Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament und den Rat: Stärkung der Katastrophenabwehrkapazitäten der Europäischen Union KOM (2008) 130 endg.; Ratsdok. 7562/08

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 17. März 2008 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 07. März 2008 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 07. März 2008 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 565/07 (PDF) = AE-Nr. 070667

Mitteilung der Kommission An das Europäische Parlament und den Rat
Stärkung der Katastrophenabwehrkapazitäten der Europäischen Union

1. Einleitung

Zweck dieser Mitteilung ist es, ausgehend von dem bisherigen Besitzstand Vorschläge zur Stärkung der Katastrophenabwehrkapazitäten der EU zu unterbreiten.

Die Vorschläge sind ein erster Schritt auf dem Weg zu einem umfassenden, integrierten Gesamtkonzept der EU und sollen Synergien zwischen den vorhandenen Instrumenten schaffen und verstärken und die Koordinierung der Instrumente untereinander verbessern.

In der Mitteilung wird der Begriff der "Katastrophe" im weiteren Sinne verwendet, um sowohl Naturkatastrophen als auch von Menschenhand verursachte Unglücke und größere konfliktbedingte Notsituationen in- und außerhalb der EU zu erfassen.

Wie von Rat und Parlament gewünscht, ist ihr ein Anhang zum Thema Waldbrände beigefügt der aufzeigen soll, wie künftige Maßnahmen auf den Gebieten Prävention, Vorsorge, Abwehr und Bewältigung der Folgen von Katastrophen so miteinander kombiniert werden könnten, dass sich auch große Katastrophen wie die vom vergangenen Sommer in Europa besser meistern lassen.

Die Kommission wird sich hinsichtlich der in dieser Mitteilung vorgeschlagenen ersten Maßnahmen mit dem Rat, den Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten ins Benehmen setzen und regelmäßig die Fortschritte prüfen, um gegebenenfalls weitere Schritte in Richtung eines integrierten EU-Krisenbewältigungssystems zu unternehmen.

2. Die Notwendigkeit besserer Katastrophenabwehrkapazitäten der EU

Große anstehende Herausforderungen in- und außerhalb der EU: Große vom Menschen verursachte Katastrophen und/oder Naturkatastrophen wie der Tsunami im Indischen Ozean im Jahr 2004, der Krieg im Libanon 2006, die Fälle von Meeresverschmutzung in Drittländern oder die jüngsten Waldbrände und Hochwasserkatastrophen vom Sommer 2007 in Europa haben die Rufe nach einer effizienteren Katastrophenabwehr der EU lauter werden lassen. Hinzu kommt, dass infolge des Klimawandels die Häufigkeit von Naturkatastrophen zunimmt. Dies wird auch die unmittelbare Nachbarschaft der Union berühren.

Große Erwartungen: Die EU-Bürger erwarten von der Union, dass diese ihr Leben und ihren Besitz in der EU schützt und gleichzeitig wirksame Katastrophenhilfe in anderen Teilen der Welt leistet, mit der sie die Solidarität Europas zum Ausdruck bringt. Organisationen wie die Vereinten Nationen und nichtstaatliche Einrichtungen sowie die Partner der EU in Drittländern knüpfen hohe Erwartungen an die Rolle der EU auf dem Gebiet der Katastrophenhilfe. Das Europäische Parlament und der Europäische Rat vom Dezember 2007 haben Rat und Kommission aufgefordert, die Katastrophenschutzverfahren der Gemeinschaft im Zusammenspiel mit dem Finanzierungsinstrument für den Katastrophenschutz optimal zu nutzen, um größere Katastrophen künftig besser bewältigen zu können und die Zusammenarbeit mit und unter den Mitgliedstaaten weiter auszubauen. Ferner haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat im Dezember 2007 den Europäischen Konsens über humanitäre Hilfe unterzeichnet, der einen umfassenden Rahmen für eine verbesserte Bereitstellung von humanitärer Hilfe auf EU-Ebene darstellt. In seiner

Entschließung zum europäischen Konsens über die humanitäre Hilfe forderte das Europäische Parlament die EU auf, sich mittels einer adäquaten jährlichen Haushaltsplanung zu einer angemessenen humanitären Hilfe mit entsprechend berechenbarer und flexibler Finanzierung zu verpflichten.

Ähnliche Herausforderungen in- und außerhalb der EU: Die Katastrophen von heute betreffen häufig mehrere Länder zugleich und erfordern daher eine multilaterale koordinierte Reaktion. Gleichzeitig verschwimmen die Grenzen zwischen inländischen und ausländischen Katastrophen zusehends: Die Flutkatastrophe im Indischen Ozean traf europäische Touristen ebenso wie die einheimische Bevölkerung, Hochwasser wie auch Waldbrände betreffen sowohl die Mitgliedstaaten der EU als auch ihre Nachbarländer, Epidemien können schnell von einem Erdteil auf den anderen überspringen und ebenso schnell kann beispielsweise die Notwendigkeit entstehen, EU-Bürger aus Krisengebieten zu evakuieren. Häufig setzen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten (insbesondere beim Zivilschutz) die gleichen Instrumente ein, um denselben Herausforderungen in- und außerhalb der EUzu begegnen, sei es als alleinstehender Beitrag zur Katastrophenbewältigung oder als ergänzende Maßnahme zur humanitären Hilfe. Die EU muss bei der Katastrophenabwehr die vorhandenen Hilfsmittel situations- und bedarfsgerecht einsetzen. Außerdem müssen Aspekte wie Schnelligkeit, Effizienz und Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden.

Gesamtkonzept für die Katastrophenvorsorge-, -milderung und -abwehr: Die Komplexität und der Umfang dieser vielschichtigen Herausforderungen erfordern ein Gesamtkonzept der EU für eine kontinuierliche Risikobewertung, Vorhersage,

Prävention, Vorsorge und (vor- und nachgeschaltete) Katastrophenmilderung, das die verschiedenen Strategien, Instrumente und Maßnahmen, die bei einer Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen in sich vereint und so dazu beiträgt, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen nationaler Verantwortung und europäischer Solidarität zu schaffen. Die bestehenden Verbindungen zwischen Katastrophenschutz und Umweltpolitik müssen intensiviert werden damit die in den Umweltschutzvorschriften vorgesehenen

Präventivmaßnahmen in vollem Umfang genutzt werden können und ein Gesamtkonzept der EU für die Katastrophenvorsorge und die Folgenabschwächung möglich wird. Außerdem bedarf es nicht zuletzt wegen der Kostenwirksamkeit und der knappen Ressourcen eines koordinierten und integrierten Vorgehens. Die Unterstützung von Katastrophenopfern außerhalb der EU-Grenzen muss zu einem festen Bestandteil der von der EU geleisteten internationalen Hilfe werden.

3. Der Weg zu einer besseren Katastrophenabwehr der EU

3.1. Schrittweiser Aufbau einer integrierten Koordinierung

Diversität der europäischen Beteiligten und ihrer Politik: Auf dem Gebiet der Katastrophenbewältigung gibt es je nach Politik oder Instrument unterschiedliche Beschlussfassungsverfahren für die Entscheidung, ob die entsprechenden Kapazitäten innerhalb oder außerhalb der EU mobilisiert werden können.

Die Europäische Kommission ist für eine breite Palette derartiger Instrumente sowie für eine Reihe unterschiedlicher Frühwarn- und Koordinierungsmechanismen verantwortlich:

Es bedarf einer kontinuierlichen engen Zusammenarbeit und Absprache zwischen dem Ratsvorsitz, den Mitgliedstaaten und dem Generalsekretariat des Rates, insbesondere bei der konsularischen Zusammenarbeit und bei einer etwaigen Unterstützung durch militärische Ressourcen und Kompetenzen der Mitliedstaaten der EU. Der Ratsvorsitz ist dafür zuständig, erstens vor jedweder Aktivierung des Krisenbewältigungsmechanismus durch die Kommission zu bewerten, ob eine außerhalb der EU geplante Katastrophenschutzmaßnahme der EU unter die Krisenbewältigungsbestimmungen der Verträge fällt und zweitens in Drittländern durchgeführte Katastrophenschutzmaßnahmen der EU politisch zu koordinieren Jüngste Anstrengungen zur Verbesserung der Koordinierung der Katastrophenbewältigungsinstrumente:

Um die angestrebte integrierte Katastrophenabwehrfähigkeit der EU zu erreichen müssen deren Kohärenz, Effizienz und Sichtbarkeit verbessert werden:

Die Kommission möchte als Teil ihres Beitrags zur Verbesserung der Katastrophenabwehrkapazitäten der EU die nachfolgend aufgeführten, hauptsächlich Vorschläge des Barnier-Berichts aufgreifenden Verbesserungsmaßnahmen durchführen. Um die angestrebte integrierte Katastrophenabwehrfähigkeit der EU zu erreichen werden auf lange Sicht angelegte Anstrengungen der Kommission, der EU und ihrer Mitgliedstaaten erforderlich sein. Die in dieser Mitteilung vorgeschlagenen

Verbesserungsmaßnahmen sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer rationelleren Nutzung der vorhandenen Katastrophenbewältigungsinstrumente.

Einige Vorschläge betreffen die Verbesserung der vorhandenen Instrumente (Punkt 3.2 und 3.3), wohingegen mit der Entwicklung von bereichsübergreifenden Werkzeugen (Punkt 3.4) eine neue Maßnahme eingeführt werden könnte, die auf eine wirksamere Koordinierung abstellt.

3.2. Verbesserung des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz

Im Bereich des Katastrophenschutzes schlägt die Kommission vor, die Kapazitäten der EU und der Kommission durch folgende Maßnahmen zu verbessern.

Diese könnten im Wesentlichen aus zwei Komponenten bestehen -

Bereitschaftsteams und ergänzende europäische Einsatzkräfte, wobei eine Verdoppelung der existierenden Einsatzkapazitäten zu vermeiden ist. Mit den Mitteln, die vom Europäischen Parlament für ein Pilotprojekt und eine vorbereitende Maßnahme bewilligt wurden, soll eine solche Struktur getestet werden.

3.3. Verstärkung der europäischen humanitären Hilfe

Der europäische Konsens zur humanitären Hilfe bildet eine solide Grundlage für die Verbesserung humanitärer Hilfsmaßnahmen. Im Bereich der humanitären Hilfe schlägt die Kommission vor, die Kapazitäten der EU und der Kommission durch folgende Maßnahmen zu verbessern.

3.4. Aufbau von Kapazitäten für mehrere Politikbereiche und Instrumente der Gemeinschaft

Zusätzlich zum Ausbau des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz und zum europäischen Konsens zur humanitären Hilfe könnten weitere Maßnahmen in Betracht gezogen werden:

4. Aktionsplan

Im Einklang mit den vorstehend erläuterten Initiativen schlägt die Kommission vor, dass (sofern nichts Anderes bestimmt wird) bis Ende 2008 folgende Aktionen geprüft und/oder durchgeführt werden:

4.1. Verbesserung der interinstitutionellen Zusammenarbeit

Es wird vorgeschlagen, dass Kommission, Rat und die Mitgliedstaaten innerhalb ihrer jeweiligen Befugnisse

4.2. Intensivierung der humanitären Hilfe durch die EU

Geplant sind folgende Maßnahmen:

4.3. Verbesserung des europäischen Katastrophenschutzes

Geplant sind folgende Maßnahmen:

4.4. Ausbau der Kapazitäten im Rahmen der verschiedenen Politikbereiche und

Instrumente der Gemeinschaft Die Kommission wird zu diesem Zweck

Die Vorschläge in dieser Mitteilung sind ein erster Schritt auf dem Weg zu einer Stärkung der Katastrophenabwehrkapazitäten der Union. Dabei wird im Rahmen der derzeit laufenden Überprüfung der personellen Ressourcen der Kommission der Notwendigkeit einer Auslotung der Rationalisierungsmöglichkeiten gebührend Rechnung getragen.

Anhang
Waldbrände

Der Sommer 2007 war durch dramatische Waldbrände und andere Flächenbrände in ganz Südeuropa gekennzeichnet, wobei Griechenland besonders betroffen war. Durch starke Winde angefachte Großfeuer zerstörten hunderttausende Hektar Land und forderten zahlreiche Menschenleben, darunter auch engagierte Feuerwehrleute.

Innerhalb eines Zeitraums von 11 Wochen wurde das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz von Bulgarien, Zypern, Griechenland, Italien, Albanien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zwölfmal aktiviert, fünfmal so häufig wie in den Vorjahren.

Wann immer möglich leisteten die Mitgliedstaaten Beistand und stellten Löschflugzeuge, Brandbekämpfungsgeräte, Schutzkleidung und Fachwissen bereit. Allerdings war das Ausmaß der Unterstützung begrenzt, da in mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig Brände wüteten und in anderen Mitgliedstaaten eine hohe Brandgefahr bestand. Deshalb konnte nur ein begrenzter Teil der verfügbaren Flotte mobilisiert werden, um den am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten beizustehen; dies hatte zur Folge, dass vor allem Bulgarien nur eine eingeschränkte Hilfe zuteil werden konnte. Waldbrände und andere Flächenbrände sind ein wiederkehrendes Phänomen. Trotz der Eindämmungsmaßnahmen der EU dürfte die Häufigkeit und Intensität heißer und trockener Sommer und die Wasserknappheit3 in Südost- und Südwesteuropa infolge des Klimawandels4 zunehmen so dass die Gefahr von Waldbränden und anderen Flächenbränden weiter steigt.

Allerdings unterscheiden sich solche Brände hinsichtlich ihrer Intensität und ihres geografischen Auftretens von Jahr zu Jahr. Im Schnitt verbrennen jährlich zwischen 450 und 600 000 Hektar und mitunter werden die Mitgliedstaaten von verheerenden Bränden heimgesucht die viermal mehr Flächen als im Jahresdurchschnitt verwüsten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass solche Ereignisse nicht alle gefährdeten Mitgliedstaaten im selben Jahr oder zur selben Zeit im Sommer betreffen. Im Sommer 2003 traten die schlimmsten Brände im Südwesten der EU auf; am stärksten betroffen war Portugal, wo fast 5 % des nationalen Hoheitsgebiets verbrannten. Im Jahr 2007 verzeichnete Südosteuropa eine besonders schlimme Waldbrandsaison; mehr als 810 000 Hektar verbrannten, davon 68,2 % Waldland, 31 % Agrarland und 0,8 % Stadt- und Industriegebiete5. Von den 465 000 Hektar, die in den EU-Mittelmeerländern den Flammen zum Opfer fielen, befanden sich 21,9 % in Natura-2000-Schutzgebieten6.

Betroffen sind häufig Regionen, die aufgrund der kombinierten Wirkung hoher Temperaturanstiege und geringer Niederschläge bereits mit Wasserknappheit zu kämpfen haben und daher besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels in Europa sind. Im Zuge der Klimaveränderung wird die Funktion der europäischen Wälder für die Bereitstellung von Umwelt- und Ökosystemdienstleistungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Wälder leisten einen wichtigen Beitrag zur effizienten Wasserrückhaltung in Trockengebieten, zum Schutz von Wasserläufen gegen übermäßigen Nährstoffeintrag, zur Verbesserung des Hochwasserschutzes sowie zur Erhaltung und Wiederherstellung multifunktioneller Landschaften. Der Schutz der Waldökosysteme vor Waldbränden und die Förderung einer klimaresistenten Bewirtschaftung der Wälder in Europa ist der Schlüssel für eine gesteigerte Anpassungsfähigkeit dieser Gebiete an den Klimawandel.

Das Auftreten von Wald- und anderen Flächenbränden wird durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst wie:

Zwei laufende Studien konzentrieren sich