900. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2012
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Ansatz der Kommission, sich für geeignete Rahmenbedingungen zur Modernisierung der Industrie in der EU und damit für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und der Arbeitsplätze einzusetzen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission einen strategischen Ansatz zur Erschließung des Potenzials der Schlüsseltechnologien entwickelt hat, wie ihn die Hochrangige Sachverständigengruppe in ihrem Schlussbericht vom 28. Juni 2011 und der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2009 zur Mitteilung der Kommission "An die Zukunft denken: Entwicklung einer gemeinsamen EU-Strategie für Schlüsseltechnologien", BR-Drucksache 758/09(B) , gefordert haben.
- 3. Der Bundesrat sieht ebenso wie die Kommission Schlüsseltechnologien als Querschnittstechnologien, die ihre Wirkung technologie- und branchenübergreifend in der gesamten Industrie entfalten. Sie tragen maßgeblich zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Regionen bei.
- 4. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission durch den Einsatz von Mitteln aus Horizont 2020 ein aktives Bekenntnis zur Bedeutung der Schlüsseltechnologien abgibt.
- 5. Der Bundesrat bekräftigt seine Stellungnahme vom 18. Dezember 2009 zur Mitteilung der Kommission "An die Zukunft denken: Entwicklung einer gemeinsamen EU-Strategie für Schlüsseltechnologien", BR-Drucksache 758/09(B) . Darin hat der Bundesrat eine Festlegung der Kommission auf bestimmte Schlüsseltechnologien kritisiert, da sie den unterschiedlichen Anforderungen auf Grund der verschiedenen Voraussetzungen in den Mitgliedstaaten nicht gerecht werde. Die Umsetzung einer EU-Rahmenstrategie im Bereich Technologie müsse der regionalen Problemlösungskompetenz vorbehalten bleiben, BR-Drucksache 758/09(B) , Ziffern 4 und 5. Ergänzend wird wie folgt Stellung genommen:
- 6. Die von der Kommission propagierte und als "Ex-Ante-Konditionalität" für das Operative Programm für die neue EFRE-Periode gesetzte Strategie der intelligenten Spezialisierung auf wenige Nischen wird kritisch gesehen. Die Auswahl von Forschungsfeldern und Projekten ist ein vielschichtiger Prozess, der abhängig von der Anwendungs- bzw. Marktnähe unterschiedlich zu gestalten ist. Notwendig ist dafür ein breiter Ansatz der Innovations- und Technologiepolitik, der z.B. auch die Förderung der auf Schlüsseltechnologien beruhenden Entwicklungen in den Anwenderbranchen durch grundsätzlich technologieoffene Maßnahmen einschließt. Denn das Wissen, welche Schlüsseltechnologien in welchen Anwenderbranchen in marktfähige Produkte umgesetzt werden können, liegt vor allem bei den Unternehmen. Da sich die jeweilige Marktsituation in schnellen Zyklen ändern kann, ist ein Balanceakt zwischen dem Erhalt eines breiten Spektrums von Forschungsgebieten und Technologien und dem Aufgreifen neuer Trends zu leisten. Vor diesem Hintergrund muss die Forschungs- und Technologiepolitik in den Mitgliedstaaten und den Regionen organisch und flexibel bleiben; starre Vorfestlegungen auf bestimmte Felder in Form von definierten Schlüsseltechnologien (Key Enabling Technologies - KET) sind zu vermeiden.
- 7. Grundsätzlich sollte auch die Europäische Investitionsbank-Gruppe (Europäische Investitionsbank (EIB) und Europäischer Investitionsfonds (EIF)) mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten und finanziellen Ressourcen einen Beitrag zur Stärkung der Innovationsfähigkeit der Wirtschaft, insbesondere im Mittelstand, leisten. Dabei sollten den Mitgliedstaaten und insbesondere den Unternehmen bezüglich einzelner Branchen oder Technologien jedoch keine verbindlichen Vorgaben gemacht werden. Im Europäischen Binnenmarkt sollten die Unternehmen und die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher die Schlüsseltechnologien der Zukunft definieren und nicht der Staat.
Auch hinsichtlich der einzusetzenden Finanzierungsinstrumente verbieten sich starre Vorgaben: KMU in Deutschland setzen bei der Innovationsfinanzierung überwiegend Eigenmittel ein. Ursächlich hierfür ist auch die Zurückhaltung der Fremdfinanzierer, die sich aufgrund bestehender Informationsdefizite nur zögerlich engagieren. Vorhaben zur Stärkung der Fremdfinanzierung von Innovationsaufwendungen sind daher Grenzen gesetzt. Bei eigenkapitalähnlichen Finanzierungsinstrumenten können sich Probleme bei der erforderlichen Anschlussfinanzierung ergeben.
- 8. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass durch die mit der europäischen Strategie für Schlüsseltechnologien geplanten Maßnahmen keine zusätzlichen Bürokratielasten für die Unternehmen entstehen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf - den Vorschlag, von Teilnehmern geförderter marktnaher Innovationsprojekte einen Nachweis im Verwertungsplan darüber zu fordern, auf welche Weise die Projektergebnisse den Marktwert in der EU steigern würden (Nummer 5.1 der Mitteilung) und - die von den "Interessensträgern in der Industrie" erwartete Ausarbeitung und Unterzeichnung eines "Memorandum of Understanding" (MoU), in dem die Bereitschaft erklärt werden soll, über die KET einen Beitrag zur Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu leisten (Nummer 4 der Mitteilung). In der Mitteilung bleibt unklar, wer ein solches MoU abschließen soll (Verbände oder einzelne Unternehmen) und ob ein solches MoU eine Vorbedingung für die Förderung von Pilotanlagen ist.
- 9. Es wird begrüßt, dass die Kommission bei der Modernisierung des Beihilferechts und hier speziell bei der Überarbeitung der Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfeleitlinien die Gewährung staatlicher Beihilfen erleichtern möchte.
- 10. Die von der Kommission hierfür aufgestellten Voraussetzungen - gut konzipierte Beihilfen, Behebung eines Marktversagens, Anreizeffekt und begrenzte Wettbewerbsverfälschung - dürften im Hinblick auf die Förderung im Bereich Technologie ohne weiteres nachgewiesen werden können.
- 11. Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Kommission zur Fachkräftesicherung werden begrüßt.
- 12. Der Bundesrat bekräftigt seine Forderung aus seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2009, BR-Drucksache 758/09(B) , Ziffer 10, dass es verstärkter internationaler Anstrengungen bedarf, um Wettbewerbsverzerrungen durch drittstaatliche Interventionen zu vermeiden, und begrüßt daher die in Ziffer 5.5 der Kommissionsmitteilung vorgesehenen Maßnahmen.
- 13. Insgesamt sollte die Kommission den Schwerpunkt ihrer Maßnahmen auf die übergeordneten Rahmenbedingungen legen und den Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten, und besonders der Regionen, im Hinblick auf ihre wirtschaftspolitischen Ziele respektieren.
- 14. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien erforderliche Sicherheitsforschung, beispielsweise zur Nanotechnologie, derzeit nicht ausreichend berücksichtigt wird. Der Bundesrat sieht die begleitende Sicherheitsforschung als wichtigen Beitrag zur Steigerung von Akzeptanz und Vertrauen und somit der Chancen der Schlüsseltechnologien an.
- 15. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Kommission bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien die begleitende Sicherheitsforschung ausreichend berücksichtigt, beispielsweise durch eine verstärkte Koordination laufender und zukünftiger Forschungsprojekte.
- 16. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 17. Der Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Kulturfragen empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.