Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. März 2007 zu den lokalen Gebietskörperschaften und zur Entwicklungszusammenarbeit

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 107099 - vom 10. April 2007.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 15. März 2007 angenommen.

Das Europäische Parlament,

Fachwissen und Mehrwert der lokalen Behörden für die Entwicklungszusammenarbeit

A. in der Erwägung, dass die Verwirklichung der MDG eine der Prioritäten der Europäischen Union ist und dass die wesentliche Rolle der Gebietskörperschaften bei der Verwirklichung dieser Ziele von den Vereinten Nationen und insbesondere vom Generalsekretär der Vereinten Nationen anerkannt wurde, der anlässlich des Millenniumsgipfels im Jahr 2005 erklärte: "Wie können wir erwarten, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen, ohne Fortschritte in Bereichen wie Bildung, Bekämpfung des Hungers, Gesundheit, Zugang zu Wasser, sanitäre Versorgung und Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen? Die Städte und die lokalen Gebietskörperschaften haben eine entscheidende Rolle in all diesen Bereichen zu spielen [...]. Auch wenn unsere Ziele globaler Art sind, so können sie doch auf lokaler Ebene am wirksamsten sein",

B. in der Erwägung, dass es derzeit 110 Jahre dauern würde, um die für 2015 festgelegten MDG zu erreichen und dass die Erfahrung der lokalen Behörden in zahlreichen Bereichen der Entwicklung wie Wasserwirtschaft, Bekämpfung von Aids, Politik zur Gleichstellung der Geschlechter, Abfallbewirtschaftung, sozialer Zusammenhalt und lokale Wirtschaftsentwicklung von der Europäischen Union als ein notwendiger Beitrag zur Verwirklichung der MDG anerkannt werden müsste,

C. in der Erwägung, dass jedes Kind das Recht hat, bei seiner Geburt amtlich registriert zu werden, sowie unter Hinweis auf die konkrete Rolle, die den lokalen Behörden in diesem Zusammenhang zukommt, und auf die direkte Verknüpfung zwischen der Anwendung dieser Praxis und der Wahrung der diesbezüglichen Grundprinzipien der Menschenrechte, die dem Schutz von Kindern vor Kinderarbeit dienen,

D. in der Erwägung, dass verantwortungsvolle Staatsführung eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union ist und dass lokale Demokratie und Dezentralisierung gemäß dem zuvor genannten Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik im Mittelpunkt der demokratischen Staatsführung stehen,

E. in der Erwägung, dass in 20 Jahren 60 % der Weltbevölkerung in Städten leben wird und dass diese folglich eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Lebensbedingungen der ärmsten Bevölkerung zu spielen haben,

F. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden in der ganzen Welt Erfahrung durch folgende Maßnahmen erwerben müssen:

G. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden die erforderliche politische Legitimität, das Knowhow und die Erfahrung zur Verwaltung der lokalen Angelegenheiten sowie die Möglichkeit haben, die anderen lokalen Akteure um sich herum zu mobilisieren,

H. in der Erwägung, dass trotz der Bedeutung der Beteiligung der lokalen Behörden am Prozess der Zusammenarbeit, die im Abkommen von Cotonou und im Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik anerkannt wird, noch kein ständiger Mechanismus eingeführt wurde, um die Beteiligung dieser Akteure an dem Dialog mit der Kommission in Europa und in den Entwicklungsländern sicherzustellen; in der Erwägung jedoch, dass dieser Mechanismus für die nichtstaatlichen Akteure besteht,

In Europa

I. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden derzeit ein bereits sachkundiger und seit langem in der Entwicklungshilfe aktiver Akteur sind: sie sind seit über 30 Jahren Experten in allen Bereichen der städtischen Entwicklung und im ländlichen Raum und weiten ihre Tätigkeit, die ein immer breiteres Tätigkeitsfeld abdeckt, ständig aus, womit sie ein Netz der Solidarität bilden, das sich über die ganze Welt erstreckt; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen derzeit sehr oft von den einzelnen Staaten unterstützt und finanziert werden,

J. in der Erwägung, dass die nationalen und regionalen Verbände europäischer lokaler Behörden eine immer wichtigere Rolle bei der Information, der Stärkung der Kapazitäten und dem Dialog spielen und auf diese Weise einer der "bevorzugten Kanäle" der Europäischen Union und der anderen Entwicklungspartner werden können, um die Beteiligung der lokalen Behörden, die sie vertreten, am Dialog mit der Kommission in Europa, sicherzustellen,

K. in der Erwägung, dass den europäischen lokalen Gebietskörperschaften und ihren Verbänden eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Information, Mobilisierung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit in der Europäischen Union auf lokaler Ebene unter direkter Einbeziehung der Bürger zukommt; in der Erwägung, dass dies zur Aneignung der Werte der Solidarität und der Entwicklungshilfe beiträgt, wie dies die vom Weltverband CGLU mit der Unterstützung der Vereinten Nationen im Juli 2005 gestartete "Millenniumskampagne der Städte" zeigt; in der Erwägung, dass in diesem Rahmen die europäische Sektion des CGLU, d. h. des RGRE, seit April 2006 die europäischen Städte zur Förderung und Verwirklichung der MDG mobilisiert,

L. in der Erwägung, dass die lokalen Pläne und Programme zur Sensibilisierung für Entwicklungsfragen, die in einer immer größeren Zahl von Gemeinden und Regionen aufgestellt werden, sich nicht auf punktuelle Maßnahmen beschränken, sondern im Gegenteil ein umfassendes Bildungs- und Informationsprogramm für die Bevölkerung auf lokaler Ebene festlegen,

M. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden Schlüsselakteure im Entwicklungsprozess sind, denen eine dynamisierende und koordinierende Funktion in Bezug auf die wirtschaftlichen und sozialen Akteure vor Ort zukommt,

N. in der Erwägung, dass die Partnerschaftsverbindungen zwischen europäischen Städten und Städten der südlichen Hemisphäre derzeit keine finanzielle Unterstützung seitens der Europäischen Union erhalten, obwohl die Initiativen für eine Zusammenarbeit der europäischen Städte mit den Städten in den Ländern des Südens immer zahlreicher werden,

O. in der Erwägung, dass den Zuwanderern in Europa bei der Entwicklungszusammenarbeit durch ihren Mehrwerts aufgrund des spezifischen Potenzials, über das sie verfügen, ihre Sachkenntnis und die Nähe zu ihrem Herkunftsland eine bedeutenden Rolle zukommt; in der Erwägung in diesem Zusammenhang, dass die dezentralisierte Zusammenarbeit einen bevorzugten und geeigneten Interventionsbereich für die aus der Zuwanderung hervorgegangenen Organisationen der internationalen Solidarität darstellt, und zwar sowohl in Bezug auf die in den Herkunftsländern der Zuwanderer eingeleiteten Aktivitäten als auch hinsichtlich der Projekte zur Bildungsarbeit im Entwicklungsbereich und zur Sensibilisierung in ihren Aufnahmeländern,

In den Entwicklungsländern

P. in der Erwägung, dass in der "dezentralisierten Zusammenarbeit", wie sie von der Europäischen Union seit dem vierten Abkommen von (Lomé IV), das am 15 Dezember 1989 unterzeichnet wurde, definiert wurde, der Wille zum Ausdruck kommt, über die Hilfe für die Entwicklungsländer nicht mehr nur mit den Drittstaaten zu beschließen, sondern auch die lokalen Behörden in die politischen Entscheidungen sowie in die Durchführung der Hilfe einzubeziehen, um dafür zu sorgen, dass diese wirksamer und machbarer wird; in der Erwägung, dass es darum geht, die Modalitäten der europäischen Zusammenarbeit dauerhaft zu verändern und dabei von den Erwartungen der Bevölkerung auszugehen, damit die Projekte besser dem tatsächlichen Bedarf entsprechen,

Q. in der Erwägung, dass die Beteiligung und die Eigenverantwortung für die Entwicklungspolitiken, die vorrangige Grundsätze der Europäischen Union darstellen, die Voraussetzung für die Einbindung der lokalen Behörden sind, da sich diese über das gesamte Gebiet verteilen und daher in der Lage sind, eine Politik der Nachbarschaft zu gewährleisten und die Erwartungen der Bevölkerung im Alltag, insbesondere in den am weitesten abgelegenen Gebieten, weiterzugeben,

R. in der Erwägung, dass die Gebietskörperschaften in allen Entwicklungsländern über Erfahrung vor Ort verfügen, und zwar in so verschiedenen Bereichen wie sanitäre Versorgung, Bildung, Gesundheit, Wohnung, Förderung von Frauen in den lokalen Entscheidungsgremien, Informationssystemen über Drogen, Tourismusmanagement, Erhaltung des städtischen historischen Erbes, Entwicklung der lokalen Gesundheitsdienste, Wasserwirtschaft und öffentlicher Verkehr,

S. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden infolge der Dezentralisierung und der staatlichen Reformen, die in den meisten Regionen der Erde im Gange sind, als eine sowohl getrennte als auch repräsentative Regierungsebene erscheinen mit neuen Verantwortlichkeiten in sehr unterschiedlichen politischen Tätigkeitsfeldern, die für die Bekämpfung der Armut und zur Erreichung der MDG von wesentlicher Bedeutung sind, wie beispielsweise medizinische Grundversorgung, Wasser, sanitäre Versorgung, Zugang zu Bildung, Schutz der Umwelt, lokale Wirtschaftsentwicklung, HIV/Aids-Prävention und Gleichstellung der Geschlechter,

T. in der Erwägung, dass die Einbindung der Gebietskörperschaften zur Stärkung der lokalen Demokratie und zur Demokratisierung der Verwaltung der Hilfe auf lokaler Ebene beitragen kann, sowie in Erwägung der Rolle, die in dieser Hinsicht die nationalen Verbände der Gebietskörperschaften in den Ländern des Südens spielen können,

U. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden, dort, wo sie durch Wahl legitimiert sind, auf Grund ihrer strategisch wichtigen Position zwischen nationaler Regierung und Zivilgesellschaft ein idealer Mittler zur Förderung der für eine wirksame und koordinierte Hilfe notwendigen Konzertierung zwischen den verschiedenen Entwicklungspartnern sind,

V. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden, da sie näher am Ort des Geschehens sind als der Zentralstaat oder die internationalen Geldgeber, einen spezifischen Mehrwert bieten, dass sie die lokalen Auswirkungen der nationalen und internationalen Entwicklungsstrategien besser einschätzen können und dadurch eine Hilfe leisten können, die besser den Besonderheiten der von ihnen verwalteten Gebiete angepasst ist,

W. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden mithilfe angemessener Mittel ein stabiler Rahmen sein könnten, der es den neuen Akteuren gestattet, sich zu äußern, sich zu organisieren und sich den Erfordernissen der europäischen Partnerschaft anzupassen,

X. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden auf Grund ihrer spezifischen Kenntnis des von ihnen verwalteten Gebiets ein wesentlicher Hebel im Kampf gegen Armut und Ungleichheit sind,

Y. in der Erwägung, dass beispielsweise in der lateinamerikanischen Region die rasante Entwicklung des Phänomens der Urbanisierung dazu führt, dass die Städtepolitik den ersten Platz bei den Entwicklungsthemen einnimmt und die Städte und städtischen Metropolen die bevorzugten Ansprechpartner der Regierungen für die Bewältigung der wichtigsten sozialen Probleme (Migration, Jugend, Armut, Beschäftigung) werden,

Z. in der Erwägung ferner, dass der Dialog zwischen den lokalen Behörden und den nichtstaatlichen Akteuren im Hinblick auf die Ausarbeitung und Durchführung der von der Europäischen Union für die lokale Entwicklung finanzierten Maßnahmen gefördert werden muss,

AA. in der Erwägung, dass die Beteiligung der lokalen Behörden der Entwicklungsländer einen Prozess der Eigenverantwortung für die Strategien der Entwicklungszusammenarbeit verlangt, der unter anderem eine Verbesserung ihres Zugangs zur Information, ihrer Organisationsmöglichkeiten und ihrer Vertretungsmechanismen, ihrer Dialog- und Vorschlagskapazität in Bezug auf die Politikbereiche der Zusammenarbeit und der Kapazitäten zur Teilnahme an den nationalen, regionalen und internationalen Dialog- und Konzertierungsforen erfordert,

AB. in der Erwägung, dass der Weltverband CGLU bei der Strukturierung und Darstellung des Bedarfs der Gebietskörperschaften der Entwicklungsländer eine Rolle zu spielen hat,

AC. in der Erwägung, dass trotz dieses Fachwissens in Entwicklungsfragen die Rolle der lokalen Behörden im Entwicklungsprozess bisher unterschätzt und zu wenig genutzt wurde,

Den lokalen Behörden die Mittel geben, um ihre Rolle bei der Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele wahrzunehmen