Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts KOM (2010) 105 endg./2

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Das Europäische Parlament und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss werden an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 642/02 = AE-Nr. 022345 und
Drucksache 531/06 (PDF) = AE-Nr. 061429


Europäische Kommission
Brüssel, den 30.3.2010
KOM (2010) 105 endgültig/2 2010/0067 (CNS)
CORRIGENDUM : annule et remplace le document COM (2010) 105 final du 24.3.2010
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Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts {KOM (2010) 105 endgültig}

Begründung

1. Einleitung

1.1 Hintergrund des Vorschlags

Am 17. Juli 2006 legte die Kommission auf der Grundlage von Artikel 61 Buchstabe c und Artikel 67 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt: Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) einen Vorschlag1 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/20032 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich ("Rom III") vor. Die Verordnung hätte vom Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig angenommen werden müssen. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments erfolgte am 21. Oktober 20083.

Der Kommissionsvorschlag lag dem Ausschuss für Zivilrecht (Rom III) seit Oktober 2006 zur Prüfung vor. Es zeigte sich jedoch, dass bei keiner der vorgeschlagenen kollisionsrechtlichen Regelungen und Ausnahmen Einstimmigkeit erzielt werden konnte. Der Rat nahm dementsprechend auf seiner Tagung vom 5./6. Juni 2008 zur Kenntnis, dass keine einhellige Bereitschaft zur Weiterarbeit an der Verordnung Rom III besteht und dass es unüberwindbare Schwierigkeiten gibt, die zu diesem Zeitpunkt und in absehbarer Zukunft eine einmütige Zustimmung unmöglich machen. Er stellte fest, dass die Ziele der Verordnung Rom III unter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Verträge nicht in einem vertretbaren Zeitraum verwirklicht werden können.

Am 25. Juli 2008 nahm der Rat zur Kenntnis, dass mindestens acht Mitgliedstaaten die Absicht hatten, die Kommission zur Vorlage eines Vorschlags für eine Verstärkte Zusammenarbeit aufzufordern, und dass andere Mitgliedstaaten sich im Anschluss an den Vorschlag der Kommission möglicherweise an dieser Zusammenarbeit beteiligen würden. Ein Vorschlag der Kommission, der es jeder Delegation ermöglicht, endgültig für sich zu entscheiden ob eine Verstärkte Zusammenarbeit zweckmäßig ist und ob sie sich daran beteiligen möchte, kann dem Rat nur auf offiziellen Antrag der betreffenden Mitgliedstaaten hin vorgelegt werden. Ein etwaiger von mindestens acht Mitgliedstaaten an die Kommission gerichteter Antrag auf Vorlage eines Vorschlags für eine Verstärkte Zusammenarbeit würde dem weiteren Verfahren und insbesondere der vom Rat zu erteilenden Genehmigung nicht vorgreifen.

Am 28. Juli und 12. August 2008 sowie am 12. Januar 2009 teilten zehn Mitgliedstaaten4 der Kommission mit, dass sie die Absicht hätten, untereinander im Bereich des anwendbaren Rechts in Ehesachen eine Verstärkte Zusammenarbeit zu begründen, und ersuchten die Kommission, dem Rat einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Griechenland zog seinen Antrag am 3. März 2010 zurück.

Mit dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (Ehetrennung) anzuwendenden Rechts und dem vorliegenden Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Begründung dieser Verstärkten Zusammenarbeit, die von der Kommission gleichzeitig angenommen worden sind, ist die Kommission dem Antrag der neun Mitgliedstaaten, die nachfolgend als "teilnehmende Mitgliedstaaten" bezeichnet werden, nachgekommen. Der Beschlussvorschlag enthält eine detaillierte Würdigung der rechtlichen Voraussetzungen und Zweckmäßigkeit einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Ehetrennung anzuwendenden Rechts.

2. Gründe und Ziele des Vorschlags

2.1 Größere Rechtssicherheit und bessere Berechenbarkeit

Die beträchtlichen Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsordnungen, insbesondere beim Kollisionsrecht, bewirken in Ehesachen mit internationalem Bezug eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Wegen der großen Unterschiede zwischen den Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten sowie deren Komplexität können Ehepaare mit internationalem Hintergrund kaum absehen, welches Recht für sie in Scheidungs- oder Trennungsverfahren gilt. Die teilnehmenden Mitgliedstaaten bieten den Ehegatten überdies keinerlei Möglichkeit, das auf diese Verfahren anzuwendende Recht zu wählen, was dazu führen kann, dass eine Rechtsordnung zur Anwendung kommt, zu der die Ehegatten nur eine lose Verbindung haben mit dem Ergebnis, dass der Ausgang des Verfahrens ihren legitimen Erwartungen nicht gerecht wird. Einer gütlichen Einigung ist dies ebenfalls nicht förderlich.

Ziel dieses Verordnungsvorschlags, der sich dabei auf die wesentlichen Teile der Begründung des Verordnungsvorschlags der Kommission vom 17. Juli 2006 ("Rom III") stützt, ist die Bereitstellung eines klaren Rechtsrahmens für das anzuwendende Recht in Scheidungs- und Trennungssachen in der Europäischen Union, der den Parteien eine gewisse Freiheit bei der Wahl des anzuwendenden Rechts bietet. Die Verstärkte Zusammenarbeit erstreckt sich im Unterschied zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag nur auf das anzuwendende Recht und nicht auf die gerichtliche Zuständigkeit, wie im ursprünglichen Vorschlag vorgesehen.

Auf diese Weise wird das geltende EU-Recht in Gestalt der Verordnung (EG) Nr. °2201/2003 nicht angetastet. Artikel 20e-1, der vom Ausschuss für Zivilrecht (ROM III)5 vorgeschlagen worden war, wurde in den vorliegenden Verordnungsvorschlag nicht übernommen, da dieser Artikel im Wesentlichen eine Zuständigkeitsvorschrift enthält und in engem Zusammenhang mit Artikel 7a über die Notzuständigkeit (forum necessitatis) steht, der ebenfalls ausgenommen wurde, weil auch er die gerichtliche Zuständigkeit betrifft.

2.2 Mehr Flexibilität durch Einführung einer gewissen Parteiautonomie

Die Parteiautonomie ist in Ehesachen äußerst begrenzt. Der Vorschlag bietet eine gewisse Lockerung insofern, als den Ehegatten die Möglichkeit eingeräumt wird, ihr Scheidungs- oder Trennungsverfahren unter bestimmten Umständen einem anderen Recht zu unterwerfen.

Diese Rechtswahl beschränkt sich allerdings auf Rechtsordnungen, zu denen die Ehe einen engen Bezug aufweist. Damit wird ausgeschlossen, dass Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen zu denen die Ehegatten wenig oder gar keinen Bezug haben.

Insbesondere bei einer Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen ist es von Vorteil, wenn sich die Ehegatten bezüglich des anzuwendenden Rechts untereinander einigen können.

Ehepaare hätten so einen starken Anreiz, die Folgen einer etwaigen Auflösung der Ehegemeinschaft im Voraus zu regeln. Dies würde Scheidungen in gegenseitigem Einvernehmen erleichtern, was für Ehepaare mit Kindern besonders wichtig ist. Die Verordnung "Rom III" würde auch zur Integration von Drittstaatsangehörigen beitragen, indem sie ihnen die Möglichkeit gibt, das Recht ihrer Staatsangehörigkeit durch das an ihrem neuen Wohnsitz geltende Recht zu ersetzen.

Gleichzeitig wird dafür gesorgt, dass sich die Ehegatten der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind und dass der schwächere Ehepartner geschützt wird.

2.3 Den "Wettlauf zu den Gerichten" verhindern

Der Vorschlag geht auch das Problem des "Wettlaufs zu den Gerichten" an, bei dem ein Ehegatte alles daran setzt, die Scheidung zuerst einzureichen, um sicherzugehen, dass sich das Verfahren nach einer Rechtsordnung richtet, die vor allem seine Interessen schützt. Dies kann dazu führen, dass ein Recht angewandt wird, zu dem der andere Ehegatte nur einen geringen Bezug hat oder das seinen Interessen nicht Rechnung trägt, was eine gütliche Einigung der Ehegatten erschwert und wenig Zeit für eine Mediation lässt. Durch die Einführung harmonisierter Kollisionsnormen dürfte die Gefahr eines "Wettlaufs zu den Gerichten" deutlich geringer werden, da jedes in den teilnehmenden Mitgliedstaaten angerufene Gericht das auf der Grundlage gemeinsamer Normen bestimmte Recht anwenden würde.

Unterbleibt eine Rechtswahl, würde das Recht zur Anwendung kommen, das sich nach bestimmten Anknüpfungskriterien bestimmt, wobei Hauptanknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten ist, was gewährleistet, dass das Scheidungs- oder Trennungsverfahren einem Recht unterliegt, zu dem beide Ehegatten einen engen Bezug haben. Für Ehepaare wie für Rechtsanwender bedeutet dies eine größere Rechtssicherheit und bessere Berechenbarkeit.

Die mangels Rechtswahl geltende Kollisionsnorm soll den schwächeren Ehepartner schützen, da sie ungeachtet des angerufenen Gerichts dem Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Familie vor der Trennung den Vorzug gibt. Damit können die Ehegatten unschwer absehen welches Recht für ihr Scheidungs- oder Trennungsverfahren maßgebend ist.

3. Anhörung interessierter Kreise und Folgenabschätzung der geplanten Verstärkten Zusammenarbeit

Der Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags vom Juli 2006 ging eine umfassende Konsultation der interessierten Kreise voraus. Er unterscheidet sich nicht wesentlich von der letzten Fassung des Vorschlags nach den Verhandlungen im Rat, die von der Kommission zum Teil übernommen wurde. In dieser Fassung finden sich dieselben Lösungsansätze für das auf die Ehescheidung und Ehetrennung anzuwendende Recht (z.B. Rechtswahl, gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten als Hauptanknüpfungspunkt, Ordrepublic-Vorbehalt).

Die Kommission hat ihrem ersten Vorschlag von 2006 eine Folgenabschätzung beigefügt, die für die Frage des anwendbaren Rechts nach wie vor relevant ist und auf die im Folgenden Bezug genommen wird6. Mit dem vorliegenden Kommissionsvorschlag soll eine Verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts begründet werden. Das Verfahren der Verstärkten Zusammenarbeit darf gemäß Artikel 20 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union nur als "letztes Mittel" herangezogen werden. Eine Verstärkte Zusammenarbeit kann demnach von der Kommission nur vorgeschlagen und vom Rat genehmigt werden, wenn es sich um Fragestellungen handelt, die der Rat bereits behandelt hat und bei denen er zu dem Schluss gelangt ist, dass keine andere Lösung möglich ist, weil "die mit dieser Zusammenarbeit angestrebten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können". Hieraus folgt, dass die Kommission weder den Gegenstand der Verstärkten Zusammenarbeit - im vorliegenden Fall das auf die Ehescheidung und Ehetrennung anzuwendende Recht - noch die wesentlichen Bestimmungen der letzten Fassung des im Rat ausgehandelten Entwurfs ändern kann. Inhaltlich ist der Kommissionsvorschlag zur Begründung der Verstärkten Zusammenarbeit auf den Anwendungsbereich beschränkt, der in den Anträgen der teilnehmenden Mitgliedstaaten auf eine Verstärkte Zusammenarbeit genannt ist, und zwar auf das in Ehesachen anwendbare Recht. Eine neue Folgenabschätzung erscheint daher im vorliegenden Fall entbehrlich.

4. Rechtliche Aspekte

4.1 Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage des vorliegenden Vorschlags ist Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, dem zufolge der Rat Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug nach Anhörung des Europäischen Parlaments erlassen kann.

Gegenstand des Vorschlags ist das auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht. Dieser Bereich unterliegt dem Familienrecht. Die in diesem Vorschlag enthaltenen Kollisionsnormen finden nur auf Sachverhalte mit internationalem Bezug Anwendung, d. h. wenn beispielsweise die Eheleute keine gemeinsame Staatsangehörigkeit haben, in verschiedenen Mitgliedstaaten leben oder wenn mindestens ein Ehegatte nicht die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats besitzt, in dem die Eheleute leben.

Damit wird der Forderung in Artikel 81 Absatz 3 AEUV nach einem "grenzüberschreitenden Bezug" entsprochen.

4.2 Subsidiaritätsprinzip

Die Ziele des Vorschlags können nur auf Ebene der Europäischen Union gegebenenfalls im Wege einer Verstärkten Zusammenarbeit mit gemeinsamen Kollisionsnormen zur Bezeichnung des anzuwendenden Rechts verwirklicht werden. Diese Kollisionsnormen müssen einheitlich sein, damit die Ziele des Vorschlags, nämlich mehr Rechtssicherheit, eine bessere Berechenbarkeit und eine größere Flexibilität für den Bürger, erreicht werden. Ein einseitiges Vorgehen der Mitgliedstaaten würde diesen Zielen zuwiderlaufen. In der Frage des in Ehesachen anzuwendenden Rechts gibt es derzeit keine internationalen Übereinkünfte, die das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten regeln. Die öffentliche Anhörung und die Folgenabschätzung zum Vorschlag der Kommission vom Juli 2006 haben gezeigt, dass die Probleme, die mit diesem Vorschlag angegangen werden sollen, größeren Umfangs sind und jährlich Tausende von Bürgern betreffen. Aufgrund der Art und der Tragweite der Problematik lassen sich die Ziele daher nur auf Ebene der EU verwirklichen.

4.3 Verhältnismäßigkeitsprinzip

Der vorliegende Vorschlag ist mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar, da er sich auf das für die Erreichung seiner Ziele unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt. Für den Bürger entsteht weder eine neue finanzielle Belastung noch ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Für die betroffenen nationalen Behörden ist die zusätzliche Belastung gering.

4.4 Wahl des Rechtsinstruments

Von der Art und der Zielsetzung des Vorschlags her ist ein Rechtsakt in der Form einer Verordnung geboten. Das Erfordernis der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit verlangt nach klaren einheitlichen Vorschriften. Die vorgeschlagene Regelung zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist so ausführlich und präzise, dass es keiner Umsetzung in innerstaatliches Recht bedarf. Das Ziel der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit wäre gefährdet wenn den teilnehmenden Mitgliedstaaten bei der Durchführung dieser Bestimmungen ein Ermessensspielraum bliebe.

4.5 Position des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks

Das Vereinigte Königreich und Irland nehmen an der Zusammenarbeit in den Bereichen, die im Dritten Teil Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfasst sind nur teil, wenn sie dies gemäß Artikel 3 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union schriftlich mitteilen. Dänemark beteiligt sich gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks nicht an der Annahme dieser Verordnung. Dänemark ist daher weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

5. Auswirkungen auf den Haushalt, Vereinfachung der Verfahren und Vereinbarkeit mit der Politik der EU in anderen Bereichen

5.1 Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Unionshaushalt.

5.2 Vereinfachung der Verfahren

Der Vorschlag sieht eine Vereinfachung der Verwaltungsverfahren für EU-Bürger wie für Rechtsanwender vor. Die Verfahren werden insbesondere durch die Harmonisierung der Kollisionsnormen einfacher werden, da für das anwendbare Recht einheitliche Vorschriften eingeführt werden, die das bestehende Kollisionsrecht der teilnehmenden Mitgliedstaaten ablösen.

5.3 Vereinbarkeit mit der Politik und den Zielen der EU in anderen Bereichen

Der Vorschlag steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als allgemeine Grundsätze des EU-Rechts anerkannt wurden.

6. Erläuterung der Artikel

Artikel 1

Die vorgeschlagene Verordnung soll für alle Sachverhalte gelten, bei denen eine Normenkollision besteht, d. h. Sachverhalte, die sich im Unterschied zu einem rein innerstaatlichen Lebenssachverhalt durch einen Auslandsbezug auszeichnen und die unter Umständen eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Die Verordnung kommt somit nur in Situationen mit einer internationalen Komponente zum Tragen, d. h. wenn beispielsweise die Eheleute nicht dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen, in verschiedenen Mitgliedstaaten leben oder wenn mindestens ein Ehegatte nicht die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats besitzt, in dem das Ehepaar lebt ("Ehepaare mit internationalem Hintergrund").

Die vorgeschlagenen Kollisionsnormen beschränken sich auf die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Sie gelten nicht für Verfahren zur Nichtigerklärung einer Ehe, bei denen weder die Parteiautonomie noch die Wahl eines anderen Rechts als die lex fori angebracht ist. Die gerichtliche Zuständigkeit für Verfahren zur Nichtigerklärung einer Ehe sowie für Scheidungs- und Trennungsverfahren ist in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 geregelt.

Artikel 2

Die Verordnung gilt gemäß Artikel 2 universell, d. h. kraft ihrer einheitlichen Kollisionsnormen kann das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaats, eines nicht teilnehmenden Mitgliedstaats oder auch das Recht eines Drittstaats zur Anwendung berufen werden. Dies ist ein im positiven Kollisionsrecht fest verankerter Grundsatz, der bereits im Übereinkommen von Rom aus dem Jahr 1980, in den Haager Übereinkommen sowie in den nationalen Kollisionsnormen der teilnehmenden Mitgliedstaaten enthalten ist. Um zu verhindern dass in Scheidungs- oder Trennungssachen ein ausländisches Recht zur Anwendung gelangt, das mit den gemeinsamen Werten der Europäischen Union unvereinbar ist wurden Schutzklauseln eingefügt. Verweisen die Kollisionsnormen auf das Recht eines anderen Mitgliedstaats, kann das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen den Gerichten dabei helfen, sich mit dem ausländischen Recht vertraut zu machen.

Artikel 3

Die einzelstaatlichen Kollisionsnormen lassen für einen bestimmten Sachverhalt mehrheitlich nur eine Lösung zu. Der Vorschlag will den Ehegatten mehr Flexibilität einräumen und ihnen die Möglichkeit der Rechtswahl im Falle einer Ehescheidung oder Ehetrennung bieten. Die Möglichkeit der Rechtswahl ist beschränkt auf Rechtsordnungen, zu denen die Eheleute durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, sofern ein Ehegatte noch dort wohnt, oder durch die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten einen engen Bezug haben, sowie auf die lex fori.

Für die Ehescheidung und die Ehetrennung müssen dieselben Kollisionsnormen gelten, da die Trennung in einigen Fällen eine notwendige Vorstufe zur Scheidung ist. Die teilnehmenden Mitgliedstaaten, die die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anerkennen, wenden auf die Ehescheidung und die Ehetrennung dieselben Kollisionsnormen an.

Die größere Parteiautonomie bietet den Ehegatten mehr Rechtssicherheit und macht die Situation für sie berechenbarer. Dabei sind allerdings bestimmte Formerfordernisse zu beachten um sicherzustellen, dass sich die Ehegatten der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind und dass der schwächere Ehepartner geschützt wird. Die Kommission teilt die Auffassung des Europäischen Parlaments, dass dafür gesorgt werden muss, dass die Rechtswahl der Parteien nicht zur Anwendung eines Rechts führt, das mit den Grundrechten und dem Recht der Europäischen Union unvereinbar ist. Die Parteien sollen demnach ihr Scheidungs- oder Trennungsverfahren nur einem fremden Recht unterwerfen dürfen, das mit den gemeinsamen Werten der Europäischen Union vereinbar ist.

Artikel 4

In Ermangelung einer Rechtswahl bestimmt sich das anzuwendende Recht nach einer Reihe von Anknüpfungspunkten, wobei an erster Stelle der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten steht. Diese einheitliche Regelung gewährleistet eine größere Rechtssicherheit und bessere Berechenbarkeit. Durch die Einführung harmonisierter Kollisionsnormen dürfte die Gefahr eines "Wettlaufs zu den Gerichten" deutlich geringer werden, da jedes in den teilnehmenden Mitgliedstaaten angerufene Gericht das auf der Grundlage gemeinsamer Vorschriften bestimmte Recht anwenden würde.

Da als Hauptanknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten gilt oder ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt, sofern einer von ihnen noch dort wohnt, dürfte in der überwiegenden Zahl der Fälle die lex fori zur Anwendung gelangen (allerdings nicht in allen Fällen, z.B. wenn einer der Ehegatten in seinen Heimatstaat zurückkehrt und dort gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 ein Gericht anruft). Die Fälle, in denen fremdes Recht zur Anwendung gelangt, sind somit begrenzt.

Artikel 5

Mit diesem Artikel soll eine Ungleichbehandlung der Ehegatten verhindert werden. In bestimmten Fällen, in denen das anzuwendende Recht eine Scheidung nicht zulässt oder einem Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zu einem Scheidungs- oder Trennungsverfahren gewährt, ist das Recht des angerufenen Gerichts maßgebend.

Artikel 6

Wäre die Möglichkeit der Rück- oder Weiterverweisung gegeben, wäre damit das Ziel der Rechtssicherheit wieder in Frage gestellt. Verweisen die einheitlichen Kollisionsnormen auf eine bestimmte Rechtsordnung, bedeutet dies folglich, dass die materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Rechts zum Tragen kommen und nicht dessen Internationales Privatrecht.

Artikel 7

Die Gerichte können sich mit Hilfe des Ordrepublic-Vorbehalts über das ausländische Recht, auf das die Kollisionsnormen verweisen, hinwegsetzen, wenn die Anwendung dieses ausländischen Rechts in einem bestimmten Fall gegen die öffentliche Ordnung ("ordre public") am Ort des angerufenen Gerichts verstößt. Mit dem Ausdruck "offensichtlich unvereinbar" soll klargestellt werden, dass der Rückgriff auf den Ordrepublic-Vorbehalt die Ausnahme bleiben muss.

Artikel 8

Umfasst ein Staat mehrere Gebietseinheiten, die eigene Rechtsnormen für Scheidungs- und Trennungssachen haben, muss die Verordnung auch im Fall einer Normenkollision zwischen diesen Gebietseinheiten Anwendung finden, um für Berechenbarkeit und Rechtssicherheit zu sorgen und die einheitliche Anwendung des EU-Rechts auf alle Sachverhalte sicherzustellen, bei denen eine Verbindung zum Recht mehrerer Staaten besteht.

Artikel 9

Dieser Artikel stellt sicher, dass die Bürger über die Regelungen informiert werden, die in den teilnehmenden Mitgliedstaaten für Eheverträge gelten. Die Kommission wird diese Informationen auf der Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen bereitstellen.

Artikel 10

Dieser Artikel regelt, ab welchem Zeitpunkt die einzelnen Verordnungsbestimmungen anwendbar sind.

Artikel 11

Mit der vorgeschlagenen Regelung soll ein gerechter Ausgleich zwischen den internationalen Verpflichtungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten und dem Ziel, einen echten europäischen Rechtsraum zu schaffen, hergestellt werden. Absatz 1 erlaubt den teilnehmenden Mitgliedstaaten, weiterhin die Kollisionsnormen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte anzuwenden denen sie zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören. Die parallele Anwendung zweier Kollisionsrechtssysteme - die Kollisionsregeln aus internationalen Übereinkünften und die Kollisionsnormen des vorliegenden Verordnungsvorschlags - wäre jedoch dem europäischen Rechtsraum abträglich.

Artikel 12 und 13

Die Artikel über die Revision der Verordnung, ihr Inkrafttreten und ihre Anwendung sind Standardvorschriften.

Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts

Der Rat der europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 81 Absatz 3, gestützt auf den Beschluss [...] des Rates vom [...] über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts7, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Vorschlags an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments8, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses9, gemäß dem besonderen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung nachstehender Gründe:

Hat folgende Verordnung erlassen:

Kapitel I
Anwendungsbereich

Artikel 1
Anwendungsbereich

Artikel 2
Universelle Anwendung

Kapitel II
Einheitliche Kollisionsnormen für das auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht

Artikel 3
Rechtswahl

Artikel 4
In Ermangelung einer Rechtswahl anzuwendendes Recht

Artikel 5
Anwendung des Rechts des Staates des angerufenen Gerichts

Artikel 6
Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung

Artikel 7
Öffentliche Ordnung (ordre public)

Artikel 8
Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung

Kapitel III
Sonstige Vorschriften

Artikel 9
Informationen der teilnehmenden Mitgliedstaaten

Artikel 10
Übergangsbestimmungen

Artikel 11
Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkünften

Artikel 12
Revisionsklausel

Kapitel IV
Schlussbestimmungen

Artikel 13
Inkrafttreten und Anwendung


Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Rates
Der Präsident