Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts

946. Sitzung des Bundesrates am 17. Juni 2013

A

Der federführende Ausschuss für Kulturfragen empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Artikel 1 (§ 6 Absatz 1 Satz 3 - neu -, Absatz 2 Nummer 2 BArchG)

In Artikel 1 ist § 6 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Adressat des Artikelgesetzes werden in erster Linie die öffentlichen Stellen des Bundes sein. Der Bundesrat gibt jedoch zu bedenken, dass sich einzelne Regelungen auch unmittelbar auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die Landes- oder Kommunalarchive auswirken. Beispielsweise können Aufzeichnungen, die bei einer öffentlichen Stelle eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft in Ausführung von Bundesrecht entstanden sind, einem bundesrechtlichen Löschungsgebot im Sinne des § 6 Absatz 2 Nummer 2 BArchG-E unterliegen.

Das Archivrecht beruht auf dem Prinzip der Trennung von Verwaltung und Archiv. Werden mit der Übergabe von Aufzeichnungen an das zuständige öffentliche Archiv auch personenbezogene Daten übermittelt, stellt die Übergabe ein Surrogat der Löschung dar. Die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) erkennt diese Konstruktion des deutschen Rechts in Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe d ausdrücklich an.

Mit der Übergabe an das zuständige öffentliche Archiv erfüllt die verantwortliche Stelle das Löschungsgebot. Bis zum Ablauf der Schutzfristen und in besonderen Fällen sogar über deren Ablauf hinaus werden die personenbezogenen Daten vor unbefugter Offenbarung und unbefugter Verknüpfung geschützt. Dabei richtet sich der Schutz auch gegen einen Rückgriff durch die bisher verantwortliche Stelle.

Sinn und Zweck der durch die Archivgesetze des Bundes und der Länder begründeten Pflicht zur Anbietung und Übergabe ist es, den öffentlichen Archiven zu ermöglichen, durch Auswahl eine alle Lebenslagen erfassende archivische Überlieferung zu bilden. Ein genereller Vorrang bereichsspezifischer Löschungsgebote vor der Pflicht zur Anbietung und Übergabe ist deshalb mit dem Sinn und Zweck der Archivgesetze nicht vereinbar. Vielmehr sollte einem bereichsspezifischen Löschungsgebot nur dann der Vorrang zuerkannt werden, wenn er in derselben Norm ausdrücklich vorgesehen ist.

Die landesrechtliche Pflicht staatlicher und kommunaler Stellen, bei der Ausführung von Bundesrecht entstandene Aufzeichnungen dem zuständigen staatlichen oder kommunalen Archiv zur Übernahme als Archivgut anzubieten, würde durch § 6 Absatz 2 Nummer 2 BArchG-E zwar nicht unmittelbar eingeschränkt, die Durchsetzung einer landesrechtlichen Pflicht zur Anbietung gegen eine bundesrechtliche Pflicht zur Löschung würde sich jedoch vor dem Hintergrund dieser Norm als sehr schwierig erweisen. Obwohl es sich um Aufzeichnungen öffentlicher Stellen der Länder oder der kommunalen Gebietskörperschaften handelt, würde ein genereller Vorrang bereichsspezifischer Löschungsgebote den zuständigen Landes- oder Kommunalarchiven die Befugnis entziehen, über den bleibenden Wert solcher Aufzeichnungen zu entscheiden. In der auf der Kulturhoheit der Länder beruhenden Befugnis, aus den Aufzeichnungen staatlicher und kommunaler Stellen durch Auswahl bleibend wertvolles administratives Wissen zu erzeugen, würden Länder und kommunale Gebietskörperschaften nicht unerheblich eingeschränkt. Eine solche Einschränkung wäre nur dann vertretbar, wenn der Gesetzgeber oder der Verordnungsgeber auf Bundesebene den Vorrang eines bereichsspezifischen Löschungsgebots gegenüber der sich aus dem jeweiligen Archivgesetz ergebenden Pflicht zur Anbietung nach einer sorgfältigen Abwägung ausdrücklich in die das Löschungsgebot enthaltende Norm aufnimmt.

B

Der Rechtsausschuss und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.