Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger Europas - Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms KOM (2010) 171 endg.; Ratsdok. 8895/10

Der Bundesrat wurde über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG am 23. April 2010 durch die Bundesregierung unterrichtet.


Hinweis: vgl.
Drucksache 616/09 (PDF) = AE-Nr. 090467


Europäische Kommission
Brüssel, den 20.4.2010
KOM (2010) 171 endgültig

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger Europas Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms

1. Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger der Union

Der europäische Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und die Strategie Europa 2020 sind als Antwort der EU auf die langfristigen globalen Herausforderungen zu verstehen und gleichzeitig als Beitrag zur Stärkung und Weiterentwicklung des europäischen Modells der sozialen Marktwirtschaft für das 21. Jahrhundert.

In einer Zeit des Wandels, da sich die Welt aus der Wirtschafts- und Finanzkrise zu befreien beginnt ist die Europäische Union mehr denn je gefordert, ihre Werte zu schützen und zu verbreiten und für ihre Interessen einzutreten. Die Achtung des Menschen und der Menschenwürde und die Wahrung von Freiheit, Gleichheit und Solidarität sind in dieser Zeit fortlaufenden gesellschaftlichen und technologischen Wandels unverrückbare europäische Werte. Diese Werte müssen deshalb im Mittelpunkt unserer Anstrengungen stehen.

Das Stockholmer Programm, das der Europäische Rat im Dezember 2009 gebilligt hat1, setzt die Prioritäten für die Weiterentwicklung des europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in den nächsten fünf Jahren. Es lässt erkennen, welche Debatten in den letzten Jahren mit dem Europäischen Parlament, dem Rat, den Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten geführt wurden. Den eigentlichen Kern aber machen die ambitionierten Vorhaben aus die die Kommission in ihrer Mitteilung vom Juni 20092, die zur Annahme des Stockholmer Programms führte, skizziert hatte.

In den nächsten Jahren wird die Union in diesem Bereich energisch darauf hinarbeiten, "das Europa der Menschen voranzubringen", damit die Bürger ihre Rechte ausüben und in vollem Umfang an der europäischen Integration teilhaben können.

Die Politik im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht wirkt sich unmittelbar auf den Alltag der Bürger aus, so dass die Erwartungen hier besonders groß sind. Die Frauen und Männer in Europa erwarten zu Recht, dass sie in einer friedlichen und prosperierenden Union leben und darauf vertrauen können, dass ihre Rechte voll und ganz geachtet werden und ihre Sicherheit gewährleistet ist.

Der europäische Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts muss ein Raum sein, in dem die Grundrechte aller Menschen, Drittstaatsangehörige eingeschlossen, so wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind, auch wirklich geachtet werden.

Ziel des Aktionsplans ist es, diese Prioritäten auf europäischer und globaler Ebene in die Tat umzusetzen und sicherzustellen, dass den Bürgern die Fortschritte im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht zugute kommen. Der Aktionsplan ermöglicht uns außerdem eine längerfristige Perspektive und den Blick darauf, wie die Union entschlossen und angemessen auf die Herausforderungen, die sich Europa und der ganzen Welt stellen, reagieren wird.

Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon kann sich die Union nunmehr mit größerem Ehrgeiz den alltäglichen Anliegen und Erwartungen der Unionsbürger zuwenden.

Mit der Aufwertung der Rolle des Europäischen Parlaments, das ab jetzt in den meisten Bereichen Mitgesetzgeber ist, und der engeren Einbeziehung der nationalen Parlamente unterliegt die EU in Bezug auf ihr Handeln im Interesse der Bürger künftig einer größeren Rechenschaftspflicht, wodurch auch die demokratische Legitimität der Union gestärkt wird.

Die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit, die künftig für die meisten Politikbereiche gilt, wird die Beschlussfassung im Rat erleichtern. Nicht zuletzt wird auch die gerichtliche Kontrolle verbessert, da dem Europäischen Gerichtshof jetzt die gerichtliche Nachprüfung aller Aspekte des Bereichs Freiheit, Sicherheit und Recht obliegt und die Grundrechte-Charta der EU rechtsverbindlich wird. Der Vertrag gibt der Union als neue Ziele die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und Diskriminierung vor und bekräftigt das Ziel der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern.

Die Union muss sich deshalb mit Entschlossenheit der Erwartungen und Sorgen ihrer Bürger annehmen. Sie muss sich Bestrebungen widersetzen, wonach Sicherheit, Justiz und Grundrechte getrennt behandelt werden sollten. In einem schlüssigen Konzept zur Bewältigung heutiger und kommender Herausforderungen hängen diese Aspekte jedoch eng miteinander zusammen.

2. Schutz der Grundrechte

Der Schutz der in der Grundrechte-Charta verankerten Rechte muss uneingeschränkt gelten, und die Rechte müssen effektiv und konkret wirken. Die Grundrechte-Charta muss zur Richtschnur unseres Handelns werden. Verstöße gegen die Charta wird die Kommission unter keinen Umständen dulden. Die Kommission wird ihre Verfahren stärken, um die Achtung der Charta zu gewährleisten, und dem Europäischen Parlament und dem Rat darüber Bericht erstatten. In einer globalen Gesellschaft, die durch raschen technologischen Wandel mit grenzenlosem Informationsaustausch geprägt ist, kommt der Sicherung der Privatsphäre größte Bedeutung zu. Die Union muss deshalb für eine konsequente Anwendung des Grundrechts auf Datenschutz sorgen. Wir müssen die Position der EU bezüglich des Schutzes personenbezogener Daten bei allen EU-Maßnahmen, einschließlich jener in den Bereichen Strafverfolgung und Kriminalprävention, sowie in unseren internationalen Beziehungen stärken.

Es sollen alle verfügbaren Instrumente eingesetzt werden, um auf europäischer Ebene entschlossen Gewalt gegen Frauen und Kinder, einschließlich häuslicher Gewalt und weiblicher Genitalverstümmelung, zu bekämpfen, energisch für den Schutz von Kinderrechten einzutreten und gegen alle Formen von Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie anzugehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei Personen, die aufgrund ihrer Lage schutzbedürftig sind.

Es muss untersucht werden, worin sich die Garantien für Opfer von Kriminalität und Terrorismus in den 27 Mitgliedstaaten unterscheiden, um die Unterschiede abzubauen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ein höheres Schutzniveau anzustreben. Das Unionsrecht muss in Bezug auf die Fairness der Verfahren einen hohen Standard für die Rechte der Beschuldigten gewährleisten. Auch mit den Bedingungen in den Gewahrsamseinrichtungen und Haftanstalten sollte sich die EU auseinandersetzen.

3. Mitspracherechte für die europäischen Bürger

Die Unionsbürgerschaft muss von einem in den Europäischen Verträgen verankerten Konzept zu einer konkreten Realität im Alltag der Bürger werden, so dass die Bürger erkennen können was ihnen die Unionsbürgerschaft neben ihrer Staatsangehörigkeit an zusätzlichem Nutzen bringt. Die Bürger müssen von ihren Rechten, die sich aus der europäischen Integration ergeben, profitieren können.

Die erleichterte Mobilität der Bürger ist für Europa von zentraler Bedeutung. Die Freizügigkeit zählt zu den wesentlichen Rechten der EU-Bürger und ihrer Familienangehörigen. Dieses Recht muss mit aller Kraft gestärkt werden. Um die Mobilität zu fördern müssen die Grenzen beseitigt werden, vor denen Bürger stehen, die ihre Rechte ausüben und in einem anderen Mitgliedstaat studieren, arbeiten, ein Unternehmen oder eine Familie gründen oder sich zur Ruhe setzen wollen. Die Bürger müssen überall auf der Welt Schutz genießen. Jedem EU-Bürger, der sich in einem Land aufhält, in dem sein Mitgliedstaat nicht vertreten ist, sollte von Botschaften oder Konsulaten eines anderen Mitgliedstaats zu denselben Bedingungen wie deren eigene Staatsangehörige konsularische Unterstützung erhalten.

Um den Bürgern Europa näher zu bringen, ist es unerlässlich, ihre Teilhabe am demokratischen Leben der Union zu erleichtern und zu fördern. Dass sie sich stärker an den Europawahlen beteiligen, ist unser gemeinsames Bestreben. Das aktive und passive Wahlrecht der Bürger bei Kommunal- und Europawahlen in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat muss weiter gefördert und gestärkt werden. Die neue Bürgerinitiative stärkt nachdrücklich die Rechte der Unionsbürger und die demokratische Legitimität der Union.

4. Stärkung des Vertrauens in den europäischen Rechtsraum

Der europäische Rechtsraum und das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts beruhen auf dem zentralen Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Voraussetzung hierfür ist

Vertrauen: Vertrauen unter Rechtsanwendern ebenso wie unter Unternehmen und Bürgern.

Dafür bedarf es Mindeststandards und eines größeren Verständnisses der unterschiedlichen Rechtstraditionen und -methoden.

Nur Rechte einzuführen, reicht nicht. Realität werden Rechte und Pflichten erst dann, wenn sich deren Inhaber ohne Weiteres auf sie berufen können. Der Einzelne muss in die Lage versetzt werden, seine Rechte überall in der Union geltend zu machen.

Ein funktionierender europäischer Rechtsraum ist für alle Maßnahmen der Union vorteilhaft, denn er unterstützt ihre Entwicklung und trägt zu ihrer erfolgreichen Umsetzung bei. Vor allem aber sollte er Bürgern und Unternehmen zugute kommen, die Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt fördern und ein hohes Maß an Verbraucherschutz gewährleisten. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verfügt die Union nunmehr über die Instrumente, die sie braucht, um Bürgern wie Unternehmen den Alltag zu erleichtern und die Bedürfnisse der Bürger und die Anforderungen des Binnenmarkts mit den vielfältigen Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen.

Das Unionsrecht kann die Mobilität erleichtern und den Bürgern helfen, ihr Recht auf Freizügigkeit auszuüben. Im Fall von Ehepaaren mit internationalem Hintergrund kann es bei einer Scheidung oder Trennung unnötige Belastungen verringern und die derzeitige Rechtsunsicherheit für Kinder und Eltern in Situationen mit Auslandsbezug beseitigen.

Außerdem kann das Unionsrecht dazu beitragen, Hindernisse bei der Anerkennung von Rechtshandlungen auszuräumen, und die gegenseitige Anerkennung von Personenstandsurkunden bewirken. Haben Bürger bei einer Fahrt mit ihrem Kraftfahrzeug in einen anderen Mitgliedstaat einen Unfall, müssen sie Rechtssicherheit bezüglich der Ausschluss- und Verjährungsfristen ihrer Versicherungsansprüche haben.

Das Unionsrecht kann konkret und wesentlich zur Umsetzung der Strategie Europa 2020 beitragen und den von der Finanzkrise verursachten Schaden mindern helfen. Wo immer dies zur Stärkung des Binnenmarkts erforderlich und angemessen ist, werden neue EU-Regelungen vorgeschlagen um den Unternehmen durch die Reduzierung des Verwaltungsaufwands und niedrigere Transaktionskosten zu helfen.

Der Bürokratieabbau ist auf jeden Fall eine Priorität, und das schwerfällige kostspielige Exequaturverfahren, das für die Anerkennung und Vollstreckung eines im Ausland ergangenen Urteils erforderlich ist, sollte baldmöglichst der Vergangenheit angehören, ohne jedoch bei den notwendigen Schutzmaßnahmen Abstriche zu machen. Wenn gewährleistet ist, dass Schulden im Ausland genauso problemlos wie im Inland beigetrieben werden können, stärkt dies das Vertrauen unserer Unternehmen in den Binnenmarkt. Auch effiziente Insolvenzverfahren können zur Bewältigung der Wirtschaftskrise beitragen.

Grenzübergreifende Transaktionen können mithilfe eines kohärenteren europäischen Vertragsrechts erleichtert werden. Die Unternehmen nutzen das verkaufsfördernde Potenzial des Internets nicht in ausreichendem Maße: Das Unionsrecht kann hier nützlich sein und den Unternehmen mehr Rechtssicherheit bieten, gleichzeitig aber auch ein Höchstmaß an Verbraucherschutz gewährleisten. Die Verbraucher müssen über ihre Rechte Bescheid wissen und sie in grenzübergreifenden Fällen einfordern können. Nicht zuletzt kann eine intensivere Nutzung alternativer Streitbeilegungsverfahren zur geordneten Rechtspflege beitragen.

Das Strafrecht ist ein verhältnismäßig neuer Tätigkeitsbereich der EU, für den der Vertrag von Lissabon einen klaren Rechtsrahmen vorgibt. Die Bemühungen der EU zur Annäherung des materiellen Strafrechts und des Strafprozessrechts sollten auf eine Strategie gestützt sein, die die Grundsätze der Subsidiarität und Kohärenz voll achtet. Diese Strategie sollte in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, den nationalen Parlamenten und dem Rat verfolgt werden; dabei wäre zu berücksichtigen, dass die gegenseitige Anerkennung auch künftig den Schwerpunkt bildet und die Harmonisierung von Straftatbeständen und Strafen in ausgewählten Fällen vorangetrieben wird.

Die geordnete Rechtspflege darf nicht dadurch gefährdet werden, dass zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten ungerechtfertigte Unterschiede bestehen: So sollten Straftäter nicht die Möglichkeit haben, sich der Verfolgung und Haft dadurch zu entziehen, dass sie sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben und die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtssystemen ausnutzen. Wir brauchen eine tragfähige europäische Verfahrensgrundlage. Ein neues und umfassendes System für die Beweiserhebung in grenzübergreifenden Strafsachen sowie ein besserer Informationsaustausch zwischen den einzelstaatlichen Behörden über begangene Straftaten sind wichtige Instrumente zur Entwicklung eines funktionierenden Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Die Kommission wird die Arbeiten an einer europäischen Staatsanwaltschaft auf der Grundlage von Eurojust vorantreiben. Die europäische Staatsanwaltschaft soll mit der Ermittlung, Strafverfolgung und Anklageerhebung bei Straftaten gegen die finanziellen Interessen der EU betraut werden. In diesem Zusammenhang wird die Kommission weitere Überlegungen über die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, einschließlich des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) anstellen.

5. Gewährleistung der Sicherheit Europas

Europa ist in zunehmendem Maße mit einer Kriminalität konfrontiert, die nicht an Landesgrenzen haltmacht. Wir haben die Pflicht, eng mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament, wichtigen Drittstaaten sowie gegebenenfalls mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten und alles zu tun, damit die Unionsbürger in Sicherheit leben können.

Der Vertrag von Lissabon gibt der Union Instrumente an die Hand, mit denen sich Terrorismus und organisierte Kriminalität wirkungsvoller bekämpfen lassen.

Geplant ist eine Strategie der inneren Sicherheit auf der Grundlage der uneingeschränkten Achtung der Grundrechte und der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, die mit Umsicht und der festen Entschlossenheit, sich den zunehmenden grenzüberschreitenden Herausforderungen zu stellen, umgesetzt werden soll. Die Strategie umfasst ein koordiniertes Konzept für polizeiliche Zusammenarbeit, Grenzmanagement, die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und Zivilschutz. Wir müssen uns für sämtliche Sicherheitsbedrohungen, von Terrorismus und organisierter Kriminalität bis hin zu vom Menschen verursachten Katastrophen und Naturkatastrophen, wappnen. Um auf diese Bedrohungen effizient reagieren zu können, bedarf es angesichts der zunehmenden Nutzung neuer Technologien ergänzender Maßnahmen, die die Sicherheitsvorsorge und die Ausfallsicherheit der europäischen Netze und IKT-Infrastruktur gewährleisten.

Diese Strategie kann nur Erfolg haben, wenn sie auf bereits vorhandene Erfahrungen und Erkenntnisse zurückgreift. Es ist an der Zeit, unser Vorgehen in der Vergangenheit, bei dem die Union auf unerwartete und tragische Ereignisse häufig nur von Fall zu Fall reagieren konnte zu bewerten und die neuen institutionellen Strukturen, die der Lissabon-Vertrag bietet für ein kohärentes, multidisziplinäres Vorgehen zu nutzen.

Die Erarbeitung einer Stratege für den Informationsaustausch setzt voraus, dass wir uns einen Überblick verschaffen über die vorhandenen Systeme, mit denen Daten erhoben, verarbeitet und verbreitet werden. Diese Systeme müssen gründlich auf ihre Zweckmäßigkeit, Effizienz und Wirkung sowie ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Zu untersuchen ist außerdem, ob bei ihnen die Achtung des Rechts auf Privatsphäre gewährleistet ist. Diese Strategie soll auch als Grundlage für eine kohärente Entwicklung bzw. Weiterentwicklung aller bestehenden und künftigen Informationssysteme dienen.

Wir müssen prioritär eine Bilanz der in den letzten Jahren eingeführten Antiterrormaßnahmen ziehen und diese auf Verbesserungsmöglichkeiten prüfen, damit sie den Schutz unserer Bürger sichern helfen und dem Handeln der Mitgliedstaaten einen Mehrwert verleihen. Der neue institutionelle Rahmen bietet der Union bisher ungeahnte Möglichkeiten für eine bessere Verknüpfung ihrer verschiedenen Instrumente zur Terrorismusbekämpfung.

Bei den künftigen Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität muss der neue institutionelle Rahmen so weit irgend möglich genutzt werden. Menschenhandel, Kinderpornografie, Cyberkriminalität, Finanzkriminalität, Fälschung von Zahlungsmitteln und Drogenschmuggel müssen umfassend angegangen werden. Eine wirksamere Strafverfolgung und Verurteilung sind ebenso wichtig wie die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Opfer solcher Straftaten; wir müssen uns mehr um potenzielle Opfer kümmern. Eine erste konkrete Antwort wäre die Bündelung der Strafverfolgungskapazitäten der Mitgliedstaaten für bestimmte Drogen und Routen.

Außerdem müssen wir alle Hindernisse aus dem Weg räumen, die einer wirkungsvollen Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Strafverfolgungsbehörden entgegenstehen. EU-Agenturen und -Einrichtungen wie der Außengrenzagentur Frontex, Europol, Eurojust und dem OLAF kommt eine außerordentlich wichtige Rolle zu. Sie müssen besser zusammenarbeiten und die notwendigen Befugnisse und Mittel erhalten, damit sie ihre Ziele innerhalb des ihnen zugewiesenen Aufgabenbereichs erreichen.

Die Union wird den Zugang zu ihrem Gebiet in einem erweiterten Schengen-Raum mithilfe eines integrierten Konzepts kontrollieren, um die Mobilität weiter zu erleichtern und ein hohes Maß an innerer Sicherheit zu gewährleisten. Die Visaliberalisierung wird insbesondere mit Nachbarländern vorangetrieben, um den Bürgern auf der Basis klarer Bedingungen direkte persönliche Kontakte zu erleichtern.

Auch die intelligente Nutzung moderner Technologien beim Grenzmanagement, die die bestehenden Instrumente als Teil eines Risikomanagementverfahrens ergänzen sollen, kann Bonafide-Reisenden den Zugang zu Europa erleichtern und zudem die Innovation in verschiedenen Industriezweigen der EU-Länder anregen. Dies wäre ein Beitrag zu Europas Wohlstand und Wachstum und würde den Unionsbürgern ein Gefühl der Sicherheit geben.

Die Inbetriebnahme der Systeme SIS II und VIS wird weiterhin hohe Priorität haben.

Zum Schutz der Bürger vor den Risiken des internationalen Handels mit nachgeahmten, verbotenen und gefährlichen Gütern bedarf es ebenfalls eines koordinierten Vorgehens, das sich auf eine starke Zollverwaltung stützt. Der Schutz vor schädlichen und gefährlichen Gütern muss auf der Grundlage eines Risikomanagements einschließlich Kontrollen von Gütern, Lieferketten und jeder Art von Warenströmen wirkungsvoll und strukturiert gewährleistet werden.

Die Aufgaben, die die EU im Bereich Katastrophenverhütung, Vorsorge und Reaktion wahrnimmt gehören ebenfalls zu unseren Anstrengungen, die wir zum Schutz der Bürger unternehmen. Die unmittelbare Priorität wird es sein, das Krisenmanagement eingehend zu prüfen und die notwendigen Maßnahmen auf EU-Ebene festzulegen. Wir werden das EU-Katastrophenschutzverfahren stärken um die Verfügbarkeit, Interoperabilität und Koordinierung der Hilfe der Mitgliedstaaten zu verbessern. Auch die Prävention muss gestärkt werden. Die Union wird sich dabei auf die Solidaritätsklausel stützen.

6. Solidarität und Verantwortung als Richtschnur unseres Handelns

Aus Respekt für die von uns vertretenen Werte der Menschenwürde und Solidarität müssen wir entschlossen für die Grundrechte von Migranten eintreten, damit sie uneingeschränkt ihren Beitrag zur europäischen Wirtschaft und Gesellschaft leisten können. Eine Lösung der Einwanderungsfrage könnte beträchtlich dazu beitragen, mit den demografischen Herausforderungen, vor denen die Union steht, fertig zu werden und längerfristig die Wirtschaftsleistung der EU zu sichern. Einwanderung hat das Potenzial, als zusätzliche Quelle dynamischen Wachstums einen Beitrag zur Strategie Europa 2020 zu leisten.

In den nächsten Jahren wird es unsere Aufgabe sein, eine echte gemeinsame Einwanderungs- und Asylpolitik festzulegen und zu betreiben. Die derzeitige Wirtschaftskrise darf uns nicht daran hindern, dieses Ziel engagiert und entschlossen zu verfolgen. Im Gegenteil bedarf es solcher Maßnahmen heute mehr denn je. Sie müssen eingebettet sein in eine langfristige Vision der Achtung der Grundrechte und der Menschenwürde und auf die Stärkung der Solidarität gerichtet sein, insbesondere unter den Mitgliedstaaten, die gemeinsam die mit einem humanen, leistungsfähigen System verbundenen Belastungen schultern müssen. Nach der Konsolidierung dieser Maßnahmen müssen wir untersuchen, wie weit wir unsere ehrgeizigen Ziele schon erreicht haben. Weitere Maßnahmen werden sodann nach Bedarf vorgeschlagen.

Die Union wird eine echte gemeinsame Migrationspolitik mit neuen, flexiblen Rahmenbedingungen für die Aufnahme legaler Migranten entwickeln. Damit kann sich die Union auf die zunehmende Mobilität einstellen und dem Bedarf der nationalen Arbeitsmärkte anpassen ohne in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten einzugreifen.

Ziel der EU muss ein einheitlicher Sockel an Rechten und Pflichten für legale Migranten sein, der denen europäischer Bürger vergleichbar ist. Diese in einem Einwanderungskodex festgeschriebenen Rechte sowie gemeinsame, effiziente Regeln für Familienzusammenführungen sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die positiven Auswirkungen der legalen Einwanderung zum Nutzen aller Beteiligten und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU gesteigert werden. Die Integration der Migranten bleibt eine wichtige Aufgabe; dabei gilt es, ihre Rechte zu wahren, ihnen aber auch ihre Verantwortung für die eigene Integration in die Gesellschaft, in der sie leben, bewusst zu machen.

Die Verhütung und Verringerung der irregulären Migration im Einklang mit der Grundrechte-Charta ist für die Glaubwürdigkeit und den Erfolg der EU-Politik in diesem Bereich gleichermaßen bedeutsam. Besonderes Augenmerk gilt der Situation unbegleiteter Kinder.

Unsere Antwort auf diese globale Herausforderung erfordert eine echte Partnerschaft mit Herkunfts- und Transit-Drittstaaten und die Einbeziehung aller migrationspolitischen Fragen in einen umfassenden politischen Rahmen. Der Gesamtansatz zur Migrationsfrage wird also weiterhin verfolgt und umgesetzt.

Wir müssen unserer Verpflichtung zur Achtung des Grundrechts auf Asyl, einschließlich des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, gerecht werden. Mit der Einrichtung des gemeinsamen europäischen Asylsystems und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen sollen ein einheitlicher Status, hohe gemeinsame Standards für den Schutz in der EU, ein gemeinsames Asylverfahren und als langfristiges Ziel die gegenseitige Anerkennung gewährleistet werden. Die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und die Solidarität mit Menschen, die weltweit der Verfolgung ausgesetzt sind, wird den Kern unserer Asyl- und Neuansiedlungspolitik ausmachen.

7. Beitrag zu einem globalen Europa

Die vorstehend skizzierten politischen Ziele sind ohne ein wirkliches Engagement unserer Partner in Drittländern und internationalen Organisationen nicht zu erreichen. Eine starke externe Dimension, die mit dem allgemeinen außenpolitischen Handeln der Union abgestimmt ist, wird uns helfen, zeitig Herausforderungen zu erkennen und unsere Ziele zu erreichen die die Werbung für unsere Werte und die Erfüllung unserer internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte einschließen.

Interne und externe Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht sind untrennbar miteinander verknüpft. Ergebnisse sind nur zu erzielen, wenn zwischen den internen und externen Maßnahmen Kontinuität und Kohärenz gewahrt ist und die Union und die Mitgliedstaaten in Abstimmung miteinander und komplementär handeln.

Der Vertrag von Lissabon eröffnet der Europäischen Union neue Möglichkeiten für ein effizienteres außenpolitisches Handeln. Der Kommission kommt diesem Vertrag zufolge eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der externen Dimension des Bereichs Justiz und Inneres zu.

Die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission und die Kommission werden auf der Grundlage des Lissabon-Vertrags auf die Kohärenz zwischen den Außenbeziehungen und anderen Aspekten des auswärtigen Handelns der EU achten, und zwar auch bei der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst.

8. Von politischen Prioritäten zu Maßnahmen und Ergebnissen

Fortschritte im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht sind nur zu erreichen, wenn die politischen Prioritäten erfolgreich umgesetzt werden. Um für die vom Vertrag von Lissabon vorgegebenen ehrgeizigen Ziele gerüstet zu sein, hat die Kommission erstmals zwei Mitgliedern des Kollegiums Zuständigkeiten im Bereich Justiz und Inneres zugewiesen, wobei ein Mitglied gleichzeitig Vizepräsidentin der Kommission ist.

Mithilfe der Charta der Grundrechte, die unsere Richtschnur bildet, arbeiten wir auf fünf Ziele hin: bessere Abstimmung mit den übrigen Maßnahmen der Union, Verbesserung der Qualität der Rechtsvorschriften, wirkungsvollere Rechtsanwendung auf nationaler Ebene, bessere Nutzung der Bewertungsinstrumente und Abstützung unserer politischen Prioritäten innerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens mit angemessenen Finanzmitteln.

Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg ist gegenseitiges Vertrauen. Hierzu bedarf es gemeinsamer Mindeststandards (z.B. für Verfahrensrechte) und einer Vermittlung der unterschiedlichen Rechtstraditionen und Verfahrensweisen. Eine gemeinsame europäische Rechtskultur, die durch Fortbildungs- und Austauschmaßnahmen nach dem Vorbild des Erasmusprogramms aktiv unterstützt wird, sowie ein Europäisches Rechtsinstitut, das auf vorhandenen Strukturen und Netzwerken aufbaut, können hier einen wertvollen Beitrag leisten.

Rechtsinstrumente zur Verfügung zu stellen, reicht oft nicht aus. Zielvorstellungen sollten in einem breiten Kreis diskutiert werden. Anschließend müssen die Ergebnisse ausführlich erläutert werden. Oft ist keineswegs klar, ob die europäischen Bürger sich ihrer Rechte und Verantwortlichkeiten wirklich bewusst sind. Deshalb sind sie auch nicht in der Lage, sie auszuüben. Eine bessere Kommunikation hilft den Bürgern, von den auf EU-Ebene erzielten Fortschritten zu profitieren und die Kluft zwischen der tatsächlich erreichten europäischen Integration und der Wahrnehmung, die die Bürger davon haben, zu überwinden.

Die Tabelle im Anhang dient als Orientierung für die Maßnahmen der Union im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht in den nächsten fünf Jahren. Es gilt, alle vom Europäischen Rat im Stockholmer Programm niedergelegten politischen Ziele umzusetzen, die Prioritäten des Europäischen Parlaments in diesen Bereichen aufzugreifen und auf die vor uns liegenden Herausforderungen zu reagieren. Der Aktionsplan enthält konkrete Maßnahmen mit einem genauen Zeitplan für ihre Annahme und Umsetzung. Nach Auffassung der Kommission bedingen sich diese Maßnahmen gegenseitig; sie sind unerlässlich und entsprechen den Ambitionen, die sich die Europäische Union zu eigen machen muss.

Initiativen zur Realisierung unserer gemeinsamen politischen Prioritäten sollten mit dem Ziel entwickelt und umgesetzt werden, einem möglichst hohen Anspruch gerecht zu werden, wie es die Bürger von uns erwarten. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass den Bürgern die auf europäischer Ebene erzielten Fortschritte in vollem Umfang zugute kommen. Die erfolgreiche Umsetzung dieses Aktionsplans hängt von dem politischen Engagement aller Beteiligten ab: der Kommission als Impulsgeber, dem Europäischen Parlament und dem Rat bei der Beratung über Vorschläge und deren Inkraftsetzung und den nationalen Parlamenten, die über die Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu wachen haben. Die Mitgliedstaaten müssen das Unionsrecht umsetzen und uneingeschränkt anwenden, die Kommission muss dies kontrollieren und die Gerichte der Union und die nationalen Gerichte müssen für die ordnungsgemäße Anwendung des Unionsrechts sorgen - alle mit dem gleichen hohen Maß an Engagement. Motor und wesentlicher Akteur ist aber nicht zuletzt der aufgeklärte Bürger, dem diese Maßnahmen gelten.

Dieser Aktionsplan ist nicht in Stein gemeißelt. Die Union muss in der Lage sein, auf unerwartete Ereignisse zu reagieren, schnell Gelegenheiten zu nutzen, künftige Entwicklungen vorherzusehen und sich darauf einzustellen. Deshalb wird die Kommission bei Bedarf von ihrem Initiativrecht Gebrauch machen. Außerdem wird die Kommission 2012 eine Halbzeitbilanz vorlegen, um sicherzustellen, dass die Umsetzung des Stockholmer Programms mit den Entwicklungen in Europa und in der Welt Schritt hält.

Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, diesen Aktionsplan zur Realisierung des Stockholmer Programms zu billigen und sich aktiv an seiner Umsetzung zu beteiligen.

Anhang
Schutz der Grundrechte

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