Antrag des Freistaats Thüringen
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals
(Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG)

Punkt 34a) der 970. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018

Der Bundesrat möge anstelle der Ziffer 27 der Empfehlungsdrucksache 376/1/18 beschließen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe a0 - neu - und a01 - neu - (§ 36 Absatz 2 und Absatz 3 Satz 3 - neu - IfSG)

In Artikel 6 Nummer 2 sind dem Buchstaben a folgende Buchstaben a0 und a01 voranzustellen:

"a0) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Einrichtungen und Unternehmen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden, sowie nicht unter Absatz 1 oder § 23 Absatz 5 Satz 1 fallende Einrichtungen und gemeinschaftliche Wohnformen, in denen Dienstleistungen der ambulanten Intensivpflege erbracht werden (ambulante Intensivpflegeeinrichtungen), können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden."

a01) Dem Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:

"Im Rahmen der Überwachung ambulanter Intensivpflegeeinrichtungen nach Absatz 2 gelten zusätzlich § 16 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 entsprechend." "

Begründung:

In den letzten Jahren kam es zu einer deutlichen Zunahme selbstorganisierter Wohnformen, in denen ambulante Pflegedienste Patienten intensivpflegerisch versorgen. In solchen Wohnformen leben oft bis zu zwölf Intensivpatienten, die in den meisten Fällen beatmungspflichtig und nicht mobil sind. Durch Angehörige bzw. den gesetzlichen Betreuer wird hierzu ein Mietvertrag abgeschlossen. Für die pflegerische Betreuung wird ein Dienstleistungsvertrag mit einem ambulanten Pflegedienst geschlossen, der die Bewohner rund um die Uhr betreut.

Bei dieser Konstellation agieren die ambulanten Pflegedienste - zumindest vertraglich - vollkommen unabhängig von den Vermietern. Es handelt sich daher gemäß der Wohn- und Teilhabegesetze der Länder um selbstorganisierte ambulant betreute Wohnformen.

Seit Jahren beklagen Gesundheitsämter, dass sie solche Wohngemeinschaften nicht infektionshygienisch überwachen können und ihnen durch Pflegedienste der Zutritt verwehrt wird. Zwar unterliegen ambulante Pflegedienste gemäß § 36 Absatz 1 IfSG der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt, doch ist dieses gemäß § 36 Absatz 3 IfSG lediglich befugt, zu Betriebs- und Geschäftszeiten Betriebsgrundstücke, Geschäfts- und Betriebsräume sowie zum Betrieb gehörende Anlagen und Einrichtungen zu betreten und zu besichtigen. Auch als Einrichtungen im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 2 bzw. Absatz 2 IfSG können solche Wohnformen nicht definiert werden, da es sich formell um gewöhnliche private Mietverhältnisse handelt und der Pflegedienst vertraglich unabhängig vom Vermieter agiert.

Problematisch sind solche Wohngemeinschaften vor allem deshalb, da aufgrund des stark beeinträchtigten Gesundheitszustands der Patienten, oft einhergehend mit einer Immunsuppression, sowie des hohen Pflegeaufwands - häufig mit invasiven Verfahren, wie Gefäßkatheter oder Beatmung - eine hohe Infektionsgefahr, insbesondere für Infektionen mit multiresistenten Krankheitserregern besteht. Aus diesem Grund ist die Intensivpflege an hohe infektionshygienische Standards geknüpft, deren Einhaltung in solchen Wohnformen jedoch nicht regelhaft durch die Gesundheitsämter überprüft werden kann, da eine entsprechende Regelung im Infektionsschutzgesetz fehlt. Ausbrüche mit nosokomialen multiresistenten Erregern in solchen Wohnformen haben gezeigt, dass die Nichteinhaltung von Hygienestandards und die mangelnde Überwachungsmöglichkeit mit hohen Gesundheitsrisiken für die betreuten Patienten verbunden ist. Es besteht zudem die Gefahr, dass multiresistente Krankheitserreger in Krankenhäuser eingetragen werden, wenn betroffene Bewohner stationär versorgt werden müssen. Auch über das Personal der Pflegedienste können nosokomiale Keime auf andere infektionsgefährdete Patienten übertragen werden, zum Beispiel, wenn das Pflegepersonal Patienten in verschiedenen Wohnungen betreut.

Um den Schutz der in solchen Einrichtungen betreuten Patienten sowie den Schutz der Bevölkerung vor multiresistenten Krankheitserregern zu verbessern, ist es dringend geboten, eine regelmäßige infektionshygienische Überwachung ambulanter Pflegedienste auch während ihrer eigentlichen Tätigkeit in sogenannten Beatmungs- bzw. Intensivpflege-Wohngemeinschaften zu gewährleisten.