Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Integrationsgesetz

Punkt 51 der 947. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2016

Der Bundesrat möge beschließen:

Der Bundesrat begrüßt das Integrationsgesetz als einen ersten wichtigen Schritt zur gelingenden Integration von Flüchtlingen in Qualifizierung und Beschäftigung. Eine zukunftsfeste Integrationspolitik muss über Qualifizierung und Beschäftigung hinaus weitere Aspekte beinhalten und regeln. Integrationspolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die nahezu alle Arbeitsfelder der Politik betrifft. Mit den Beratungen der "Unabhängigen Kommission Zuwanderung" wurde im Jahr 2000 ein erster Schritt hin zu einer modernen Integrationspolitik in Deutschland getan.

Leitbild einer modernen Einwanderungs- und Integrationspolitik muss die Herstellung von gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengleichheit für alle Menschen in diesem Land sein - ob sie und ihre Familien nun schon immer in Deutschland gelebt haben, oder ob sie erst in den letzten Jahren eingewandert sind. Ein Gegeneinander-Ausspielen von unterschiedlichen Gruppen wird abgelehnt. Das Grundgesetz verleiht Rechte und Pflichten an alle Menschen, die in diesem Land leben, unabhängig von der Herkunft. Der Wille, das Land auf Basis dieser Verfassungsordnung zu gestalten und weiterzuentwickeln, ist das einigende Band zwischen allen Bürgerinnen und Bürgern.

Klar ist, eine moderne Integrationspolitik braucht eine moderne Integrationsinfrastruktur. Wir brauchen mehr öffentliche Investitionen in Bildung und in die Infrastruktur. Gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen lässt sich nur erreichen, wenn öffentliche Haushalte handlungsfähig sind. Die auskömmliche Finanzierung öffentlicher Haushalte ist ein wichtiger Baustein der Integrationspolitik.

Gesellschaftliche Teilhabe gelingt darüber hinaus nur dann, wenn Diskriminierungen und Ausgrenzungen von Menschen auf Grund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Orientierung bekämpft werden. Eine konsequente Antidiskriminierungspolitik ist damit auch Baustein einer modernen Integrationspolitik.

Diese darf sich nicht nur auf diejenigen Flüchtlinge konzentrieren, die aus Ländern mit hoher Schutzquote kommen. Ein großer Teil auch der abgelehnten Asylsuchenden erhält schließlich doch einen Schutzanspruch und bleibt rechtmäßig für viele Jahre in Deutschland oder kann aus ebensolchen rechtlichen oder faktischen Gründen auch nicht in das jeweilige Herkunftsland zurückgeführt werden und verbleibt daher im Land. Um nicht kostbare Zeit bei der Integration dieser Menschen zu verlieren, muss der Bund seine Integrationsangebote öffnen und ausweiten.

Integrationspolitik betrifft nicht nur alle Politikfelder. Sie betrifft auch alle Ebenen von Politik: Integration findet zuerst in der Kommune statt. Sie benötigt aber genauso einen politischen Rahmen und die Unterstützung bei der Umsetzung durch Bund und die Länder. In diesem Sinne ist Integration eine wichtige gemeinsame Aufgabe aller öffentlichen Akteure in Deutschland.

Deshalb ist als konsequenter weiterer Schritt ein Einwanderungsgesetz erforderlich, das auch Ansprüchen an ein Integrationsgesetz im umfassenden Sinne gerecht wird.

Der Bundesrat betont in diesem Kontext die Bedeutung eines breiten gesellschaftlichen Konsenses für eine Modernisierung der Einwanderungs- und Integrationspolitik. Nötig ist dafür ein öffentlicher Diskurs, an dem neben Vertreterinnen und Vertretern aus Bund, Ländern und Kommunen auch die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft eine wichtige Rolle einnehmen müssen.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in Anlehnung an die "Unabhängige Kommission Zuwanderung" aus dem Jahr 2000, zeitnah ein hochrangiges Gremium unter breiter Beteiligung von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, Religionsgemeinschaften, Migrantenselbstorganisationen, Sozialverbänden und anderen Trägern der Zivilgesellschaft einzurichten, das Vorschläge zur weiteren Entwicklung der Einwanderungs- und Integrationspolitik in Deutschland erarbeitet.

Ebenso fordert der Bundesrat die Bundesregierung erneut auf, die Potentiale der zu uns gekommenen Menschen nicht weiterhin für einen langen Zeitraum ungenutzt zu lassen, sondern die Integrationskurse für weitere Gruppen von Asylsuchenden und Geduldeten zu öffnen. Vor dem Hintergrund des Ausbaus der Integrationskurse und der Erhöhung der zulässigen Teilnehmerzahl von 20 auf 25 Personen, muss der Bund zudem auch dafür Sorge tragen, dass eine angemessene Entlohnung der Lehrenden durch die Integrationskursträger erfolgt.