Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung

A. Problem und Ziel

Menschen, die blind sind oder eine Seh- oder Lesebehinderung haben, benötigen einen barrierefreien Zugang zu Literatur und anderen Sprachwerken, um am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzuhaben. Sind diese Werke urheberrechtlich geschützt, so bedarf die Umwandlung in ein barrierefreies Format, z.B. die Vervielfältigung in Brailleschrift oder die Umwandlung in ein Hörbuch, entweder einer Zustimmung des Rechtsinhabers oder einer gesetzlichen Erlaubnis.

Der Vertrag von Marrakesch aus dem Jahr 2013 regelt auf internationaler Ebene, unter welchen Voraussetzungen blinde und seh- oder anderweitig lesebehinderte Menschen einen gesetzlich erlaubten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken erhalten. Der Vertrag erlaubt darüber hinaus insbesondere Blindenbibliotheken die Herstellung barrierefreier Formate (z.B. die Umwandlung in Hörbücher), den weltweiten Austausch dieser Formate mit befugten Stellen in allen Vertragsstaaten sowie die Bereitstellung über das Internet.

Die Europäische Union hat den Vertrag von Marrakesch im Jahr 2017 durch zwei Rechtsakte umgesetzt:

B. Lösung

Die bereits bestehende gesetzliche Erlaubnis für den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu urheberrechtlich geschützten Inhalten in § 45a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) wird durch die neuen §§ 45b bis 45d UrhG-E ergänzt:

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die Reform hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Machen befugte Stellen von den gesetzlichen Erlaubnissen Gebrauch, so müssen sie zugleich die Pflichten beachten, die der Verordnungsgeber nach § 45c Absatz 5 Nummer 1 UrhG-E nach Maßgabe von Artikel 5 der Marrakesch-Richtlinie in deutsches Recht umsetzen wird. Sie sind darüber hinaus nach § 45c Absatz 5 Nummer 2 UrhG-E verpflichtet, die Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Der hiermit verbundene Aufwand lässt sich derzeit nicht verlässlich beziffern. Er soll im Rahmen der Verordnung näher behandelt werden.

Erfüllungsaufwand entsteht ferner für die betroffenen Verwertungsgesellschaften, und zwar in einer Gesamthöhe von einmalig ca. 41 000 Euro und jährlich von ca. 7 000 Euro. Der laufende zusätzliche Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft unterliegt nicht der "One in, one out"-Regel der Bundesregierung, weil er auf einer 1:1-Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie beruht.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Bei den Pflichten, die der Verordnungsgeber nach § 45c Absatz 5 Nummer 1 UrhG-E nach Maßgabe von Artikel 5 der Marrakesch-Richtlinie in deutsches Recht umsetzen wird, handelt es sich teilweise um Informationspflichten. Der hiermit verbundene Aufwand wird im Rahmen des Erlasses der Verordnung näher beziffert.

E.3 Erfüllungsaufwand für die Verwaltung

Für die Bundesverwaltung entsteht ein laufender Erfüllungsaufwand von ca. 45 000 Euro pro Jahr, soweit das Deutsche Patent- und Markenamt künftig per Rechtsverordnung nach § 45c Absatz 5 UrhG-E mit der Aufsicht über befugte Stellen betraut ist. Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden.

F. Weitere Kosten

Keine

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 7. Juni 2018 Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung mit Begründung und Vorblatt.

Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, da die Marrakesch-Richtlinie innerhalb von zwölf Monaten umzusetzen ist; diese Frist läuft am 11. Oktober 2018 ab.

Fristablauf: 19.07.18
besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung1)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Urheberrechtsgesetzes

Das Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. September 2017 (BGBl. I S. 3346) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 45a durch die folgenden Angaben ersetzt:

" § 45a Menschen mit Behinderungen

§ 45b Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung
§ 45c Befugte Stellen; Vergütung; Verordnungsermächtigung
§ 45d Gesetzlich erlaubte Nutzung und vertragliche Nutzungsbefugnis".

2. § 45a wird wie folgt geändert:

3. Nach § 45a werden die folgenden §§ 45b bis 45d eingefügt:

" § 45b Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung

§ 45c Befugte Stellen; Vergütung; Verordnungsermächtigung

§ 45d Gesetzlich erlaubte Nutzung und vertragliche Nutzungsbefugnis

Auf Vereinbarungen, die nach den §§ 45b und 45c erlaubte Nutzungen zum Nachteil der Nutzungsberechtigten beschränken oder untersagen, kann sich der Rechtsinhaber nicht berufen."

4. § 62 wird wie folgt geändert:

5. Dem § 87c wird folgender Absatz 3 angefügt:

(3) Die §§ 45b bis 45d gelten entsprechend."

6. § 95b wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am 1. November 2018 in Kraft. In Artikel 1 Nummer 3 tritt § 45c Absatz 5 am Tag nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelung

1. Zugang blinder und sehbehinderter Menschen zu urheberrechtlich geschützten Werken

Blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Menschen (im Folgenden: Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung) stoßen bislang auf Hindernisse beim Zugang zu Büchern und anderen gedruckten Texten und Materialien, die urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützt sind. Derzeit haben die betroffenen Menschen weltweit lediglich Zugang zu fünf Prozent aller verlegten Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Die anderen Werke stehen ihnen nicht in einem barrierefreien Format (in Brailleschrift, als Großdruck oder als Hörbuch) zur Verfügung. Allein in Deutschland leben schätzungsweise mehr als 155 000 blinde und 500 000 sehbehinderte Menschen (vgl. Website des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e.V., abrufbar unter: https://www.dbsv.org/zahlen-fakten-669.html). Für diese Menschen hat diese Situation erhebliche Einschränkungen bei der gesellschaftlichen, kulturellen und auch politischen Teilhabe zur Folge.

Ziel des im Jahr 2013 geschlossenen völkerrechtlichen Vertrags von Marrakesch ist es, diese Situation zu verbessern. Der Vertrag, geschlossen im Rahmen der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO), hat die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen für die Herstellung barrierefreier Kopien und deren Verbreitung auf internationaler Ebene geschaffen. Er ist am 30. September 2016 in Kraft getreten. Neben dem Zugang von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung regelt der Vertrag von Marrakesch insbesondere auch den weltweiten Austausch barrierefreier Formate zwischen befugten Stellen, vor allem Blindenbibliotheken: Damit sollen insbesondere auch blinde und sehbehinderte Menschen in wenig entwickelten Ländern einen verbesserten Zugang zum literarischen Erbe der Menschheit erhalten.

2. Barrierefreiheit für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung

Im Jahr 1825 hat der Franzose Louis Braille die heutzutage weltweit gängige Blindenschrift erfunden. Bei der Brailleschrift handelt es sich um eine mit den Fingern lesbare Schrift. Durch unterschiedliche Erhebungen können blinde und sehbehinderte Menschen die Punkte ertasten. Neben Buchstaben und Zahlen lassen sich auch Musiknoten, chemische Formeln und Strickmuster mit der sogenannten Punktschrift darstellen. Zudem machte die Nutzung von COMputern eine Erweiterung der Brailleschrift um zwei weitere Punkte erforderlich (Computerbraille). Auf diese Weise ließ sich die Vielzahl von Sonderzeichen korrekt darstellen.

Neben Ausgaben in Brailleschrift ermöglichen insbesondere Hörbücher im DAISY-Format (Digital Accessible Information System) Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung den barrierefreien Zugang zu Texten. Die spezielle Formatierung erlaubt es dem Nutzer, wie in einem gedruckten Buch zu blättern und gezielt in einem strukturierten Text zu navigieren. Auch das E-Book-Format EPUB 3 ermöglicht einen solchen barrierefreien Zugang.

Ein weiteres barrierefreies Format ist der Großdruck. Hierbei handelt es sich um Ausgaben von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften in großer, leicht lesbarer Schrift. Der Großdruck ermöglicht nicht nur sehbehinderten Menschen einen besseren Zugang, sondern kann auch Legasthenikern ein leichteres Lesen ermöglichen.

3. Rechtsentwicklung zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung im Urheberrecht

Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) gewährt grundsätzlich dem Urheber das ausschließliche Recht, das von ihm geschaffene Werk zu verwerten (§§ 15 ff. UrhG). Dritte kann er von der Nutzung seines Werkes ausschließen (Verbotsrecht) oder aber die Nutzung vertraglich gestatten; i.d.R. gegen Entgelt (Lizenzierung). Ausnahmen bilden die gesetzlich erlaubten Nutzungen (§§ 44 ff. UrhG), die dem Interessenausgleich zwischen Urhebern und Werknutzern dienen. Diese Regelungen schränken die Rechte des Urhebers ein, indem sie bestimmte Nutzungen auch ohne Erlaubnis des Urhebers gestatten. Um zugleich den berechtigten Interessen des Urhebers Rechnung zu tragen, kann dieser jedoch auch hier regelmäßig eine angemessene Vergütung vom Nutzer verlangen. Die Regelungen zu den erlaubten Nutzungen im Bereich von Bildung und Wissenschaft wurden mit Wirkung zum 1. März 2018 durch das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz grundlegend reformiert.

Im Jahr 2001 wurde mit der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-RL) die Grundlage für die erste Schrankenregelung zugunsten von Menschen mit Behinderungen im deutschen Urheberrecht geschaffen. Die InfoSoc-RL ermöglichte es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Maßnahmen zu ergreifen, um für Menschen mit Behinderungen den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu erleichtern. Der deutsche Gesetzgeber machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und schuf § 45a UrhG, der am 13. September 2003 in Kraft getreten ist. Die Vorschrift erlaubt die nicht Erwerbszwecken dienende Herstellung barrierefreier Kopien von Werken für und die Verbreitung solcher Kopien an Menschen mit Behinderungen.

Im Jahr 2013 wurde auf einer internationalen Konferenz der WIPO in der marokkanischen Stadt Marrakesch ein völkerrechtlicher Vertrag über die Erleichterung des Zugangs zu veröffentlichten Werken für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Menschen (Vertrag von Marrakesch) abgeschlossen. Der Vertrag trat am 30. Juli 2016 in Kraft und regelt zum einen den gesetzlich erlaubten Zugang von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung zu urheberrechtlich geschützten Sprachwerken (und zugehörigen Illustrationen). Er erlaubt zum anderen sogenannten "befugten Stellen" (insbesondere Blindenbibliotheken) die Herstellung von Kopien in barrierefreien Formaten (z.B. Umwandlung in Audiobooks), den weltweiten Austausch dieser Kopien mit befugten Stellen in allen Vertragsstaaten und das "Verleihen" dieser Kopien, sowohl in physischer Form (z.B. Braille-Exemplare) als auch in elektronischer Form über das Internet. Als völkerrechtlicher Vertrag bedurfte der Vertrag von Marrakesch jedoch noch der Umsetzung in das Recht der Europäischen Union (die Europäische Union ist Vertragspartner) bzw. der Umsetzung in das deutsche Recht.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) stellte im Februar 2017 fest, dass der Abschluss des Vertrags von Marrakesch (und damit auch die Ratifikation) in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union falle (EuGH, Beschluss vom 14. Februar 2017, Gutachten 003/15 (PDF) = GRUR Int. 2017, 438 - Vertrag von Marrakesch). Der Rat der Europäischen Union hat am 15. Februar 2018 (nach Zustimmung des Europäischen Parlaments) den Vertrag von Marrakesch genehmigt (Beschluss (EU) Nr. 2018/254). Drei Monate nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde bei der WIPO wird die Europäische Union Vertragspartei des Vertrags von Marrakesch.

Die Europäische Union hat den Marrakesch-Vertrag im Jahr 2017 mit zwei Rechtsakten in das Unionsrecht umgesetzt:

Die Verordnung (EU) Nr. 2017/1563 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. September 2017 (Marrakesch-VO) regelt den Rechtsverkehr mit Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union und bedarf keiner weiteren Umsetzung.

Die Richtlinie (EU) Nr. 2017/1564 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. September 2017 (Marrakesch-RL) modifiziert die urheberrechtlichen Maßgaben im Recht der Europäischen Union. Die Marrakesch-RL ist bis zum 11. Oktober 2018 in deutsches Recht umzusetzen; dem dient dieser Entwurf.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Wie die nachfolgende Grafik verdeutlicht, ist der Regelungsgehalt des Marrakesch-Vertrags bzw. seine Umsetzung in das Unionsrecht teilweise enger, teilweise weiter als die Maßgaben der InfoSoc-RL und deren derzeitige Umsetzung im deutschen Recht (§ 45a UrhG):

Vor diesem Hintergrund behält der Entwurf die bereits bestehende gesetzliche Erlaubnis in § 45a UrhG unverändert bei und ergänzt sie durch spezifische Vorschriften zur Umsetzung der Marrakesch-RL (§§ 45b bis 45d UrhG-E):

§ 45c Absatz 5 UrhG-E enthält hierzu eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Für das Urheberrecht hat der Bund gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 9 des Grundgesetzes (GG) die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz.

V. Völkerrechtlicher, europäischer und nationaler Rechtsrahmen

Der vorliegende Entwurf dient der Umsetzung von rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union. Er ist mit den völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

1. Völkerrecht

Urheber-Konventionsrecht

Zu beachten sind insbesondere:

Die genannten völkerrechtlichen Übereinkommen enthalten den sogenannten Dreistufentest (Artikel 9 Absatz 2 RBÜ, Artikel 10 WCT, Artikel 16 Absatz 2 WPPT und Artikel 13 TRIPS): Danach müssen die Unterzeichnerstaaten die Beschränkungen und Ausnahmen von Rechten auf bestimmte Sonderfälle begrenzen, die weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers unzumutbar verletzen. Der Vertrag von Marrakesch enthält ebenfalls einen entsprechenden Verweis in Artikel 11. Der Entwurf beachtet diese Maßgaben; auf die jeweiligen Begründungen der Einzelnormen wird verwiesen.

Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und menschenrechtlicher Eigentumsschutz

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (sogenannte UN-Behindertenrechtskonvention - BRK -, BGBL. 2008 II S. 1420) regelt unter anderem das Recht von Menschen mit Behinderungen, am kulturellen Leben teilzuhaben, ohne dass ungerechtfertigte oder diskriminierende Barrieren für den Zugang zu kulturellen Inhalten bestehen (Artikel 30 BRK). Der Marrakesch-Vertrag setzt dies bezogen auf die Literatur um: Er regelt, dass blinde, seh- oder anderweitig lesebehinderte Menschen Zugang zu barrierefreien Fassungen von Literatur erhalten können, ohne dass es auf eine Zustimmung des Autors oder Verlegers ankommt. Gleichzeitig ist dieser Zugang zu Literatur und anderen Werken, wie Zeitungen, Zeitschriften und wissenschaftlichen Veröffentlichungen die Voraussetzung, um am politischen und öffentlichen Leben gleichberechtigt teilzunehmen und ungehindert seine Meinungs- und Informationsfreiheit auszuüben (Artikel 21 und 29 BRK). Der Vertrag von Marrakesch trägt zudem dem Recht auf Bildung und Arbeit (Artikel 24 und 27 BRK) Rechnung. Vor diesem Hintergrund war der Vertrag von Marrakesch auch Gegenstand der Abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der ersten Staatenprüfung Deutschlands zur BRK.

Die Rechte aus der BRK gelten jedoch nicht absolut. Sie müssen vielmehr - wie sich auch aus der Präambel der BRK selbst ergibt - in Ausgleich mit den anderen menschenrechtlichen Verbürgungen gebracht werden. Das Urheberrecht ist völker- und menschenrechtlich als Bestandteil des geschützten Eigentums anerkannt und ebenso geschützt wie die Barrierefreiheit zugunsten von Menschen mit Behinderungen. Das Eigentum ist in Artikel 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte genannt. Es wird zudem in menschenrechtlichen Verträgen wie etwa dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung der Vereinten Nationen (sogenannte VN-Antirassismuskonvention, BGBl. 1969 II S. 962, dort in Artikel 5, Buchstabe d v)) als "Bürgerrecht" vorausgesetzt. Im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen (sogenannter Zivilpakt, BGBl. 1973 II S. 1534) gibt es zwar keine ausdrückliche Bestimmung zum Eigentumsschutz, der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen hat aber gleichwohl durch Auslegung von Artikel 26 des Zivilpaktes, der Diskriminierungen verbietet, einen Eigentumsschutz aus dem Zivilpakt abgeleitet. Auf Ebene des Europarates ist das Eigentum durch Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützt (EMRK, BGBl. 1952 S. 685, Neubekanntmachung BGBl. 2002 II S. 1054, Zusatzprotokoll S. 1072).

Um beiden Rechtspositionen - dem Recht auf Barrierefreiheit einerseits und dem Urheberrecht als Eigentumsrecht andererseits - bestmöglich gerecht zu werden, ist ein Interessenausgleich erforderlich. Dieser Interessenausgleich kann darin liegen, dass Menschen mit Behinderungen eine gesetzliche Erlaubnis für bestimmte Nutzungen erhalten, um so besseren Zugang zu kulturellen Inhalten zu erlangen, dafür aber unter bestimmten Umständen eine angemessene Vergütung zu zahlen haben. Eben dies sieht der Marrakesch-Vertrag selbst in Artikel 4 Nummer 5 als Option der Vertragsparteien vor. Der Entwurf sieht vor diesem Hintergrund die Zahlung einer angemessenen Vergütung (ausschließlich) durch die befugten Stellen vor.

2. Unionsrecht

Unionsgrundrechte

Der Entwurf setzt Unionsrecht um. Damit sind auch die Rechte zu beachten, die die Europäische Grundrechtecharta (GRCh) gewährt (Artikel 51 Absatz 1 GRCh).

Artikel 17 Absatz 2 der GRCh bestimmt:

"Geistiges Eigentum wird geschützt." Dieser Schutz kann zum Wohl der Allgemeinheit durch gesetzliche Regelung eingeschränkt werden (Artikel 17 Absatz 1 Satz 3 GRCh). Hinzu kommt der Schutz der unternehmerischen Freiheit aus Artikel 16 der GRCh, der insbesondere für die Werkmittler, wie z.B. Verlage, von Bedeutung sein kann. Gleichzeitig gewährleistet Artikel 26 der GRCh Menschen mit Behinderungen einen Anspruch auf Eigenständigkeit, soziale und berufliche Integration sowie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Der Entwurf wird diesen Maßgaben gerecht.

Europäische Richtlinien mit Regelungen zu gesetzlich erlaubten Nutzungen

Das geltende Urheberrecht der Europäischen Union harmonisiert die den Rechtsinhabern gewährten Verwertungsrechte und enthält eine erschöpfende Auflistung von Schrankenregelungen, die eine Nutzung der geschützten Werke ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erlauben. Die InfoSoc-RL enthält bereits eine Schranke zugunsten von Menschen mit Behinderungen (Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b). Die Marrakesch-RL führt nun neue gesetzliche Erlaubnisse speziell für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung mit Maßgaben ein, die teilweise enger und teilweise weiter sind als die Maßgaben der Info-Soc-RL.

Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Schrankenregelungen und technischen Schutzmaßnahmen verweist die Marrakesch-RL auf Artikel 6 Absatz 4 Unterabsätze 1, 3 und 5 der InfoSoc-RL mit der Folge, dass die Schranke zugunsten von Menschen mit einer Sehoder Lesebehinderung auch beim Zugang zu Werken über lizenzierte Online-Datenbanken gegenüber technischen Schutzmaßnahmen durchsetzbar ist.

3. Nationales Recht

Der Entwurf achtet die im Grundgesetz verankerten Grundrechte. Bei der Umsetzung von Richtlinien ist ein Gesetz an den deutschen Grundrechten zu messen, wenn und soweit Richtlinien den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielraum lassen (vgl. die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in BVerfGE 129, 186, 198 f.; 129, 78, 103). Ein solcher Spielraum besteht hier hinsichtlich der Frage, ob die erlaubnisfreien Nutzungen, soweit sie durch befugte Stellen vorgenommen werden, zu vergüten sind, sowie hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung eines etwaigen Vergütungsanspruchs.

Die in diesem Entwurf enthaltenen Regelungen sind - soweit sie nicht ohnehin unionsrechtlich vorgegeben sind - das Ergebnis einer Abwägung der durch das Grundgesetz geschützten Rechte und Interessen der Rechtsinhaber und der Nutzer:

Aufseiten der Urheber und anderer Rechtsinhaber wie ausübenden Künstlern oder Unternehmen, denen ein Leistungsschutzrecht zusteht, ebenso wie der derivativen Rechtsinhaber, also etwa Verlagen, ist insbesondere der Schutz nach Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen. Der Eigentumsschutz umfasst auch die Immaterialgüterrechte in Form des Schutzes von Werken und verwandten Schutzrechten in ihren vermögensbezogenen Aspekten (vgl. BVerfGE 31, 229, 238 f.). Inhalt und Schranken des Eigentums werden durch die Gesetze bestimmt, Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 GG. Das Urheberrecht und sonstige Gesetze legen also die Reichweite der Immaterialgüterrechte erst fest. Dabei hat der Gesetzgeber auch die Aufgabe, Interessen des Gemeinwohls und andere Rechte von Verfassungsrang zu berücksichtigen (BVerfGE 31, 229, 241 f.).

Aufseiten der begünstigten Nutzer ist insbesondere das Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG zu berücksichtigen. Die Vorschrift bezweckt die Stärkung der Stellung von Menschen mit einer Behinderung in Recht und Gesellschaft und enthält den sozialstaatlichen Auftrag, auf eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft hinzuwirken (Bundestagsdrucksache 012/8165, S. 29). Die im Entwurf enthaltenen Schrankenregelungen dienen diesem von Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG bezweckten Abbau von Benachteiligungen für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung, indem sie ihnen einen verbesserten Zugang zu Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und anderen Texten ermöglichen.

Der Gesetzgeber ist grundsätzlich verpflichtet, den vermögenswerten Gehalt des Urheberrechts dem Urheber zuzuordnen, soweit nicht Gründen des gemeinen Wohls der Vorrang vor den Belangen des Urhebers zukommt (BVerfGE 31, 229, 243). Dies wird mit der in § 45c Absatz 4 UrhG-E geregelten Pflicht der befugten Stellen umgesetzt, die gesetzlich erlaubten Nutzungen grundsätzlich angemessen zu vergüten (vgl. zur konkreten Ausgestaltung unten Begründung zu § 45c Absatz 4 UrhG-E). Demgegenüber sind Nutzungen unmittelbar durch Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung bzw. ihrer Hilfspersonen nach § 45b UrhG-E - wie bereits unionsrechtlich vorgegeben - stets vergütungsfrei.

VI. Gesetzesfolgen

1. Nachhaltigkeitsaspekte

Das Vorhaben hat eine große Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie: Der Zugang zu urheberrechtlich geschützten kulturellen Inhalten wie z.B. Büchern, Zeitungen und Zeitschriften ist eine Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben. Der vorliegende Entwurf regelt einen verbesserten Zugang für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung zu urheberrechtlich geschützten Werken und fördert damit das Ziel, alle Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen, womit der soziale Zusammenhalt entsprechend der Managementregel 10 der Nachhaltigkeitsstrategie gestärkt wird.

Indem die Neuregelungen auch die Nutzung von Werken in barrierefreien Formaten an Förderzentren für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler, Umsetzungsdiensten an Hochschulen und vergleichbaren Bildungseinrichtungen im schulischen, berufsbildenen und tertiären Bereich erleichtern, wird eine inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gefördert entsprechend dem SDG 4 der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) der UN Agenda 2030 (Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development).

2. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die Reform hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte.

Die Bundesregierung wird sich jedoch bei den Ländern und Kommunen dafür einsetzen, dass die befugten Stellen in Deutschland unter dem Aspekt der Förderung von Bibliotheken sowie der Barrierefreiheit von Menschen mit Behinderungen künftig eine verbesserte finanzielle Ausstattung erhalten. Dies soll die Blindenbibliotheken in die Lage versetzen, nach Inkrafttreten der Reform von dem verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten tatsächlich Gebrauch zu machen.

Die Bundesregierung wird zudem prüfen, ob im Rahmen des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen eine finanzielle Unterstützung der befugten Stellen in Deutschland möglich ist. Gegebenenfalls in diesem Zusammenhang beim Bund anfallende Ausgaben werden grundsätzlich von den jeweils betroffenen Ressorts im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze vollständig und dauerhaft gegenfinanziert.

3. Erfüllungsaufwand

Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger gemäß § 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKRG). Die Reform erlegt den begünstigten Personen (d.h. Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung) nämlich keine Verpflichtungen auf, deren Befolgung Kosten verursachen könnte. Es gewährt ihnen zusätzliche Befugnisse, wenn sie der begünstigten Personengruppe angehören und geschützte Inhalte nutzen wollen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen von dieser Erlaubnis jedoch keinen Gebrauch machen. Sofern sie von den Befugnissen Gebrauch machen, können insbesondere dadurch Entlastungen eintreten, dass bei geplanten Nutzungshandlungen der bislang nach § 45a UrhG geltende Lizenzvorrang nicht mehr geprüft werden muss bzw. sie kein Verlagsangebot in Anspruch nehmen müssen, um Zugang zum entsprechenden Werk zu erhalten. Das Ausmaß dieser Entlastungen lässt sich allerdings derzeit nicht verlässlich abschätzen.

Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft als Rechtenutzer

Machen befugte Stellen von den gesetzlichen Erlaubnissen Gebrauch, so müssen sie zugleich die Pflichten beachten, die der Verordnungsgeber nach § 45c Absatz 5 Nummer 1 UrhG-E nach Maßgabe von Artikel 5 der Marrakesch-Richtlinie in deutsches Recht umsetzen wird. Sie sind darüber hinaus nach § 45c Absatz 5 Nummer 2 UrhG-E verpflichtet, die Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Der hiermit verbundene Aufwand lässt sich derzeit nicht verlässlich beziffern. Er soll im Rahmen der Verordnung näher behandelt werden.

Relevante Entlastungen für befugte Stellen durch den Wegfall des bisherigen Lizenzvorrangs sind nicht zu erwarten, da diese in der Praxis auch künftig regelmäßig prüfen werden, ob ein Werk bereits barrierefrei am Markt verfügbar ist. Dies hat seinen Grund auch darin, dass die Herstellung barrierefreier Formate für die befugten Stellen mit einem erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden ist, wenngleich es sich hierbei nicht um Erfüllungsaufwand im Sinne des § 2 NKRG handelt. Deshalb werden sich insbesondere die Blindenbibliotheken auch nach Inkrafttreten der Reform vor allem auf Werke konzentrieren, die für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung noch nicht zugänglich sind.

Erfüllungsaufwand für die Kreativwirtschaft (Rechtsinhaber)

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand: Zwar können den Rechtsinhabern Lizenzeinnahmen entgehen, weil sich Berechtigte künftig auf die gesetzliche Erlaubnis berufen können, statt einen Lizenzvertrag zu schließen und eine vertragliche Vergütung zu zahlen. Dabei handelt es sich um entgangenen Gewinn. Entgangener Gewinn ist jedoch kein Erfüllungsaufwand im Sinne von § 2 des NKRG.

Erfüllungsaufwand für Verwertungsgesellschaften

Bei den Verwertungsgesellschaften entsteht insgesamt ein Erfüllungsaufwand von einmalig ca. 41 000 Euro und jährlich von ca. 7 000 Euro.

Der Entwurf sieht vor, dass die Verwertungsgesellschaften für die Rechtsinhaber die Ansprüche auf angemessene Vergütung der gesetzlich erlaubten Nutzungen wahrnehmen.

Von der Neuregelung ist vor allem die Verwertungsgesellschaft Wort betroffen, die Rechte an Texten wahrnimmt, sowie in geringerem Umfang auch die Verwertungsgesellschaft Musikedition für Ausgaben von Musiknoten. Bei beiden Verwertungsgesellschaften entsteht durch die Anpassung an die neue Gesetzeslage (Anpassung von Gesamtverträgen, Tarifanpassungen, Anpassungen von Verteilungsplänen und Wahrnehmungsverträgen) ein Arbeitsaufwand von voraussichtlich jeweils rund 50 Stunden. Daraus ergibt sich ein einmaliger Aufwand von insgesamt 5 880 Euro (zweimal 50 Arbeitsstunden zu 58,80 Euro (Quelle: Lohnkostentabelle Wirtschaft, Abschnitt M, Stand 15. November 2017)). Bei der Verwertungsgesellschaft Wort ist nach ihren Angaben zudem ein einmaliger Aufwand für Softwareanpassungen von ca. 35 000 Euro zu erwarten.

Daneben entsteht für eine Verwertungsgesellschaft, sofern sie zusätzliche Vergütungsansprüche für gesetzlich erlaubte Nutzungen wahrnehmen kann, ein geringer laufender Zusatzaufwand bei der Verteilung und Ausschüttung der eingenommenen Beträge. Soweit ersichtlich betrifft dies die Verwertungsgesellschaft Wort und die Verwertungsgesellschaft Musikedition. Dadurch entsteht ein zusätzlicher laufender Verwaltungsaufwand von 7 056 Euro pro Jahr (zweimal fünf Arbeitsstunden pro Monat zu 58,80 Euro).

Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für die Bundesverwaltung entsteht jährlicher Erfüllungsaufwand, soweit das DPMA künftig per Rechtsverordnung nach § 45c Absatz 5 UrhG-E mit der Aufsicht über befugte Stellen betraut ist. Die Aufsicht über die Einhaltung der Pflichten, die durch Rechtsverordnung nach § 45c Absatz 5 UrhG-E in deutsches Recht umzusetzen sind, führt bei der Aufsichtsbehörde zu einem erhöhten Personalbedarf von je etwa einer viertel Stelle im mittleren, gehobenen und höherem Dienst. Das entspricht einem Erfüllungsaufwand von ca. 10 000 Euro + 15 000 Euro + 20 000 Euro pro Jahr, also rund 45 000 Euro jährlich. Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden.

4. Weitere Kosten

Wie oben unter IV.3. ausgeführt, ist davon auszugehen, dass die befugten Stellen auch künftig vor allem Werke zugänglich machen werden, die nicht bereits verlagsseitig barrierefrei angeboten werden. Vor diesem Hintergrund sind keine erheblichen Auswirkungen auf die Absätze von barrierefreien Verlagsprodukten zu erwarten.

5. Weitere Gesetzesfolgen

Demografische sowie gleichstellungspolitische Auswirkungen im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter sind nicht zu erwarten.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung ist nicht vorgesehen. Eine Evaluierung wird bereits auf europäischer Ebene nach Artikel 10 der Marrakesch-RL bis zum 11. Oktober 2023 durchgeführt werden.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Urheberrechtsgesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Wegen der Einfügung und Umbenennung von Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 (Schranken des Urheberrechts) sind die Angaben im Inhaltsverzeichnis zu diesem Abschnitt zu ergänzen.

Zu Nummer 2 (§ 45a UrhG)

Zu Buchstabe a

Die Überschrift des § 45a UrhG wird neu gefasst, um sie an den aktuellen Sprachgebrauch anzupassen.

Zu Buchstabe b

Die Maßgaben der Marrakesch-RL sind teils enger, teils weiter als der Anwendungsbereich des § 45a UrhG. Deshalb sollen die besonderen gesetzlichen Erlaubnisse, die für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung im Hinblick auf Sprachwerke und Noten gelten, abschließend in den neuen §§ 45b bis 45d UrhG-E geregelt werden; § 45a UrhG findet insoweit künftig keine Anwendung. Dies gilt auch für die in beiden Werkarten enthaltenden Illustrationen. Im Hinblick auf Filmwerke, die der Vertrag von Marrakesch nicht regelt, bleibt es bei der Anwendbarkeit von § 45a UrhG, z.B. hinsichtlich der Herstellung von Hörfilmen bzw. Audiodeskriptionen.

Zu Nummer 3 (§§ 45b bis 45d UrhG-E)

Die §§ 45b bis 45d UrhG-E schaffen im deutschen Urheberrecht eine spezielle neue gesetzliche Erlaubnis zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung.

Zu § 45b UrhG-E - Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung

Zu Absatz 1

Die Vorschrift setzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Marrakesch-RL um. Absatz 1 erlaubt jede Handlung, die notwendig ist, um ein Werk derart zu verändern, umzuwandeln oder anzupassen, dass ein Vervielfältigungsstück in einem barrierefreien Format entsteht. Unter die Formulierung "Sprachwerke, die als Text oder in Audioform vorliegen" fallen veröffentlichte Werke wie Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Magazine oder andere Schriftstücke, Notationen, einschließlich Notenblätter. Die Medienform spielt dabei keine Rolle. Umfasst werden also auch digitale Formate und Audioformate wie Hörbücher.

Ebenso sind Computerprogramme nach Erwägungsgrund 6 der Marrakesch-RL von deren Anwendungsbereich erfasst. Die Geltung der §§ 45b ff. UrhG-E für Computerprogramme folgt aus § 69a Absatz 4 UrhG, da hiernach die gesetzlichen Bestimmungen (und damit auch die gesetzlichen Erlaubnisse) für Sprachwerke anzuwenden sind.

Ein "barrierefreies Format" ist in Übereinstimmung mit Artikel 2 Nummer 3 der Marrakesch-RL eine alternative Form des Vervielfältigungsstücks eines Werks, das es einer Person mit Seh- oder Lesebehinderung ermöglicht, sich einen genauso leichten und komfortablen Zugang zu dem Werk zu verschaffen (vgl. Artikel 2 Nummer 3 der Marrakesch-RL), wie dies einer Person ohne eine solche Behinderung möglich ist. Barrierefreie Formate für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung sind beispielsweise Brailleschrift, Großdruck, angepasste E-Books oder vergleichbare zugängliche elektronische Dokumente und Hörbücher (vgl. Erwägungsgrund 8 der Marrakesch-RL). Die Erlaubnis schließt auch Maßnahmen mit ein, um in einem barrierefreien Format durch Informationen zur Struktur des Textes zu navigieren, z.B. innerhalb eines Hör- oder E-Books. Erlaubt ist jedoch nur die Herstellung eines barrierefreien Formats, nicht hingegen die 1:1-Kopie einer bereits vorhandenen barrierefreien Ausgabe. Dies gilt auch für Vervielfältigungen durch befugte Stellen nach § 45c Absatz 1 UrhG-E.

Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung dürfen die barrierefreie Kopie entweder selbst herstellen oder durch eine andere natürliche Person herstellen lassen, die für sie handelt oder ihnen bei der Herstellung hilft. Als Hilfspersonen kommen auch Mitarbeiter von Einrichtungen wie z.B. Universitäten oder öffentlichen Bibliotheken in Betracht, die auf Nachfrage der begünstigten Person ein einzelnes barrierefreies Exemplar für diese herstellen.

Ferner dürfen Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung barrierefreie Kopien bei befugten Stellen in einem beliebigen Mitgliedstaat (vgl. Artikel 4 der Marrakesch-RL) oder in Drittstaaten, die Vertragsparteien des Vertrags von Marrakesch sind (vgl. Artikel 4 der Marrakesch-VO), anfordern. Voraussetzung für die erlaubte Nutzung ist, dass der Adressat der Schrankenregelung rechtmäßigen Zugang zu dem Werk hat, von dem er eine barrierefreie Kopie erstellen möchte. Eine vorherige Prüfung, ob das jeweilige Werk schon als barrierefreie Kopie am Markt (gewerblich) verfügbar ist, ist hingegen nicht erforderlich (Erwägungsgrund 14 der Marrakesch-RL).

Nach Erwägungsgrund 14 der Marrakesch-RL sollen die begünstigten Personen für die Herstellung des barrierefreien Formats keine Vergütung entrichten. Auch bislang war nach § 45a Absatz 2, Satz 1, 2. Halbsatz UrhG die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke vergütungsfrei.

Zu Absatz 2

Absatz 2 greift die Definition der "begünstigten Personen" in Artikel 2 Nummer 2 der Marrakesch-RL auf und definiert den Begriff für die Zwecke dieses Gesetzes. Neben blinden und sehbehinderten Menschen sollen auch Menschen mit einer Lesebehinderung von der Schrankenregelung profitieren. Als lesebehindert gilt auch eine Person, die aufgrund einer körperlichen Behinderung bzw. motorischen Einschränkung (z.B. einer Lähmung) nicht in der Lage ist, ein Buch zu halten oder die Seiten umzublättern. Ebenso erfasst werden Personen, die ihre Augen nicht in einem Maß fokussieren oder bewegen können, wie es für das Lesen normalerweise erforderlich wäre (vgl. Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d der Marrakesch-RL). Zudem können sich Menschen mit Wahrnehmungsstörungen, psychischen Erkrankungen, Autismus-Spektrum-Störung, Dyslexie oder Legasthenie auf den Anwendungsbereich der Schrankenregelung berufen. Die Lesebehinderung muss so stark ausgeprägt sein, dass die betroffene Person nicht in der Lage ist, Texte in wesentlich gleicher Weise zu lesen wie eine Person ohne eine solche Beeinträchtigung (Erwägungsgrund 7 der Marrakesch-RL).

Personen, die unter Einsatz einer optischen Sehhilfe wie etwa einer Brille in der Lage sind, Gedrucktes in einer im Wesentlichen gleichen Weise zu lesen wie Personen ohne eine entsprechende Beeinträchtigung, gelten nicht als seh- oder lesebehindert im Sinne dieses Gesetzes.

Zu § 45c UrhG-E - Befugte Stellen; Vergütung; Verordnungsermächtigung

Zu Absatz 1

Die Absätze 1 und 2 der Vorschrift setzen Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Marrakesch-RL um. Absatz 1 erlaubt es befugten Stellen, Vervielfältigungsstücke in barrierefreien Formaten zu erstellen und stellt klar, dass diese barrierefreien Formate ausschließlich

Menschen mit Seh- oder Lesebehinderung zugute kommen sollen (vgl. Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) der Marrakesch-RL).

Zu Absatz 2

Nach Absatz 2 dürfen befugte Stellen die nach Absatz 1 hergestellten Vervielfältigungsstücke online wie offline in der Europäischen Union verbreiten (vgl. Erwägungsgrund 10 der Marrakesch-RL). Die Schranke geht über die bislang erlaubten Nutzungen in § 45a UrhG hinaus, da auch das Recht der öffentlichen Wiedergabe, insbesondere das Online-Recht (Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG), erfasst ist. Eine befugte Stelle mit Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes kann, wie in Artikel 4 der Marrakesch-RL vorgesehen, Handlungen nach § 45c Absatz 1 und 2 UrhG-E für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung oder für andere befugte Stellen mit Sitz in einem beliebigen Mitgliedstaat vornehmen oder auch Vervielfältigungsstücke in barrierefreien Formaten bei befugten Stellen mit Sitz in einem beliebigen Mitgliedstaat beziehen oder abrufen.

Aufgrund der unmittelbaren Geltung der Marrakesch-VO kann eine befugte Stelle zudem barrierefreie Kopien mit befugten Stellen in Drittstaaten austauschen, die Vertragsparteien des Vertrags von Marrakesch sind (vgl. Artikel 3 und 4 der Marrakesch-VO).

Zu Absatz 3

Absatz 3 definiert die befugte Stelle und fasst dabei die Umschreibung in Artikel 2 Nummer 4 der Marrakesch-RL zusammen. Bei der Tätigkeit, die die befugten Stellen ausüben, kann es sich sowohl um eine ihrer Kerntätigkeiten oder institutionellen Aufgaben wie auch um Aktivitäten handeln, die sie als Teil ihrer im Gemeinwohl liegenden Aufgaben wahrnehmen. In der Praxis handelt es sich überwiegend um Blindenbibliotheken, Förderzentren für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler ("Blindenschulen"), Medienzentren für Blinde und Sehbehinderte und Umsetzungsdienste an Hochschulen.

Bei den befugten Stellen kann es sich entweder um private Einrichtungen handeln, die im Rahmen ihrer Tätigkeit staatlich anerkannt sind, wie etwa private Förderzentren für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler. Oder aber es handelt sich um öffentliche Einrichtungen oder gemeinnützige Organisationen. Auch mit öffentlichen Mitteln geförderte Einrichtungen, die entsprechende Bildungsangebote bzw. barrierefreien Lese- und Informationszugang bereitstellen (wie z.B. mit öffentlichen Mitteln geförderte Bibliotheken), fallen unter die Definition einer befugten Stelle (so auch Fußnote 2 des Vertrags von Marrakesch mit Verweis auf "Agreed Statement concerning Article 2 (c)"). Das Merkmal "in gemeinnütziger Weise" verlangt, dass die befugte Stelle die erlaubten Nutzungshandlungen nicht mit Gewinnerzielungsabsicht erbringt.

Zu Absatz 4

Absatz 4 setzt Artikel 3 Absatz 6 der Marrakesch-RL um: Die Vorschrift erlaubt es Mitgliedstaaten, Ausgleichsregelungen für die von den befugten Stellen mit Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorgenommenen erlaubten Nutzungshandlungen vorzusehen. Von dieser Option macht der deutsche Gesetzgeber in dieser Vorschrift Gebrauch und behält insofern das bestehende System bei. Insbesondere vor dem Hintergrund der erweiterten Möglichkeiten, barrierefreie Exemplare auch online zur Verfügung zu stellen, ist eine von befugten Stellen zu zahlende angemessene Vergütung gerechtfertigt.

Bei der Bestimmung der Höhe des von den befugten Stellen grundsätzlich geschuldeten Anspruchs auf angemessene Vergütung soll nach Maßgabe des Unionsrechts Folgendes berücksichtigt werden:

Zudem sollten die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Wenn dem Rechtsinhaber nur ein geringer Schaden entsteht, besteht kein Vergütungsanspruch (vgl. Erwägungsgrund 14 der Marrakesch-RL).

Um die oben genannten Anforderungen an die Bestimmung der Höhe des Vergütungsanspruchs praktikabel umzusetzen, kann nach Absatz 4 Satz 2 der Anspruch nur von einer Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Verwertungsgesellschaften sollen ohnehin bereits nach § 39 Absatz 3 des Verwertungsgesellschaftengesetzes bei ihrer Tarifgestaltung bzw. beim Abschluss von Gesamtverträgen über gesetzliche Vergütungen für Schranken-Nutzungen auf kulturelle und soziale Belange der Nutzer angemessen Rücksicht nehmen.

Derzeit nehmen die Verwertungsgesellschaft Wort und die Verwertungsgesellschaft Musikedition den bestehenden gesetzlichen Vergütungsanspruch nach § 45a Absatz 2 UrhG wahr. Beide Verwertungsgesellschaften haben dazu Gesamtverträge mit der Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen e.V. (Medibus) abgeschlossen. Die in dem Gesamtvertrag mit der Verwertungsgesellschaft geregelte Vergütung beträgt 12 Euro zuzüglich Umsatzsteuer je Sprachwerk und Nutzungsart (z.B. Brailledruck oder Hörbuch). Hiermit ist die Herstellung von 100 Vervielfältigungsstücken abgegolten. Laut Geschäftsbericht der Verwertungsgesellschaft Wort betrugen die Einnahmen aus den Vergütungen für Blindenausgaben (§ 45a UrhG) 12 000 Euro im Jahr 2016 (25 000 Euro in 2015). Die von der Verwertungsgesellschaft Musikedition erhobenen Vergütungen lagen deutlich darunter.

Zu Absatz 5

Artikel 5 der Marrakesch-RL regelt, dass befugte Stellen ihre eigenen Verfahren festlegen und befolgen, um sicherzustellen, dass sie bestimmten Sorgfalts- und Auskunftspflichten nachkommen. Um das UrhG von diesen ausschließlich für befugte Stellen relevanten Regelungen zu entlasten, sollen diese Maßgaben des europäischen Rechts in einer Rechtsverordnung umgesetzt werden. Absatz 5 enthält deshalb eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats. Durch die Rechtsverordnung soll ferner eine staatliche Aufsicht näher geregelt werden. Die Aufsicht soll darauf achten, dass die befugten Stellen ihre Verfahren zur Einhaltung der Pflichten befolgen. Aufsichtsbehörde ist das DPMA, das bereits die Aufsicht über Verwertungsgesellschaften innehat und dadurch mit urheberrechtlichen Sachverhalten vertraut ist.

Zu § 45d UrhG-E - Gesetzlich erlaubte Nutzung und vertragliche Nutzungsbefugnis

Die Vorschrift setzt Artikel 3 Absatz 5 der Marrakesch-Richtlinie um. Danach ist jede Vertragsbestimmung, durch die die gesetzliche Schrankenregelung in irgendeiner Weise verhindert oder beschränkt werden soll, rechtlich unwirksam.

Die Norm entspricht § 60g Absatz 1 UrhG in der seit 1. März 2018 geltenden Fassung.

Zu Nummer 4 (§ 62 Absatz 4 UrhG-E)

Zu Buchstabe a

Die Einfügung des neuen § 62 Absatz 4 UrhG-E stellt klar, dass Änderungen, die erforderlich sind, um das Werk in einem barrierefreien Format für Menschen mit Behinderung zugänglich zu machen, zulässig sind. Dies gilt sowohl für erlaubte Nutzungen nach den neuen §§ 45b und 45c UrhG-E als auch für die erlaubte Nutzung nach § 45a UrhG. Im Übrigen ist die Unversehrtheit des Werks als solchem (insbesondere hinsichtlich Inhalt, Ausdruck und Stil) zu wahren.

Zu Buchstabe b

Redaktionelle Folgeänderung zu Buchstabe a.

Zu Nummer 5 (§ 87c Absatz 3 UrhG-E)

Mit dem Verweis in Absatz 3 wird geregelt, dass die §§ 45b bis 45d das Recht des Datenbankherstellers einschränken. Für verwandte Schutzrechte, z.B. das Leistungsschutzrecht der ausübenden Künstler, der Tonträgerhersteller oder der Sendeunternehmen, gelten die §§ 45b bis 45d UrhG-E aufgrund bestehender Verweisungen unmittelbar (siehe §§ 83 und 85 Absatz 4 sowie § 87 Absatz 4 UrhG).

Zu Nummer 6 (§ 95b UrhG-E)

Zu Buchstabe a

Aufgrund der Neufassung der Überschrift zu § 45a (Menschen mit Behinderungen) ist § 95b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 anzupassen.

Mit der Ergänzung der neuen §§ 45b und 45c UrhG-E in der Aufzählung in Absatz 1 wird Artikel 3 Absatz 4 der Marrakesch-RL umgesetzt. Die Ausübung der erlaubten Nutzungshandlungen darf hiernach nicht durch technische Schutzmaßnahmen unterbunden werden. Nach der Vorschrift besteht kein Selbsthilferecht, jedoch der Anspruch, Mittel zu erhalten, um den Zugang zum technisch geschützten Werk zu ermöglichen.

Zu Buchstabe b

Da die Schrankenregelungen zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung auch im Online-Bereich gegenüber technischen Schutzmaßnahmen (siehe § 95a Absatz 2 UrhG) durchsetzbar sind (vgl. Artikel 3 Absatz 4 der Marrakesch-RL), wird mit der Änderung des Absatzes 3 klargestellt, dass die Einschränkung des § 95b Absatz 3 UrhG nicht für die §§ 45b und 45c UrhG-E gilt.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Absatz 1 NKRG: NKR-Nummer 4455, BMJV: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des Regelungsvorhabens geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und Bürgerkeine Auswirkungen
Wirtschaft
Einmaliger Erfüllungsaufwand: Verwertungsgesellschaften Blindenbibliotheken/befugte Stellen
rund 41.000 Euro nicht ermittelt
Jährlicher Erfüllungsaufwand: Verwertungsgesellschaften Blindenbibliotheken/befugte Stellenrund 7.000 Euro nicht ermittelt
Das BMJV hat den Erfüllungsaufwand für die Blindenbibliotheken und andere sog. befugte Stellen nicht ermittelt. Das Ressort ist der Auffassung, dass sich dieser Aufwand erst im Zusammenhang mit der dem Gesetz nachfolgenden Rechtsverordnung "verlässlich beziffern" lasse.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), den der NKR um Stellungnahme gebeten hat, rechnet derzeit mit einmalig rund 100.000 Euro und jährlich rund 250.000 Euro, ist aber ebenfalls der Auffassung, dass sich der Erfüllungsaufwand tatsächlich erst im Zusammenhang mit der Rechtsverordnung "konkretisieren" lasse.
Verwaltung (Bund)
Jährlicher Erfüllungsaufwand:
rund 45.000 Euro
Umsetzung von EU-RechtDem NKR liegen keine Anhaltspunkte
dafür vor, dass mit dem Vorhaben über
eine 1:1-Umsetzung der Marrakesch
Richtlinie hinausgegangen wird.
EvaluierungDie Marrakesch-Richtlinie soll sicherstellen, dass seh- und lesebehinderte Personen im gesamten Binnenmarkt Zugang zu Büchern und anderem gedruckten Material in einem barrierefreien Format haben. Die Erreichung dieses Ziels, die hierzu in den Mitgliedstaaten getroffenen Regelungen und deren Wirksamkeit wird die Kommission bis zum 11.10.2023 überprüfen. Grundlage der Evaluierung werden Berichte sein, die die Mitgliedstaaten nach unionsrechtlich definierten Vorgaben übermitteln müssen. Der deutsche Bericht wird dem nationalen Evaluierungsverfahren nach dem Staatssekretärsbeschluss der Bundesregierung gleichwertig sein.
Der Gesetzentwurf enthält die Ermächtigung des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zum Erlass einer Rechtsverordnung, stellt jedoch den mit dieser Ermächtigung verbundenen Erfüllungsaufwand nur für die Verwertungsgesellschaften und nicht auch für die Blindenbibliotheken/befugten Stellen dar. Damit entspricht er nicht den Anforderungen einer Vorlage an die Bundesregierung. Dennoch erhebt der Nationale Normenkontrollrat in diesem Ausnahmefall keine Einwendungen, weil das Ressort und der Dachverband der Blindenbibliotheken übereinstimmend davon ausgehen, dass sich der Erfüllungsaufwand erst mit dem Erlass der Rechtsverordnung belastbar abschätzen lässt.

II. Im Einzelnen

Die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten sind Unterzeichner des völkerrechtlichen Vertrages von Marrakesch (2016). Sie haben sich hierdurch verpflichtet, blinden und sehbehinderten Menschen Werke der Literatur, der Kunst und der Wissenschaft barrierefrei zugänglich zu machen. Dies erfordert Einschränkungen des Urheberrechts.

Die EU hat diese Einschränkungenmit mit der sog. Marrakesch-Richtlinie vorgenommen.1 Deutschland muss die Marrakesch-Richtlinie bis zum 11. Oktober 2018 in nationales Recht umsetzen.

Hierzu gibt das Regelungsvorhaben den Blindenbibliotheken und anderen sog. befugten Stellen die gesetzliche Erlaubnis, barrierefreie Werkkopien ohne Zustimmung des Urhebers/Rechteinhabers herzustellen und zu verwenden. Im Gegenzug erhält der Urheber den gesetzlichen Anspruch auf eine angemessene Vergütung, wobei dieser Anspruch nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann.

Das BMJV soll ermächtigt werden, die bestimmungsgemäße Ausübung der gesetzlichen Erlaubnis durch die Blindenbibliotheken/befugten Stellen sowie deren Beaufsichtigung durch das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) mit einer Rechtsverordnung zu regeln. Der Inhalt der Rechtsverordnung ist dabei weitgehend durch die Marrakesch-Richtlinie selbst vorgegeben.2

II.1 Erfüllungsaufwand

Für die Bürgerinnen und Bürger ruft das Regelungsvorhaben keinen Erfüllungsaufwand hervor.

Wirtschaft

Erfüllungsaufwand entsteht jedoch für die Verwertungsgesellschaften und für die Blindenbibliotheken/befugten Stellen.

Verwertungsgesellschaften sind Einrichtungen, die durch das DPMA zugelassen werden, um Urheberrechte treuhänderisch wahrzunehmen. Das BMJV hat nachvollziehbar dargestellt, dass die Wahrnehmung des neuen gesetzlichen Vergütungsanspruchs bei den Verwertungsgesellschaften einmaligen Aufwand von rund 41.000 Euro (Vertragsanpassungen/Softwareumstellungen) sowie laufenden Aufwand von rund 7.000 Euro jährlich hervorruft.

Den Erfüllungsaufwand der Blindenbibliotheken/befugten Stellen hat das Ressort nicht dargestellt. BMJV ist der Auffassung, dass sich dieser Aufwand erst im Zusammenhang mit der Rechtsverordnung "verlässlich beziffern" lasse. Der NKR hat deshalb beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)/Dachverband der Blindenbibliotheken (Medibus) nachgefragt und festgestellt, dass dort mit Umstellungsaufwand von rund 100.000 Euro und jährlichem Aufwand von rund 250.000 Euro gerechnet wird. Jedoch teilt der Verband die Einschätzung des BMJV: Auch der DBSV ist der Meinung, dass sich der Erfüllungsaufwand erst bei der Vorbereitung der Rechtsverordnung "konkretisieren" werde.

Verwaltung

Mit der Aufsicht über die befugten Stellen soll das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) betraut werden. Hierdurch entsteht bei der Verwaltung des Bundes jährlicher Erfüllungsaufwand von rund 45.000 Euro (je eine 1/4 Stelle mittlerer, gehobener und höherer Dienst).

Dem NKR liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass mit dem Vorhaben über eine 1:1-Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie hinausgegangen wird.

II.3 Evaluierung

Die Marrakesch-Richtlinie soll sicherstellen, dass seh- und lesebehinderte Personen im gesamten Binnenmarkt Zugang zu Büchern und anderem gedruckten Material in einem barrierefreien Format haben. Die Erreichung dieses Ziels, die hierzu in den Mitgliedstaaten getroffenen Regelungen und deren Wirksamkeit wird die Kommission bis zum 11.10.2023 überprüfen. Grundlage der Evaluierung werden Berichte sein, die die Mitgliedstaaten nach unionsrechtlich definierten Vorgaben übermitteln müssen. Der deutsche Bericht wird dem nationalen Evaluierungsverfahren nach dem Staatssekretärsbeschluss der Bundesregierung gleichwertig sein.

III. Ergebnis

Der Gesetzentwurf enthält die Ermächtigung des BMJV zum Erlass einer Rechtsverordnung, stellt jedoch den mit dieser Ermächtigung verbundenen Erfüllungsaufwand nur für die Verwertungsgesellschaften und nicht auch für die Blindenbibliotheken/befugten Stellen dar. Damit entspricht er nicht den Anforderungen einer Vorlage an die Bundesregierung. Dennoch erhebt der Nationale Normenkontrollrat in diesem Ausnahmefall keine Einwendungen, weil das Ressort und der Dachverband der Blindenbibliotheken übereinstimmend davon ausgehen, dass sich der Erfüllungsaufwand erst mit dem Erlass der Rechtsverordnung belastbar abschätzen lässt.

Dr. Ludewig Dr. Holtschneider
Vorsitzender Berichterstatter