Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zu einem umfassenden Ansatz für das Lehren und Lernen von Sprachen

C(2018) 7871 final Europäische Kommission
Brüssel, 30.11.2018 C(2018) 7871 final

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsident Daniel GÜNTHER
Leipziger Straße 3-4
D-10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zu einem umfassenden Ansatz für das Lehren und Lernen von Sprachen {

COM (2018) 272 final).

Fremdsprachliche Kompetenzen sind das Herzstück der ehrgeizigen Vision, einen europäischen Bildungsraum zu schaffen. Die Fähigkeit, fremde Sprachen zu sprechen, ist eine Grundvoraussetzung für das Auslandsstudium und die Suche nach einem Arbeitsplatz auf den zunehmend internationalen Arbeitsmärkten. Sie eröffnet allen Lernenden neue Perspektiven und versetzt sie in die Lage, von der Freizügigkeit in ganz Europa zu profitieren und andere Länder und Kulturen zu entdecken. Die Kommission begrüßt daher die Unterstützung des Bundesrates für die im Vorschlag dargelegten Grundprinzipien, wobei das gemeinsame Ziel, die Sprachenkompetenz und die Mobilität in Europa zu fördern, den Ausgangspunkt darstellt. In diesem Zusammenhang teilt die Kommission die Auffassung des Bundesrates, dass die Sprache die Grundlage der kognitiven und sozialen Entwicklung eines Kindes bildet und dass sich die Vorteile multilingualer Kompetenzen auf sämtliche Aspekte des Lebens auswirken.

Die Kommission achtet uneingeschränkt die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung der Bildungssysteme. Im Einklang mit Artikel 165 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union legen die Vorschläge der Kommission im Bildungsbereich dar, wie die Union bei den Maßnahmen der Mitgliedstaaten ergänzend wirken, unterstützen und helfen kann. Die Vermittlung und Verbreitung der Sprachen der Mitgliedstaaten ist in Artikel 165 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sogar ausdrücklich genannt.

Auch möchte die Kommission betonen, dass die in der Empfehlung vorgeschlagenen Maßnahmen auf Freiwilligkeit beruhen und dass sich die Kommission auf die Bereiche konzentriert, zu denen die Europäische Union den höchsten Mehrwert beisteuern kann. Dazu gehören Unterstützungsleistungen zugunsten einer besseren Faktenlage für die Politikgestaltung, Möglichkeiten für einen Erfahrungsaustausch und das wechselseitige Lernen von gemeinsamen bildungspolitischen Herausforderungen.

Die Kommission teilt voll und ganz die vom Bundesrat zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung in Bezug auf die Lernmobilität im Allgemeinen und für Fremdsprachenlehrkräfte im Besonderen. Sie begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für eine erhebliche Aufstockung der Erasmus-Mittel für die Lernmobilität. Im Zusammenhang mit ihrem Vorschlag für ein neues Erasmus-Programm' schlägt die Kommission in der Tat vor, die Mobilität von Schülern und die Mobilität von Lernenden mit geringeren Chancen zu erhöhen. Die Kommission begrüßt auch die in Deutschland bestehenden Initiativen zur Förderung der Mobilität von Lehramtsstudierenden. In diesem Zusammenhang weist sie darauf hin, dass in der Empfehlung vorgeschlagen wird, die Mobilität von angehenden Fremdsprachenlehrkräften, auch im Rahmen bestehender Mobilitätsprogramme, zu fördern.

Was die Sprachkompetenz betrifft, die während der Pflichtschulzeit zu erreichen ist, möchte die Kommission betonen, dass die Fremdsprachenkenntnisse der Schülerinnen und Schüler zum Ende der Pflichtschulzeit im Allgemeinen gering sind und dass zwischen den Mitgliedstaaten sehr große Unterschiede bestehen. Eine im Jahr 2018 durchgeführte Eurobarometer-Sonderumfrage ergab, dass ein Drittel der jungen Europäerinnen und Europäer (15-30 Jahre) die eigenen Sprachkompetenzen als unzureichend für ein Studium im Ausland ansieht. Damit der europäische Bildungsraum Wirklichkeit werden kann, sind Anstrengungen zur Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse wichtig und spiegeln die derzeitigen Herausforderungen bei der Förderung der Mobilität in der allgemeinen und beruflichen Bildung in Europa wider.

Unter Bezugnahme auf die Anmerkungen des Bundesrates zu einem Benchmark für Fremdsprachenkompetenz und einer spezifischen Spracherhebung möchte die Kommission betonen, dass diese nicht Teil der vorgeschlagenen Empfehlung sind. Dennoch ist die Kommission der Ansicht, dass ein Monitoringsystem gemeinsame Ziele und Peer-Learning im Bereich des Sprachenerwerbs unterstützen kann. Die Kommission stimmt mit dem Bundesrat darin überein, dass ein solches Monitoringsystem länderspezifische Faktoren und unterschiedliche sprachliche Hintergründe sowie Bildungsoptionen berücksichtigen sollte. Die Kommission weist ferner darauf hin, dass das vorgeschlagene Konzept des Sprachenbewusstseins in Schulen die Auffassung stützt, dass das Erlernen von Sprachen individuell angepasst und auf die Umstände, Bedürfnisse, Fähigkeiten und Interessen der Lernenden zugeschnitten werden muss.

Die Kommission teilt nicht die Auffassung des Bundesrates, dass die vorgeschlagene Konzentration auf Lernergebnisse im Widerspruch zu der Notwendigkeit steht, die Sprachkompetenzen neu zu bewerten. Letztere beziehen sich auf die in der Pflichtschulzeit unterrichteten und anerkannten Sprachen und ihre Relevanz für den einzelnen Lernenden. Dies entspricht auch dem Verständnis multilingualer Kompetenzen in der Empfehlung des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernens.

Zur von der vorgeschlagenen Empfehlung abgedeckten Sprachengruppe ist anzumerken, dass sich der Begriff "europäische Sprache" in der Tat auf eine Amtssprache eines Mitgliedstaats der Europäischen Union bezieht. Er wird in Verbindung mit der in der Schule gelehrten "ersten Fremdsprache", die nicht die Unterrichtssprache ist, verwendet. Für die zweite Fremdsprache lässt die vorgeschlagene Empfehlung die Begriffsbestimmung bewusst offen, um individuell angepasste Ansätze zu ermöglichen.

Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrats aufgeworfenen Fragen mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Frans Timmermanns Erster Vizepräsident
Tibor Navracsics
Mitglied der Kommission