Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen in Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit ausgestellt werden

Brüssel, 18.10.2018 C(2018) 6747 final

Präsidenten des Bundesrates Herrn Regierender Bürgermeister Michael Müller
Leipziger Straße 3-4 D- 10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen in Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit ausgestellt werden {COM (2018) 212 final}.

Im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit' können Personalausweise von Unionsbürgern als Reisedokumente verwendet werden, und zwar sowohl bei Reisen innerhalb der Europäischen Union als auch bei der Einreise aus Nicht-EU-Staaten in die Union. Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten mit einer Reihe von Drittstaaten Abkommen geschlossen, denen zufolge Unionsbürger unter Mitführung ihres nationalen Personalausweises in diese Länder reisen können. So kann es auch vorkommen, dass Unionsbürger mit ihrem Personalausweis in Drittstaaten reisen, um sich an terroristischen Aktivitäten zu beteiligen und dann in die Europäische Union zurückzukehren.

Derzeit bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Sicherheitsnormen für die von den Mitgliedstaaten ausgestellten nationalen Personalausweise und die den EU-Bürgern mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat und ihren Familienangehörigen ausgestellten Aufenthaltsdokumente; dies führt zu einem höheren Fälschungs- und Dokumentenbetrugsrisiko sowie zu praktischen Schwierigkeiten für Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben wollen.

Eine höhere Dokumentensicherheit trägt maßgeblich zur Erhöhung der Sicherheit innerhalb der Union und an deren Grenzen sowie zur Verwirklichung einer wirksamen und echten Sicherheitsunion bei. Durch die Aufnahme von biometrischen Identifikatoren, insbesondere von Fingerabdrücken, werden die Dokumente zuverlässiger und sicherer. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, Dokumente mit schwachen Sicherheitsmerkmalen so rasch wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen.

Das Arbeitsprogramm der Kommission .für 20182 beinhaltet auch die Vorlage eines Legislativvorschlags (REFIT) zur Verbesserung der Sicherheit von Personalausweisen und Aufenthaltsdokumenten, die EU-Bürgern und ihren Familienangehörigen. die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, ausgestellt werden. Der Vorschlag ist Teil eines umfassenderen Maßnahmenpakets, mit dem Terroristen und Straftäter handlungsunfähig gemacht werden sollen.3

Mit dem Vorschlag sollen die europäische Sicherheit durch Schließung von Sicherheitslücken infolge unsicherer Dokumente verbessert und mobilen Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen die Ausübung der EU-Freizügigkeitsrechte erleichtert werden, indem dafür gesorgt wird, dass ihre Dokumente in grenzüberschreitenden Situationen an Zuverlässigkeit und Akzeptanz gewinnen.

Zu diesem Zweck sieht der Vorschlag unter anderem Bestimmungen über Mindestnormen für die Dokumentensicherheit der Personalausweise vor, die die Mitgliedstaaten ihren Bürgern ausstellen. Dadurch werden Behörden, Unionsbürger und ihre Familienangehörigen besser vor Kriminalität, Fälschung und Dokumentenbetrug geschützt. Der Vorschlag berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob ihren Bürgern Personalausweise ausgestellt werden und ob der Besitz eines Personalausweises verpflichtend ist. Zudem werden die Mitgliedstaaten auch weiterhin unabhängig ihre eigenen Personalausweise nach Maßgabe ihrer nationalen Spezifikationen (Farbe, Emblem, zusätzliche Daten usw.) gestalten und drucken, vorausgesetzt, die Mindestsicherheitsnormen sind erfüllt.

Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates, dass der Vorschlag in seiner jetzigen Form dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwiderläuft, zur Kenntnis.` Nach Auffassung des Bundesrates betrifft dies insbesondere die Auslaufregelung .für gültige im Umlauf befindliche Personalausweise, die nicht den im Vorschlag festgelegten Mindestnormen für die Dokumentensicherheit entsprechen.5 Wenn außerdem .für die Mitgliedstaaten keine Verpflichtung besteht, Personalausweise einzuführen, so können sie dem Bundesrat zufolge auch nicht dazu verpflichtet werden, Personalausweise aus dem Verkehr zu ziehen, die keine einschlägigen Sicherheitsmerkmale aufweisen.

Personalausweise, die bereits internationalen Standards entsprechen, sind nach dem Dafürhalten des Bundesrates hinreichend sicher, weshalb es unverhältnismäßig wäre, ihre Gültigkeitsdauer rückwirkend zu ändern, sofern keine zwingenden Gründe vorliegen. Schließlich hält der Bundesrat es sowohl aus haushalts- als auch aus verwaltungstechnischer Sicht nicht für sinnvoll, dass alle nichtkonformen Personalausweise auf einen Tag genau ihre Gültigkeit verlieren.

Die Kommission hat die Bedenken des Bundesrates sorgfältig geprüft. Nach ihrer Auffassung sollten hinsichtlich der Auslaufregelung für Personalausweise das Sicherheitsrisiko sowie die den Mitgliedstaaten entstehenden Kosten und deren Arbeitsaufwand berücksichtigt werden. Die Kommission hält einen Zeitraum von fünf Jahren für ausreichend, um der Häufigkeit, mit der solche Dokumente gewöhnlich ausgetauscht werden, und dem Erfordernis, die bestehende Sicherheitslücke in der Europäischen Union zu schließen, ausgewogen Rechnung zu tragen.

Im Vorschlag wird anerkannt, dass zwischen den derzeit geltenden Sicherheitsstandards für Personalausweise Unterschiede bestehen. Daher ist in dein Vorschlag ein deutlich kürzerer Auslaufzeitraum .für Personalausweise vorgesehen, denen bestimmte Hauptmerkmale, etwa die Maschinenlesbarkeit, fehlen, während gleichzeitig ein längerer Zeitraum .für den Austausch von Personalausweisen zugestanden wird, die den vorgeschlagenen Mindeststandards bereits teilweise entsprechen. In diesem Zusammenhang vertritt die Kommission außerdem die Auffassung, dass Mitgliedstaaten, die unsichere Personalausweise ausstellen, einem anderen Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind als Mitgliedstaaten, die beschlossen haben, keine Personalausweise auszugeben und sich somit stärker auf andere Dokumente wie Reisepässe stützen, die bestimmte Sicherheitsmerkmale enthalten, die denen für Personalausweise vorgeschlagenen Merkmalen vergleichbar sind, darunter auch Fingerabdrücke.

Zudem wird durch neue Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit von Gesichtsbildern (z.B. Techniken wie " Morphing") deutlich, wie wichtig es ist, Fingerabdrücke als Sicherheitsmerkmal in Ausweisdokumente aufzunehmen. Im Allgemeinen haben sich Fingerabdrücke als zuverlässigster Indikator zur Feststellung der Identität einer Person erwiesen, und deren Aufnahme in Ausweisdokumente stellt - angesichts der Sicherheitsbedrohungen, denen sich die Union gegenübersieht - eine verhältnismäßige Maßnahme dar.

Nach Auffassung der Kommission könnten durch weitere Verzögerungen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Mindestnormen .für die Dokumentensicherheit - wenn etwa im Umlauf befindliche Personalausweise erst nach Ablauf ihrer normalen Gültigkeitsdauer ausgetauscht werden - langfristige Sicherheitslücken entstehen und die Wirksamkeit und Kohärenz in Bezug auf andere kürzlich angenommene Sicherheitsmaßnahmen innerhalb der Europäischen Union und an ihren Außengrenzen gemindert werden. Folglich erachtet die Kommission die Bestimmungen über die Auslaufregelung als gerechtfertigt. Darüber hinaus erwartet die Kommission von den Mitgliedstaaten, dass sie ihren Bürgerinnen und Bürgern die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen und die erforderlichen Verwaltungsverfahren einführen, damit vermieden wird, dass die Bürgerinnen und Bürger bis zum letzten Moment mit dem Austausch ihres Personalausweises warten.

Die vorstehenden Erläuterungen stützen sich auf den Vorschlag der Kommission. der derzeit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Erörterung vorliegt. Eine Reihe von Sitzungen der für den Vorschlag zuständigen Arbeitsgruppe des Rates hat bereits unter bulgarischem sowie unter österreichischem Ratsvorsitz stattgefunden. Ein zentrales Thema der bisherigen Diskussionen war der angemessene Zeitrahmen für den Austausch im Umlauf befindlicher Personalausweise, was darauf hinweist, welche Bedeutung die Mitgliedstaaten dieser Frage beimessen.

Die Kommission hofft, dass die vom Bundesrat angesprochenen Punkte mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermans Vdra Jourovü

Erster Vizepräsident Mitglied der Kommission