Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt

909. Sitzung des Bundesrates am 3. Mai 2013

A

Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ), der Ausschuss für Familie und Senioren (FS), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zum Gesetzentwurf allgemein

Begründung:

Bei dem Gesetzentwurf besteht die Gefahr, dass die betroffenen Väter durch die vertrauliche Geburt ihrer Kinder mit ihren Sorge- und Umgangsrechten auch dann faktisch ausgeschlossen werden, wenn sie mit der von der Mutter gewünschten vertraulichen Geburt nicht einverstanden sind. Dabei erscheinen die empirischen Grundlagen zu der Rolle der Väter in den zu regelnden Konfliktsituationen aus Sicht des Bundesrates unklar. Nach dem Abschlussbericht "Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland" des Deutschen Jugendinstituts (S. 146 f.) gibt es durchaus Konstellationen, in denen der Vater das Kind behalten wollte, die Mutter jedoch nicht.

Nach § 25 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 SchKG soll die Beratung der Schwangeren die Information über die Rechte des Vaters umfassen. Ausweislich der Einzelbegründung zu § 25 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 SchKG (BR-Drucksache 214/13 (PDF) , S. 26) soll die Mutter dabei darauf hingewiesen werden, dass sie durch ihren Wunsch nach Geheimhaltung das Recht des Vaters auf Ausübung seiner Sorge verletze. Das allein erscheint kaum als ausreichendes Instrument zum Schutz der Väterrechte.

Ferner verweist die Einzelbegründung zu Artikel 6 Nummer 1 (BR-Drucksache 214/13 (PDF) , S. 22 unten) darauf, dass das Angebot der vertraulichen Geburt von Müttern nur in den Fällen in Anspruch genommen werde, in denen die Schwangerschaft anderen Personen einschließlich des Vaters nicht bekannt sei. Wisse der Vater von der Schwangerschaft oder von der Geburt des Kindes, könne er die Identität der Eltern beim Standesamt melden und seine Rechte geltend machen. Nach § 21 Absatz 2a PStG sind bei einer vertraulichen Geburt allerdings nur die Angaben nach § 21 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 PStG in das Geburtenregister aufzunehmen, nicht dagegen der etwaig bekannte Name des Vaters (§ 21 Absatz 1 Nummer 4 PStG). Um dessen Aufnahme zu ermöglichen, wenn sich der Vater nachträglich beim Standesamt meldet, sollte jedenfalls eine Ergänzung des § 26 PStG um einen Verweis auf § 21 Absatz 2a PStG erwogen werden. Vor allem aber ist unklar, wie der Vater, der zwar um die Schwangerschaft, aber nichts über den Verbleib des Kindes weiß, dieses überhaupt finden und so seine Vaterrechte sicherstellen soll. Der Gesetzentwurf sieht keine Auskunftsrechte des Vaters gegenüber den an der vertraulichen Geburt beteiligten Behörden und Einrichtungen und kein Einsichtsrecht des Vaters in den Herkunftsnachweis vor.

10. Zu Artikel 3 Nummer 3 (§ 21 Absatz 2a Satz 2 PStG)

In Artikel 3 Nummer 3 ist in § 21 Absatz 2a Satz 2 das Wort "Familiennamen" durch das Wort "Geburtsnamen" zu ersetzen.

Begründung:

Anpassung an die zum 1. November 2013 in Kraft tretende Änderung von § 21 Absatz 1 Nummer 1 PStG: Mit § 21 Absatz 1 Nummer 1 PStG - neu - wird zum 1. November 2013 - den entsprechenden Regelungen des bürgerlichen Rechts folgend - klargestellt, dass im Geburtenregister des Kindes der Geburtsname eingetragen und fortgeführt wird.

11. Zu Artikel 6 Nummer 1 (§ 1674a Satz 2 BGB)

In Artikel 6 Nummer 1 sind in § 1674a Satz 2 BGB der Punkt durch ein Semikolon zu ersetzen und folgende Wörter anzufügen:

"zudem gilt § 1697a."

Begründung:

Eine positive Kindeswohlprüfung vor Aufleben der elterlichen Sorge wird für zwingend notwendig erachtet, da dies auch dem allgemeinen Rechtsprinzip des § 1697a BGB entspricht. Im Gesetzestext sollte dies konkret formuliert werden.

Eine dem Elternrecht genügende Entscheidung kann nur aufgrund der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden (vergleiche BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 1995 - 1 BvR 1208/92 -). Die vorzunehmende gerichtliche Abwägung hat sich dabei vorrangig am Kindeswohl zu orientieren (vergleiche BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Juni 2007 - 1 BvR 1426/07 -). Somit ist das Wohl des Kindes oberste Richtschnur für die Ausübung der elterlichen Sorge.

12. Zu Artikel 6 Nummer 2 (§ 1747 Absatz 4 Satz 2 BGB)

In Artikel 6 Nummer 2 sind in § 1747 Absatz 4 Satz 2 nach dem Wort "gilt" die Wörter "für das Verfahren auf Annahme als Kind" einzufügen.

Begründung:

Zur Vermeidung von Missverständnissen sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass die Fiktion des § 1747 Absatz 4 Satz 2 BGB nur für das Verfahren gilt, in dem über die Annahme des Kindes entschieden wird, nicht aber für andere Verfahren, in denen der Aufenthalt der Mutter von Bedeutung sein kann.

13. Zu Artikel 7 Nummer 1 und 3 (§ 1 Absatz 4 Satz 2 und § 25 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 SchKG)

Artikel 7 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Es erscheint contra legem, wenn eine Frau dahin gehend beraten wird, dass sie ihr Kind bis zum Abschluss des Adoptionsverfahrens "zurückerhalten kann" und sie dafür in der Regel zumindest ein Jahr (beziehungsweise auch mehr) Zeit hat (vergleiche die Einzelbegründung zu Artikel 7 Nummer 1 zu Absatz 4). Vielmehr ist sie über ihre Rechte in Abwägung zu den Rechten des Kindes zu informieren.

Nach geltender Rechtslage kann der Amtsvormund zum Wohl des Kindes entscheiden, dass ein Säugling unmittelbar nach der Entlassung aus der Geburtsklinik in einer Pflegefamilie mit dem Ziel der Adoption Aufnahme findet. Tritt die leibliche Mutter aus der Anonymität heraus und möchte ihr Kind zurückerhalten, so kann die für das Kind schädliche Herausnahme aus der Pflegefamilie nach § 1632 Absatz 4 BGB unterbunden werden. Weitere Schutzmaßnahmen zugunsten des Kindes sind unter anderem nach §§ 1666, 1666a und 1748 BGB möglich. Ob, und wenn ja innerhalb welchen Zeitraumes und unter welchen Voraussetzungen ein Kind in die Obhut seiner leiblichen Mutter zurückgegeben werden kann, unterliegt nicht ausschließlich dem Willen der leiblichen Mutter, sondern hat sich an den Bedürfnissen des Kindes zu orientieren. Gemäß den vorliegenden entwicklungspsychologischen Erkenntnissen werden bereits bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres einzigartige Bindungsbeziehungen entwickelt. Eine gelebte sichere Eltern-Kind-Bindung gilt als wichtigster Schutzfaktor für die frühkindliche Entwicklung. Die Herausnahme eines Kindes aus einer Pflegefamilie kann für das Kind traumatische Folgen haben.

Des Weiteren ist in § 1744 BGB formuliert, dass eine Adoption in der Regel erst dann ausgesprochen werden soll, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege hatte. Bezüglich der Dauer der Adoptionspflegezeit ist entsprechend des Alters des Kindes zu differenzieren. Da ein gesunder Säugling sich schnell in eine Familie integriert, kann die Adoptionspflegezeit wesentlich geringer als bei älteren Kindern sein. Aus fachlicher Sicht könnte bei Säuglingen eine Adoptionspflegezeit zwischen einem viertel und einem halben Jahr als ausreichend bemessen angesehen werden. In der Beratung der betroffenen Frauen sollte immer auf das kindliche Zeitempfinden in Bezug auf Bindungen, welche ein Kind eingeht, abgestellt werden. Des Weiteren kann im Rahmen der Kindeswohlprüfung auch eine Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge in Betracht kommen.

14. Zu Artikel 7 Nummer 3 (§ 25 Absatz 4 SchKG)

In Artikel 7 Nummer 3 ist § 25 Absatz 4 wie folgt zu fassen:

(4) Die Beratung und Begleitung nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 3 und Nummer 5 und 6 soll in Kooperation mit der Adoptionsvermittlungsstelle des Jugendamtes am voraussichtlichen Geburtsort des Kindes erfolgen; die Beratung und Begleitung nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 hat durch die Adoptionsvermittlungsstelle des Jugendamtes am voraussichtlichen Geburtsort des Kindes zu erfolgen."

Begründung:

Neben der eigentlichen Vermittlungstätigkeit nach § 1 AdVermiG obliegt auch die umfassende psychosoziale Beratung und Begleitung der leiblichen Mutter den Adoptionsvermittlungsfachkräften. Diese haben die (werdende) Mutter auf der Grundlage des § 9 Absatz 1 AdVermiG umfassend über den Verlauf des Adoptionsverfahrens, die rechtlichen, sozialen und psychischen Aspekte einer Adoption sowie auch über alternative Hilfsangebote zu beraten.

15. Zu Artikel 7 Nummer 3 (§ 26 Absatz 6 Satz 1 SchKG)

In Artikel 7 Nummer 3 sind in § 26 Absatz 6 Satz 1 nach der Angabe "Absatz 4 Satz 1" die Wörter "und dem zuständigen Jugendamt" einzufügen.

Begründung:

Da das Jugendamt für die Inobhutnahme des Kindes zuständig ist, ist neben der Beratungsstelle auch das Jugendamt unverzüglich zu informieren. Ein zeitlicher Verzug, wenn die Einrichtung der Geburtshilfe ausschließlich die Beratungsstelle - und diese dann erst das Jugendamt informiert - ist aus Gründen der Sicherung des Wohls des Kindes nicht hinnehmbar.

16. Zu Artikel 7 Nummer 3 (§ 26 Absatz 6a - neu - SchKG) und Artikel 4 Nummer 1a - neu - (§ 57 Absatz 1 Nummer 5 PStV)

In Artikel 7 Nummer 3 ist in § 26 nach Absatz 6 folgender Absatz 6a einzufügen:

Folgeänderung:

In Artikel 4 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen:

Begründung:

Die Beratungsstelle unterrichtet das Jugendamt gemäß § 26 Absatz 5 SchKG über eine bevorstehende vertrauliche Geburt. Daran anknüpfend wird mit der vorgeschlagenen Ergänzung einer Mitteilungspflicht des Standesamtes an das Jugendamt sichergestellt, dass das Jugendamt Tag und Ort der Geburt sowie den beurkundeten Namen des Kindes erfährt.

Mit der Folgeänderung wird die sich aus § 26 Absatz 6a - neu - SchKG ergebende Mitteilungspflicht in den Katalog der in § 57 Absatz 1 PStV zusammengefassten Mitteilungen aufgenommen, die dem Standesamt obliegen, das eine Geburt beurkundet.

17. Zu Artikel 7 Nummer 3 (§ 34 SchKG)

Der Bundesrat begrüßt den Gesetzentwurf zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt grundsätzlich. Jedoch wird die in Artikel 7 Nummer 3 (§ 34 SchKG) geregelte Übernahme der den Einrichtungen der Geburtshilfe und den zur Leistung von Geburtshilfe berechtigten Personen entstehenden Kosten durch die Länder entschieden abgelehnt.

Im Hinblick auf die bundesweit geringe Fallzahl würde den Ländern dadurch ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand entstehen. Nach der Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) wird von deutschlandweit circa 100 Fällen pro Jahr ausgegangen. Legt man die Annahme des DJI zu Grunde, dass 50 von diesen 100 Frauen ihre Anonymität im Beratungsprozess aufgeben werden, werden damit circa 50 vertrauliche Geburten im Jahr anfallen. Bundesweit geben weitere 20 Frauen ihre Anonymität kurz nach der Geburt des Kindes auf.

Ein Aufbau entsprechender Verwaltungsstrukturen zur Abrechnung dieser - geschätzt - insgesamt 30 Fälle pro Jahr durch jedes der 16 Länder ist vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig und nicht zu rechtfertigen.

Aus verwaltungsökonomischen Gründen sollte daher die Kostenübernahme durch den Bund erfolgen. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben erscheint geeignet, auch diese Aufgabe zu vollziehen.

18. Zu Artikel 8 (Evaluierung)

Der Bundesrat begrüßt die Intention des Gesetzentwurfs zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt. Um den Erfolg des Gesetzes zu messen, ist eine Evaluierung vorgesehen, in die auch Informationen über die Nutzung von Babyklappen und den Verbleib der dort abgelegten Kinder aufgenommen werden sollen. Die Datenlage, die einer solchen Evaluation zugrunde zu legen ist, wird jedoch durch den nun vorliegenden Gesetzentwurf nicht gesichert. Der Bundesrat fordert daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen, dass alle Anbieter von Babyklappen einer Pflicht zur Anmeldung ihres Angebots sowie Berichtspflichten zur Anzahl und den Umständen der Abgabe der Kinder unterliegen, da andernfalls die beabsichtigte Evaluation nicht durchführbar ist.

B

Der Gesundheitsausschuss hat von einer Empfehlung an das Plenum abgesehen.