Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat
Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohnraumüberwachung)

Der Bundesrat hat in seiner 811. Sitzung am 27. Mai 2005 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 12. Mai 2005 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:

1. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 1, § 100f Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO)

Artikel 1 Nr. 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Die hohe Hürde des Artikels 13 Abs. 4 GG schützt den Träger des Grundrechts aus Artikel 13 GG. Dies ist der Beschuldigte, wenn es sich um seine Wohnung handelt. Besucher können sich demgegenüber nur auf ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen (vgl. BVerfGE 109, 279 ff., Rnr. 162). Demzufolge wurde bisher auch kein Anwendungsfall der Wohnraumüberwachung angenommen, wenn der Wohnungsinhaber mit dem Einsatz der technischen

Mittel einverstanden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auf1. 2004, § 100c Rnr. 12; Nack, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auf1. 2003, § 100c Rnr. 16). Dieser Rechtszustand muss beibehalten werden. Um das sicherzustellen, muss der Begriff des Betroffenen entsprechend der Formulierung in § 100d Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 StPO- neu präzisiert werden.

Die Befugnisse des § 100f StPO- neu standen in der bisherigen Fassung des § 100c StPO nicht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass sie nur außerhalb von Wohnungen ausgeübt werden dürfen. Das vorliegende Gesetz trägt der Möglichkeit der Einwilligung der Bewohner hingegen keine Rechnung. Die Befugnis zur akustischen Überwachung ist so zu fassen, dass diejenigen Fälle, die wegen Zustimmung der Berechtigten aus § 100c StPO herausgefallen sind, von § 100f Abs. 2 StPO- neu abgedeckt werden. Hinsichtlich der optischen Aufklärungsmaßnahmen, für die es bei der Wohnraumüberwachung keine Entsprechung gibt, soll § 100f Abs. 1 StPO- neu in der Weise geändert werden, dass statt auf das Faktum "Wohnung" auf den Eingriff in Artikel 13 GG abgestellt wird.

2. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b, Nr. 4 Buchstabe b StPO),Artikel 4a - neu - ( § 129 Abs. 4 StGB)

Änderung des Strafgesetzbuches

In § 129 Abs. 4 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird die Angabe "fünf" durch die Angabe "zehn" ersetzt."

Begründung

§ 129 Abs. 4 StGB regelt besonders schwere Fälle der Bildung krimineller Vereinigungen, insbesondere die Strafbarkeit als Rädelsführer oder Hintermann solcher Vereinigungen. Aus rechtssystematischer Sicht ist es geboten, dass das Höchstmaß der Freiheitsstrafe für einen besonders schweren Fall im Sinne von Absatz 4 der Vorschrift über dem Höchstmaß der Freiheitsstrafe liegt, mit dem die Erfüllung des Grundtatbestands sanktioniert wird. Die Obergrenze des Strafrahmens von über fünf Jahren Freiheitsstrafe ist auch im Hinblick auf andere im Strafgesetzbuch vorgesehene Qualifikationstatbestände angemessen. Zudem dient diese Änderung dem erheblichen kriminalpolitischen und kriminalistischen Bedürfnis, zur Bekämpfung von Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, insbesondere bei Ermittlungen gegen Hauptverantwortliche, Organisatoren, Finanziers und Drahtzieher, weiterhin die akustische Wohnraumüberwachung als Ermittlungsinstrument einzusetzen (vgl. BT-Drs. 013/8651, S. 9). Diese Einschätzung wird auch vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in seinem Abschlussbericht vom 15. September 2004 zur "Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung" (vgl. dort S. 351 ff. <363>) geteilt.

Die vorgeschlagene Erweiterung des Strafrahmens in § 129 Abs. 4 StGB eröffnet zugleich die dringend erforderliche Aufnahme des Straftatbestands in den Deliktskatalog des § 100c Abs. 2 StPO- neu. Hintergrund der Regelung der akustischen Wohnraumüberwachung in der StPO war eine Verbesserung bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere bei der Ermittlung und Überführung der Hauptverantwortlichen, Organisatoren, Finanziers und Drahtzieher (vgl. BT-Drs. 013/8651, S. 9). Ausweislich des o.g. Abschlussberichts des Max-Planck-Instituts (vgl. dort S. 361 <363>), hat eine Auswertung der bisherigen Erfahrungen im Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung ergeben, dass sich insbesondere auch im Bereich des § 129 Abs. 4 StGB Bezüge zu den als organisierte Kriminalität bezeichneten Strukturen erkennen lassen. Die Wohnraumüberwachung ist hier ein ermittlungstechnisch zwingend notwendiges Instrumentarium, um in die dort existierenden hoch konspirativen und professionalisierten Strukturen einzudringen.

Über den Straftatbestand des § 129 Abs. 4 StGB hinaus sind auch die Straftaten gemäß § 30b BtMG i.V.m. § 129 StGB in den Straftatenkatalog aufzunehmen, soweit besonders schwere Fälle der Bildung krimineller Vereinigungen gemäß § 129 Abs. 4 StGB betroffen sind. Auf Grund regelmäßig konspirativ und professionell agierender Tätergruppen ist die Wohnraumüberwachung insbesondere im BtM-Bereich geeignet, kriminelle Strukturen zu sprengen.

3. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 § 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c sind nach der Angabe " § 152," die Wörter "gewerbs- oder bandenmäßige Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln in den Fällen des § 152a Abs. 3," einzufügen.

Begründung

Es handelt sich hierbei um ein Delikt, das dem Bereich der organisierten Kriminalität zuzurechnen ist und vom Unrechtsgehalt der Geld- und Wertpapierfälschung vergleichbar ist. Mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren erfüllt die Vorschrift die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Aufnahme in den Anlasstatenkatalog entspricht der Gesetzessystematik, wonach gewerbs- und bandenmäßige Begehungsformen von Delikten in dem Katalog berücksichtigt werden sollen, da die Wohnraumüberwachung auf Grund des dortigen arbeitsteiligen, auf Dauer angelegten vernetzten und regelmäßig konspirativen Zusammenwirkens der Täter und Tätergruppen ein unverzichtbares Ermittlungsinstrument darstellt.

4. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c1 - neu - StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 § 100c Abs. 2 Nr. 1 ist nach Buchstabe c folgender Buchstabe cl einzufügen:

Begründung

Ergänzend zum Straftatenkatalog des § 100c Abs. 2 Nr. 1 StPO- neu besteht auch bei schwerwiegenden Sexualdelikten ein Bedürfnis, Straftaten bzw. kriminelle Strukturen durch Maßnahmen der akustischen Wohnraumüberwachung aufzudecken und so zum wirksamen Opferschutz beizutragen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum sie trotz ihres hohen Unrechtsgehalts keine Berücksichtigung im Straftatenkatalog gefunden haben. Sämtliche Delikte aus dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches, die die vom Bundesverfassungsgericht geforderten erhöhten Strafrahmen erfüllen, sind in den Anlasstatenkatalog aufzunehmen.

5. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100d Abs. 1 Satz 6, Abs. 9 Satz 4 StPO),

Artikel 2 Nr. 2 (§ 120 Abs. 4 Satz 2 GVG)

Begründung

Eine Begründung für die Neuregelung in § 100d Abs. 1 Satz 6 StPO- neu, wonach nach sechs Monaten das Oberlandesgericht über eine weitere Verlängerung der Maßnahme entscheiden muss, bietet das Gesetz nicht. Ausweislich des Abschlussberichts des Max-Planck-Instituts zur "Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung" (vgl. dort S. 358 ff.) kommen die Landgerichte ihrer Kontrollaufgabe zuverlässig nach. Es besteht daher keine Notwendigkeit, regelmäßig nach sechs Monaten das Oberlandesgericht mit der Überprüfung der Wohnraumüberwachung zu befassen, zumal das Oberlandesgericht im Gegensatz zum Landgericht das in aller Regel umfangreiche Verfahren nicht kennt und eine völlige Neueinarbeitung erfolgen müsste. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279 ff.) für eine entsprechende Regelung keine Notwendigkeit gesehen.

Über die Befassung mit einer wiederholten Verlängerung der Grundentscheidung hinaus sieht das Gesetz in § 100d Abs. 9 Satz 4 StPO- neu vor, dass auch über die Frage der weiteren Zurückstellung einer Benachrichtigung der Betroffenen spätestens nach 18 Monaten - anstatt des anordnenden Gerichts - das Oberlandesgericht zu entscheiden hat. Ausweislich der Entwurfsbegründung soll hierdurch eine möglichst zügige Benachrichtigung der Betroffenen gewährleistet werden. Warum hierzu jedoch eine Beteiligung des Oberlandesgerichts erforderlich ist, erschließt sich nicht. Defizite bei der Überprüfung einer Zurückstellung der Benachrichtigung des Betroffenen durch die mit dem üblicherweise komplizierten Verfahren und der bisherigen Verfahrensentwicklung vertrauten Kammern der Landgerichte sind nicht erkennbar geworden.

Bei dem Vorschlag zu § 120 Abs. 4 Satz 2 GVG- neu handelt es sich um eine Folgeänderung.