Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken
(Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG)

A. Problem und Ziel

Gegenwärtig ist eine massive Veränderung des gesellschaftlichen Diskurses im Netz und insbesondere in den sozialen Netzwerken festzustellen. Die Debattenkultur im Netz ist oft aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt. Durch Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte kann jede und jeder aufgrund der Meinung, Hautfarbe oder Herkunft, der Religion, des Geschlechts oder der Sexualität diffamiert werden. Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte, die nicht effektiv bekämpft und verfolgt werden können, birgt eine große Gefahr für das friedliche Zusammenleben einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft. Nach den Erfahrungen im US-Wahlkampf hat überdies auch in der Bundesrepublik Deutschland die Bekämpfung von strafbaren Falschnachrichten ("Fake News") in sozialen Netzwerken hohe Priorität gewonnen. Es bedarf daher einer Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, um objektiv strafbare Inhalte wie etwa Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung oder Störung des öffentlichen Friedens durch Vortäuschen von Straftaten unverzüglich zu entfernen.

Die zunehmende Verbreitung von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook, YouTube und Twitter hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereits im Jahr 2015 veranlasst, eine Task Force mit den Betreibern der Netzwerke und Vertretern der Zivilgesellschaft ins Leben zu rufen. Die in der Task Force vertretenen Unternehmen haben zugesagt, den Umgang mit Hinweisen auf Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte auf ihren Seiten zu verbessen. Die Unternehmen haben sich verpflichtet, anwenderfreundliche Mechanismen zur Meldung kritischer Beiträge einzurichten und die Mehrzahl der gemeldeten Beiträge mit sprachlich und juristisch qualifizierten Teams innerhalb von 24 Stunden zu prüfen und zu löschen, falls diese rechtswidrig sind. Maßstab der Prüfung ist deutsches Recht.

Die Selbstverpflichtungen der Unternehmen haben zu ersten Verbesserungen geführt. Diese reichen aber noch nicht aus. Noch immer werden zu wenige strafbare Inhalte gelöscht. Ein von jugendschutz.net durchgeführtes Monitoring der Löschpraxis sozialer Netzwerke vom Januar/Februar 2017 hat ergeben, dass die Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern gegen Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte nach wie vor nicht unverzüglich und ausreichend bearbeitet werden. Zwar werden bei YouTube mittlerweile in 90 Prozent der Fälle strafbare Inhalte gelöscht. Facebook hingegen löschte nur in 39 Prozent der Fälle, Twitter nur in 1 Prozent der Fälle.

Die Anbieter der sozialen Netzwerke haben eine Verantwortung, der sie gerecht werden müssen. Angesichts der Tatsache, dass das bisherige Instrumentarium und die zugesagten Selbstverpflichtungen der sozialen Netzwerke nicht ausreichend wirken und es erhebliche Probleme bei der Durchsetzung des geltenden Rechts gibt, bedarf es der Einführung von bußgeldbewehrten Compliance-Regeln für soziale Netzwerke, um effektiv und unverzüglich gegen Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte im Netz vorgehen zu können.

B. Lösung

Um die sozialen Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden insbesondere von Nutzerinnen und Nutzer über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte anzuhalten, werden durch den Entwurf gesetzliche Compliance-Regeln für soziale Netzwerke eingeführt. Vorgesehen sind eine gesetzliche Berichtspflicht für soziale Netzwerke über den Umgang mit Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten, ein wirksames Beschwerdemanagement sowie die Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Verstöße gegen diese Pflichten können mit Bußgeldern gegen das Unternehmen und die Aufsichtspflichtigen geahndet werden. Außerdem wird Opfern von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz ermöglicht, aufgrund gerichtlicher Anordnung die Bestandsdaten der Verletzer von Diensteanbietern zu erhalten.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Entwurf führt neun neue Informationspflichten für soziale Netzwerke ein, die in einem vierteljährlich zu erstellenden Bericht zu erfüllen sind. Die Schätzung des damit verbundenen Erfüllungsaufwands ist naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden. Der auf jeden Bericht entfallende Erfüllungsaufwand einschließlich der Entgelte für die Veröffentlichung im Bundesanzeiger wird auf 50 000 Euro geschätzt. Hierbei wird auch berücksichtigt, dass die Berichte thematisch auf die Bekämpfung von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten im Sinne dieses Entwurfs beschränkt sind.

Wegen des Schwellenwertes in § 1 Absatz 2 (zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzer im Inland) werden höchstens zehn soziale Netzwerke berichtspflichtig werden. Der gesamte Erfüllungsaufwand für die Berichtspflicht ist daher auf zwei Millionen Euro jährlich zu schätzen.

Die Schätzung des Erfüllungsaufwand für die Pflicht zur Vorhaltung eines wirksamen Beschwerdesystems ist ebenfalls mit Unsicherheiten verbunden. Unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände ergibt sich ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 25 Millionen Euro für die Pflicht zur Vorhaltung eines wirksamen Beschwerdemanagements.

Schließlich wird der Erfüllungsaufwand der Pflicht, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten für jeden Zivilprozess und jedes Bußgeldverfahren nach diesem Gesetz zu benennen, auf eine Million Euro jährlich geschätzt.

Der Erfüllungsaufwand für den durch die Änderung in Artikel 2 durchsetzbar gemachten Auskunftsanspruch gegen sämtliche Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz wird auf eine Million Euro jährlich geschätzt.

Der Entwurf verursacht für die sozialen Netzwerke mithin insgesamt einen Erfüllungsaufwand in Höhe von 28 Millionen Euro jährlich, zusätzlich für sämtliche Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz einen Erfüllungsaufwand in Höhe von einer Million Euro jährlich. Dieser jährliche Erfüllungsaufwand unterliegt der "One in, one out"- Regel der Bundesregierung. Die Kompensation erfolgt durch Teile des Anteils des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an den Entlastungen aus dem Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Bürokratieentlastungsgesetz).

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten: Zwei Millionen Euro jährlich.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Der Entwurf führt zu Erfüllungsaufwand beim Bund.

Für die Bundesverwaltung entstehen durch die im Gesetz vorgesehene Funktion des Bundesamtes für Justiz als Verfolgungsbehörde für Verstöße gegen die Berichtspflicht nach § 2 und gegen das in § 3 vorgegebene Beschwerdemanagement sozialer Netzwerke Kosten von rund vier Millionen Euro jährlich und einmalige Aufwendungen in Höhe von circa 350 000 Euro.

Die sozialen Netzwerke werden durch § 2 verpflichtet, vierteljährlich einen Bericht über den Umgang mit Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten in sozialen Netzwerken herauszugeben. Vom Entwurf sind primär drei soziale Netzwerke betroffen, bei weiteren sieben Netzwerken ist eine Einbeziehung denkbar. Insgesamt geht es also jährlich um höchstens 40 Berichte, die Gegenstand eines Bußgeldverfahrens sein könnten. Da diese Berichte mit hoher Aufmerksamkeit aufgenommen werden, sind rund 500 Beschwerden gegen die Berichte denkbar. Auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass die sozialen Netzwerke ihrer Berichtspflicht rechtzeitig und richtig nachkommen werden, so dass sich der Kontrollaufwand in Grenzen hält. Daher werden pro Jahr voraussichtlich nicht mehr als 20 Bußgeldverfahren erwachsen.

Daneben werden die sozialen Netzwerke durch § 3 verpflichtet, ein wirksames und effizientes Beschwerdemanagement vorzuhalten. Insbesondere werden sie verpflichtet, einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu löschen. Verstöße gegen diese Pflicht können mit einem Bußgeld geahndet werden. In diesem Bereich ist mit einer erheblichen Zahl von Anzeigen an das Bundesamt für Justiz zu rechnen. Bei den sozialen Netzwerken gehen schätzungsweise jährlich mindestens 500 000 Beschwerden aus der Bundesrepublik Deutschland wegen Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten ein. Gelöscht oder gesperrt wird jedoch nur ein Bruchteil dessen. Zahlreiche Nutzer, die vermeintliche Hasskriminalität oder andere strafbare Inhalte gemeldet haben, könnten sich daher veranlasst sehen, ihre erfolglose Beschwerde dem Bundesamt für Justiz zuzuleiten. Geschätzt wird, dass dies in 5 Prozent aller erfolglosen Beschwerden, also in rund 25 000 Fällen geschieht. Da diese Anzeigen aber zum großen Teil unbegründet sein werden, kann mit einem jährlichen Verfahrensaufkommen von 500 Bußgeldverfahren im Bereich des Beschwerdemanagements gerechnet werden.

Nach einer Schätzung des Bundesamtes für Justiz ergeben sich durch die durch den Entwurf eingeführte Funktion als Verfolgungsbehörde zusätzliche jährliche Personalkosten für die Registrierung und Prüfung der Anzeigen, die Führung der Bußgeldverfahren einschließlich der Rechtsmittelverfahren, die Fach- und Rechtsaufsicht, Führungs- und Leitungsaufgaben, Zwangsvollstreckung und Rechnungswesen. Hinzu kommt Personal für den IT-Betrieb. Die Personalkosten setzen sich wie folgt zusammen:

StellenPersonalkosten je Stelle/Jahr einschließlich Sachkostenpauschale (€)Personalkosten gesamt (€)
A 151125158,19125158
A 147112523,69787666
A 13gD2,5103647,49259186
A 122095273,871905477
A 88,572233,77613987
A 6e0,565318,0032659
Summe39,53724134

Weiterer Erfüllungsaufwand wird durch notwendige Schulungen und Betreuungen der Bearbeiterinnen und Bearbeiter, Übersetzungen für fremdsprachige Inhalte, die als rechtswidrig gemeldet werden und durch das in § 3 Absatz 5 vorgesehene Monitoring durch eine externe Stelle verursacht. Die Gesamtkosten werden auf 300 000 Euro jährlich geschätzt. Für IT-Aufwände fallen einmalige Sachkosten in Höhe von rund 350 000 Euro und jährliche Kosten in Höhe von 25 000 Euro an.

Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln beim Bund soll finanziell und stellenmäßig im Einzelplan 07 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein.

F. Weitere Kosten

Geringe Mehrkosten für die Justiz der Länder ergeben sich zum einen aus der in § 4 Absatz 5 vorgesehenen Verpflichtung des Bundesamtes für Justiz, eine Vorabentscheidung über die Rechtswidrigkeit beim zuständigen Gericht einzuholen. Dieses Aufkommen wird auf weniger als 100 Fälle im Jahr geschätzt. Zum anderen werden die Gerichte der Länder mit zusätzlichen gerichtlichen Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz und zur Durchsetzung von Auskunftsansprüchen befasst. Hier ist von 300 Verfahren im Jahr auszugehen. Der insgesamt erforderliche Erfüllungsaufwand wird auf 300 000 Euro im Jahr geschätzt.

Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG)

Bundesrepublik Deutschland
Die Bundeskanzlerin Berlin, 21. April 2017

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG) mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Die Stellungnahme der Bundesregierung zur Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates ist als Anlage 2 beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 02.06.17

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG)1)

Vom ...

1) Notifiziert gemäß der Richtlinie (EU) Nr. 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 17.09.2015 S.1).

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG)

§ 1 Anwendungsbereich

§ 2 Berichtspflicht

§ 3 Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte

§ 4 Bußgeldvorschriften

§ 5 Inländischer Zustellungsbevollmächtigter

Anbieter sozialer Netzwerke haben für Zustellungen in Bußgeldverfahren nach diesem Gesetz gegenüber der Verwaltungsbehörde, der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Gericht, sowie in zivilgerichtlichen Verfahren gegenüber dem zuständigen Gericht einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten unverzüglich zu benennen. Für Auskunftsersuchen einer inländischen Strafverfolgungsbehörde ist eine empfangsberechtigte Person im Inland zu benennen.

§ 6 Übergangsvorschriften

Artikel 2
Änderung des Telemediengesetzes

In § 14 Absatz 2 des Telemediengesetzes, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Juli 2016 (BGBl. I S. 1766) geändert worden ist, werden nach dem Wort "Eigentum" die Wörter "oder anderer absolut geschützter Rechte" eingefügt.

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Gegenwärtig ist eine massive Veränderung des gesellschaftlichen Diskurses im Netz und insbesondere in den sozialen Netzwerken festzustellen. Die Debattenkultur im Netz ist oft aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt. Hassrede und rassistische Hetze können jede und jeden aufgrund der Meinung, Hautfarbe oder Herkunft, der Religion, des Geschlechts oder der Sexualität diffamieren. Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte, die nicht effektiv bekämpft und verfolgt werden können, bergen eine große Gefahr für das friedliche Zusammenleben einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft. Nach den Erfahrungen im US-Wahlkampf hat auch in der Bundesrepublik Deutschland die Bekämpfung von strafbaren Falschnachrichten ("Fake News") in sozialen Netzwerken hohe Priorität gewonnen. Es bedarf daher einer Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, um objektiv strafbare Inhalte wie etwa Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung oder Störung des öffentlichen Friedens durch Vortäuschen von Straftaten unverzüglich zu entfernen.

Die zunehmende Verbreitung von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten, vor allem in sozialen Netzwerken, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereits im Jahr 2015 veranlasst, eine Task Force mit den Betreibern der Netzwerke und Vertretern der Zivilgesellschaft ins Leben zu rufen. Die in der Task Force vertretenen Unternehmen haben zugesagt, den Umgang mit Hinweisen auf Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte auf ihren Seiten zu verbessen. Die Unternehmen haben sich verpflichtet, anwenderfreundliche Mechanismen zum Melden kritischer Beiträge einzurichten und die Mehrzahl der gemeldeten Beiträge mit sprachlich und juristisch qualifizierten Teams innerhalb von 24 Stunden zu prüfen und zu löschen, falls sie rechtswidrig sind. Maßstab der Prüfung ist deutsches Recht.

Die Selbstverpflichtungen der Unternehmen haben zu ersten Verbesserungen geführt. Diese reichen aber noch nicht aus. Noch immer werden zu wenige strafbare Inhalte gelöscht. Ein von jugendschutz.net durchgeführtes Monitoring der Löschpraxis sozialer Netzwerke vom Januar/Februar 2017 hat ergeben, dass die Beschwerden normaler Nutzer gegen Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte nach wie vor nicht unverzüglich und ausreichend bearbeitet werden. Zwar werden bei YouTube mittlerweile in 90 Prozent der Fälle strafbare Inhalte gelöscht. Facebook hingegen löschte nur in 39 Prozent der Fälle, Twitter nur in 1 Prozent der Fälle.

Auch die Transparenz der sozialen Netzwerke ist unzureichend. Die von den sozialen Netzwerken veröffentlichten Informationen über die Entfernung und Sperrung rechtswidriger Inhalte auf ihren Plattformen sind nicht aussagekräftig genug. Die erhaltenen Beschwerden werden nicht nach Fallgruppen aufgeschlüsselt, zudem machen die Unternehmen keine Angaben darüber, wieviel Prozent der Beschwerden zu Löschungen oder Sperren führten.

Die Anbieter der sozialen Netzwerke haben eine Verantwortung für die gesellschaftliche Debattenkultur, der sie gerecht werden müssen. Angesichts der Tatsache, dass das bisherige Instrumentarium und die zugesagten Selbstverpflichtungen der sozialen Netzwerke nicht ausreichend wirken und es erhebliche Probleme bei der Durchsetzung des geltenden Rechts gibt, bedarf es der Einführung von bußgeldbewehrten Compliance-Regeln für soziale Netzwerke, um effektiv und unverzüglich gegen Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte im Netz vorgehen zu können.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Um die sozialen Netzwerke zu einer schnelleren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte anzuhalten, sieht der Entwurf die Einführung gesetzlicher Compliance-Regeln für soziale Netzwerke vor. Dabei wird durch eine Legaldefinition des sozialen Netzwerks sichergestellt, dass die Berichtspflicht nur die Betreiber großer sozialer Netzwerke mit Meinungsmacht und nicht sämtliche Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz (TMG) trifft. Medienplattformen mit eigenen journalistischredaktionell gestalteten Inhalten werden von dem Entwurf nicht erfasst. Die Definition der sozialen Netzwerke erfasst sowohl den Austausch von Inhalten mit anderen Nutzern in einer geschlossenen Netzgemeinschaft ("gated community") als auch die Verbreitung von Inhalten in der Öffentlichkeit. Vorgesehen ist eine Bagatellgrenze für kleinere Unternehmen (Start-up-Unternehmen). Zudem wird klargestellt, dass nur solche rechtswidrigen Inhalte erfasst sind, die den objektiven Tatbestand der Strafnormen erfassen, die dazu dienen, Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte, die im Netz verbreitet werden sowie andere Formen der Störung des öffentlichen Friedens zu bekämpfen.

Hasskriminalität erfüllt in der Regel strafrechtliche Tatbestände wie üble Nachrede, Verleumdung oder Volksverhetzung. Erfasst werden auch falsche Nachrichten ("Fake News"), soweit sie objektiv den Tatbestand einer oder mehrerer der in § 1 Absatz 3 genannten Strafrechtsnormen erfüllen, etwa die Störung des öffentlichen Friedens durch Vortäuschen von Straftaten.

Soziale Netzwerke werden gesetzlich verpflichtet, vierteljährlich über den Umgang mit Beschwerden über strafrechtlich relevante Inhalte zu berichten. Der Bericht soll sowohl statistische Angaben über das Beschwerdevolumen und die Entscheidungspraxis der Netzwerke enthalten als auch über die mit der Bearbeitung der Beschwerden beauftragten Beschwerdeteams informieren. Der Bericht wird im elektronischen Bundesanzeiger und auf der eigenen Homepage des sozialen Netzwerks leicht auffindbar veröffentlicht werden.

Der Entwurf legt gesetzliche Standards für ein wirksames Beschwerdemanagement fest, die gewährleisten, dass soziale Netzwerke offensichtlich strafrechtlich relevante Inhalte, die den objektiven Tatbestand einer der in § 1 Absatz 3 genannten Strafvorschriften erfüllen, in der Regel 24 Stunden nach Eingang der Nutzerbeschwerde löschen. Gefordert werden wirksame und transparente Verfahren zur unverzüglichen Löschung rechtswidriger Inhalte einschließlich nutzerfreundlicher Mechanismen zur Übermittlung von Beschwerden. Ausgangspunkt dieser Compliance-Pflicht ist die Haftungsregelung für Diensteanbieter nach § 10 TMG. Diese sind verpflichtet, einen rechtswidrigen Inhalt, den sie für einen Nutzer speichern, unverzüglich zu entfernen oder den Zugang zu ihm zu sperren, wenn sie von dem Inhalt Kenntnis genommen haben. Die in diesem Entwurf statuierten Compliance-Pflichten setzen diese Verpflichtung der Diensteanbieter voraus und konkretisieren sie.

Das Bedürfnis einer Regelung zum Umgang mit Beschwerden über Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten - im Unterschied zu den "klassischen Medien" - lässt sich mit der Besonderheit des Internets erklären. Bei den klassischen Medien wird eine rechtswidrige Situation nicht in gleicher Weise perpetuiert wie im Internet.

Die vorsätzliche oder fahrlässige Nichteinhaltung der Berichtspflicht und die Zuwiderhandlung gegen die Pflicht, ein wirksames Beschwerdemanagement vorzuhalten, sowie die nicht rechtzeitige Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten oder eines inländischen Empfangsberechtigten stellen nach dem Entwurf eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden kann. Die Ordnungswidrigkeit knüpft im Hinblick auf das Beschwerdemanagement an die Organisationspflichten an. Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Beschwerdemanagement gar nicht oder mangelhaft einrichtet, organisatorische Unzulänglichkeiten nicht beseitigt oder die gesetzlichen Vorgaben für das Beschwerdemanagement über einen nicht unerheblichen Zeitraum verfehlt. Die Geldbuße soll gemäß § 17 Absatz 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) den wirtschaftlichen Vorteil aus der Ordnungswidrigkeit übersteigen.

Durch den daneben anwendbaren § 130 OWiG ist auch eine Verfolgung des Inhabers des Unternehmens, das das soziale Netzwerk betreibt, möglich, wenn die Zuwiderhandlung gegen die Pflicht zur Vorhaltung eines wirksamen Beschwerdemanagements oder gegen die Berichtspflicht durch gehörige Aufsicht hätte verhindert oder wesentlich erschwert werden können.

Nach Maßgabe des § 30 OWiG kann auch gegen juristische Personen und Personenvereinigungen eine Geldbuße festgesetzt werden. Das Höchstmaß der Geldbuße nach diesem Entwurf erhöht sich in diesem Fall auf 50 Millionen Euro (§ 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG).

Als zuständige Verwaltungsbehörde nach § 36 OWiG bestimmt der Entwurf das Bundesamt für Justiz, das im Rahmen der Verfolgung der in diesem Entwurf bezeichneten OWi-Tatbestände auch zu prüfen hat, ob ein strafbarer Inhalt im Sinne des § 1 Absatz 3 vorliegt. Das Bundesamt für Justiz holt eine Vorabentscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts beim zuständigen Gericht ein. Diese Prüfkompetenz ist vergleichbar mit der Tätigkeit der Landesmedienanstalten als zuständige Verwaltungsbehörde gemäß § 24 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Die Landesmedienanstalten können gegen Telemedienanbieter wegen unzulässiger Angebote, die zum Hass aufstacheln, zu Gewalt auffordern oder die Menschenwürde angreifen, Bußgelder verhängen. Außerdem wird durch eine Ergänzung des Telemediengesetzes in Artikel 2 des Entwurfs Opfern von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz ermöglicht, aufgrund gerichtlicher Anordnung die Bestandsdaten der Verletzer von Diensteanbietern zu erhalten.

III. Alternativen

Keine. Die mit den sozialen Netzwerken vereinbarten Selbstverpflichtungen haben sich als nicht ausreichend erwiesen.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 des Grundgesetzes (Recht der Wirtschaft) sowie aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 des Grundgesetzes (öffentliche Fürsorge), soweit Belange des Jugendschutzes betroffen sind, und hinsichtlich der Bußgeldvorschriften (§ 4 des Entwurfs) aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).

Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 des Grundgesetzes ist einschlägig, da das Schutzziel des Entwurfs, das sich gegen die Verrohung der Debattenkultur in sozialen Netzwerken richtet, auch den Schutzzweck des Jugendmedienschutzes berührt, nämlich die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ist gegeben, da hier die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse mit einer bundesgesetzlichen Regelung erforderlich ist (Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes). Durch eine einheitliche Bundesgesetzgebung im Bereich der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken wird verhindert, dass sich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland die Lebensverhältnisse auseinanderentwickeln, indem Hasskriminalität und andere rechtswidrige Inhalte unter Umständen nicht in jedem Land effektiv bekämpft und verfolgt wird und dort infolgedessen das friedliche Zusammenleben einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft in Gefahr ist. Die Regelungen können auch deshalb nur durch den Bundesgesetzgeber erfolgen, weil ansonsten die Gefahr einer Rechtszersplitterung bestünde, die sowohl im Interesse des Bundes als auch der Länder nicht hinnehmbar ist. Eine bundeseinheitliche Ausgestaltung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken gewährleistet die Anwendung einheitlicher Maßstäbe unabhängig vom Standort der Anbieter sozialer Netzwerke und wirkt so Binnenwanderungen und einem möglichen Wettlauf zwischen den Ländern um das niedrigste Schutzniveau zur Anlockung von Anbietern sozialer Netzwerke entgegen.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Die in den §§ 2, 3 und 5 des Entwurfs vorgesehenen gesetzlichen Compliance-Regeln sind mit europäischem Recht vereinbar. Dies gilt insbesondere für die Richtlinie 2000/31/EG (e-commerce-RL).

1. Richtlinie 2000/31/EG (e-commerce-RL)

2. Dienstleistungsfreiheit

Vorbehaltlich spezieller sekundärrechtlicher Bestimmungen ist eine nationale Regelung zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken an den unionsrechtlichen Grundfreiheiten zu messen, sobald ein grenzüberschreitender Bezug besteht. Davon dürfte hier auszugehen sein. Denn die Regulierung richtet sich nicht ausschließlich an inländische Betreiber und umfasst auch nicht nur deren Dienstleistung im Inland, sondern betrifft ebenso Betreiber aus anderen EU-Mitgliedstaaten bzw. die Erbringung von Dienstleistungen durch inländische Betreiber an

Nutzer in anderen EU-Mitgliedstaaten (außer bei § 4 Absatz 1 Nummer 2 des Entwurfs).

Berührt wird hier die Grundfreiheit des freien Dienstleistungsverkehrs (Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Eine Beschränkung lässt sich hier nur rechtfertigen, wenn sich erweist, dass sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht, geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Als zwingendes Gemeinwohlinteresse ist die Verhütung und Bekämpfung von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten auf Plattformen der sozialen Netzwerke anzusehen. Der mit dem Entwurf verfolgte Zweck wird in der Begründung ausgeführt. Dort wird auch dezidiert dargelegt, anhand welcher Erwägungen bußgeldbewehrte Compliance- und Berichtspflichten als geeignet und erforderlich eingestuft werden.

3. Notifizierungspflicht nach der Richtlinie (EU) Nr. 2015/1535

Die geplante Regelung ist notifizierungspflichtig nach der Richtlinie (EU) Nr. 2015/1535 vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Der Entwurf dient nicht der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Das grundlegende Ziel des Entwurfs besteht darin, Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte, die den Tatbestand des § 1 Absatz 3 des Entwurfs erfüllen, in sozialen Netzwerken entgegenzutreten, um so das friedliche Zusammenleben in einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft zu fördern. Dieses Ziel entspricht den Leitgedanken der Bundesregierung für eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Denn Nachhaltigkeit zielt auf sozialen Zusammenhalt, der nach der Managementregel Nummer 10 gemäß Ziffer II.2. des Nachhaltigkeitsmanagementsystems der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu stärken ist.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

4. Erfüllungsaufwand

a) Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

b) Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Entwurf führt neun neue Informationspflichten für soziale Netzwerke ein, die in einem vierteljährlich zu erstellenden Bericht zu erfüllen sind. Die Schätzung des damit verbundenen Erfüllungsaufwands ist naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden. Für die weitere Betrachtung wird davon ausgegangen, dass die Unternehmen bereits jetzt die Mehrzahl der im Entwurf geforderten Angaben intern erheben, so dass diese Informationspflichten keinen erheblichen Mehraufwand bei den sozialen Netzwerken auslösen. Außerdem veröffentlichen die Betreiber sozialer Netzwerke schon jetzt einen Teil der im Entwurf geforderten Angaben in sogenannten Transparenzberichten. Daher wird durch den Entwurf in erster Linie ein zusätzlicher Prüfungs- und Kontrollaufwand für das intern vorhandene Zahlenwerk ausgelöst.

Mit diesen Maßgaben wird der auf jeden Bericht entfallende Erfüllungsaufwand einschließlich der Entgelte für die Veröffentlichung im Bundesanzeiger auf 50 000 Euro geschätzt. Hierbei wird auch berücksichtigt, dass die Berichte thematisch auf die Bekämpfung von Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte im Sinne dieses Entwurfs beschränkt sind.

Wegen des Schwellenwertes in § 1 Absatz 2 (zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzer im Inland) werden höchstens zehn soziale Netzwerke berichtspflichtig werden. Der gesamte Erfüllungsaufwand für die Berichtspflicht ist daher auf zwei Millionen Euro jährlich zu schätzen.

Die Schätzung des Erfüllungsaufwand für die Pflicht zur Vorhaltung eines wirksamen Beschwerdesystems ist ebenfalls mit Unsicherheiten verbunden. Die Kosten, die die sozialen Netzwerke für die bereits vorhandenen Beschwerdesysteme aufwenden, sind nicht bekannt. Diese Kosten werden für alle sozialen Netzwerke auf 50 Millionen Euro jährlich geschätzt. Es wird weiterhin angenommen, dass die sozialen Netzwerke ihre Aufwendungen zur Bekämpfung von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten gegenüber dem Ist-Zustand um 50 Prozent steigern müssen, um den Compliance-Anforderungen aus diesem Entwurf gerecht zu werden. Daraus ergibt sich ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 25 Millionen Euro für die Pflicht zur Vorhaltung eines wirksamen Beschwerdemanagements.

Schließlich wird der Erfüllungsaufwand der Pflicht, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten für jeden Zivilprozess und jedes Bußgeldverfahren nach diesem Gesetz zu benennen, auf eine Millionen Euro jährlich geschätzt.

Der Erfüllungsaufwand für den durch die Änderung in Artikel 2 durchsetzbar gemachten Auskunftsanspruch gegen sämtliche Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz wird auf eine Million Euro jährlich geschätzt.

Der Entwurf verursacht für die sozialen Netzwerke mithin insgesamt einen Erfüllungsaufwand in Höhe von 28 Millionen Euro jährlich, zusätzlich für sämtliche Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz in Höhe von einer Million Euro jährlich. Dieser jährliche Erfüllungsaufwand unterliegt der "One in, one out"-Regel der Bundesregierung. Die Kompensation erfolgt durch Teile des Anteils des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an den Entlastungen aus dem Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Bürokratieentlastungsgesetz).

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten Zwei Millionen Euro jährlich.

c) Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Der Entwurf führt zu Erfüllungsaufwand beim Bund.

Für die Bundesverwaltung entstehen durch die im Gesetz vorgesehene Funktion des Bundesamtes für Justiz als Verfolgungsbehörde für Verstöße gegen die Berichtspflicht nach § 2 und gegen das in § 3 vorgegebene Beschwerdemanagement sozialer Netzwerke Kosten von rund vier Millionen Euro jährlich und einmalige Aufwendungen in Höhe von circa 350 000 Euro.

Die sozialen Netzwerke werden durch § 2 verpflichtet, vierteljährlich einen Bericht über den Umgang mit Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten in sozialen Netzwerken herauszugeben. Vom Entwurf sind primär drei soziale Netzwerke betroffen, bei weiteren sieben Netzwerken ist eine Einbeziehung denkbar. Insgesamt geht es also jährlich um höchstens 40 Berichte, die Gegenstand eines Bußgeldverfahrens sein könnten. Da diese Berichte mit hoher Aufmerksamkeit aufgenommen werden, sind rund 500 Beschwerden gegen die Berichte denkbar. Auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass die sozialen Netzwerke ihrer Berichtspflicht rechtzeitig und richtig nachkommen werden, so dass sich der Kontrollaufwand in Grenzen hält. Daher werden pro Jahr voraussichtlich nicht mehr als 20 Bußgeldverfahren erwachsen.

Daneben werden die sozialen Netzwerke durch § 3 verpflichtet, ein wirksames und effizientes Beschwerdemanagement vorzuhalten. Insbesondere werden sie verpflichtet, einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu löschen. Verstöße gegen diese Pflicht können mit einem Bußgeld geahndet werden. In diesem Bereich ist mit einer erheblichen Zahl von Anzeigen an das Bundesamt für Justiz zu rechnen. Bei den sozialen Netzwerken gehen schätzungsweise jährlich mindestens 500 000 Beschwerden aus der Bundesrepublik Deutschland wegen Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten ein. Gelöscht oder gesperrt wird jedoch nur ein Bruchteil dessen. Zahlreiche Nutzer, die vermeintliche Hasskriminalität oder andere strafbare Inhalte gemeldet haben, könnten sich daher veranlasst sehen, ihre erfolglose Beschwerde dem Bundesamt für Justiz zuzuleiten. Geschätzt wird, dass dies in 5 Prozent aller erfolglosen Beschwerden, also in rund 25 000 Fällen geschieht. Da diese Anzeigen aber zum großen Teil unbegründet sein werden, kann mit einem jährlichen Verfahrensaufkommen von 500 Bußgeldverfahren im Bereich des Beschwerdemanagements gerechnet werden.

Nach einer Schätzung des Bundesamtes für Justiz ergeben sich durch die durch den Entwurf eingeführte Funktion als Verfolgungsbehörde zusätzliche jährliche Personalkosten für die Registrierung und Prüfung der Anzeigen, die Führung der Bußgeldverfahren einschließlich der Rechtsmittelverfahren, die Fach- und Rechtsaufsicht, Führungs- und Leitungsaufgaben, Zwangsvollstreckung und Rechnungswesen. Hinzu kommt Personal für den IT-Betrieb. Die Personalkosten setzen sich wie folgt zusammen:

StellenPersonalkosten je Stelle/Jahr einschließlich Sachkostenpauschale (€)Personalkosten gesamt (€)
A 151125 158,19125 158
A 147112 523,69787 666
A 13gD2,5103 647,49259 186
A 122095 273,871 905 477
A 88,572 233,77613 987
A 6e0,565 318,0032 659
Summe39,53 724 134

Weiterer Erfüllungsaufwand wird durch notwendige Schulungen und Betreuungen der Bearbeiterinnen und Bearbeiter, Übersetzungen für fremdsprachige Inhalte, die als rechtswidrig gemeldet werden und durch das in § 3 Absatz 5 vorgesehene Monitoring durch eine externe Stelle verursacht. Die Gesamtkosten werden auf 300 000 Euro jährlich geschätzt. Für IT-Aufwände fallen einmalige Sachkosten in Höhe von rund 350 000 Euro und jährliche Kosten in Höhe von 25 000 Euro an.

Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln beim Bund soll finanziell und stellenmäßig im Einzelplan 07 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein.

5. Weitere Kosten

Geringe Mehrkosten für die Justiz der Länder ergeben sich zum einen aus der in § 4 Absatz 5 vorgesehenen Verpflichtung des Bundesamtes für Justiz, eine Vorabentscheidung über die Rechtswidrigkeit beim zuständigen Gericht einzuholen. Dieses Aufkommen wird auf weniger als 100 Fälle im Jahr geschätzt. Zum anderen werden die Gerichte der Länder mit zusätzlichen gerichtlichen Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz und zur Durchsetzung von Auskunftsansprüchen befasst. Hier ist von 300 Verfahren im Jahr aus-zugehen. Der insgesamt erforderliche Erfüllungsaufwand wird auf 300 000 Euro im Jahr geschätzt.

Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Der Entwurf hat Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung. Der Entwurf trägt dazu bei, Diskriminierungen auch wegen des Geschlechts durch Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten auf den Plattformen sozialer Netzwerke wirksamer zu bekämpfen.

VII. Befristung; Evaluierung

Dieses Gesetz wird spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten evaluiert. Dabei wird die Bundesregierung in fachlich geeigneter Weise prüfen, ob und inwieweit die beabsichtigten Wirkungen auf die sozialen Netzwerke mit Blick auf ihren Umgang mit Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte erreicht worden sind. Die Bundesregierung wird ferner untersuchen, wie sich der Erfüllungsaufwand für Wirtschaft und Verwaltung entwickelt hat und ob die Entwicklung in einem angemessenen Verhältnis zu den festgestellten Regelungswirkungen steht. Die Evaluierung wird die Frage nach unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und Praktikabilität der Regelungen einschließen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken)

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Die Vorschrift definiert den Anwendungsbereich des Gesetzes entsprechend der Zielsetzung, Hasskriminalität, andere strafbare Inhalte, die unter § 1 Absatz 3 des Entwurfs fallen sowie strafbare Falschnachrichten auf den Plattformen sozialer Netzwerke wirksamer zu bekämpfen, um die damit verbundenen Gefahren für das friedliche Zusammenleben und für die freie, offene und demokratische Gesellschaft abzuwenden. Die in den §§ 2, 3 und 5 aufgestellten Compliance-Regeln beziehen sich daher nur auf soziale Netzwerke und allein auf rechtswidrige Inhalte, die den objektiven Tatbestand einer der in Absatz 3 genannten Normen erfüllen.

Zu Absatz 1

Die Compliance-Pflichten des Gesetzes sollen nur sozialen Netzwerken, nicht allen Diensteanbietern nach dem TMG auferlegt werden. Soziale Netzwerke werden in Absatz 1 Satz 1 definiert als Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht

Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Telemediendiensteanbieter sind solche, bei denen die elektronische Informationsbereitstellung im Vordergrund steht. Die Begriffsbestimmung folgt Artikel 2 Buchstabe b e-commerce-RL. § 2 Nummer 1 TMG gilt entsprechend.

Nutzer im Sinne des Gesetzes ist eine natürliche oder juristische Person, die die Infrastruktur der Plattform zugangsfrei nutzt, insbesondere um auf Inhalte zuzugreifen und um Informationen zu erlangen (vgl. § 2 Nummer 3 TMG). So werden beispielsweise auch die sogenannten Follower des Kurznachrichtendienstes Twitter von dem Nutzerbegriff in Absatz 2 erfasst.

Erfasst werden Plattformen unabhängig von der Form der Kommunikation. Die Norm erfasst also sowohl Plattformen, die es den Nutzern ermöglichen, Inhalte wie Bilder, Videos sowie Texte und dergleichen einzustellen, als auch Plattformen, deren Hauptaugenmerk auf nur einer der genannten Kategorien liegt.

Der Austausch findet stets zwischen administrativ festgelegten Gruppenmitgliedern oder Chatmitgliedern statt. Im Gegensatz zum "Teilen" und der "Öffentlichkeit zugänglich machen" bestimmt der Nutzer die einzelnen Empfänger. Der Austausch findet mit einem potenziell bestimmten Personenkreis statt.

Teilen bedeutet sowohl das Zugänglichmachen von selbst eingestellten, als auch von bereits vorhandenen beliebigen Inhalten für ausgewählte Nutzergruppen, wobei Inhalte auch für alle Nutzer freigegeben werden können.

Ein soziales Netzwerk kann den Nutzerinnen und Nutzern zudem ermöglichen, beliebige Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf den tatsächlichen Empfang kommt es nicht an. Zugänglichmachen bedeutet die Ermöglichung des Empfangs durch eine Öffentlichkeit (BGH GRUR 1994, 45 (46) - Verteileranlagen; GRUR 1996, 875 (876) - Zweibettzimmer im Krankenhaus; Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg Rn. 10). Ein zeitgleicher Empfang durch die Empfänger muss ermöglicht werden (BGH GRUR 2009, 845 (848) - Internet-Videorecorder). Technisch bedingte geringfügige Zeitdifferenzen bei den Empfangsmöglichkeiten stehen dem nicht entgegen (Schricker/Loewenheim/von Ungern-Sternberg Rn. 10).

Das Gesetz erfasst nur soziale Netzwerke ohne spezielle Themen- und Nutzerfestlegung. Es muss möglich sein, beliebige Inhalte mit beliebigen anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Thematisch und personell eingegrenzte Netzwerke wie berufliche Netzwerke bedürfen keiner gesetzlichen Compliance-Regeln.

Telemediendiensteanbieter mit journalistischredaktionell gestalteten Angeboten werden gemäß Absatz 1 Satz 2 von diesem Gesetz nicht erfasst. Für sie gelten die Vorschriften der §§ 54 ff. des Rundfunkstaatsvertrages.

Zu Absatz 2

In Absatz 2 wird die Bagatellgrenze definiert. Absatz 2 befreit soziale Netzwerke im Sinne des Absatzes 1 von den Pflichten, wenn das Netzwerk weniger als zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzer in der Bundesrepublik Deutschland hat.

Der Grund für eine solche Regelung liegt darin, dass kleinere soziale Netzwerke von aufwändigen Prüfpflichten befreit werden sollen. Die umfassenden gesetzlichen Anforderungen können nur von sozialen Netzwerken mit entsprechenden Ressourcen und Kapazitäten bewältigt werden.

Ein weiterer Grund liegt in der Perpetuierungswirkung der ausgetauschten und geteilten oder der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Inhalten. Bei einer großen Anzahl von Nutzern ist die Reichweite der Inhalte regelmäßig höher. Dies geht mit einem Anstieg der diffamierenden Wirkung einher.

Die Bagatellschwelle liegt bei zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzern, da nach gegenwärtigen Daten die in der Öffentlichkeit relevanten und breit vertretenen sozialen Netzwerke mindestens zwei Millionen Nutzer haben. Diese sozialen Netzwerke sind vom Gesetz zu erfassen, damit der Sinn und Zweck des Gesetzes erfüllt wird.

Ein ausreichend territorialer Bezug ist gleichfalls gewährleistet. Absatz 2 bezieht sich auf im Inland ansässige Nutzerinnen und Nutzer. Es kommt nicht darauf an, in welchem Land der jeweilige Nutzer hauptsächlich aktiv ist.

Zu Absatz 3

Der Begriff des rechtswidrigen Inhalts stellt einen zentralen Anknüpfungspunkt des Entwurfs dar. Strafbar sind solche Inhalte, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 90, 90a, 90b, 91, 100a, 111, 126, 129, 129a, 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 184d, 185 bis 187, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen. Hierdurch wird verdeutlicht, dass es bei dem Entwurf nicht um staatliche Reaktionen auf Verstöße gegen beliebige Verletzungen des geltenden Rechts durch Einträge in sozialen Netzwerken gehen kann (wozu etwa selbst geringfügige Verletzungen von verwaltungsrechtlichen Verboten oder auch vertraglichen Pflichten gehören können). Es ist nicht Ziel des Gesetzes, auf den Plattformen der sozialen Netzwerke begangene Ordnungswidrigkeiten oder bloße unerlaubte Handlungen zu erfassen. Vielmehr machen der Begriff und die abschließende Aufzählung der einschlägigen Straftatbestände deutlich, dass die Rechtsdurchsetzung bei der Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten in sozialen Netzwerken geregelt werden soll. Erfasst werden also ausschließlich Handlungen, die den Tatbestand eines oder mehrerer der in Absatz 3 genannten Strafgesetze erfüllen und rechtswidrig, aber nicht notwendigerweise schuldhaft begangen werden. Dies trägt dem Gebot der Bestimmtheit sowie Verhältnismäßigkeit Rechnung.

Zu § 2 (Berichtspflicht)

Die Vorschrift verpflichtet die Anbieter sozialer Netzwerke, über den Umgang mit Beschwerden über Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten zu berichten. Gegenwärtig ist den öffentlich zugänglichen Transparenzberichten der reichweitenstarken sozialen Netzwerke weder zu entnehmen, wie die Zahl an Beschwerden über rechtswidrige Inhalte insgesamt zu beziffern ist noch wie viele rechtswidrige Inhalte von privaten Nutzern gemeldet sowie in welchem Zeitraum gemeldete Inhalte gelöscht oder gesperrt werden. Daneben ist nicht nachvollziehbar, wie sich die Bearbeitungsteams der einzelnen Unternehmen zusammensetzen und über welche Qualifikationen diese verfügen. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer gesetzlichen Berichtspflicht, um die gebotene Transparenz für die breite Öffentlichkeit herzustellen. Daneben ist im Interesse einer wirksamen Gesetzesfolgenabschätzung, insbesondere der Evaluation des Umgangs mit Beschwerden über Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten, eine regelmäßige Berichtspflicht notwendig.

Zu Absatz 1

Anbieter sozialer Netzwerke haben einen Bericht zu erstellen, um auf diese Weise ein aussagekräftiges und umfassendes Bild über ihren Umgang mit Beschwerden sicherzustellen. Der Bericht ist vierteljährlich zu erstellen, da auf diese Weise eine feste Struktur und ein systematischer Prozess für die Evaluation des Umgangs mit Beschwerden aufgesetzt werden. Der Bericht ist innerhalb eines Monats nach Ende des Quartals im Bundesanzeiger sowie auf der eigenen Homepage zu veröffentlichen. Ersteres ist notwendig, um einen inländischen Anknüpfungspunkt für die Bußgeldtatbestände zu gewährleisten. Zudem orientiert sich die Veröffentlichungspflicht im Bundesanzeiger an einigen Maßgaben des Regierungsentwurfs eines CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetzes (Bundestagsdrucksache 18/9982).

Zu Absatz 2

Absatz 2 bestimmt die Mindestvoraussetzungen der Berichtspflicht.

Zu Nummer 1

Soziale Netzwerke haben inzwischen eine wesentliche Bedeutung für öffentliche Debatten und können die Stimmung im Land beeinflussen. Gegenwärtig sind in den sozialen Netzwerken massive Veränderungen des gesellschaftlichen Diskurses hin zu einer aggressiven, verletzenden und hasserfüllten Debattenkultur festzustellen. Das Internet ist jedoch kein rechtsfreier Raum, in dem Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte verbreitet werden dürfen. Deshalb müssen auch die Diensteanbieter ihrer gesteigerten gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen.

Zu Nummer 2

Diensteanbieter müssen ein wirksames Beschwerdemanagement einrichten, um zu gewährleisten, dass Nutzerinnen und Nutzer von der Möglichkeit des Meldens eines rechtswidrigen Inhaltes tatsächlich Gebrauch machen. So wird ein effektives Tätigwerden der Diensteanbieter erst sichergestellt. Hierüber muss der Bericht Angaben enthalten. Diensteanbieter müssen darstellen, anhand welcher Kriterien sie rechtswidrige Inhalte löschen oder sperren. Somit ist nachvollziehbar, ob soziale Netzwerke rechtswidrige Inhalte anhand nationaler Strafvorschriften oder anhand ihrer Community Standards löschen oder sperren.

Zu Nummer 3

Im Interesse der Transparenz und der Evaluation ist in dem Bericht die Anzahl der Beschwerden zu nennen. Eine Aufschlüsselung der Beschwerden nach Beschwerdegruppen ist notwendig, um nachprüfen zu können, dass eine effektive Beschwerdebearbeitung von Beschwerden von Beschwerdestellen und Nutzerinnen und Nutzern gleichermaßen gegeben ist. Zudem ist der Beschwerdegrund anzugeben.

Zu Nummer 4

Für eine effektive Beschwerdebearbeitung ist ein qualifiziertes Bearbeitungsteam unerlässlich. Um ein transparentes und somit nachvollziehbares Beschwerdeverfahren zu gewährleisten, sind alle Arbeitseinheiten, die Beschwerden bearbeiten, das heißt interne sowie externe, vollständig zu benennen. Auf diese Weise soll zudem sichergestellt werden, dass die Anforderungen an die Qualifikationen externer Arbeitseinheiten erfüllt werden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Regel einer hohen physischen Belastung und einem hohen Arbeitsaufwand mit ständig neuen Herausforderungen ausgesetzt. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen und entsprechend zu qualifizieren, müssen Betreuung und Schulungen gewährleistet sein. Zur Überprüfbarkeit der Umsetzung dieser Anforderungen an die Anbieter sozialer Netzwerke ist hierauf in dem Bericht einzugehen.

Zu Nummer 5

Diensteanbieter müssen darlegen, ob sie Mitglied in einem Branchenverband sind und ob dieser Branchenverband eine Beschwerdestelle für Meldungen von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten in sozialen Netzwerken vorsieht. Ist eine Beschwerdestelle vorhanden, kann dieser Umstand im Falle einer Bußgeldbewehrung strafmildernd berücksichtigt werden.

Zu Nummer 6

Die Zahl der Beschwerden, bei denen die internen Ressourcen der Anbieter nicht ausreichend sind, beispielsweise aus Gründen des Umfangs oder der Komplexität der Beschwerde, ist anzugeben, um ein aussagekräftiges Gesamtbild der Beschwerden zu ermöglichen.

Zu Nummer 7

Im Interesse der Transparenz und der Effektivität des Beschwerdemanagements ist die Anzahl der Beschwerden, die im Berichtszeitraum zur Löschung oder Sperrung des beanstandeten Inhalts führten, zu nennen. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen zu Nummer 3 verwiesen.

Zu Nummer 8

Um überprüfen zu können, ob die vorgegebene Bearbeitungszeit von 24 Stunden eingehalten wird, ist die Bearbeitungszeit anzugeben. Darüber hinaus ist die Bearbeitungszeit in Zeitspannen von 48 Stunden, einer Woche und einem späteren Zeitpunkt anzugeben, um evaluieren zu können, wie effizient die zuständigen Teams die Beschwerden bearbeiten. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen zu Nummer 3 verwiesen.

Zu Nummer 9

Im Interesse der Transparenz, der Nachvollziehbarkeit und der Güte der Argumente für die Löschung oder Sperrung eines rechtswidrigen Inhalts, sind die Maßnahmen zur Unterrichtung des Beschwerdeführers sowie des Nutzers über die Entscheidung der Beschwerde darzulegen.

Zu § 3 (Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte)

Das Bedürfnis einer Regelung zum Umgang mit Beschwerden über Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten - im Unterschied zu den "klassischen Medien" - lässt sich mit der Besonderheit des Internets erklären. Bei den klassischen Medien wird eine rechtswidrige Situation nicht so perpetuiert wie im Internet.

§ 3 sieht Regelungen vor, die sowohl eigene Inhalte eines sozialen Netzwerks betreffen, als auch fremde, also solche, die Nutzerinnen und Nutzer eingestellt haben, ohne dass das soziale Netzwerk sich die Inhalte zu Eigen gemacht hat.

Die in § 3 normierte Regelung dient lediglich dazu, dass den gesetzlichen Verpflichtungen, rechtswidrige Inhalte zu löschen oder zu sperren, schnell und umfassend nachgekommen wird. Hierin liegt kein neuer Eingriff in Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes im Vergleich zum geltenden Recht. Denn das Gebot, rechtswidrige Inhalte zu löschen oder zu sperren, ergibt sich schon aus den allgemeinen Gesetzen. Vielmehr sieht § 3 eine Verpflichtung vor, ein bestimmtes Verfahren vorzuhalten, damit der an anderer Stelle geregelten Verpflichtung, rechtswidrige Inhalte zu entfernen bzw. zu sperren, in wirksamer Weise nachgekommen wird.

Die Verpflichtung, ein Verfahren vorzuhalten, das die Durchsetzung der Rechtsordnung (Löschungs- oder Sperrverpflichtung) sicherstellt, ist ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, die durch Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützt wird. Der BGH hat in einem Fall geurteilt, dass eine Löschungsverpflichtung für einen Hostprovider dann bestehe, wenn auf der Grundlage der Stellungnahme desjenigen, der einen Inhalt eingestellt hat, und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auszugehen ist (BGHZ 191, 219, Leitsatz 3). Es gibt aber bislang keine gesetzliche Verpflichtung, ein spezielles Verfahren vorzuhalten, die unabhängig von tatsächlichen Rechtsverletzungen ist.

Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit können durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden. Der Schutz der Meinungsfreiheit und der Rundfunk- und Pressefreiheit muss hier in die Gesamtbewertung mit einfließen. Die Regelung zielt auf die praktische Durchsetzung von Löschungs- oder Sperrpflichten ab, die sich aus anderen Gesetzen ergeben. Dies ist ein legitimes Ziel.

Die einzelnen in § 3 vorgesehenen Verfahrensvorschriften sind geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne, um dieses Ziel zu erreichen. Denn bei der derzeitigen Rechtslage und Praxis kommen die sozialen Netzwerke dem Gebot, rechtswidrige Inhalte, die die in § 1 Absatz 3 normierten Straftatbestände erfüllen, zu löschen, nicht hinreichend und nicht schnell genug nach (siehe A. II.)

Zu Absatz 1

Absatz 1 enthält die Grundsätze für ein wirksames Beschwerdemanagement sozialer Netzwerke. Soziale Netzwerke werden durch Absatz 1 Satz 1 verpflichtet, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Nutzerbeschwerden über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten. Die näheren Anforderungen an diese Verfahren werden in den Absätzen 2 und 3 beschrieben. Im Übrigen werden die bewehrungsfähigen Inhalte der Absätze 2 und 3, die separat mangels Vorliegen von Handlungsgeboten oder Handlungsverboten nicht bewehrbar wären, in die Bußgeldbewehrung einbezogen.

Durch Absatz 1 Satz 2 wird das soziale Netzwerk verpflichtet, ein nutzerfreundliches Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte anzubieten. Das Verfahren muss leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein. Diese Anforderungen entsprechen den gesetzlichen Vorgaben für Informationspflichten von Telemedienanbietern gemäß § 5 Absatz 1 TMG.

Die bestehenden Beschwerdesysteme sozialer Netzwerke müssen anhand der in den Absätzen 1 bis 3 festgelegten Standards weiterentwickelt werden. Die gesetzlichen Anforderungen an die Beschwerdesysteme sozialer Netzwerke gelten unabhängig davon, ob die sozialen Netzwerke die Beschwerden über rechtswidrige Inhalte durch eigenes Personal bearbeiten oder diese Aufgabe an einen externen Dienstleister auslagern.

Zu Absatz 2

Absatz 2 enthält die gesetzlichen Zielvorgaben für das Beschwerdemanagementsystem der sozialen Netzwerke.

Zu Nummer 1

Nummer 1 fordert von den sozialen Netzwerken unverzügliche Kenntnisnahme und Prüfung von Nutzerbeschwerden. Die Vorschrift konkretisiert und ergänzt damit die in § 10 TMG enthaltene Verpflichtung für Anbieter von Telemedien, rechtswidrige Inhalte unverzüglich nach Kenntnisnahme zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Das soziale Netzwerk hat von einer Beschwerde Kenntnis genommen, wenn der befugte Wissensvertreter innerhalb des Bearbeitungsteams Kenntnis erlangt hat. Als befugter Wissensvertreter ist nur derjenige anzusehen, der auch die Vollmacht zur Löschung oder Sperrung des gemeldeten Inhalts hat. Denn nur dieser kann die von der Vorschrift geforderte Prüfung vornehmen.

Zu Nummer 2

Nummer 2 fordert von den sozialen Netzwerken, offensichtlich rechtswidrige, also offensichtlich strafbare (§ 1 Absatz 3) Inhalte binnen 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu löschen oder zu sperren. Ein Inhalt ist offensichtlich rechtswidrig, wenn zur Feststellung der Rechtswidrigkeit im Sinne von § 1 Absatz 3 keine vertiefte Prüfung erforderlich ist. Durch diese Vorschrift ist gewährleistet, dass evidente Fälle von Hasskriminalität und Gewaltverherrlichung und andere offensichtlich strafbare Inhalte von den Plattformen so schnell wie möglich entfernt werden. Da die Vorschrift nur offensichtlich rechtswidrige Inhalte erfasst und für diese Inhalte eine aufwändige Prüfung nicht erforderlich ist, ist der den sozialen Netzwerken gegebene Zeitrahmen von 24 Stunden zumutbar.

Ausgenommen von der 24-Stunden-Regelung sind die offensichtlich rechtswidrigen Inhalte, die von einer Beschwerdestelle nicht nur bei dem sozialen Netzwerk, sondern auch bei den Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden. In der Folge kann es zu einer Vereinbarung zwischen sozialem Netzwerk und Strafverfolgungsbehörde kommen, dass der offensichtlich rechtswidrigen Inhalt erst zeitverzögert gelöscht oder gesperrt werden soll. Diese Wartefrist kann im Einzelfall notwendig sein, um die erforderlichen Strafverfolgungsmaßnahmen (insbesondere die Sicherung von Beweisen) und gegebenenfalls laufende Ermittlungsverfahren nicht zu gefährden.

Zu Nummer 3

Nummer 3 soll gewährleisten, dass soziale Netzwerke gemeldete Inhalte, die nicht offensichtlich rechtswidrig sind, innerhalb einer angemessenen Frist von sieben Tagen sorgfältig prüfen. Das soziale Netzwerk kann innerhalb dieser Frist die Verfasserin oder den Verfasser des gemeldeten Inhalts Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Beschwerde geben. Es kann bei schwierigen Rechtsfragen innerhalb dieser Frist auch externe Expertise einholen. Damit wird verhindert, dass soziale Netzwerke aufgrund Zeitdrucks Beiträge löschen ("chilling effect"). Gleichzeitig wird gewährleistet, dass Anbieter sozialer Netzwerke dazu angehalten werden, alle gemeldeten Inhalte, auch wenn sie nicht offensichtlich rechtswidrig im Sinne des § 1 Absatz 3 sind, zügig zu bearbeiten und eine Auseinandersetzung mit ihnen nicht zu vernachlässigen.

Zu Nummer 4

Die in Nummer 4 vorgeschriebene Sicherung zu Beweiszwecken vor der Entfernung eines rechtswidrigen Inhalts dient in erster Linie der Sicherung der Strafverfolgung gegen den Absender einer Nachricht mit strafbarem Inhalt. Die Frist für die im Inland vorzunehmende Speicherung beträgt zehn Wochen. Die Länge der Speicherfrist orientiert sich an der Speicherfrist für Verkehrsdaten in § 113b Absatz 1 Nummer 1 TKG. Mit dieser kurzen Speicherfrist wird einerseits dem Gebot einer möglichst grundrechtsschonenden Regelung Rechnung getragen. Diese Speicherungsdauer ist andererseits ausreichend, um die Verfügbarkeit der maßgeblichen Daten des Absenders eines strafbaren Inhalts zum Zweck der Strafverfolgung gewährleisten zu können.

Zu Nummer 5

Die in Nummer 5 vorgesehene Begründungspflicht gegenüber dem Beschwerdeführer und dem Absender ist in den Beschwerdesystemen der sozialen Netzwerke in der Regel bereits vorgesehen. Sowohl die Löschung bzw. Sperrung des Inhalts als auch die Ablehnung von Maßnahmen nach § 10 TMG sind unverzüglich zu begründen. Die in den Beschwerdesystemen der sozialen Netzwerke übliche Multiple-ChoiceBegründungsform ist ausreichend. Die Begründung stellt sicher, dass ein Nutzer, der gegen die Entfernung oder Sperrung eines für ihn gespeicherten Inhalts vorgehen will, die geeigneten rechtlichen Schritte zur Wahrung seines Rechts auf Meinungsfreiheit zeitnah einleiten kann. Niemand muss hinnehmen, dass seine legitimen Äußerungen aus sozialen Netzwerken entfernt werden.

Zu Nummer 6

Die Entfernung eines rechtswidrigen Inhalts muss sich gemäß Nummer 6 auch auf sämtliche auf den Plattformen des sozialen Netzwerks befindlichen Kopien des rechtswidrigen Inhalts erstrecken. Diese Vorschrift enthält eine Konkretisierung und Klarstellung der Löschungsverpflichtung in § 10 TMG.

Zu Absatz 3

Die Dokumentationspflicht in Absatz 3 ist insbesondere für das Monitoring gemäß Absatz 5, aber auch zur Beweissicherung für ein gerichtliches Verfahren über die Rechtmäßigkeit einer Löschung oder Entfernung eines gespeicherten Inhalts unverzichtbar. Entscheidend ist, dass die Dokumentation im Inland verfügbar ist.

Zu Absatz 4

Absatz 4 umschreibt die organisationsinternen Pflichten im Hinblick auf das Beschwerdemanagement. Satz 1 ordnet eine hochrangige Überwachung des Beschwerdemanagements durch die Leitung des sozialen Netzwerks an. Dies entspricht der gesellschaftlichen Bedeutung der Aufgabe, Hasskriminalität und andere Straftaten im Netz wirksam zu bekämpfen. Plattformen, die von ihrer Struktur her missbrauchsanfällig sind, müssen institutionelle Gewähr dafür bieten, dass von höchster Stelle alles Notwendige für eine Bekämpfung des Missbrauchs zu kriminellen Zwecken getan wird. Satz 2 verpflichtet die Leitung des sozialen Netzwerks, organisatorische Unzulänglichkeiten unverzüglich zu beseitigen. Da die Beurteilung gemeldeter Inhalte eine psychisch sehr belastbare Tätigkeit sein kann, wird die Leitung des sozialen Netzwerks gemäß Satz 3 verpflichtet, den Bearbeiterinnen und Bearbeitern von Nutzerbeschwerden regelmäßig Schulungen und Betreuungen anzubieten.

Zu Absatz 5

Das gemäß Absatz 5 zulässige Monitoring der Beschwerdebearbeitung wird derzeit von jugendschutz.net durchgeführt und hat sich in der Praxis bewährt.

Zu § 4 (Bußgeldvorschriften)

Zu Absatz 1

Durch Absatz 1 wird ein Verstoß gegen die Compliance-Vorschriften der §§ 2, 3 und 5 als Ordnungswidrigkeit verfolgbar. Es reicht aus, dass der Verstoß fahrlässig begangen worden ist. In Fällen, in denen die Bußgeldvorschriften an Rechtspflichten des Diensteanbieters anknüpfen (Absatz 1 Nummer 1 bis 3 und Nummer 7), kann das Bußgeld gegen die gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter des Unternehmens verhängt werden. Dies ergibt sich aus § 9 Absatz 1 und 2 OWiG, der vorliegend Anwendung findet. Demzufolge zählt die (eigen-)verantwortliche Leiterin oder der (eigen-)verantwortliche Leiter der Beschwerdestelle zum Kreis der betroffenen Personen, sofern sie oder er nach § 9 Absatz 2 OWiG beauftragt wurde. Nicht erfasst ist hingegen die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter ohne eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung.

In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 4 bis 6 wenden sich die bußgeldbewehrten Normen des § 3 Absatz 4 bereits ausdrücklich an die Leitung des sozialen Netzwerkes. Ein Rückgriff auf § 9 Absatz 1 OWiG ist damit entbehrlich. Eine gewillkürte Vertretung gemäß § 9 Absatz 2 OWiG kommt hier jedoch in Betracht.

Die sozialen Netzwerke werden durch die Androhung von empfindlichen Bußgeldern zu erhöhter Aufmerksamkeit bei der Einhaltung des gesetzlichen Compliance-Standards verpflichtet.

Zu Nummer 1

Nummer 1 enthält die Bußgeldvorschrift, die die Berichtspflicht sozialer Netzwerke in § 2 absichert. In den Bußgeldvorschriften des sogenannten Nebenstrafrechts ist stets eine akzessorische Anknüpfung an die bewehrte verwaltungsrechtliche Vorschrift vorzusehen. Zudem wurde aus Gründen der Bestimmtheit eine inhaltliche und sprachliche Übereinstimmung zwischen der Bußgeldvorschrift und der bewehrten verwaltungsrechtlichen Norm hergestellt. Diese beiden Anforderungen werden durch die hier vorgenommene übliche Bewehrungsausgestaltung erfüllt. Zudem wird die gebotene differenzierte Anknüpfung an § 2 Absatz 1 Satz 1 vorgenommen.

Zu Nummer 2

Durch Nummer 2 wird die vorsätzliche oder fährlässige Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung sozialer Netzwerke, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten, als Ordnungswidrigkeit verfolgbar. Die Bußgeldvorschrift erfasst die Pflicht der sozialen Netzwerke zur unverzüglichen Kenntnisnahme und Prüfung der Beschwerde (§ 3 Absatz 2 Nummer 1), die Pflicht zur Entfernung oder Sperrung eines offensichtlich rechtswidrigen Inhalts (§ 3 Absatz 1 Nummer 2), die Pflicht zur Entfernung oder Sperrung anderer rechtswidriger Inhalte innerhalb von 7 Tagen (§ 3 Absatz 1 Nummer 3), die Pflicht zur Sicherung zu Beweiszwecken (§ 3 Absatz 1 Nummer 4), die Pflicht zur Information des Beschwerdeführers und des Nutzers, für den gespeichert wurde (§ 3 Absatz 1 Nummer 5) sowie die Pflicht zur Entfernung oder Sperrung sämtlicher auf den Plattformen befindlichen Kopien rechtswidriger Inhalte (§ 3 Absatz 1 Nummer 6).

Der Tatbestand wird in der Regel nicht bereits durch einen einmaligen Verstoß gegen die Pflicht, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde oder andere rechtswidrige Inhalte innerhalb von 7 Tagen zu löschen oder zu sperren, erfüllt. Bei einem einmaligen Verstoß kann regelmäßig noch nicht davon ausgegangen werden, dass kein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorgehalten wird.

Bei nur vereinzelten Verstößen, die nicht auf systemische Fehler im Umgang mit Beschwerden hindeuten, ist außerdem auf das in § 47 Absatz 1 OWiG verankerte Opportunitätsprinzip hinzuweisen.

Unterbleibt eine Entfernung oder Sperrung, weil das soziale Netzwerk den Inhalt nicht für rechtswidrig hält, wird jedenfalls vor einer eindeutigen Klärung der Rechtswidrigkeit einer Äußerung ein Bußgeldverfahren nicht angezeigt sein. In solchen Fällen ist zum Schutz der Meinungsfreiheit ein behutsames Vorgehen der Bußgeldbehörde angezeigt. Auch soll ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet werden, wenn die Rechtswidrigkeit eines Inhalts von dessen Wahrheitsgehalt abhängt und das soziale Netzwerk keine Möglichkeit hat, den Wahrheitsgehalt zeitnah zu klären und den Inhalt deswegen nicht innerhalb der in § 3 Absatz 2 Nummer 2 genannten Frist entfernt oder sperrt. Näheres wird in Bußgeldleitlinien geregelt (siehe unten zu Absatz 4).

Durch die hier vorgesehene Fassung der Bußgeldvorschrift wird lediglich eine Teilbewehrung des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgenommen, die sich auf Beschwerden von Inländern beschränkt.

Zu Nummer 3

Nummer 3 enthält die korrespondierende Bußgeldvorschrift zu der Verpflichtung der sozialen Netzwerke, ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Nutzerbeschwerden zur Verfügung zu stellen (§ 3 Absatz 1 Satz 2).

Zu Nummer 4

Nummer 4 enthält die Bußgeldvorschrift, die die Pflicht der Leitung des sozialen Netzwerks zur Überwachung des Umgangs mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte (§ 3 Absatz 4 Satz 1) absichert.

Zu Nummer 5

Nummer 5 enthält die Bußgeldvorschrift, die die Pflicht der Leitung des sozialen Netzwerks zur unverzüglichen Beseitigung einer organisatorischen Unzulänglichkeit absichert.

Zu Nummer 6

Gemäß Nummer 6 ist es als Ordnungswidrigkeit verfolgbar, wenn die Leitung des sozialen Netzwerks den mit der Bearbeitung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte beauftragten Personen eine Schulung oder eine Betreuung nicht oder nicht rechtzeitig angeboten hat.

Zu Nummer 7

Nummer 7 enthält schließlich die Bußgeldvorschrift, die mit der Pflicht der sozialen Netzwerke zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten und eines inländischen Empfangsberechtigten für Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden (§ 5) korrespondiert.

Zu Absatz 2

Der Bußgeldrahmen bei Verstößen gegen die Compliance-Pflichten gemäß Absatz 1 Nummer 1 bis 6 orientiert sich an den vergleichbaren Tatbeständen im Kreditwesengesetz (KWG) und reicht bis zu fünf Millionen Euro (vgl. § 56 Absatz 6 Nummer 1 KWG).

Bei der Festsetzung der konkreten Geldbuße ist zu berücksichtigen, dass bei der Bemessung die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft, berücksichtigt werden. Daher ist ein weiter Bußgeldrahmen vorzusehen, der der Verfolgungsbehörde die notwendige Flexibilität bei der Bußgeldbemessung im Einzelfall gibt. In jedem Fall kommt es auf den Unrechtsgehalt der Tat an. Außerdem soll sich die Geldbuße am wirtschaftlichen Vorteil, den der Betroffene durch die begangene Ordnungswidrigkeit erlangt hat, orientieren (vgl. § 17 Absatz 4 OWiG).

Für den Verstoß gegen § 5 ist eine niedrigere Bußgelddrohung vorzusehen. Es handelt sich lediglich um die Verletzung einer förmlichen Pflicht, die der Behörde oder dem Gericht eine erleichterte Zustellung ermöglichen soll und daher einen geringeren Unrechtsgehalt aufweist. Auch bei Nichtnennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten bleibt eine Zustellung beim Sitz des sozialen Netzwerks möglich.

Absatz 2 Satz 2 verweist auf § 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG und führt dadurch bei der nach § 30 Absatz 1 OWiG möglichen Festsetzung einer Geldbuße gegen die das soziale Netzwerk betreibende juristische Person oder Personenvereinigung dazu, dass sich das Höchstmaß der nach diesem Gesetz angedrohten Geldbuße auf 50 Millionen Euro verzehnfacht. Zudem kann eine Verbandsgeldbuße auch bei Auslandstaten und gegen ausländischen Unternehmensträger verhängt werden (vgl. dazu OLG Celle wistra 2002, 230), wenn die Ordnungswidrigkeit, die als Anknüpfungstat nach § 30 Absatz 1 OWiG dient, deutschem Sanktionsrecht unterliegt (siehe hierzu Absatz 3) und die Typologie des ausländischen Verbandes rechtlich mit derjenigen einer juristischen Person oder Personenvereinigung nach deutschem Recht vergleichbar ist (vgl. KK-OWiG-Rogall, 4 Auflage, § 30 Rd. 33 m.w. N.).

Die Kriterien für die Bemessung der Höhe der Geldbuße werden in Leitlinien für das Bußgeldverfahren festgelegt (siehe unten zu Absatz 4).

Zu Absatz 3

Absatz 3 stellt sicher, dass die hier vorgesehenen Pflichten und die korrespondierenden Ordnungswidrigkeitentatbestände auch auf Handlungen im Ausland anwendbar sind. Ohne die klarstellende Vorschrift wäre zweifelhaft, ob für sämtliche Bußgeldtatbestände des Entwurfs die §§ 5 und 7 Absatz 1 OWiG zur Ahndbarkeit von Auslandstaten führen würden. Beispielsweise könnte der Anbieter den Bericht nach § 2 Absatz 1 Satz 1 auch im Ausland erstellen (lassen) oder Schulungen nach § 3 Absatz 4 Satz 3 auch im Ausland anbieten. Der Handlungsort im Sinne des § 7 Absatz 1 OWiG, an dem der Pflichtige bei einem Unterlassen hätte handeln müssen, würde daher nicht im Inland liegen, so dass die räumliche Geltung des OWiG nach § 5 nicht gegeben wäre.

Zu Absatz 4

Absatz 4 Satz 1 bestimmt als Bußgeldbehörde für die in diesem Gesetz bezeichneten Ordnungswidrigkeiten das Bundesamt für Justiz. Aufgabe des Bundesamtes ist es, Gesetzesverstöße im Rahmen des durch § 47 Absatz 1 OWiG eingeräumten Ermessens zu verfolgen und zu ahnden. Um eine gleichmäßige, effektive und verhältnismäßige Sanktionierung sicherzustellen, ist gemäß Satz 2 der Erlass von Bußgeldleitlinien vorgesehen. In diesen Leitlinien soll unter anderem festgelegt werden, wie das Bundesamt bei der Festsetzung von Geldbußen und bei der Ausübung seines Verfolgungsermessens vorgehen wird.

Zu Absatz 5

Durch Absatz 5 Satz 1 wird die Verwaltungsbehörde verpflichtet, über die Rechtswidrigkeit im Sinne des § 1 Absatz 3 eine gerichtliche Vorabentscheidung einzuholen. Das Bundesamt für Justiz soll über die Strafbarkeit von Inhalten nicht selbst entscheiden, sondern die Entscheidung den Gerichten überlassen. Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes sind allein die Gerichte dazu berufen, über die Strafbarkeit einer Handlung zu entscheiden. Zudem trägt die enge Einbeziehung der Gerichte zur notwendigen Klärung der Strafbarkeit von Handlungen und Äußerungen in sozialen Netzwerken bei.

Das Gericht führt ausschließlich eine rechtliche Überprüfung des gemeldeten Inhalts durch. Prüfmaßstab sind die in § 1 Absatz 3 genannten Straftatbestände. Ausreichend ist eine Prüfung der objektiven Strafbarkeit. Mit Schuldgesichtspunkten muss sich das Gericht nicht auseinandersetzen. Das Gericht hat die Rechtsprüfung auf der Grundlage des von der Verwaltungsbehörde ermittelten Sachverhalts vorzunehmen. In der Regel wird durch den gemeldeten Inhalt nebst dem Kontext, in dem er verfasst worden ist, eine hinreichende Entscheidungsgrundlage für das Gericht eröffnet.

Die Pflicht zur Einholung einer gerichtlichen Vorabentscheidung trifft das Bundesamt für Justiz, wenn die Rechtswidrigkeit eines gemeldeten Inhalts Voraussetzung für den Erlass eines Bußgeldbescheids ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das soziale Netzwerk den Standpunkt vertritt, ein gemeldeter Inhalt sei nicht rechtswidrig und müsse daher nicht entfernt oder gesperrt werden.

Zuständig ist gemäß Satz 2 das Gericht, das gemäß § 68 OWiG über den Einspruch der oder des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid entscheidet. Das ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat.

Die Vorabentscheidung ist gemäß Satz 3 von der Verwaltungsbehörde zu beantragen. Zuvor hat sie eine Stellungnahme des sozialen Netzwerks über die Rechtswidrigkeit einzuholen, die dem Antrag beizufügen ist. In dem Antrag ist der Sachverhalt, den das Gericht unter strafrechtlichen Gesichtspunkten prüfen soll, umfassend darzustellen.

Gemäß Satz 4 ist die mündliche Verhandlung fakultativ. Das angerufene Gericht kann hierüber nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten entscheiden. Da das Gericht ausschließlich eine rechtliche Prüfung des gemeldeten Inhalts durchführt, kann es zu keiner Beweisaufnahme kommen, so dass eine mündliche Verhandlung nicht zwingend geboten ist.

Da das Vorabentscheidungsverfahren eine eigenständige Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Rechtswidrigkeit gerade verhindern soll, ist die gerichtliche Entscheidung gemäß Satz 5 bindend. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der gemeldete Inhalt nicht rechtswidrig ist, ist das Bußgeldverfahren somit zwingend einzustellen. Andernfalls kann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ein Bußgeldbescheid erlassen werden.

Eines gesonderten Rechtsbehelfs gegen die Vorabentscheidung bedarf es nicht. Wenn das soziale Netzwerk durch die Vorabentscheidung beschwert ist, kann es den Bußgeldbescheid anfechten, in denen die Vorabentscheidung zwingend einfließt.

Zu § 5 (Inländischer Zustellungsbevollmächtigter)

Eines der Hauptprobleme bei der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ist das Fehlen von verantwortlichen Ansprechpartnern bei den Betreibern der sozialen Netzwerke für Justiz, Bußgeldbehörden und für Betroffene und das Fehlen einer zustellungsfähigen Adresse des Plattformbetreibers in Deutschland. Durch Satz 1 werden Diensteanbieter von sozialen Netzwerken künftig gesetzlich verpflichtet, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland vorzuhalten und in Zivilprozessen, die gegen sie geführt werden, sowie in Bußgeldverfahren nach diesem Gesetz einschließlich des gerichtlichen Verfahrens unverzüglich zu benennen.

Die Vorschrift gilt für alle sozialen Netzwerke unabhängig von ihrem Sitz im Inland oder im Ausland. Eine Beschränkung auf soziale Netzwerke im Ausland, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigen zu bestellen, wäre problematisch, weil damit auch EU-Ausländer (etwa in Irland) erfasst werden. Darin läge eine unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, weil inländische soziale Netzwerke nicht erfasst werden. Die Pflicht aus Satz 1 trifft deswegen alle sozialen Netzwerke im In- und Ausland. Die bisher gegen soziale Netzwerke geführten Zivilprozesse haben gezeigt, dass die europäischen Zustellungsmechanismen (Einschreiben mit Rückschein in Zivilverfahren) generell nicht ausreichen. Gerade wegen der erheblichen Meinungsmacht sozialer Netzwerke ist es dringend erforderlich, insbesondere zur gerichtlichen Abwehr von strafrechtlich relevanten Falschnachrichten eine schnelle und sichere Zustellungsvariante zur Verfügung zu haben, um den Betroffenen ein schnelles rechtliches Einschreiten zu ermöglichen. Ein Zustellungsbevollmächtigter im Heimatstaat des sozialen Netzwerks kann eine sichere und zügige Zustellung nicht in gleichem Maße gewährleisten, selbst wenn per Einschreiben zugestellt werden könnte.

Satz 2 erweitert die Pflicht der sozialen Netzwerke, einen inländischen Ansprechpartner zu benennen, auf Strafverfahren, die gegen die Nutzer sozialer Netzwerke geführt werden. Für Auskunftsersuchen nach §§ 14, 15 TMG, die die Bestands- und Nutzungsdaten der Verfasser strafrechtlich relevanter Inhalte zum Gegenstand haben, haben die sozialen Netzwerke eine inländische empfangsberechtigte Person zu benennen. Ziel der Regelung ist es sicherzustellen, dass die sozialen Netzwerke sozusagen einen "Briefkasten" im Inland bereitstellen. Durch die Benennung eines Ansprechpartners werden daher keine zusätzlichen Auskunftspflichten begründet. Die Benennung eines Ansprechpartners verbessert jedoch die Möglichkeiten einer freiwilligen unmittelbaren Kooperation zwischen Strafverfolgungsbehörden und Providern. Weitere Verpflichtungen des sozialen Netzwerks oder rechtliche Folgen knüpfen sich an die Benennung des Empfangsberechtigten nicht; insbesondere handelt es sich nicht um einen Zustellungsbevollmächtigten im Sinne von § 132 Absatz 2 der Strafprozessordnung.

Zu § 6 (Übergangsvorschriften)

Zu Absatz 1

Die Vorschrift enthält eine Übergangsregelung für die Berichtspflicht. Um den sozialen Netzwerken Zeit für die Anpassung an die Berichtspflicht zu geben, wird der erste Quartalsbericht erst für das zweite auf das Inkrafttreten folgende Quartal fällig.

Zu Absatz 2

Die Vorschrift enthält eine Übergangsregelung für das Beschwerdemanagement (§ 3 Absatz 1 Satz 1) und das Vorhalten eines nutzerfreundlichen Systems zur Übermittlung von Beschwerden (§ 3 Absatz 1 Satz 2). Diese Verfahren müssen drei Monate nach Inkrafttreten entsprechend den Anforderungen in § 3 Absatz 2 eingeführt werden.

Zu Artikel 2 (Änderung des Telemediengesetzes)

Die Änderung erweitert die datenschutzrechtliche Erlaubnisnorm des Telemedienrechts, die nach geltendem Recht einem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen oder bei der Verletzung anderer absolut geschützter Rechte entgegenstehen kann. Nach der sogenannten Sanego-Entscheidung des BGH vom 1. Juli 2014 (BGHZ 201, 380) ergibt sich nämlich der Auskunftsanspruch des durch einen auf eine Internet-Plattform eingestellten Beitrags in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Verletzten bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere gemäß § 242 BGB. Auch kann dieser Anspruch nach der Entscheidung im Einzelfall gegen einen anderen als den unmittelbaren Rechtsverletzer, hier den Dienstanbieter, gerichtet sein. Der BGH sah sich jedoch an einer Verurteilung zur Auskunft dadurch gehindert, dass die datenschutzrechtliche Ermächtigungsnorm des § 14 Absatz 2 TMG die Durchsetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Herausgabezweck nicht erwähnte und auch eine Analogie nicht möglich war. Ausdrücklich verwies der BGH drauf, dass es hierzu einer gesetzgeberischen Entscheidung durch Ausweitung des § 14 Absatz 2 TMG bedürfe. Diese Ausweitung wird durch die Änderung des Telemediengesetzes in Artikel 2 umgesetzt.

Diese Forderung war bereits im Rechtsetzungsverfahren zum 2. TMG-Änderungsgesetz erstmals vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 8. November 2015 erhoben worden. In ihrer Gegenäußerung führte die Bundesregierung hierzu seinerzeit aus:

"Aus Sicht der Bundesregierung bestehen grundsätzlich keine Einwände dagegen, die Auskunftserteilung auf weitere Fälle zu erweitern. Denkbar wäre dabei eine Erweiterung nicht nur im Hinblick auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, sondern auf alle sonstigen absoluten Rechte. Die konkrete Reichweitenbestimmung bedarf weiterer Prüfung. Die Bundesregierung verweist darüber hinaus auf die anstehende Verabschiedung der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung und die Schlussfolgerungen, die zu gegebener Zeit auf ihrer Grundlage hinsichtlich aller in Deutschland bestehenden Datenschutzvorschriften zu ziehen sein werden. Die geltende Fassung von § 14 Absatz 2 TMG hat zur Folge, dass trotz Bestehens eines gesetzlichen Auskunftsanspruchs wegen einer anonym begangenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Diensteanbieter nicht befugt ist, Daten zum Zwecke der Auskunftserteilung zu verwenden. In diesem Fall hat der Datenschutz Vorrang; der gesetzliche Auskunftsanspruch geht ins Leere. Die Ausführungen des Bundesrates sind insofern zutreffend."

Eine Änderung der Sachlage wird nunmehr durch die anstehende Anpassung des Datenschutzrechts im TMG an die Datenschutz-Grundverordnung eintreten. Mit der Aufhebung des bereichsspezifischen Telemediendatenschutzes werden für die Telemedien dann die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung und des Bundesdatenschutzgesetzes gelten, dessen Anpassung sich in der parlamentarischen Beratung befindet (Bundestagsdrucksache 18/11325). Diensteanbieter werden dann nach § 24 Absatz 1 Nummer 2 BDSG n.F. zur Datenverarbeitung zum Zwecke der Erfüllung von zivilrechtlichen Auskunftsansprüchen berechtigt sein:

" § 24 Verarbeitung zu anderen Zwecken durch nichtöffentliche Stellen

[...] Die Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, durch nichtöffentliche Stellen ist zulässig, wenn [.] sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist, sofern nicht die Interessen der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegen."

Diese künftige Rechtslage nimmt die in Artikel 2 vorgesehene Änderung des Telemediengesetzes in modifizierter Form vorweg und eröffnet bereits mit Inkrafttreten dieses Gesetzes einen durchsetzbaren Auskunftsanspruch des Opfers gegenüber sozialen Netzwerken bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Verletzungen anderer absolut geschützter Rechte.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift enthält die Regelung über das Inkrafttreten dieses Gesetzes

->

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Absatz 1 NKRG: NKR-Nummer 4137, BMJV: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und BürgerKeine Auswirkungen
Wirtschaft
Jährlicher Erfüllungsaufwand:
davon aus Informationspflichten
(Quartalsberichte):
rund 29 Mio. Euro rund 2 Mio. Euro
Verwaltung (Bund)
Bund
Jährlicher Erfüllungsaufwand: Einmaliger Erfüllungsaufwand:
rund 4 Mio. Euro rund 350.000 Euro
Weitere Kosten (Gerichte)rund 300.000 Euro
"One in one out"-RegelIm Sinne der "One in one out"-Regel der
Bundesregierung stellt der jährliche
Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in
diesem Regelungsvorhaben ein "In" von rund 29 Mio. Euro dar. Die Kompensation erfolgt aus dem Anteil des BMJV an dem Bürokratieentlastungsgesetz.
EvaluierungDas Gesetz wird spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten evaluiert. Dabei wird die
Bundesregierung in fachlich geeigneter
Weise prüfen, ob und inwieweit die
beabsichtigten Wirkungen auf die sozialen Netzwerke mit Blick auf ihren Umgang mit Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte erreicht worden
sind. Die Bundesregierung wird ferner
untersuchen, wie sich der Erfüllungs
aufwand für Wirtschaft und Verwaltung entwickelt hat und ob die Entwicklung in einem angemessenen Verhältnis zu den festgestellten Regelungswirkungen steht.
Die Evaluierung wird die Frage nach
unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und Praktikabilität der Regelungen einschließen.

Mit dem Regelungsvorhaben soll u.a. die bisher eigenverantwortliche Bekämpfung von Hasskriminalität durch die Netzwerkbetreiber (Beschwerdemanagement) gesetzlichen Vorgaben unterworfen werden. Diese Vorgaben erzeugen den größten Anteil des Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft.

Um dessen Höhe ermitteln zu können, hat das Ressort die drei größten Marktteilnehmer (google, facebook, Twitter) um Auskunft über ihren bisherigen Aufwand gebeten, jedoch nur "unbefriedigende Antworten" erhalten. Tatsächlich sind ihm "die Kosten, die die sozialen Netzwerke für die bereits vorhandenen Beschwerdesysteme aufwenden, nicht bekannt". Das BMJV hat geschätzt, dass diese Kosten 50 Millionen Euro betragen und sich durch die neuen Vorgaben um 50 Prozent erhöhen werden. Eine Begründung für diese Ansätze enthält der Regelungsentwurf allerdings nicht. Daher ist die Darstellung des Erfüllungsaufwands insoweit nicht nachvollziehbar.

Ebenfalls ohne Begründung und daher nicht nachvollziehbar ist die Schätzung des Erfüllungsaufwands für den neuen Auskunftsanspruch bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Ebenso wie für den Zustellungsbevollmächtigten, hätten hierbei Fallzahlen zu Grunde gelegt werden müssen.

Zwar hat das Ressort den Entwurf auf Empfehlung des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) um eine ursprünglich nicht vorgesehene Evaluierungsklausel erweitert, die den Erfüllungsaufwand einschließt. Jedoch wird das Ziel, bereits im Zeitpunkt der Entscheidung ein realitätsnahes Bild der zu erwartenden Belastungen zu geben, nicht erreicht.

II. Im Einzelnen

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) will der Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten einschließlich sogenannter Fake News in sozialen Netzwerken entgegenwirken. Eine Selbstverpflichtung der Netzwerkbetreiber (2015) hat sich hierfür als nicht ausreichend erwiesen. Zwar werden nach Feststellung des Ressorts z.B. bei YouTube mittlerweile in 90 Prozent der Fälle strafbare Inhalte gelöscht. Facebook hingegen löschte bisher in nur 39 Prozent, Twitter in nur einem Prozent (Januar 2017). Mit dem Regelungsvorhaben sollen daher gesetzliche Compliance-Regeln für soziale Netzwerke * zwei Millionen Nutzer (Inland) eingeführt werden. Vorgesehen sind

Verstöße gegen die neuen gesetzlichen Pflichten sollen mit Bußgeldern gegen das Unternehmen und die Aufsichtspflichtigen geahndet werden können.

II.1. Erfüllungsaufwand

Für Bürgerinnen und Bürger ruft das Regelungsvorhaben keinen Erfüllungsaufwand hervor.

Wirtschaft

Das Ressort geht davon aus, dass zehn soziale Netzwerke den Schwellenwert von zwei Millionen inländischen Nutzern erreichen. Diesen zehn Wirtschaftsbeteiligten entsteht jährlicher Erfüllungsaufwand, den das BMJV auf 29 Millionen Euro schätzt:

- Vierteljährliche Berichte auf eigener Homepage und im Bundesanzeiger

10 Unternehmen x 4 Quartale x 50 000 Euro/Bericht = 2 Millionen Euro p.a.

Für die Kostenhöhe/Bericht (50 000 Euro) geht das BMJV davon aus, dass die Netzwerkbetreiber die Mehrzahl der geforderten Angaben bereits intern erheben, so dass diese Informationspflichten keinen erheblichen Mehraufwand auslösen. Ferner davon, dass die Unternehmen die geforderten Angaben teilweise bereits in sogenannten Transparenzberichten veröffentlichen. Daher werde durch mit dem Regelungsvorhaben in erster Linie ein zusätzlicher Prüfungs- und Kontrollaufwand für das intern vorhandene Zahlenwerk ausgelöst.

- Wirksames Beschwerdemanagement

Dem Ressort ist nicht bekannt, in welcher Höhe den Netzwerkbetreibern bisher Kosten für Beschwerdesysteme entstanden sind. Jedoch schätzt das BMJV diese

Kosten auf jährlich 50 Millionen Euro und geht zugleich davon aus, dass mit dem Regelungsvorhaben eine Kostensteigerung um 50 Prozent verbunden ist. Auf diesem Weg kommt das Ressort zu der Annahme eines zusätzlichen Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft von 25 Millionen Euro jährlich.

- Zustellungsbevollmächtigter

Die Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten für jedes Bußgeldverfahren und jeden Zivilprozess verursacht nach Einschätzung des BMJV

Erfüllungsaufwand von einer Million Euro jährlich.

- Auskunftsanspruch

Ebenfalls auf eine Million Euro jährlich schätzt das Ressort den Erfüllungsaufwand für den neuen Auskunftsanspruch bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten.

Verwaltung (Bund)

Verstöße gegen die Pflicht zur Berichterstattung bzw. zum Betrieb eines Beschwerdemanagements sollen künftig mit Geldbußen von bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden können. Verfolgungsbehörde ist das Bundesamt für Justiz (BfJ), dem zugleich die präventive Überwachung des Beschwerdemanagements übertragen wird. Den Erfüllungsaufwand des BfJ hat das Ressort mit rund 4 Millionen Euro (jährlich) sowie mit rund 350.000 Euro (einmalig) nachvollziehbar dargestellt.

II.2. Weitere Kosten (Länder)

Weitere Kosten, die das BMJV auf jährlich 300.000 Euro schätzt, entstehen auf der Landesebene durch richterliche Entscheidungen über die Rechtswidrigkeit von Netzwerkinhalten sowie über Bußgeldbescheide und über den neuen Auskunftsanspruch bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten.

II.3. "One in one Out"-Regel

Im Sinne der "One in one out"-Regel der Bundesregierung stellt der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in diesem Regelungsvorhaben ein "In" von rund 29 Millionen Euro dar. Die Kompensation soll aus dem Anteil des BMJV am Bürokratieentlastungsgesetz erfolgen.

II.4 Evaluierung

Das Gesetz wird spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten evaluiert. Dabei wird die Bundesregierung in fachlich geeigneter Weise prüfen, ob und inwieweit die beabsichtigten Wirkungen auf die sozialen Netzwerke mit Blick auf ihren Umgang mit Beschwerden über

Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte erreicht worden sind. Die Bundesregierung wird ferner untersuchen, wie sich der Erfüllungsaufwand für Wirtschaft und Verwaltung entwickelt hat und ob die Entwicklung in einem angemessenen Verhältnis zu den festgestellten Regelungswirkungen steht. Die Evaluierung wird die Frage nach unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und Praktikabilität der Regelungen einschließen.

III. Votum

Mit dem Regelungsvorhaben soll u.a. die bisher eigenverantwortliche Bekämpfung von Hasskriminalität durch die Netzwerkbetreiber (Beschwerdemanagement) gesetzlichen Vorgaben unterworfen werden. Diese Vorgaben erzeugen den größten Anteil des Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft.

Um dessen Höhe ermitteln zu können, hat das Ressort die drei größten Marktteilnehmer (google, facebook, Twitter) um Auskunft über ihren bisherigen Aufwand gebeten, dabei jedoch nur "unbefriedigende Antworten" erhalten. Tatsächlich sind ihm "die Kosten, die die sozialen Netzwerke für die bereits vorhandenen Beschwerdesysteme aufwenden, nicht bekannt". Das BMJV hat geschätzt, dass diese Kosten 50 Millionen Euro betragen und sich durch die neuen Vorgaben um 50 Prozent erhöhen werden. Eine Begründung für diese Ansätze enthält der Regelungsentwurf allerdings nicht. Daher ist die Darstellung des Erfüllungsaufwands insoweit nicht nachvollziehbar.

Ebenfalls ohne Begründung und daher nicht nachvollziehbar ist die Schätzung des Erfüllungsaufwands für den neuen Auskunftsanspruch bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Ebenso wie für den Zustellungsbevollmächtigten, hätten hierbei Fallzahlen zu Grunde gelegt werden müssen.

Zwar hat das Ressort den Entwurf auf Empfehlung des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) um eine ursprünglich nicht vorgesehene Evaluierungsklausel erweitert, die den Erfüllungsaufwand einschließt. Jedoch wird das Ziel, bereits im Zeitpunkt der Entscheidung ein realitätsnahes Bild der zu erwartenden Belastungen zu geben, nicht erreicht.

Dr. Ludewig Dr. Holtschneider
Vorsitzender Berichterstatter

Anlage 2
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG) (NKR-Nr. 4137)

Die Bundesregierung nimmt zu der Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates wie folgt Stellung:

Der Nationale Normenkontrollrat hat in seiner Stellungnahme zu dem oben genannten Gesetzentwurf kritisiert, es fehlten die Darstellung der Schätzgrundlagen für den Erfüllungsaufwand im Bereich des Beschwerdemanagements der sozialen Netzwerke, des Zustellungsbevollmächtigten sowie des Auskunftsanspruchs bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten.

Die Bundesregierung hält nach nochmaliger Prüfung an der von ihr dargestellten Höhe des Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft fest. Die Kosten, die die sozialen Netzwerke für ihre bereits vorhandenen Beschwerdesysteme aufwenden, sind nicht bekannt. Um hier Transparenz herzustellen, sieht § 2 Absatz 2 Nummer 4 NetzDG gerade vor, dass soziale Netzwerke vierteljährlich über Organisation, personelle Ausstattung, fachliche und sprachliche Kompetenz der für die Bearbeitung von Beschwerden zuständigen Arbeitseinheiten und Schulung und Betreuung der für die Bearbeitung von Beschwerden zuständigen Personen berichten. Erst wenn diese Angaben gemacht werden, sind belastbare Schätzgrundlagen für die von den sozialen Netzwerken aufgewandten Kosten für die Beschwerdesysteme vorhanden.

Die Schätzung des Erfüllungsaufwands für von den sozialen Netzwerken zu benennenden Zustellungsbevollmächtigten beruht auf hinreichenden Grundlagen. Der Zustellungsbevollmächtigte kann zum einen in allen nach diesem Gesetz entstehenden Bußgeldverfahren benannt werden. Diese Zahl wird in dem Gesetzentwurf - vom Nationalen Normenkontrollrat unbeanstandet - auf 520

Verfahren jährlich geschätzt. Hinzu kommt eine Anzahl von Zivilprozessen, die künftig gegen soziale Netzwerke geführt werden, die sich in ähnlicher Größenordnung bewegen dürfte. Eine genauere Schätzung ist nicht möglich, da eine Statistik über die Anzahl der bisher gegen soziale Netzwerke geführten Prozesse nicht vorliegt.

Die Schätzung des Erfüllungsaufwands der sozialen Netzwerke für den künftig durchsetzbaren Auskunftsanspruch lässt sich nicht verlässlich mit Fallzahlen unterlegen. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung des § 14 Absatz 2 des Telemediengesetzes wird lediglich die Befugnis der Diensteanbieter geschaffen, personenbezogene Daten der Nutzer für Zwecke der Auskunftserteilung zu verarbeiten, die aufgrund von anderen gesetzlichen Grundlagen bestehen, § 14 Absatz 2 des Telemediengesetzes enthält keinen eigenständigen Anspruch auf Auskunftserteilung. In wie vielen Fällen der in einem absolut geschützten Recht Verletzte künftig gegenüber dem Diensteanbieter Auskunft über die Bestandsdaten des Verletzers anfordert, kann nicht beziffert werden, da die Zahl der Persönlichkeitsverletzungen in sozialen Netzwerken statistisch nicht erhoben wird.