Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates zur Nichtberücksichtigung von Aufwandsentschädigungen aus einem Ehrenamt als Hinzuverdienst im Rentenrecht

Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Berlin, den 10. Mai 2012
Parlamentarischer Staatssekretär

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
am 17. Dezember 2010 wurde die "Entschließung des Bundesrates zur Nichtberücksichtigung von Aufwandsentschädigungen aus einem Ehrenamt als Hinzuverdienst im Rentenrecht" (BR-Drucksache 752/10(B) HTML PDF ) gefasst. Damit wurde die Bundesregierung gebeten, zeitlich unbegrenzt geltende Regelungen im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zu schaffen, nach denen Aufwandsentschädigungen für ein kommunales Ehrenamt, für ein Mitglied der Selbstverwaltung, einen Versichertenältesten oder eine Vertrauensperson der Sozialversicherungsträger bei vorzeitigen Altersrenten und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen sind.

Anlass der Forderung des Bundesrates war die Absicht der Bundesregierung, eine Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und einen entsprechenden Beschluss der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Berücksichtigung der Einkünfte von ehrenamtlich Tätigen als Hinzuverdienst bei Renten der gesetzlichen Rentenversicherung gesetzlich umsetzen. Nach ihrer bisherigen Rechtsanwendung hatten die Rentenversicherungsträger Aufwandsentschädigungen für kommunale Ehrenbeamte sowie für ehrenamtlich in kommunalen Vertretungskörperschaften Tätige oder für Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, Versichertenälteste oder Vertrauenspersonen der Sozialversicherungsträger nur in der Höhe als Hinzuverdienst berücksichtigt, in der sie einen konkreten Verdienstausfall ersetzten. Nach der neueren ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit versicherungspflichtigem Arbeitsentgelt bei ehrenamtlichen Bürgermeistern (siehe etwa BSG-Urteil vom 25. Januar 2006, Az. B 12 KR 12/05 R) konnte diese Rechtsauffassung nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Rentenversicherungsträger setzten den entsprechenden Beschluss seit dem 21. September 2010 um, wonach auch Einkünfte aus den genannten ehrenamtlichen Beschäftigungen oder Tätigkeiten in der Höhe als Hinzuverdienst zu berücksichtigen waren, in der sie Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 oder Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch darstellen.

Aus Vertrauensschutzgründen beabsichtigte die Bundesregierung, bei Bestandsrenten und neu beginnenden Altersrenten die Aufwandsentschädigungen für kommunale Ehrenbeamte (zum Beispiel ehrenamtliche Bürgermeister, Ortsvorsteher), für ehrenamtlich in kommunalen Vertretungskörperschaften Tätige (zum Beispiel Mitglieder im Gemeinderat) und für Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, Versichertenälteste oder Vertrauenspersonen der Sozialversicherungsträger, die nach bisheriger Rechtsauslegung nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen waren, für einen befristeten Zeitraum weiterhin nicht als Hinzuverdienst anzurechnen. Angesichts der Härten, die sich für den zuvor genannten Personenkreis aus der neuen Rechtsauslegung ergeben hätten, wurde eine Übergangsregelung erarbeitet, die für eine vorübergehende Zeit dem Vertrauen der Betroffenen in die zuvor geltende, günstigere Rechtsauslegung Rechnung tragen soll.

Da es nach Ablauf der Übergangsfrist wieder zu einer unzumutbaren Kürzung von vorzeitigen Alters- und Erwerbsminderungsrenten kommen würde, forderte der Bundesrat mit der Entschließung eine dauerhafte Regelung zum Schutz des Ehrenamtes.

Die Entschließung wurde in der Stellungnahme des Bundesrates zum Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (BR-Drucksache 315/1/11, 315/11(B) HTML PDF ) aufgegriffen und die damit verfolgte Dauerregelung zur Nichtberücksichtigung von ehrenamtlichen Aufwandsentschädigungen als Änderung im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen:

[ ... ] Nachdem eine Entschließung des Bundesrates zur dauerhaften Nichtberücksichtigung von Aufwandsentschädigungen aus einem Ehrenamt als Hinzuverdienst im Rentenrecht vom 19. November 2010 - BR-Drucksache 752/10(B) HTML PDF - von der Bundesregierung nicht aufgegriffen wurde, ist nunmehr im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf eine entsprechende Änderung hinzuwirken."

[ ... ] Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Vertrauensschutzregelung stellt langfristig keine befriedigende Lösung dar. [ ... ] Zum Schutz des Ehrenamtes und aufgrund seiner besonderen gesellschaftlichen Bedeutung sollte die Übergangsregelung durch eine dauerhafte Regelung ersetzt werden."

Zu der Stellungnahme des Bundesrates hat sich die Bundesregierung wie folgt geäußert (Drucksache 17/6764):

"Eine Dauerregelung im Sozialversicherungsrecht, wonach Aufwandsentschädigungen von allen ehrenamtlich Tätigen nicht als Hinzuverdienst bei Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden, kann nicht in Aussicht gestellt werden. Sie wäre unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten als problematisch einzustufen.

Denn bei allen anderen abhängig Beschäftigten oder selbständig Tätigen werden über der Hinzuverdienstgrenze liegende Einkünfte beziehungsweise Gewinne auf die Rente angerechnet. Es wäre beispielsweise einem Rentenbezieher, der im Lebensmittelhandel gegen einen monatlichen Verdienst oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze Regale auffüllt, nur schwer vermittelbar, dass bei ihm eine Hinzuverdienstanrechnung erfolgt, während diese bei einem ehrenamtlichen Bürgermeister mit einer Aufwandsentschädigung in mehrfacher Höhe unterbleiben würde.

Aus Vertrauensschutzgründen werden die Aufwandsentschädigungen für kommunale Ehrenbeamte (zum Beispiel ehrenamtliche Bürgermeister, Ortsvorsteher), für ehrenamtlich in kommunalen Vertretungskörperschaften Tätige (zum Beispiel Mitglieder im Gemeinderat) und für Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, Versichertenälteste oder Vertrauenspersonen der Sozialversicherungsträger, das heißt für den begrenzten Personenkreis, bei dem nach bisheriger Rechtsauslegung die Aufwandsentschädigungen nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen waren, für einen befristeten Zeitraum weiterhin nicht als Hinzuverdienst berücksichtigt. Die von der Änderung der Rechtsauslegung betroffenen Ehrenbeamten hatten sich auf die bisherige Auslegung des Rechts eingestellt. Angesichts der besonderen Härten, die sich aus der neuen Rechtsauslegung ergeben können, soll daher dem Vertrauen der Betroffenen in die bisher geltende Auslegung Rechnung getragen werden.

Hierbei ist zu beachten, dass rentenrechtlich als Hinzuverdienst auch nach Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist zudem ohnehin nur der steuerpflichtige Anteil der gezahlten Aufwandsentschädigung berücksichtigt wird. Der steuerfreie Teil, der mindestens ein Drittel der Entschädigung ausmacht und den ehrenamtlichen Charakter honoriert, bleibt von vornherein unberücksichtigt. Somit würde mit einer dauerhaften Sonderregelung zur kompletten Nicht-Berücksichtigung der Aufwandsentschädigung im Rentenrecht auch das in sich stimmige System zur Berücksichtigung von Hinzuverdienst bei Renten, das von einer Parallelität von Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ausgeht, auf Dauer aus dem Gleichgewicht geraten."

Die vom Bundesrat geforderte Dauerregelung konnte daher keine Berücksichtigung im Gesetzgebungsverfahren zum Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze finden. An den zum damaligen Zeitpunkt genannten Gründen und der fünfjährigen Vertrauensschutzregelung ist weiterhin festzuhalten.

Eventuell negative Auswirkungen der Hinzuverdienstregelungen können durch Anwendung des geplanten Kombirentenmodells gemindert werden. Derzeit erhalten Rentnerinnen und Rentner, die die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben und mehr als 400 Euro im Monat hinzuverdienen, im Rahmen von starren monatlichen Grenzen nur eine Teilrente. Schon ein geringes Überschreiten dieser Grenzen führt zu einer unverhältnismäßig starken Rentenkürzung. Nach dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für ein Gesetz zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung werden Teilzeitarbeit und (vorgezogene) Rente künftig besser kombinierbar. Dies kommt gerade Menschen zugute, die in Berufen mit hohen Belastungen arbeiten und die nicht Vollzeit bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können. Darüber hinaus kann durch die neue individuelle Hinzuverdienstgrenze, die die bisherigen starren Hinzuverdienstgrenzen ersetzt, auch neben einer Vollrente regelmäßig mehr als 400 Euro hinzuverdient werden. Denn die neue Kombirente ermöglicht ein Einkommen aus Rente und Hinzuverdienst in der Höhe des früheren Einkommens. So werden Rentnerinnen und Rentnern - und damit insbesondere auch Ehrenbeamten - deutlich verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeiten eröffnet.

Mit freundlichen Grüßen Hans-Joachim Fuchtel

Siehe Drucksache 752/10(B) HTML PDF