Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates: Rahmenbedingungen für eine gelingende schulische Inklusion weiter verbessern - Poolen von Integrationshilfen rechtssicher ermöglichen

Der Bundesrat hat in seiner 937. Sitzung am 16. Oktober 2015 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Anlage
Entschließung des Bundesrates: Rahmenbedingungen für eine gelingende schulische Inklusion weiter verbessern - Poolen von Integrationshilfen rechtssicher ermöglichen

Die Bundesregierung wird gebeten, im Rahmen des Gesetzesvorhabens zum Bundesteilhabegesetz die derzeitigen Vorschriften für Hilfen zur angemessenen Schulbildung, insbesondere für den Bereich der Integrationshilfen/Schulbegleitungen, im Sinne einer inklusiven Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen weiter zu entwickeln; dies gilt auch für die Förderschulen.

Begründung:

Mit Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention haben sich alle Vertragsstaaten verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleisten, um das Recht von Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen.

Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention führt aus:

"Menschen mit Behinderungen dürfen nicht aufgrund ihrer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden".

Dieser Rechtsanspruch von Kindern und Jugendlichen ist als Gemeinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung auszugestalten. Sie sollen wohnortnah Zugang zu inklusivem Unterricht in Grundschulen und weiterführenden Schulen erhalten (vergleiche Stellungnahme der Monitoring-Stelle beim Deutschen Institut für Menschenrechte vom 31. März 2011).

Schülerinnen und Schüler, die wegen einer bestehenden oder einer drohenden Behinderung auf Unterstützung angewiesen sind, werden durch individuell angepasste Maßnahmen unterstützt. Zum einen sind dies stets pädagogische, gegebenenfalls auch sonderpädagogische Maßnahmen, umgesetzt in der Verantwortung der Schulen, zum anderen gegebenenfalls Eingliederungshilfeleistungen durch die zuständigen Träger der Sozial- oder Jugendhilfe.

An zunehmender Bedeutung gewinnende Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung inklusiver Beschulung sind in diesem Zusammenhang die Integrationshilfen nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 SGB XII oder § 35a SGB VIII als Leistungen der Eingliederungshilfe. Die wesentlichen Zielsetzungen dieser Maßnahmen sind die individuelle Unterstützung in lebenspraktischen Bereichen und bei der Bewältigung der schulischen Anforderungen.

Aus Sicht des Bundesrates kann sowohl der Besuch von Förderschulen als auch das Gemeinsame Lernen in allgemeinen Schulen auch weiterhin eine Unterstützung durch nichtpädagogisches Personal in Form von Integrationshilfen erfordern. Daraus folgt aber auch, dass die zunehmende Zahl von Integrationshelferinnen und Integrationshelfern und damit die Anwesenheit von zu vielen Erwachsenen im Schulalltag in den einzelnen Klassen zu Problemen im Unterrichtsablauf führen kann.

Um die Teilhabe aller am allgemeinen Bildungswesen sicherzustellen, Inklusion zu ermöglichen und Benachteiligungen abzubauen, ist eine ständige Weiterentwicklung des Systems Schule und der Eingliederungshilfe sowie die Anpassung der vorhanden Instrumente und Ansätze erforderlich.

Zu diesem Zweck ist es auch notwendig, die Aufgaben der Jugend- und Sozialhilfe bei Hilfen zur angemessenen Schulbildung in Abgrenzung zur Verantwortung der Schule im Kernbereich ihrer pädagogischen Aufgaben klarzustellen und die systemübergreifende Verantwortung für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen besser zu verankern.

Ein Instrument, das zum einen den individuellen Unterstützungsbedarf von Schülerinnen und Schülern mit einer bestehenden oder drohenden Behinderung berücksichtigt und zum anderen gleichzeitig Störungen im Unterrichtsablauf durch eine zu hohe Zahl von Erwachsenen entgegen wirken kann, ist das Poolen von Integrationshilfen. Damit kann die Möglichkeit gegeben sein, dass eine Integrationshelferin oder ein Integrationshelfer für zwei oder mehrere Schülerinnen und Schüler die notwendige Unterstützung leistet. Dieses Instrument wird allerdings bundesweit sehr unterschiedlich angewandt und in seinen Potentialen noch nicht ausreichend ausgeschöpft. Hier ist es aus Sicht des Bundesrates notwendig, die rechtlichen Voraussetzungen klarstellend zu regeln.

Der Bundesrat geht hierbei davon aus, dass auch ein zukünftiges Bundesteilhabegesetz sich am individuellen Bedarf der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen orientiert und deren Bedarfe deckt.

Um ein möglichst hohes Maß an Kontinuität in der Betreuung und einen zielführenden Einsatz der Integrationshilfen in Schulen zu unterstützen, sieht der Bundesrat neben der eigenen Verantwortung der Länder, die Ressourcen von Schulen für den gemeinsamen Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung zu stärken, außerdem einen Lösungsweg darin, die gesetzlichen Voraussetzungen so zu schaffen, dass im Interesse einer flexibleren Leistungsinanspruchnahme die Ansprüche mehrerer Leistungsberechtigter in einen Pool eingebracht werden können, um hieraus individuelle Leistungen der Eingliederungshilfe bedarfsgerecht zu erbringen. Die Integrationshilfe kann so flexibler agieren und klassenübergreifend tätig sein, ohne den Blick auf den individuellen Bedarf einzelner Schülerinnen und Schüler zu verlieren.

Der Bundesrat verkennt dabei nicht, dass es im Einzelfall Bedarfslagen bei Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen gibt, die durch ein Poolen nicht gedeckt werden können. Daher bedarf es auch in einem Bundesteilhabegesetz weiterhin des Grundsatzes, dass die individuellen Bedarfe und deren Deckung in einem individuellen Hilfeplanverfahren ermittelt und regelmäßig fortgeschrieben werden müssen und für den Fall, dass eine Einzelbetreuung erforderlich ist, diese auch zu gewähren ist.

Der Bundesrat sieht das Erfordernis, dass der Bundestag die einschlägigen Vorschriften der Eingliederungshilfe im Bundesteilhabegesetz so anpasst, dass der Weg zu einem rechtssicheren und bundesweit einheitlichen Poolen von Integrationshilfen ermöglicht wird.

Aus Sicht des Bundesrates ist es zudem erforderlich, den Einsatz von Integrationshelfern für alle schulischen Angebote, dass heißt neben den unterrichtlichen auch für außerunterrichtliche Angebote, wie die im Nachmittagsbereich öffentlich geförderten Bildungs- und Betreuungsangebote (zum Beispiel Offener Ganztag), als Hilfe zur angemessenen Schulbildung zu definieren und hier für Rechtssicherheit zu sorgen. Dies wird in der Bewilligungspraxis derzeit noch sehr uneinheitlich gehandhabt.