergleichbarer Investitionsgröße zum Gegenstand haben können, z.B. Kraftwerke, Chemieanlagen.

Im Planfeststellungsrecht ist über die Fünf-Jahres-Frist des § 75 Absatz 4 VwVfG darüber hinaus die Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen nochmals verlängert worden. Sonderregelungen finden sich in den einzelnen Fachgesetzen (§ 18c Nummer 1 AEG, § 17c Nummer 1 FStrG, § 14c Nummer 1 WaStrG, § 9 Absatz 5 LuftVG, § 2b Nummer 1 MBPlG, § 43c Nummer 1 EnWG). Diese sehen vor, dass der Plan erst nach zehn Jahren außer Kraft tritt und darüber hinaus noch einmal um weitere fünf Jahre verlängert werden kann, d.h. die kann daher insgesamt 15 Jahre betragen, bevor mit der Verwirklichung begonnen wird.

Aus diesen Gründen ist dieser Zeitraum von 15 Jahren unangemessen lang, in dem die Planung in Kraft bleibt, obwohl mit dem Vorhaben noch nicht einmal begonnen wird. Eine Streichung der Sonderregelungen dient der beschleunigten und rechtmäßigen Umsetzung von Planfeststellungsbeschlüssen.

18. Zu Artikel 7 Nummer 2 Buchstabe a und b (§ 17a Nummer 1 bis 5 FStrG), Artikel 8 Nummer 1 Buchstabe a und b (§ 18a Nummer 1 bis 5 AEG), Artikel 10 Nummer 1 Buchstabe a und b (§ 2 Nummer 1 bis 5 MBPlG), Artikel 11 Nummer 6 Buchstabe a und b (§ 14a Nummer 1 bis 5 WaStrG)

Begründung:

Die Nummern 1 bis 5 der genannten Paragraphen der Fachplanungsgesetze müssen zu Gunsten der neuen vereinheitlichten Regelungen im VwVfG aufgehoben werden. Dies gilt auch für die Nummern 5. Denn die Aufrechterhaltung der Nummern 5 würde es nach den Fachplanungsgesetzen auch weiterhin erlauben, ein Planfeststellungsverfahren selbst für ein Neubaugroßprojekt ohne den Kernbestandteil der Öffentlichkeitsbeteiligung, nämlich den Erörterungstermin, durchzuführen. Dann wäre aber der eigentliche Sinn des Gesetzentwurfs, die Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und die Vereinheitlichung des Planungsrechts, gescheitert, da das VwVfG gegenüber den Fachplanungsgesetzen nur subsidiär zur Anwendung kommt.

Die verbindliche Durchführung eines Erörterungstermins in allen Planfeststellungsverfahren für Neubauprojekte ist ein notwendiges und bewährtes Element der Beteiligung, insbesondere der Betroffenen, am Planfeststellungsverfahren, das einheitlich und zwingend ohne gegensätzlich ausgerichtete Abweichungsmöglichkeiten in den Fachplanungsgesetzen im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgeschrieben sein muss. Es wäre rechtlich unhaltbar und gegenüber dem Partizipationsanspruch der Bürger nicht vermittelbar, dass zwar die Planfeststellungsverfahren für die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit auch mit der Verpflichtung zur Durchführung von Erörterungsterminen gut abgewickelt werden konnten, aber heute - über 20 Jahre nach der Wiedervereinigung - auf eine Erörterung des Vorhabens mit den Betroffenen und den Einwendern nach den Fachplanungsgesetzen verzichtet werden könnte.

Der Gesetzentwurf würde sein Anliegen nach einer Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung ins Gegenteil verkehren, wenn er es zuließe, dass als Reaktion auf die jüngsten Erfahrungen mit dem Bedürfnis von Betroffenen und Einwendern nach einer in staatlicher Verantwortung geführten Erörterung über Rechtfertigung, Planungsalternativen, Beeinträchtigungen und sonstigen Auswirkungen sowie Schutzvorkehrungen und Ausgleichs-, Ersatz- und Entschädigungsmaßnahmen von Verkehrsbauvorhaben Planfeststellungsverfahren für Großvorhaben ohne eine Erörterungsveranstaltung mit den Bürgern möglich wäre. Es ist deshalb die wichtigste Aufgabe einer Vereinheitlichung des Planfeststellungsrechts, einen Rechtsanspruch der Betroffenen und Einwender zu kodifizieren, der ihre Belange, wenn sie sie fristgerecht vorgebracht haben, dann auch in einem Erörterungstermin mit dem Vorhabenträger und den staatlich für das Planfeststellungsverfahren zuständigen Stellen inhaltlich mit dem Ziel der Erarbeitung einer abwägungsgerechten Lösung ausreichend behandelt.

Das Ziel, dass ein Vorhaben nach dem Durchlaufen komplexer behördlicher und gerichtlicher Verfahren danach auch den Status von Legalität und Legitimität gewinnt, wird umso eher erreichbar sein, wie die Bürgerinnen und Bürger mitwirkungsberechtigt in das eigentliche Entscheidungsverfahren eingebunden werden.

19. Zu Artikel 7 Nummer 2 Buchstabe c (§ 17a Nummer 2 FStrG), Artikel 8 Nummer 1 Buchstabe c (§ 18a Nummer 2 AEG), Artikel 10 Nummer 1 Buchstabe c (§ 2 Nummer 2 MBPlG), Artikel 11 Nummer 6 Buchstabe c (§ 14a Nummer 2 WaStrG)

Begründung:

Die Entscheidung über das Absehen von einem Erörterungstermin bei Planänderungen hängt vom Umfang der Planänderungen und den mit diesen einhergehenden neuen Betroffenheiten und Belastungen von privaten Rechten und öffentlichen Belangen ab. Deshalb muss diese Entscheidung jeweils nach konkreter Tatsachenbeurteilung im Einzelfall erfolgen. Die gesetzliche Vorgabe eines Regelfalls verbietet sich hier, weil die Annahme eines Regelfalls nicht möglich ist, sondern die Entscheidung unter den rechtlichen Anforderungen pflichtgemäßer Ermessensausübung im Einzelfall zu treffen ist.

Begründung:

Ein bedeutender Mangel des Gesetzentwurfs besteht darin, dass eine Materie des Bundesfachplanungsrechts völlig vergessen worden ist, das Personenbeförderungsgesetz. Nach dessen §§ 28 ff. richtet sich bundesweit die Planfeststellung von U- und Straßenbahnen. Es ist kein Grund dafür erkennbar, dass von der Vereinheitlichung des Verfahrensrechtes für Planfeststellungen die Regelungen für Bauvorhaben von Betriebsanlagen der Straßen- und Untergrundbahnen nach dem Personenbeförderungsgesetz, vgl. §§ 28 ff. PBefG, ausgenommen bleiben sollen. Der Gesetzentwurf liefe in diesem Bereich dann - entgegen der Gesetzgebungsintention der Rechtsvereinheitlichung im Fachplanungsrecht - ins Leere. Hier bedarf es einer vergleichbaren Bereinigung wie in den übrigen Fachgesetzen und dazu der Aufnahme entsprechender Regelungen in die die Fachplanungsgesetze betreffenden Artikel des Gesetzentwurfs. Insbesondere sollten die bisher in § 29 Absatz 1a PBefG enthaltenen Maßgaben zu § 73 VwVfG aufgehoben werden, da anderenfalls vor allem die Regelungen zur Beteiligung von Vereinigungen (vgl. § 73 Absatz 3 Satz 2, Absatz 4, Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 VwVfG-E) in PBefG - Planfeststellungsverfahren nicht anwendbar wären. Rechtlich durch nichts gerechtfertigte Unterschiede bei den bundesrechtlichen Anforderungen für Straßen und Eisenbahnen einerseits und U- und Straßenbahnen andererseits können nicht zuletzt auch einen verfassungsrechtlichen Fehler des Gesetzentwurfs bewirken.