Empfehlungen der Ausschüsse
Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze

885. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2011

A

Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 9. Juni 2011 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:

1. Zu Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe a (§ 36 Absatz 1 Nummer 2 und 3 und Absatz 1a - neu - IfSG)

In Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe a ist § 3 6 wie folgt zu ändern:

Die Länder werden ebenfalls ermächtigt, durch Rechtsverordnung die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von Infektionen in Einrichtungen nach Satz 1 und Satz 2 zu regeln.

Dabei können Regelungen getroffen werden insbesondere über

Die Regelungen sollen die verschiedenen Formen des Wohnens und der Betreuung berücksichtigen und dem Selbstbestimmungsrecht der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Einrichtungen Rechnung tragen."

Begründung:

Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 haben die Länder die Kompetenz zur Regelung des Heimrechts (vgl. Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 des Grundgesetzes). Von dieser Kompetenz haben die meisten Länder bereits Gebrauch gemacht, so dass das Heimgesetz in diesen Ländern durch Landesrecht ersetzt wurde. Der Anwendungsbereich der landesrechtlichen Regelungen unterscheidet sich teilweise von dem des Heimgesetzes. Insofern wird in der vorgeschlagenen Regelung differenziert: Bei den bisher dem Heimgesetz unterfallenden und den damit vergleichbaren Einrichtungen bleibt es dabei, dass sie wie bisher der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter unterliegen. Gleichzeitig wird den Ländern die Ermächtigung eingeräumt, durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Anforderungen und das Verfahren der infektionshygienischen Überwachung zu regeln. Die Länder können durch Rechtsverordnung auch entscheiden, inwieweit und in welchem Umfang Anforderungen auch an solche Einrichtungen gestellt werden, die nach landesheimrechtlichen Regelungen einer Überwachung unterliegen, ohne die Voraussetzungen des § 1 Absatz 1 bis 5 des Heimgesetzes zu erfüllen.

Eine vollständige Einbeziehung der Einrichtungen, die den landesrechtlichen Regelungen im Bereich des Heimrechts unterfallen, ist gegenüber dem vorgeschlagenen Regelungsvorbehalt der Länder abzulehnen. Denn die landesrechtlichen Nachfolgeregelungen zum klassischen "Heimrecht" haben in vielen Fällen einen über das damalige Bundesheimgesetz hinausgehenden und mit infektionsschutzrechtlichen Zielsetzungen nicht immer deckungsgleichen, teilhabeorientierten Schutz- und Gewährleistungsgedanken.

Bei der Ausgestaltung landesrechtlicher Regelungen sollen die Länder insbesondere die inzwischen sehr ausdifferenzierten Wohn- und Betreuungsformen sowie das Selbstbestimmungsrecht der Bewohnerinnen und Bewohner berücksichtigen. In Heimen oder vergleichbaren Betreuungs- oder Versorgungseinrichtungen wohnen pflegebedürftige oder behinderte Menschen. Diese Menschen haben dort ihren Lebensmittelpunkt. Auch wenn insbesondere in Pflegeeinrichtungen bestimmte Hygieneanforderungen dringend zu beachten sind, ist es daher nicht sachgerecht, an diese Einrichtungen die gleichen Hygieneanforderungen wie an Krankenhäuser oder andere medizinische Einrichtungen zu stellen. Dort muss vielmehr auch das "Normalitätsprinzip" beachtet werden.

Im Ergebnis geht es damit statt einer "Einszueins-Übertragung" der krankenhausspezifischen Vorgaben um eine Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Bewohnerinnen und Bewohner und den angesichts des Zusammenlebens mehrerer Menschen mit gesundheitlichen und pflegerischen Unterstützungsbedarfen gesteigerten Hygieneanforderungen. Diese besondere Konstellation sollte im Text des Infektionsschutzgesetzes ausdrücklich festgehalten werden. Die Verordnungsermächtigung gibt den Ländern die Möglichkeit, "abgestufte", am Alltag eines häuslichen Lebens orientierte Hygieneanforderungen zu entwickeln.

2. Zu Artikel 3 Nummer 3 (§ 11 1b Absatz 2 Satz 1 und 2 SGB V)

In Artikel 3 Nummer 3 ist § 11 1b Absatz 2 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Der bürokratische und finanzielle Aufwand, der mit der neuen Schiedsstelle verbunden ist, soll möglichst gering gehalten werden. Daher soll der Schiedsstelle analog der Regelung in § 18a KHG nur ein unparteiisches Mitglied angehören. Zugleich erleichtert dies die Gewinnung entsprechend geeigneter unabhängiger Mitglieder.

3. Zu Artikel 3 Nummer 3 (§ 11 1b Absatz 4 SGB V)

In Artikel 3 Nummer 3 ist § 11 1b Absatz 4 wie folgt zu fassen:

(4) Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Schiedsstelle führt die zuständige Landesbehörde."

Begründung:

Eine Rechtsaufsicht über die Schiedsstelle würde zu erheblichen Mehrkosten der Länder führen, da personeller Mehrbedarf zur Führung einer Rechtsaufsicht notwendig würde, insbesondere da auch Beratungsaufgaben auf die Rechtsaufsichtsbehörde zukommen würden. Im Übrigen würden rechtsaufsichtliche Prüfungen ins Leere laufen, da § 111 SGB V keine materiellen Vorgaben für die Vergütungsvereinbarungen der Vertragspartner trifft. Hingegen sollte - analog der für den Krankenhausbereich in § 114 Absatz 4 SGB V bestehenden Regelung - eine Aufsicht über die Geschäftsführung der Schiedsstelle erfolgen.

4. Zu Artikel 6 Nummer 01 - neu - (§ 92c Absatz 5 Satz 1 SGB XI)

In Artikel 6 ist nach Nummer 0 folgende Nummer 0 1 einzufügen:

'0 1. In § 92c Absatz 5 Satz 1 wird die Angabe "30. Juni 2011 " durch die Angabe "3 1. Dezember 2012" ersetzt.'

Begründung:

Pflegestützpunkte können gemäß § 92c Absatz 5 Satz 1 und 2 SGB XI bis zum 30. Juni 2011 beim GKV-Spitzenverband eine Anschubfinanzierung in Höhe von maximal 50 000 Euro beantragen. Die Errichtung von Pflegestützpunkten ist ein Prozess, der bis zum 30. Juni 2011 in den Ländern nicht vollständig abgeschlossen ist. Die Frist 30. Juni 2011 wird dazu führen, dass von den Trägern der Pflegestützpunkte die Mittel der Anschubfinanzierung in Höhe von 60 Millionen Euro gemäß § 92c Absatz 6 Satz 1 SGB XI zum Teil nicht mehr abgerufen werden können, obwohl noch Aufwendungen entstehen.

5. Zu Artikel 6 Nummer 1 (§ 97c SGB XI),

Nummer 2 (§ 112 Absatz 3 SGB XI), Nummer 3 Buchstabe a (§ 114 Absatz 1 Satz 1 SGB XI), Buchstabe b Doppelbuchstabe aa (§ 114 Absatz 2 Satz 1 SGB XI), Buchstabe c (§ 114 Absatz 4 Satz 3 SGB XI), Nummer 4 Buchstabe a (§ 114a Absatz 1 Satz 1 und 3 SGB XI), Buchstabe b (§ 114a Absatz 2 Satz 1, 4 und 6 SGB XI), Buchstabe c (§ 114a Absatz 4 Satz 4 SGB XI), Buchstabe d (§ 114a Absatz 5 Satz 1 SGB XI), Buchstabe e (§ 114a Absatz 5a SGB XI), Buchstabe f (§ 114a Absatz 6 Satz 1 und 3 SGB XI), Buchstabe g (§ 114a Absatz 7 Satz 1 und 7 SGB XI), Nummer 5 Buchstabe a (§ 115 Absatz 1 SGB XI), Buchstabe b Doppelbuchstabe aa und bb (§ 115 Absatz 1a Satz 2 und 5 SGB XI), Buchstabe c (§ 115 Absatz 5 Satz 1 SGB XI) und Nummer 6 Buchstabe a bis d (§ 117 Absatz 1 Satz 1 und 3, Absatz 3 Satz 1, Absatz 4 Satz 1 und Absatz 5 Satz 1 SGB XI)

Artikel 6 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. ist bereits heute auf Verlangen an den Qualitätsprüfungen zu beteiligen. Die Ausgestaltung der Beteiligung ist streitig und bedarf der Konkretisierung.

Der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. hat zu den Qualitätsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung einen Beitrag zu leisten. Der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. kann sich dazu an den Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung beteiligen oder einen finanziellen Ausgleich leisten.

Die Konkretisierung der Beteiligung einschließlich der Finanzierung im Falle einer fehlenden Beteiligung ist zwischen dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. binnen eines auskömmlichen Zeitrahmens eigenverantwortlich zu vereinbaren. Nur dann, wenn die Selbstverwaltung sich nicht einigt, ist im Wege einer Rechtsverordnung das Beteiligungsrecht zu konkretisieren.

In der Vereinbarung soll die Selbstverwaltung insbesondere zu Inhalt und Umfang der Beteiligung und auch zum Verfahren verbindliche Regelungen treffen, die eine reibungslose Zusammenarbeit der Beteiligten ermöglichen.

§ 114a Absatz 5 Satz 3 SGB XI trifft zu, wenn sich der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. nicht an den Qualitätsprüfungen beteiligt. In der Vereinbarung ist daher auch die Berechnung des Finanzierungsanteils zu regeln, wenn sich der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. teilweise, aber nicht hinreichend im Sinne der Vereinbarung beteiligt.

6. Zu Artikel 6 Nummer 5 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc (§ 115 Absatz 1a Satz 10 bis 13 SGB XI)

In Artikel 6 Nummer 5 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc sind in § 115 Absatz 1a die Sätze 10 bis 13 wie folgt zu fassen:

"Kommt innerhalb von drei Monaten ab schriftlicher Aufforderung eines Vereinbarungspartners zu Verhandlungen eine einvernehmliche Einigung nicht zustande, bestimmt die Bundesregierung die Kriterien der Veröffentlichung, einschließlich der Bewertungssystematik, auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates. In der Rechtsverordnung ist auch zu regeln, wie zu verfahren ist, wenn die Vereinbarungspartner sich einvernehmlich auf eine Vereinbarung einigen. Die schriftliche Aufforderung zu Verhandlungen ist beim Bundesministerium für Gesundheit unverzüglich anzuzeigen. Vor Erlass der Rechtsverordnung sind die Vereinbarungspartner und die maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen, die unabhängigen Verbraucherorganisationen auf Bundesebene sowie der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. und die Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene anzuhören."

Begründung:

Die Regelung stellt sicher, dass notwendig werdende Weiterentwicklungen der Transparenzvereinbarungen nach § 115 Absatz 1a SGB XI auch bei fehlendem Einvernehmen unter den Vereinbarungspartnern umgesetzt werden können. Die Anpassung an die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse ist von besonderer Bedeutung für die Güte und Akzeptanz des Veröffentlichungsprozesses. Die Rechtsverordnung regelt auch das Verfahren für den Fall, dass sich die Vereinbarungspartner auf eine neue Transparenzvereinbarung einvernehmlich verständigen, nachdem die Bundesregierung die Kriterien der Veröffentlichung, einschließlich der Bewertungssystematik, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt hat.

B

Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:

7. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe a ( § 11 Absatz 2 IfSG)