Beschluss des Bundesrates
Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Der Bundesrat stellt fest, dass das Gesetz gemäß Artikel 104a Absatz 4 des Grundgesetzes seiner Zustimmung bedarf.

Begründung:

Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Eine solche ist jedoch in der Eingangsformel nicht vorgesehen.

Die Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich aus Artikel 104a Absatz 4 GG. Das Gesetz begründet in Artikel 2 Nummer 1 (§ 55 Absatz 2 Satz 4 SGB VIII-neu) eine Pflicht der Länder zur Erbringung einer "vergleichbaren Dienstleistung gegenüber Dritten" gemäß Artikel 104a Absatz 4 GG, indem den Jugendämtern ein Vormundschafts-/Pflegschaftsschlüssel von maximal 50 Mündeln je vollzeitbeschäftigtem Beamten oder Angestellten vorgegeben wird.

Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zu der im Rahmen der Föderalismusreform eingefügten Regelung des Artikels 104a Absatz 4 GG ergibt, wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber in weitem Umfang für die Länder kostenauslösende Bundesgesetze der Zustimmungspflicht unterwerfen. Nach Artikel 104a Absatz 4 GG bedürfen solche Bundesgesetze der Zustimmung des Bundesrates, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, wenn daraus entstehende Kosten von den Ländern zu tragen sind.

Hier kommt die dritte Alternative, die "Begründung der Erbringung von vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten" in Betracht.

Eine Vergleichbarkeit einer Dienstleistung mit Geld- oder geldwerten Sachleistungen ist dann gegeben, wenn sie unter vergleichbar engen Voraussetzungen wie dies bei Geld- und Sachleistungen der Fall ist, einem Dritten Vorteile gewährt oder sonstige Maßnahmen gegenüber Dritten veranlasst, die zu einer erheblichen Kostenbelastung der Länder führen (vgl. Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, Einzelbegründung zu Artikel 104a Absatz 4 GG, BT-Drs. 16/813, S. 18). Zählt daher in diesem weiten Verständnis beispielsweise auch die Bereitstellung von Tagesbetreuungsplätzen (als ein Bündel staatlicher Sach- und Dienstleistungen) zum Anwendungsbereich des Artikels 104a Absatz 4 GG, muss Gleiches auch für die Vormundschaft und Pflegschaft als - staatlich angeordneter - Dienstleistung für die Familien gelten.

Soweit Artikel 104a Absatz 4 GG eine "Begründung" der Leistungspflicht voraussetzt, entspricht es dem Sinn und Zweck der Regelung, auch eine wesentliche Ausweitung von Leistungsstandards hierunter zu fassen. Die Bundesregierung führt in der Entwurfsbegründung aus, dass es zu einem Mehrbedarf bei den Kommunen für zusätzliches Personal in der Amtsvormundschaft kommen könne, der bis zu doppelt so hoch wie gegenwärtig sei. Legt man hingegen die in der Entwurfsbegründung ebenfalls genannte Zahl von bis zu 200 Vormundschaften je Amtsvormund zugrunde, ergibt sich tatsächlich ein bis zu vierfacher Personalbedarf gegenüber dem gegenwärtigen Zustand. Ein Verständnis dahingehend, dass sich die Zustimmungsbedürftigkeit nur auf die erstmalige Begründung bezieht, widerspricht dem Normzweck des Artikels 104a Absatz 4 GG, die Länder bei kostenauslösenden Bundesgesetzen in Form eines Zustimmungserfordernisses zu beteiligen. Denn der Bund hätte es ansonsten in der Hand, jedwede Ausweitung bestehender Leistungsgesetze einer solchen Mitwirkung der Länder zu entziehen. Der Bund kann sich deshalb nicht darauf berufen, es werde keine Leistungspflicht begründet, weil es Amtsvormundschaften gegenwärtig bereits gibt.

Der Bundesrat hat in seiner 883. Sitzung am 27. Mai 2011 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 14. April 2011 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 104a Absatz 4 des Grundgesetzes zuzustimmen.

Ferner hat der Bundesrat folgende Entschließung gefasst:

Der Bundesrat äußert erneut seine Erwartung, dass der Bund die infolge des Gesetzes zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts den Kommunen entstehenden finanziellen Mehrbelastungen ausgleicht.