Antrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern
Entwurf eines Integrationsgesetzes

Punkt 19 der 946. Sitzung des Bundesrates am 17. Juni 2016

Der Bundesrat möge beschließen:

Zu Artikel 5 Nummer 3 ( § 12a Absatz 7 AufenthG)

In Artikel 5 Nummer 3 § 12a ist Absatz 7 zu streichen.

Begründung:

§ 12a Absatz 1 AufenthG-E begründet kraft Gesetzes eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme im Land der Erstzuweisung im Asylverfahren bzw. im Aufnahmeverfahren und erfasst Ausländer, die als Asylberechtigte, Flüchtlinge im Sinne von § 3 Absatz 1 AsylG oder subsidiär Schutzberechtigte im Sinne von § 4 Absatz 1 AsylG anerkannt worden sind oder denen nach den §§ 22, 23 oder 25 Absatz 3 AufenthG erstmalig Aufenthaltstitel erteilt worden sind. Diese Ausländer werden verpflichtet, für einen Zeitraum von drei Jahren ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in dem Zuweisungsland ihren Wohnsitz zu nehmen.

Bereits die Umsetzung dieser gesetzlichen Wohnsitzverpflichtung wird die Länder und insbesondere die betroffenen Ausländerbehörden vor immense Herausforderungen stellen. Da die aktuellen Zugangszahlen aber relativ moderat sind, ist derzeit davon auszugehen, dass die damit verbundenen Vollzugsaufgaben von den betroffenen Behörden zeitnah umgesetzt werden können und dies zu einem Gelingen der Integration beitragen wird.

Anders stellt sich die Situation jedoch in Bezug auf den von § 12a Absatz 7 AufenthG-E betroffenen Personenkreis dar. Nach dieser Norm gelten die Vorgaben der Absätze 1 bis 6 auch für Ausländerinnen und Ausländer, deren Anerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder bei denen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 1. Januar 2016 erfolgt ist.

Auch wenn die Bundesregierung davon ausgeht, dass die Rückwirkung aufgrund der konkreten Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben (zum Beispiel als "kann"-Regelungen) und durch die Ausnahme- und Abweichungsmöglichkeiten auch bei Wohnsitzverpflichteten den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die aus einer Wohnsitzverpflichtung resultierenden Belastungen und Einschränkungen insbesondere für die Menschen, die zumindest Anfang des Jahres noch auf das europäische Freizügigkeitsrecht und die darauf beruhende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vertrauen durften, weitaus belastender sind. Dies hat erst Recht für die Menschen zu gelten, die sich - im Gegensatz zu den sogenannten Fehlbelegern- nach ihrer Anerkennung nicht verweigert haben, ihren während des Asylverfahrens zugewiesenen Wohnraum zu verlassen, sondern die selbstbestimmt im Vertrauen auf jenes Freizügigkeitsrecht ihren Wohnsitz in ein anderes Bundesland verlegt haben. Da bereits jetzt die Gefahr gesehen wird, dass Gerichte generell derart langfristige Wohnsitzverpflichtungen als unverhältnismäßig bewerten könnten, dürfte dies erst recht für den hier in Rede stehenden Personenkreis gelten, der von dem bisher bestehenden Recht auf die freie Wahl des Wohnortes Gebrauch gemacht hat. Ob die nunmehr beabsichtigte Rückwirkung, die sicherlich für einige Länder im Tatsächlichen wünschenswert ist, dennoch verhältnismäßig ist, dürfte deshalb fraglich sein.

Doch auch ungeachtet dieser verfassungsrechtlichen Bedenken wird die Rückwirkung in der Praxis nicht umzusetzen sein. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass allein nach den Zahlen des BAMF bundesweit mehr als 140 000 Menschen von dieser Rückwirkung betroffen sein könnten. Auch wenn davon auszugehen ist, dass nicht alle Betroffenen in andere Länder verzogen sind, ist die Umsetzung der gesetzlich geltenden Wohnsitzverpflichtung für viele Ausländerbehörden nicht leistbar. Es ist allgemein bekannt, dass bundesweit alle Ausländerbehörden, ebenso wie die mit der Leistungsgewährung betrauten Behörden, bereits jetzt am Limit arbeiten.

Wenn nunmehr hinzukommt, dass diese rückwirkend auch für die Umsetzung der Wohnsitzverpflichtung für Menschen, die sich bereits seit einigen Monaten nicht mehr in ihrem Zuständigkeitsbereich aufhalten, zuständig sind, wird dies die Grenzen des Leistbaren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sprengen. Hinzu kommt, dass die Frage der Zuständigkeit von grundlegender Bedeutung ist, da insbesondere die örtliche Zuständigkeit für den Leistungsbezug konstituierend ist.