Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie

A. Zielsetzung

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

Der Wirtschaft und den sozialen Sicherungssystemen entstehen keine Kosten. Auswirkungen des Gesetzes auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Die Möglichkeit eines preisgünstigen, privaten Tests spart den Familien Gerichts - und Sachverständigenkosten.

Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie

Stellvertreter des Bayerischen Ministerpräsidenten München, den 20. Mai 2005

Bayerischer Staatsminister des Innern

An den

Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten

Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 811. Sitzung am 27. Mai 2005 zu setzen.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günther Beckstein

Anlage

Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl I S. 42, 2909, 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
In-Kraft-Treten

Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

I.Allgemeiner Teil

Die modernen Möglichkeiten der Gendiagnose erlauben es heute, mit genetischen Proben die Abstammung mit der erforderlichen Sicherheit zu klären. Hierfür genügen beispielsweise Haare oder Speichelreste. Deshalb greifen vor allem an ihrer Vaterschaft zweifelnde Väter zur Möglichkeit des privaten Gentests, den Genlabors anbieten, ohne vorher die Zustimmung des Kindes einzuholen.

Derartige Tests verschaffen zweifelnden Vätern zwar zunächst Klarheit; sie sind für sie aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich nicht verwertbar. Der Bundesgerichtshof hat am 12. Januar 2005 in zwei Verfahren (XII ZR 60/03 und XII ZR 227/03) entschieden, dass eine heimlich eingeholte DNA-Analyse im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht verwertbar ist. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein solches Gutachten zur Darlegung von Umständen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Mann zu wecken, nicht geeignet sei. Die heimliche DNA-Untersuchung verstoße gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes. Die Untersuchung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greife in das durch Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 verbürgte Persönlichkeitsrecht des Kindes ein. Das Interesse des Vaters an Kenntnis der Abstammung überwiege nicht. Dies führe dazu, dass die heimlich veranlasste DNA-Vaterschaftsanalyse rechtswidrig und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar sei. Auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bleibt dem Vater, der aus einer Genanalyse, die er ohne Zustimmung des Kindes erholt hat, trotz der erlangten Gewissheit über das Nichtbestehen der Vaterschaft ein Anfechtungsprozess verschlossen.

Die heimlich erholte DNA-Analyse ist auch aus praktischen Gründen für den Vater später rechtlich nicht verwertbar. Die Gewinnung der Genprobe kann nicht nach den für diese Untersuchung geltenden Grundsätzen dokumentiert werden. Damit kann nicht beweiskräftig festgehalten werden, dass die

Genprobe vom zu untersuchenden Kind stammt. Rein tatsächlich besteht eine hohe Verwechslungs- und Missbrauchsgefahr.

Diese geltende Rechtslage ist unbefriedigend. Sie berücksichtigt die Interessen des Vaters nicht in hinreichendem Maße. Der Vater wird in ein Anfechtungsverfahren gezwungen, das zwangsläufig auf die Auflösung des verwandtschaftlichen Bandes mit dem Kind zielt. Eine Abwägung zwischen den Grundrechten der Betroffenen findet nicht statt.

Eine Lösung hat sich an folgenden Grundsätzen zu orientieren:

Der Anspruch auf Durchführung einer gendiagnostischen Abstammungsuntersuchung greift in das Persönlichkeitsrecht des Kindes, insbesondere in dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ein. Der Eingriff ist verhältnismäßig. Er ist erforderlich, um den Belangen der anfechtungsberechtigten Personen Rechnung zu tragen. Der Wunsch eines Mannes nach Kenntnis, ob ein Kind von ihm abstammt, betrifft sein von Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Persönlichkeitsrecht (BVerfGE 108, 82, 105). Ebenso wird der Mutter des Kindes ein Anspruch auf Durchführung der Abstammungsuntersuchung zuerkannt, um ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Persönlichkeitsrecht zu gewährleisten.

Ein Verfahren, das das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Kindes in geringerem Umfang tangieren würde, steht nicht zur Verfügung. Die Anfechtungsberechtigten können nicht darauf verwiesen werden, die Abstammungsuntersuchung gegebenenfalls ohne Kenntnis des Kindes durchzuführen. Ein derartiger Test verletzt, wie der Bundesgerichtshof zu Recht festgestellt hat, das Persönlichkeitsrecht des Kindes. Im Übrigen wäre ein solcher Test weder hinreichend zuverlässig noch in einem etwaigen Abstammungsprozess verwertbar.

Der Anspruch der Anfechtungsberechtigten auf Durchführung der Abstammungsuntersuchung kann nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft oder auf bestimmte Fallgruppen beschränkt werden. Insoweit lassen sich keine geeigneten Kriterien finden. Außerdem geht das Interesse der Anfechtungsberechtigten auf Klärung der Abstammung den Belangen des betroffenen Kindes grundsätzlich vor.

In dem Entwurf wird ein sachgerechter Interessenausgleich vorgenommen:

Die anfechtungsberechtigte Person erhält einen Anspruch gegen das Kind oder die andere anfechtungsberechtigte, in den Test einzubeziehende Person auf Durchführung des Tests. In den weit überwiegenden Fällen (zweifelnder Vater) wird der rechtliche Vater zur Durchführung der gendiagnostischen Abstammungsuntersuchung eine Genprobe des Kindes benötigen. In den wenigen Fällen, in denen die Mutter Zweifel über die Abstammung klären lassen will, muss der Untersuchung Material des Kindes und des rechtlichen oder biologischen Vaters zugrunde gelegt werden. Der Anspruch richtet sich auf Einwilligung in den Test und Gewinnung der hierfür erforderlichen genetischen Probe.

Aus der Grundrechtsabwägung ergibt sich, dass der Anspruch des Anfechtungsberechtigten in der Regel zu erfüllen sein wird. Deshalb wird gegen den Anspruch nur der Einwand des Rechtsmissbrauchs möglich sein, der sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt. Damit wird in dem Regelfall, in dem das Kind minderjährig und deshalb durch die Sorgeberechtigten vertreten werden muss, vermieden, dass eigene Interessen des Sorgeberechtigten die für das Kind zu treffende Entscheidung überlagern. Rechtsmissbrauch wird vor allem in der Fallgruppe des eigenen widersprüchlichen Verhaltens des Anspruchstellers vorliegen können.

Das minderjährige, nicht einwilligungsfähige Kind kann nicht selber handeln. Die Entscheidung über die Erfüllung des Anspruchs (Zustimmung zum Test und Gewährung der genetischen Probe) oder die Erhebung des Einwands des Rechtsmissbrauchs müssen für das Kind bei gemeinsamer Sorge die beiden sorgeberechtigten Elternteile oder bei Alleinsorge der Mutter die allein sorgeberechtigte Mutter fällen. Hierzu enthält der Entwurf klarstellende Regelungen:

Werden sich die gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile nicht einig, kann vor dem Familiengericht ein Verfahren nach § 1628 BGB durchgeführt werden: Das Familiengericht (§ 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kann einem Elternteil die Entscheidung übertragen. Dieser Elternteil übt dann nach § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB das Sorgerecht insoweit allein aus, ohne dass der andere ein Vetorecht hätte. Das familiengerichtliche Verfahren ist ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 621a ZPO). Es ist damit flexibel und unbürokratisch. Bei Bedarf kann für das Kind ein Verfahrenspfleger bestellt werden, der dessen Rechte wahrnimmt (§ 50 Abs. 1 FGG). Das Gericht muss, bevor es entscheidet, auf eine Einigung der Eltern hinwirken, weil es dem Familienfrieden in der Regel dienlicher ist, wenn bei Meinungsverschiedenheiten keine förmliche gerichtliche Entscheidung ergeht (§ 52 FGG). Auch insoweit ist die Regelung familienschonend und dialogfördernd, weil sie den Streit in ein Sorgerechtsverfahren einbettet.

Ist die Mutter allein sorgeberechtigt, kann ihr vom Familiengericht nach §§ 1629, 1796 BGB die Vertretung des Kindes in dieser Angelegenheit entzogen werden. Für das Kind muss dann ein Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB bestellt werden, dem die Entscheidung über Erfüllung des Anspruchs oder die Geltendmachung des des Einwands des Rechtsmissbrauchs obliegt. Auch dieses Verfahren ist ein familiengerichtliches Verfahren; dem Kind kann zur Geltendmachung seiner Rechte ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt werden.

Bei der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil nach § 1628 BGB hat in der Folge dieser Elternteil die Entscheidung über die Durchführung des Tests und die Gewinnung der genetischen Probe in der Hand. Die Durchführung des Tests ist dann auch praktisch möglich. Verweigert der Ergänzungspfleger, der für einen alleinsorgeberechtigten Elternteil handelt, dem insoweit die elterliche Sorge nach §§ 1629, 1796 BGB entzogen wurde, die Erfüllung des Anspruches auf Durchführung des Tests, hätte im Streitfall ein Zivilgericht über das Bestehen des Anspruchs zu entscheiden. Derartige Verfahren werden aber auf seltene Ausnahmefälle beschränkt sein, weil auch der Ergänzungspfleger auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs beschränkt ist.

In wenigen, praktisch kaum relevanten Fällen wird sich der Anspruch gegen einen Volljährigen richten. Denkbar ist dies, wenn die Mutter den Anspruch verfolgen und biologischer oder rechtlicher Vater nicht zur Gewährung der Genprobe bereit sind, oder wenn ein volljähriges Kind das Verfahren betreiben möchte. Der Gesetzentwurf sieht davon ab, das Verfahren dem Familiengericht zuzuweisen, so dass die Zivilgerichte zuständig sind. Zum einen wird hier zur Durchsetzung des Anspruchs praktisch die Zwangsvollstreckung zu eröffnen sein. Außerdem wird in der anstehenden FGG-Reform mit der Schaffung des Großen Familiengerichts eine umfassende Neuordnung der Verfahrensgegenstände des familiengerichtlichen Verfahrens vorgenommen werden. Dem soll hier nicht vorgegriffen werden.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht) in Verbindung mit Artikel 72 Abs. 2 GG.

II. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Zu Nummer 2

§ 1600f BGB gewährt einen Anspruch auf Durchführung der gendiagnostischen Abstammungsuntersuchung für den Anfechtungsberechtigten im Sinne von § 1600 Abs. 1 BGB. Die Einräumung des Anspruches sichert zum einen den gewünschten Dialog in der Familie. Der Anspruch muss zu seiner Verwirklichung gegenüber dem Anspruchsgegner geltend gemacht werden. In den weit überwiegenden Fällen wird er vom rechtlichen Vater gegen das minderjährige Kind begehrt werden. Für das Kind wird die allein- oder mitsorgeberechtigte Mutter zu handeln haben. Der Anspruch sichert zum anderen die praktische Durchführbarkeit des Tests. Der Anspruchsberechtigte erhält neben dem Anspruch auf Einwilligung in die gendiagnostische Untersuchung einen Anspruch auf Gewinnung der notwendigen Genprobe, die sodann nach den anerkannten Standards vom Genlabor dokumentiert und vorgenommen werden kann.

Schon aus der Grundrechtsabwägung ergibt sich, dass der Anspruch zur Klärung der Abstammung in der Regel bestehen wird. Ihm kann deshalb nur der aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abzuleitende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden. Rechtsmissbrauch kann in erster Linie in der Fallgruppe des eigenen widersprüchlichen Verhaltens des Anspruchsberechtigten vorliegen. Denkbar ist etwa, dass bereits mehrfach ein Test die biologische Vaterschaft des rechtlichen Vaters erwiesen hat, dieser aber gleichwohl auf einer neuen Untersuchung besteht.

Im Ergebnis wird also in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht möglich sein.

Zu Nummer 3

Sind beide Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt, müssen sie auch gemeinsam über die Erfüllung des Anspruchs aus § 1600f BGB entscheiden. Widerspricht die Mutter, kommt eine Einigung nicht zustande. Es bietet sich deshalb an, für diesen Fall das Verfahren nach § 1628 BGB für anwendbar zu erklären. Auf Antrag des Vaters oder der Mutter kann das Familiengericht die Entscheidung einem der beiden Elternteile allein übertragen. Die Vorschrift hat klarstellende Funktion. Die Verfahrensregeln des FGG, die zur Anwendung gelangen, sind für die zu entscheidende Fallkonstellation hervorragend geeignet.

Zu Nummer 4

Ist ein Elternteil allein sorgeberechtigt, so kommt als flexible Lösung das familiengerichtliche Verfahren nach § 1629 Abs. 2 Satz 3, § 1796 BGB zur Anwendung. Der neu geschaffene § 1629 Abs. 2 Satz 4 stellt dies klar. Für das Kind wäre dann zur Entscheidung über den Anspruch nach § 1900f BGB ein Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB zu bestellen.

Zu Artikel 2

In-Kraft-Treten

Die Vorschrift regelt das In-Kraft-Treten.