Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen

Der Bundesrat hat in seiner 859. Sitzung am 12. Juni 2009 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 8a Absatz 1 Satz 1a - neu - TMG)

In Artikel 1 Nummer 1 ist in § 8a Absatz 1 nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:

Begründung

Der Gesetzentwurf sieht weder eine anlassbezogene noch eine regelmäßige Überprüfung der gesperrten Inhalte vor. Es liegt demnach allein im Ermessen des Bundeskriminalamts, ob und wann eine erneute Überprüfung der bereits gesperrten Adressen durchgeführt wird.

Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Schnelllebigkeit von Domänennamen, insbesondere bei den Anbietern von Inhalten nach §§ 184b, 184c StGB, bedenklich. Es ist nämlich nicht unwahrscheinlich, dass eine gesperrte Domäne - nach deren "Freiwerden" - auf einen unbeteiligten Dritten übertragen wird.

Der Dritte hat allerdings im Vorfeld der Übertragung keinerlei Möglichkeit, festzustellen ob die fragliche Domäne in der Sperrliste enthalten ist.

Insbesondere aber, um dem befürchteten Zensurcharakter der Norm vorzubeugen, sollte eine gesetzlich verpflichtende regelmäßige Überprüfung in den Entwurf aufgenommen werden.

2. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 8a Absatz 1 Satz 2 TMG)

In Artikel 1 Nummer 1 ist in § 8a Absatz 1 Satz 2 das Wort "arbeitstäglich" durch das Wort "täglich" zu ersetzen.

Begründung

Es ist nicht eindeutig, was mit dem Begriff "arbeitstäglich" gemeint ist. So bestimmt etwa § 2 Nummer 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes, dass der Arbeitstag grundsätzlich der Werktag ist, also Montag bis Samstag exklusive der Feiertage. In der Regel wird - insbesondere im Öffentlichen Dienst - jedoch nur von montags bis freitags gearbeitet. Auch der Begriff "werktäglich" führt kaum zu einer deutlicheren Abgrenzung. So kann nach § 193 BGB a. E. der Eindruck entstehen der Sonnabend sei kein Werktag. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist das allerdings wenigstens dann der Fall, wenn eine Leistung am Samstag tatsächlich erbracht werden kann.

Der Begriff "arbeitstäglich" ist im Übrigen insgesamt in der bundesdeutschen Gesetzgebung unüblich und findet sich allenfalls in europäischen Richtlinien und Verordnungen.

Es spricht wegen des ohnehin automatisierten Datenabgleichs vor allem nichts gegen eine tägliche Bereitstellung der Liste und gegen eine tägliche Entgegennahme und Umsetzung durch die Diensteanbieter.

3. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 8a Absatz 5 TMG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwiefern in § 8a Absatz 5 TMG-E den datenschutzrechtlichen Belangen derjenigen Nutzer Rechnung getragen werden kann, deren Zugriffsversuch auf den gesperrten Server auf unproblematische Inhalte abzielte, die auf diesem Server abgespeichert sind.

Der Bundesrat bittet ferner zu prüfen, wie eine verfahrensrechtliche Absicherung von Inhalteanbietern erfolgen kann, deren Angebote rechtlich unproblematisch sind, die jedoch aus technischen Gründen von einer Sperre erfasst werden.

Begründung

Als Nachteil der DNS-Sperre ist anzusehen, dass diese Sperrmethode nicht in jedem Fall sehr zielgenau funktioniert (gesperrt wird jeweils der gesamte Server) und dass damit - unbeabsichtigt - Inhalte gesperrt werden können, die rechtlich nicht zu beanstanden sind, aber auf demselben Server angeboten werden wie die von der Sperre anvisierten Inhalte.

Vor diesem Hintergrund erscheint es aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht unproblematisch dass gemäß § 8a Absatz 5 TMG-E personenbezogene Daten zu sämtlichen Zugriffsversuchen abgespeichert werden sollen, um sie auf Anforderung den Strafermittlungsbehörden zur Verfügung zu stellen. In den entsprechenden Datensätzen werden undifferenziert die personenbezogenen Daten derjenigen Nutzer erfasst, welche unproblematische Angebote abrufen wollten die (zufällig) auf demselben Server abgespeichert sind wie die gemäß § 184b StGB rechtswidrigen Inhalte.

Der Gesetzentwurf verhält sich nicht zu der Frage der verfahrensrechtlichen Absicherung von Inhalteanbietern, deren Angebote unproblematisch sind, die jedoch aus den vorgenannten technischen Gründen von einer Sperre erfasst werden. Da die Sperrliste richtigerweise nicht der Öffentlichkeit bekannt gegeben wird, erfahren solche Inhalteanbieter erst durch die tatsächliche Unzugänglichkeit ihres Online-Angebots von der Sperrung. Solchen Anbietern sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, schnell und effizient gegen die Verhinderung des Zugangs zu ihren Angeboten vorgehen zu können.

4. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 8a Absatz 5 Satz 2 TMG)

In Artikel 1 Nummer 1 ist § 8a Absatz 5 Satz 2 zu streichen.

Begründung

Der zu streichende Satz enthält die Befugnis, Daten, die im Zusammenhang mit den Sperrmaßnahmen nach § 8a Absatz 2 und 4 TMG-E anfallen und nach Absatz 5 Satz 1 für diesen Zweck erhoben und verwendet werden dürfen, den zuständigen Stellen auf deren Anordnung für Zwecke der Verfolgung der Kinderpornographie nach § 184b StGB zu übermitteln.

Die Regelung des Absatzes 5 ist bereits in sich widersprüchlich. Satz 2 geht offensichtlich von der Annahme aus, dass die Diensteanbieter im Zusammenhang mit der Umleitung der Anfragen Daten nach Satz 1 ("Diese Daten") über das Ende der Verbindung hinaus speichern. Das ist jedoch gerade nicht der Fall. Satz 1 erlaubt es den Diensteanbietern nur, personenbezogene Daten zu erheben und zu verwenden, "soweit das für die Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 4 erforderlich ist". Erforderlich ist eine Speicherung aber allenfalls bis zum Ende der Verbindung. Absatz 5 Satz 2 geht daher entweder ins Leere oder muss als implizite Erlaubnis für eine längerfristige Speicherung betrachtet werden.

Das Problem sollte dabei keinesfalls in der Weise gelöst werden, dass eine Speicherungsbefugnis der Diensteanbieter zur Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden geschaffen wird. Dies würde nämlich ein weiteres Problem entstehen lassen.

Strafbar macht sich nach § 184b Absatz 4 Satz 1 StGB nicht nur der, der sich kinderpornographische Schriften verschafft. Unter Strafe steht vielmehr das Unternehmen der Besitzverschaffung und damit neben der Vollendung auch der Versuch (§ 11 Absatz 1 Nummer 6 StGB), einschließlich des untauglichen (Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 184b Rdnr. 20). Wer eine der auf der Sperrliste aufgeführten Internet-Adressen in der Annahme eingibt, dort auf Kinderpornographie zu stoßen, macht sich folglich strafbar, selbst wenn er durch das Stopp-Schild daran gehindert wird, sein Vorhaben umzusetzen.

Ob die tatbestandsmäßige Handlung zumindest mit bedingtem Vorsatz begangen worden ist, müsste in einem Strafverfahren geklärt werden. Da die Diensteanbieter dem Bundeskriminalamt nach § 8a Absatz 6 TMG-E wöchentlich "eine anonymisierte Aufstellung über die Anzahl der Zugriffsversuche pro Stunde" mitteilen müssen, wäre das BKA als Polizeibehörde nach § 163 StPO gehalten, den so zur Kenntnis gebrachten Verdachtsfällen nachzugehen und bei den Diensteanbietern doch wiederum die gespeicherten personenbezogenen Daten abzufragen.

In der Folge würden die Beschuldigten mangels anderer Beweismöglichkeiten Durchsuchungsmaßnahmen ausgesetzt, die angesichts der Ächtung der Kinderpornographie durch die Gesellschaft massive Rufschädigungen nach sich ziehen können. Im Hinblick auf die geringe Gefährlichkeit der abgeblockten Versuche und der nicht auszuschließenden Möglichkeit fehlerhafter oder durch Dritte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen provozierter bzw. automatisiert vorgenommener Adresseingaben, erscheint eine systematische Strafverfolgung in diesen Fällen nicht angebracht. Vermutlich ist dies auch die eigentliche Intention des Gesetzentwurfs, denn wenn eine konsequente Strafverfolgung das Ziel gewesen wäre, hätte es nahegelegen, dem Nutzer eine nicht herstellbare Verbindung vorzutäuschen statt ihn durch das Stopp-Schild zu warnen und zur Säuberung des Rechners zu veranlassen.

5. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 8a Absatz 8a - neu - TMG)

In Artikel 1 Nummer 1 ist in § 8a nach Absatz 8 folgender Absatz einzufügen:

Begründung

Nach dem derzeitigen Gesetzentwurf gibt es kein spezielles rechtsförmiges Verfahren, um gegen eine Sperrmaßnahme des Bundeskriminalamts vorzugehen. Wegen des nicht unmittelbar deutlichen präventiven oder repressiven Charakters der Norm sind Unsicherheiten bei der Wahl des Rechtswegs nicht auszuschließen. Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes und mit Blick auf Artikel 19 Absatz 4 GG ist deswegen die Einführung eines formalisierten Verwaltungsverfahrens sinnvoll und erforderlich.

Mit dem Antrag auf Löschung aus der Sperrliste hat das Bundeskriminalamt seine Entscheidung gemäß § 8a Absatz 1 zu überprüfen und ggf. auch die Änderungen von Tatsachen zu berücksichtigen. Die Entscheidung über die Löschung ist ein Verwaltungsakt, welcher mit den üblichen Mitteln einer weiteren rechtsstaatlichen Kontrolle zugänglich ist.

Es ist zudem durchaus denkbar, dass sich Anbieter von Telemedien zur Entfernung der Sperre direkt an die Diensteanbieter nach § 8 TMG wenden und ggf. auch gerichtlich einen Anspruch auf Unterlassung geltend machen.

Da die Diensteanbieter nach § 8 TMG jedoch keine Möglichkeiten haben, sich ihrer gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 8a Absatz 2 TMG-E zu entziehen, sind sie entsprechend zu privilegieren. Die generalklauselartige Formulierung des Absatzes 7 lässt auch ausweislich der Gesetzesbegründung offen, ob die Unterlassungsansprüche ebenfalls umfasst sein sollen. In Absatz 7 wird nur von "Haftung" gesprochen. Mit dem Satz 2 wird deutlich gemacht, dass der einzige Weg zur Entfernung aus der Sperrliste über ein geordnetes Verwaltungsverfahren gegen das Bundeskriminalamt führt und Unterlassungsansprüche gegen die Diensteanbieter nach § 8 TMG ausgeschlossen sind.