Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit
Verordnung über die Meldepflicht bei Aviärer Influenza beim Menschen
(Aviäre-Influenza-Meldepflicht-Verordnung - AIMPV)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit
Verordnung über die Meldepflicht bei Aviärer Influenza beim Menschen (Aviäre-Influenza-Meldepflicht-Verordnung - AIMPV)

Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, den 9. März 2007

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich die vom Bundesministerium für Gesundheit zu erlassende


mit Begründung und Vorblatt.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas de Maizire

Verordnung über die Meldepflicht bei Aviärer Influenza beim Menschen (Aviäre-Influenza-Meldepflicht-Verordnung - AIMPV)

Vom Auf Grund des § 15 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. 1 S. 1045), der zuletzt durch Artikel 57 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. 1 S. 2407) geändert worden ist, verordnet das Bundesministerium für Gesundheit:

§ 1

§ 2

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Der Bundesrat hat zugestimmt.

Begründung

Allgemeiner Teil

Der direkte Nachweis von Influenzaviren ist gem. § 7 Abs. 1 Nr. 24 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) namentlich zu melden, soweit der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist. Hingegen sind der Krankheitsverdacht, die Erkrankung oder der Tod an Influenza nicht meldepflichtig. Auch der Auffangtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG greift beim Auftreten von Influenza-Erkrankungen nicht ein, da diese Regelung zur Voraussetzung hat, dass Krankheitserreger als Ursache in Betracht kommen, die nicht in § 7 IfSG genannt sind.

Die Verordnung dehnt die Meldepflicht auf den Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie den Tod eines Menschen an einem neuen Influenza-Subtyp aus. Durch die Ausdehnung der Meldepflicht sollen die Voraussetzungen dafür verbessert werden, der Gefahr des Auftretens eines neuen Influenzavirus-Subtyps beim Menschen und einer möglichen Influenzapandemie so früh wie möglich durch Ermittlungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Maßnahmen zur Krankheitsverhütung und erforderlichenfalls Krankheitsbekämpfung begegnen zu können.

Eine Influenzapandemie kann dadurch ausgelöst werden, dass sich ein tierpathogener Influenzavirus-Typ durch Punktmutationen (Antigene Drift) oder durch Austausch von Erbgut mit anderen Influenzavirus-Typen bei der Doppelinfektion eines gemeinsamen Wirtsorganismus (Antigene Shift) in einer Art verändert, die Übertragungen von Mensch zu Mensch mit Ausbildung von Infektionsketten ermöglicht.

Nach dem Stand der Wissenschaft besteht bei den Erregern der Aviären Influenza, die auch Vogelgrippe oder - in ihrer hochpathogenen Form - Klassische Geflügelpest genannt wird, am wahrscheinlichsten die Gefahr, dass sie sich durch genetische Veränderungen von einer Tierseuche zu einer pandemischen Influenza beim Menschen entwickeln.

Die Vogelgrippe kommt in Geflügelbeständen zahlreicher Länder insbesondere in Südostasien endemisch vor und wurde auch bei Wild- und Nutzgeflügel in Deutschland nachgewiesen. Zu einer Übertragung des Krankheitserregers von Vögeln auf den Menschen kann es gegenwärtig nur bei engem Kontakt mit erkrankten Tieren kommen. Bislang sind weltweit seit 2003 über 271 Erkrankungsfälle beim Menschen registriert worden. Etwa die Hälfte der Betroffenen ist infolge der Erkrankung gestorben. Bisher gibt es aber keine Hinweise, dass das Virus grundsätzlich auch von Mensch zu Mensch übertragbar wäre; nur in einzelnen Fällen konnte eine begrenzte Übertragung Mensch zu Mensch nicht ausgeschlossen werden. Die derzeitige epidemische Lage entspricht somit Phase 3 nach der Pandemie-Phaseneinteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Menschliche Infektion(en) mit einem neuen Influenzavirus-Subtyp, aber keine Ausbreitung von Mensch zu Mensch oder nur in extrem seltenen Fällen bei engem Kontakt. Grundsätzlich beinhaltet allerdings jeder Infektionsfall eines Menschen mit Aviärer Influenza die Möglichkeit der Entstehung von an den Menschen angepassten Viren und hierdurch bedingt die Gefahr der Pandemie-Entstehung.

In der Bundesrepublik Deutschland ist es bislang noch zu keiner Infektion eines Menschen mit dem Erreger der Aviären Influenza gekommen. In der gegenwärtigen epidemischen Lage, in der die Vogelgrippe als Tierseuche auch bereits in Deutschland und anderen europäischen Staaten aufgetreten ist, ist es jedoch nicht auszuschließen, dass in Deutschland künftig auch Fälle von Aviärer Influenza beim Menschen auftreten. In den Niederlanden kam es im Jahr 2003 zu Erkrankungen von mehreren Personen nach Kontakt mit Geflügel, das an Aviärer Influenza erkrankt war, darunter eine tödliche Erkrankung eines Veterinärs; im Jahr 2006 kam es in der Türkei zu Erkrankungs- und-Todesfällen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass bereits infizierte oder erkrankte Personen in die Bundesrepublik einreisen. Das Auftreten von humanen Fällen der Aviären Influenza in Deutschland erhöht die Gefahr, dass in Deutschland auch ein Erreger-Subtyp auftreten könnte, der nicht nur vom Tier auf den Menschen sondern auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.

Die Meldungen auf Grund der Ergebnisse der labordiagnostischen Routinenachweise von Influenzaviren liegen den Gesundheitsämtern frühestens nach etwa 3 bis 4 Tagen vor. Selbst eine dringliche Untersuchung wird - in Abhängigkeit von der geographischen Lage und Ausstattung des Primärlabors - ca. einen Tag in Anspruch nehmen. Influenza-Schnelltests, die bei entsprechendem Virusnachweis eine Meldepflicht nach § 7 IfSG auslösen, unterscheiden nicht zwischen den verschiedenen Influenzavirus-Subtypen und werden auch nicht flächendeckend in den Arztpraxen und Krankenhäusern durchgeführt.

Die Gesundheitsämter sollen daher bereits bei einer Verdachtsdiagnose durch eine namentliche Meldung in die Lage versetzt werden, das zur Verhütung und Bekämpfung der Krankheit Erforderliche zu veranlassen. Dabei ist es Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes Ermittlungen über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit einschließlich deren Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch anzustellen und die notwendigen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Weiterverbreitung der Krankheit zu treffen. Insbesondere kommen auch Verhaltensempfehlungen an den Erkrankten zur Minimierung eines eventuellen Übertragungsrisikos sowie die Sicherstellung einer beschleunigten Labordiagnostik (PCR und Subtypisierung) zur Abklärung der Verdachtsdiagnose in Betracht, soweit dies nicht bereits durch den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin veranlasst wurde. Die Therapie durch den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin veranlasst wurde. Die Therapie der/des Betroffenen verbleibt in der Verantwortung des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin.

Der Verordnungsentwurf hat für den Bund voraussichtlich keine finanziellen Auswirkungen. Bei den Ländern und Gemeinden entsteht ein geringer Vollzugsaufwand, wenn es in der WHO-Phase 3 zu Verdachtsmeldungen mit anschließenden seuchenhygienischen Ermittlungen und präventiven Maßnahmen je nach Einzelfall kommt. Erst ab einem künftigen Eintritt der Phase 4 (an einem Ort der Welt lokalisierte Infektionen bei wenigen Menschen) wird die Zahl der Verdachtsmeldungen auf voraussichtlich weiterhin geringem Niveau zunehmen. In den Phasen 4 und 5 wird die Meldepflicht erneut anzupassen sein.

Da in der WHO-Phase 3 allenfalls mit vereinzelten Verdachtsmeldungen zu rechnen ist, sind bei den meldeverpflichteten Personen bzw. ihren Arbeitgebern entsprechend geringfügige Kostenbelastungen zu erwarten. Auswirkungen der Verordnung auf Einzelpreise, das Preisniveau sowie Auswirkungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher sind nicht zu erwarten.

Bürokratiekosten

Die Verordnung erweitert zwei bestehende Informationspflichten, eine für die Wirtschaft und eine für die Verwaltung.

Durch die Ausdehnung der Meldepflicht in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Infektionsschutzgesetzes müssen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser künftig auch Verdachtsfälle, Erkrankungen und Todesfälle an Aviärer Influenza melden. Die Erfüllung einer solchen Meldeverpflichtung dauert nach bisherigen Erfahrungen bei vergleichbaren Meldepflichten ca. 13 Minuten (Bericht der KPMG an Kassenärztliche Vereinigung Westfalen/Lippe von November 2006) und verursacht daher nur geringe zusätzliche Kosten. Dies gilt umso mehr, als in der gegenwärtigen Phase 3 bundesweit allenfalls mit vereinzelten Verdachtsfällen zu rechnen ist. Eine Quantifizierung der zu erwartenden zusätzlichen Kosten kann daher nicht erfolgen.

Für die Verwaltung entsteht ein zusätzlicher Anwendungsfall der bestehenden Informationspflicht aus § 11 Infektionsschutzgesetz dadurch, dass die Gesundheitsämter, in deren Zuständigkeitsbereich eine bestätigte Verdachtsmeldung oder eine Erkrankungs- oder Todesfallmeldung erfolgt, diese über die zuständige Landesstelle an das Robert Koch-Institut übermitteln müssen. Damit ist in der Phase 3 nicht oder allenfalls in vereinzelten Fällen bundesweit jährlich zu rechnen. Daher sind die diesbezüglichen Bürokratiekosten nicht messbar.

Eine Befristung der Geltungsdauer der Verordnung ist nicht möglich. Der Geltungszeitraum bzw. die erneute Anpassung der Meldepflicht ist von der nicht vorhersehbaren Entwicklung der epidemischen Lage abhängig zu machen.

Eine Rechts- oder Verwaltungsvereinfachung ist mit dem Verordnungsentwurf nicht verbunden. Der Verordnungsentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften vereinbar.

Besonderer Teil

Zu § 1

§ 1 Abs. 1 Satz 1 dehnt die Pflicht zur namentlichen Meldung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Infektionsschutzgesetzes auf den Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie den Tod an Aviärer Influenza aus. Die Meldepflicht gilt unabhängig von dem Erreger-Subtyp der Aviären Influenza, der die Erkrankung ausgelöst hat, also für aviäre Subtypen wie z.B. A/H5N1, A/H7N7 oder A/H7N3.

Aufgrund der Bezugnahme auf die Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG finden die für die Meldetatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG geltenden Bestimmungen des IfSG auch auf die Meldung nach § 1 Abs. 1 Anwendung.

Die ausgedehnte Meldepflicht ist gem. § 73 Abs. 1 Nr. 1 IfSG bußgeldbewehrt. Eine weitere Rechtsfolge der Meldepflicht ist es nach § 24 IfSG, dass die Behandlung von Personen mit einer entsprechenden Erkrankung und der direkte oder indirekte Nachweis eines Krankheitserregers für die Feststellung der Infektion oder übertragbaren Krankheit nur Ärztinnen und Ärzten gestattet ist.

Nach Absatz 1 Satz 2 hat die Meldung eines Krankheitsverdachts nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 nur dann zu erfolgen, wenn der Verdacht nach dem Stand der Wissenschaft sowohl durch das klinische Bild als auch durch einen wahrscheinlichen epidemiologischen Zusammenhang begründet ist. Die Regelung soll die Spezifität des Meldetatbestandes erhöhen, um Verdachtsmeldungen, die sich als unbegründet erweisen, zu reduzieren. Die nach heutigem Stand bekannten klinischen Symptome und Zeichen der Aviären Influenza sind allein nicht geeignet, um sie hinreichend von den Symptomen anderer Krankheiten abzugrenzen. Erst durch das Hinzutreten eines epidemiologischen Zusammenhangs kann hinreichend valide eine Aussage über den Krankheitsverdacht einer Aviären Influenza getroffen werden. Der epidemiologische Zusammenhang kann zum Beispiel darin liegen, dass eine Exposition durch Kontakt mit an Aviärer Influenza erkrankten Tieren oder deren Ausscheidungen, durch Kontakt mit Tieren oder deren Ausscheidungen in einem Endemiegebiet Aviärer Influenza, ein Kontakt mit einem anderen menschlichen Verdachtsfall Aviärer Influenza oder eine sog. Laborexposition mit Aviären Influenzaviren gegeben war.

Um hier ein einheitliches und an die aktuellsten epidemiologischen Daten angepasstes Meldeverhalten der behandelnden Ärztinnen und Ärzte zu gewährleisten, erstellt das Robert-Koch-Institut auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 Nr. 1 des Infektionsschutzgesetzes eine Empfehlung, veröffentlicht sie und schreibt sie nach dem Stand der Wissenschaft fort. Die Empfehlung des Robert Koch-Institutes umfasst Kriterien für das klinische Bild und für den wahrscheinlichen epidemiologischen Zusammenhang. Nach Absatz 1 Satz 3 ist die jeweils aktuelle Fassung der Empfehlung von den Ärztinnen und Ärzten zu berücksichtigen.

Daneben erstellt das Robert Koch-Institut auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a des Infektionsschutzgesetzes die Kriterien für die Übermittlung eines Erkrankungs- oder Todesfalles durch das Gesundheitsamt an das Robert Koch-Institut (Falldefinition). Die Falldefinition wird im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht und entsprechend den jeweiligen epidemiologischen Erfordernissen fortgeschrieben.

§ 1 Abs. 3 enthält den klarstellenden Hinweis, dass die auf § 7 des Infektionsschutzgesetzes beruhende Labormeldepflicht beim direkten Nachweis von Influenzaviren unberührt bleibt.

Zu § 2

§ 2 regelt das Inkrafttreten.