Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt

A. Problem und Ziel

B. Lösung

Der Entwurf sieht vor:

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 27. Mai 2005
An den

Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten Der Bundeskanzler Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Präsident, hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Schröder

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl I. S. 3322), zuletzt geändert durch..., wird wie folgt geändert:

1. § 64 wird wie folgt gefasst:

" § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine nicht unerhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen."

2. § 67 wird wie folgt geändert:

3. § 67a wird wie folgt gefasst:

" § 67a Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel

(1) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, so kann das Gericht die untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann das Gericht nachträglich auch eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, in den Vollzug einer der in Absatz 1 genannten Maßregeln überweisen. Dies gilt bereits dann, wenn sich die Person noch im Vollzug der Freiheitsstrafe befindet.

(3) Das Gericht kann eine Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Resozialisierung der untergebrachten Person dadurch besser gefördert werden kann. Eine Entscheidung nach Absatz 2 kann das Gericht ferner aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass mit dem Vollzug der in Absatz 1 genannten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden kann.

(4) Die Fristen für die Dauer der Unterbringung und die Überprüfung richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Unterbringung gelten. Im Falle des Absatzes 2 hat das Gericht erstmals nach Ablauf von einem Jahr, sodann im Falle des Satzes 2 bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung jeweils spätestens vor Ablauf von weiteren zwei Jahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 vorliegen."

4. § 67d Abs. 5 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

Das Gericht bestimmt, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen ist, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen.

5. § 67e wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Strafprozeßordnung

Die Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I. S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch..., wird wie folgt geändert:

1. § 126a wird wie folgt geändert:

2. § 463 wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch

In Artikel 316 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl I S. 469; 1975 I S. 1916; 1976 I S. 507), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird die Angabe " § 67 Abs. 4" durch die Angabe " § 67 Abs. 5" ersetzt.

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

I.Zielsetzung

Die Maßregeln der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ( § 63 StGB) und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) können ohne Schuldvorwurf gegen eine Täterin oder einen Täter verhängt werden; ihre Notwendigkeit ergibt sich aus dem Sicherungsbedürfnis der staatlichen Gemeinschaft, aus dem sie auch ihre Rechtfertigung erfahren.

Aufgrund wachsenden Belegungsdrucks befindet sich der Maßregelvollzug seit einiger Zeit in einer drängenden Situation. In vielen Bundesländern sind die Einrichtungen an der Grenze ihrer Aufnahmekapazitäten. Darunter können die Behandlungsmöglichkeiten leiden. Die Sicherheit der Anstalten kann dadurch gefährdet werden. Darüber hinaus bestehen oft erhebliche Probleme, nach Anordnung der Unterbringung durch das Gericht geeignete Anstaltsplätze zu finden. Dies führt dazu, dass Betroffene oft monatelang im Strafvollzug ("Organisationshaft") verbleiben müssen, bis sie untergebracht werden können. Auch Anstaltsneu- und Anstaltsausbauten können hier keine dauerhafte und umfassende Abhilfe schaffen, solange weiterhin Personen in den Maßregelvollzug gelangen, deren Unterbringung aus therapeutischen oder rechtlichen Gründen problematisch ist. Die Revision des Rechts der Unterbringung soll deshalb dazu beitragen, die vorhandenen Kapazitäten des Maßregelvollzugs besser und zielgerichteter zu nutzen und damit der Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor gefährlichen Straftäterinnen und Straftätern dienen. Daneben setzt sie Vorgaben zweier, bereits älterer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Abhängigkeit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von einem zu erwartenden Behandlungserfolg (BVerfGE 91, 1) und der Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung bei wachsender Dauer der Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt (BVerfGE 70, 297 f) gesetzestechnisch um.

II. Hintergründe und Geschichte des Entwurfs

Der Entwurf geht in Teilen zurück auf die Arbeit einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe (November 1995 bis September 1997), deren Einsetzung auf einem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20. April 1989 (BT-Drs. 011/2597) beruhte. Die von der Arbeitsgruppe entwickelten Vorschläge zur Änderung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt waren vom Bundesministerium der Justiz in die Form eines Referentenentwurfs umgesetzt worden, der im Februar 1998 den Landesjustizverwaltungen zugeleitet wurde. Ihre Stellungnahmen ließen eine Überarbeitung dieses ersten Referentenentwurfs sinnvoll erscheinen.

Darüber hinaus hatte die 69. Konferenz der Justizministerinnen und -minister sich im Juni 1998 mit einem Teilbereich des Referentenentwurfs vom Februar 1998 befasst, und zwar mit der "Reihenfolge der Vollstreckung von Maßregel und Strafe bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt". Zur ergänzenden Untersuchung der vollzuglichen und vollstreckungsrechtlichen Folgen der vorgesehene Umkehrung der bisher gesetzlich vorgeschriebenen Vollstreckungsreihenfolge durch einen Vorwegvollzug der Strafe wurde eine Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses eingesetzt. Ihr Abschlussbericht wurde auf der Konferenz der Justizministerinnen und -minister im Juni 1999 beraten. Diese bat die Bundesministerin der Justiz, unter Berücksichtigung des Berichts einen neuen Lösungsvorschlag zu erarbeiten.

In der Folgezeit wurde im Bundesministerium der Justiz ein zweiter überarbeiteter Referentenentwurf (vom 7. März 2000) erstellt und an die Landesjustizverwaltungen versandt. Die 74. Gesundheitsministerkonferenz forderte die Bundesregierung im Juni 2001 auf, diesen Entwurf schnellstmöglich in die parlamentarische Beratung einzubringen.

Bevor dies geschehen konnte, brachte im Oktober 2001 der Freistaat Bayern einen Gesetzesantrag zur "Verbesserung der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung" (BR-Drs. 775/01 ) in den Bundesrat ein. Der Antrag nahm aus dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz den Neuregelungsvorschlag zur Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer langjährigen Freiheitsstrafe auf und verband ihn mit zwei weiteren Regelungsvorschlägen. Aufgrund eines gemeinsamen Änderungsantrages mehrerer Länder kam es letztlich dazu, dass der Bundesrat einen im Wesentlichen dem zweiten Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz entsprechenden Entwurf in den Deutschen Bundestag einbrachte. Der Entwurf wurde im Deutschen Bundestag in der letzten Legislaturperiode jedoch nicht mehr beraten und fiel der Diskontinuität anheim.

Auf Initiative des Freistaates Bayern wurde im Herbst 2002 eine weitere Arbeitsgruppe "Fragen der Maßregelvollstreckung" des Strafrechtsausschusses der Justizministerkonferenz eingesetzt, deren Abschlussbericht auf der 74. Konferenz der Justizministerinnen und -minister im Juni 2003 beraten wurde. Ein Teil der Empfehlungen der Mehrheit der Arbeitsgruppe wurden im Gesetzentwurf des Bundesrates "Entwurf eines Gesetzes zur Reform des

Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt" (BT-Drucks. 15/3652) aufgegriffen.

Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung beruht in Teilen auf den früheren Referentenentwürfen des Bundesministeriums der Justiz sowie dem Entwurf des Bundesrates der letzten Legislaturperiode. Er berücksichtigt darüber hinaus neue Entwicklungen im Bereich des Maßregelvollzugs und nimmt Anregungen aus den Beratungen der Arbeitsgruppe "Fragen der Maßregelvollstreckung" auf.

III. Überblick über die vorgesehenen Änderungen

1. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ( § 63 StGB)

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dient in erster Linie Behandlungszwecken. Die Sicherheit der Bevölkerung soll durch Resozialisierung der untergebrachten Person im Wege der Behandlung ihrer psychischen Krankheit gewährleistet werden. Daneben hat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aber auch einen eigenständigen Sicherungszweck. Ihre Anordnung und ihre Fortdauer sind nicht von der Behandelbarkeit der untergebrachten Person abhängig und ihre zeitliche Dauer ist nicht begrenzt.

Der Umstand, dass die Maßregel unbefristet und unabhängig von der Behandelbarkeit der untergebrachten Person ist, kann dazu führen, dass Untergebrachte, deren hohe Gefährlichkeit sich therapeutisch nicht hinreichend senken lässt, im psychiatrischen Krankenhaus auf längere Dauer nur "verwahrt" werden. Sie können auch nicht in den Vollzug einer parallel zu ihrer Unterbringung verhängten Strafe überwiesen werden, da nach § 67 Abs. 1 StGB die Maßregel grundsätzlich vor der Strafe zu vollziehen ist. Dahinter steht der grundsätzlich richtige Gedanke, dass eine behandlungsbedürftige Person möglichst schnell einer Therapie zugeführt werden sol1. Eine Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Im Interesse der Funktionstüchtigkeit des Maßregelvollzugs, aber auch im Interesse der Untergebrachten, die nach wiederholt erfolglosen Behandlungsbemühungen nicht selten Therapiemüdigkeit, teilweise sogar einen Widerwillen gegen weitere Behandlungsversuche entwickeln, gestaltet der Entwurf das Verhältnis des Maßregelvollzugs zum Strafvollzug durchlässiger: Er erlaubt bei Täterinnen und Tätern, die neben ihrer Unterbringung nach § 63 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt und über einen Zeitraum von einem Jahr ohne angemessenen Erfolg im Maßregelvollzug behandelt wurden, die Vollstreckungsreihenfolge nachträglich zu ändern und zunächst die Freiheitsstrafe - ganz oder teilweise - zu vollziehen.

2. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ( § 64 StGB)
3. Überweisung in den Vollzug der §§ 63, 64 StGB im Falle der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB)

Das Recht des Maßregelvollzugs lässt in einem gewissen Maß den Vollzug der Unterbringung in einer anderen als der angeordneten Maßregel zu: Zwischen dem Vollzug der Unterbringungen nach § 63 und § 64 StGB kann zur besseren Förderung der Resozialisierung gemäß § 67a Abs. 1 StGB aufgrund gerichtlicher Anordnung gewechselt werden. Aus der Sicherungsverwahrung kann unter den gleichen Voraussetzungen gemäß § 67a Abs. 2 StGB in den Vollzug der Unterbringungen nach § 63 und § 64 StGB überwiesen werden. Aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe ist eine solche Überweisung demgegenüber nicht möglich. Diese Entscheidung des Gesetzgebers führt zu Ungereimtheiten, wenn neben der Freiheitsstrafe die - gemäß § 67 Abs. 1 StGB zwingend erst im Anschluss an die Strafe zu vollstreckende - Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. In diesem Fall kann psychischen Erkrankungen oder schweren psychischen Störungen durch Überweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erst während der Sicherungsverwahrung, nicht jedoch während des vorangehenden Strafvollzugs Rechnung getragen werden.

Der Entwurf nimmt daher eine Ergänzung des § 67a Abs. 2 StGB vor und ermöglicht in Fällen, in denen neben Freiheitsstrafe auch Sicherungsverwahrung angeordnet ist, zur Förderung der Resozialisierung bereits während des Strafvollzugs die Überweisung in den Maßregelvollzug, in dem dann die Strafe vollzogen wird. Zeigt sich bereits während des Vollzugs der Freiheitsstrafe, dass der Resozialisierung durch die Verlegung in den Maßregelvollzug besser gedient ist und dadurch auch die Sicherungsverwahrung überflüssig werden könnte, so erscheint es sinnvoll, dass nicht der Beginn der Sicherungsverwahrung abgewartet werden muss, bevor die Überweisung in den psychiatrischen Maßregelvollzug erfolgen kann. § 67a Abs. 3 Satz 2 StGB gibt bereits gegenwärtig eine erleichterte Möglichkeit, die Überweisung aus der Sicherungsverwahrung in den Vollzug einer anderen Maßregel wieder rückgängig zu machen, wenn dort kein Erfolg erzielt werden kann. Damit langdauernde "Fehlplatzierungen" von Personen, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, in Maßregelvollzugsanstalten vermieden werden, sieht die Neuregelung des § 67a Abs. 4 Satz 2 StGB-E vor, dass die Frage der Rückverlegung vom Gericht in regelmäßigen Abständen überprüft werden muss.

4. Strafverfahrensrechtliche Änderungen

IV. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes (Strafrecht, gerichtliches Verfahren). Die Berechtigung des Bundes zur Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz ergibt sich dabei aus Artikel 72 Abs. 2, 2. Alt. des Grundgesetzes. Die Änderungen betreffen das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung und das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch, die sämtlich schon bisher bundesrechtlich geregelt sind. Eine bundesgesetzliche Regelung ist erforderlich, um auch weiterhin die Einheitlichkeit des Straf- und Verfahrensrechts in allen Ländern und damit im gesamtstaatlichen Interesse die Rechtseinheit für das Verfahren über das Maßregelrecht zu gewährleisten.

Zum einen reichen strafrechtlich relevante Lebenssachverhalte häufig über Ländergrenzen hinweg. Deshalb wären unterschiedliche landesrechtliche Regelungen über die Reaktion auf strafbares Verhalten problematisch. Zum anderen sind an der Vollstreckung und dem Vollzug strafrechtlicher Reaktionen häufig Gerichte und Behörden mehrerer Bundesländer beteiligt. So wird die Unterbringung oftmals von Gerichten anderer Bundesländern angeordnet als denen, in denen tatsächlich vollstreckt wird. Es ist auch nicht unüblich, dass die Maßregelvollzugsanstalten je nach Kapazität den in anderen Bundesländern begonnenen Vollzug der Unterbringung fortsetzen. Untergebrachte Personen, die besonderer Behandlungs- oder Vollzugsformen bedürfen, werden in benachbarte Bundesländer verlegt, in denen diese Formen zur Verfügung stehen.

Ohne eine einheitliche Regelung drohte mithin nicht nur eine nicht hinnehmbare Rechtszersplitterung, sondern auch die Gefahr von Kompetenzstreitigkeiten und Streitigkeiten über das anwendbare Recht. Damit wäre ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit verbunden. Zur Vermeidung solcher Schwierigkeiten, die einen sinnvollen, am Behandlungs- und Sicherungsgedanken orientierten Vollzug ernsthaft in Frage stellen würden, bedarf es der vorgesehenen länderübergreifend einheitlichen Vorschriften.

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

V.Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung

Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten. B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)
Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 64)

Nach dem derzeitigen Wortlaut ist in § 64 Abs. 1 StGB die Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vorgesehen, wenn jemand den Hang hat, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und er wegen einer rechtswidrigen Tat, die er im Rausch begangen hat oder die auf seinen Hang zurückgeht, verurteilt wird bzw. nur deshalb keine Verurteilung erfolgt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist. Zusätzlich muss die Gefahr bestehen, dass er infolge seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Nach § 64 Abs. 2 StGB unterbleibt diese Anordnung nur, wenn eine Entziehungskur von vornherein aussichtslos erscheint.

Mit Beschluss vom 16. März 1994 hat das Bundesverfassungsgericht diese Regelung teilweise für verfassungswidrig erklärt und festgestellt, dass die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von Verfassungs wegen an die Voraussetzung geknüpft sein müsse, dass eine hinreichend konkrete Aussicht bestehe, die suchtkranke Person zu heilen oder doch über eine gewisse Zeit vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (BVerfGE 91, 1 f, 30 f). Das Freiheitsgrundrecht nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG erlaube es nicht, die Unterbringung einer - aus welchen Gründen auch immer - nicht behandlungsfähigen Person in einer Entziehungsanstalt anzuordnen, nur um durch ihre Verwahrung die Allgemeinheit zu schützen; vielmehr dürfe die Unterbringung nur zur Suchtbehandlung angeordnet werden, wenn diese auf den Schutz der Allgemeinheit durch Besserung ausgerichtet sei. Als Grundrechtseingriff müsse die freiheitsentziehende Maßregel hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen ihrer Anordnung und Durchführung in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutz von Interessen der Allgemeinheit stehen; sie dürfe daher nur für Fälle vorgesehen werden, in denen sie geeignet sei, den Schutzzweck gerade durch Behandlung zu erreichen (BVerfGE 91, 1, 28 f). Der Gesetzgeber müsse beachten, dass eine gleichwohl erfolgte Unterbringung nur durch eine konkrete Chance für einen Behandlungserfolg gerechtfertigt werden könne (BVerfGE 91, 1, 29 f).

Der Entwurf nimmt daher eine Neufassung des § 64 StGB vor. An die Stelle der bisherigen Ausschlussregelung des Absatzes 2 tritt in § 64 Satz 2 StGB-E die weitere positive Voraussetzung, dass die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur ergehen darf, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die betroffene Person zu heilen oder über eine nicht unerhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen. Die durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe werden mit dieser Klausel in Gesetzesrecht umgesetzt. Es wird keine sichere oder unbedingte Gewähr, sondern eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolges verlangt. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hängt damit auch künftig nicht vom Therapiewillen der betroffenen Person ab. Vielmehr kann die Herbeiführung der Behandlungsbereitschaft Bestandteil der Therapie sein.

Für den Zeitraum der Bewahrung vor dem Rückfall gilt, dass er zwar einerseits nicht zu knapp bemessen sein darf. Andernfalls würde das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Erfordernis der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht weitgehend obsolet. Andererseits besteht allerdings kein Anlass, über die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts hinauszugehen, das lediglich die Aussicht verlangt, die untergebrachte Person über eine "gewisse Zeitspanne" vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (vgl. BVerfGE 91, 1, 30 mit Verweis auf Hanack in StGB - Leipziger Kommentar, 11. Auf1., 1992, § 64 StGB Rdn. 94 ff). Das Bundesverfassungsgericht hat damit der Erkenntnis Rechnung getragen, dass eine "Heilung" der Sucht in sehr vielen Fällen nicht denkbar ist, da sich schon eingetretene physische und psychische Veränderungen nicht mehr rückgängig machen lassen. Erreichbares Ziel der Behandlung ist daher meist nur, die Persönlichkeit der Betroffenen und ihre Umweltbedingungen so zu stabilisieren und zu beeinflussen, dass sie im Stadium der Entwöhnung beharren. In der praktischen Wirklichkeit sind indes Fälle nicht selten, in denen selbst die Erreichung dieses beschränkten Ziels wenig reale Chancen hat, wohl aber die Hoffnung besteht, die suchtkranke Person "über eine gewisse Zeitspanne" vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren, z.B. einen Alkoholiker "trocken zu halten" (Hanack in StGB - Leipziger Kommentar, 11. Auf1., 1992, § 64 StGB Rdn. 94 ff). Das Bundesverfassungsgericht wollte keine zusätzlichen zeitlichen Schranken errichten. Eine Prognose hinsichtlich der Dauer des Zeitraums, in dem die suchtkranke Person voraussichtlich nicht rückfällig werden wird, ist in der Praxis kaum möglich. Es lassen sich nur Fälle ausschließen, in denen zu erwarten ist, dass der oder die Kranke fast unmittelbar nach der Entlassung im Abstand von wenigen Tagen oder Wochen einen Rückfall in die Sucht erleidet, also praktisch kein die Behandlung überdauernder Therapieerfolg eintritt. Diesen Erwägungen trägt die Formulierung Rechnung, die darauf abstellt, dass die betroffene Person voraussichtlich über eine "nicht unerhebliche Zeit" vor dem Rückfall in die akute Sucht bewahrt werden wird.

Zu Artikel 1 Nr. 2a) (§ 67 Abs. 2) - § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3

Nach geltender Rechtslage in § 67 Abs. 1 ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, die neben einer Freiheitsstrafe angeordnet wird, grundsätzlich vor der Strafe zu vollziehen. In § 67d Abs. 1 StGB ist für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine Höchstdauer von zwei Jahren vorgesehen.

Wird neben einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine langjährige Freiheitsstrafe verhängt, kann nach einem zweijährigen Vorwegvollzug der Maßregel die Reststrafe schon deshalb nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, weil der Zwei-Drittel-Zeitpunkt gemäß § 57 Abs. 1 StGB oder der Halbstrafenzeitpunkt nach § 67 Abs. 5 StGB noch nicht erreicht worden ist. In diesen Fällen bleibt als Alternative zur Rückverlegung in eine Justizvollzugsanstalt nur der Weitervollzug der Maßregel, der bis zum Ende ihrer verlängerten Höchstfrist (§ 67d Abs. 1 Satz 3 StGB), ggf. auch darüber hinaus (§ 67 Abs. 5 Satz 2 StGB) (vgl. Hanack in StGB - Leipziger Kommentar, 11. Auf1., 1992, § 67 Rdn. 34) zulässig ist.

Beide Möglichkeiten haben entscheidende Nachteile. Durch die Rückverlegung in eine Justizvollzugsanstalt kann das im Maßregelvollzug Erreichte wieder zunichte gemacht werden (vgl. BGH Beschluss v. 18. März 1986 in NStE Nr. 4 zu § 67). Zudem behindert die Aussicht auf anschließende Haftvollstreckung auch die eigentliche Suchttherapie, die gerade auf ein abstinentes Leben in Freiheit gerichtet sein muss, und gefährdet insbesondere die Behandlungsmotivation der Betroffenen.

Andererseits führt der Weitervollzug der Maßregel zu einer unnötigen Belegung kostenintensiver Therapieplätze, die dann für andere notwendige Fälle nicht mehr zur Verfügung stehen. Wie der Gesetzgeber schon in § 67d Abs. 1 StGB zum Ausdruck gebracht hat, ist eine sinnvolle Entziehungstherapie spätestens nach zwei Jahren beendet.

Nach geltender Rechtslage bot sich bislang für Fälle dieser Art nur die Regelung in § 67 Abs. 2 StGB an, wonach das Gericht bestimmt, die Strafe oder einen Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Aus dem Ausnahmecharakter der Vorschrift ergibt sich aber schon, dass sie nur zurückhaltend angewendet werden darf (vgl. Hanack in StGB - Leipziger Kommentar, 11. Auf1., 1992, § 67 Rdn. 39). Zweckmäßigkeitserwägungen können damit einen Vorwegvollzug der Strafe grundsätzlich nicht rechtfertigen; der Vorwegvollzug muss vielmehr nachweisbar notwendig sein, um der Maßregel zum Erfolg zu verhelfen oder jedenfalls den Täter dem Maßregelziel näher zu bringen (BGH StV 1986, 489).

Der Entwurf sieht nun in § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB-E bei der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren einen grundsätzlichen Vorwegvollzug eines Teils der Strafe vor. Dieser Teil der Freiheitsstrafe ist so zu berechnen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 möglich ist. Die vom Gericht zugrunde zu legende Dauer der Unterbringung hat sich dabei an der voraussichtlichen Dauer der Therapie bis zur Erzielung eines Behandlungserfolgs zu orientieren, die nach den Erfahrungen der Praxis gegenwärtig im Durchschnitt bei etwa einem Jahr liegt.

Die Vorschrift wurde dabei als "Soll-Vorschrift" konzipiert, um dem Gericht im Einzelfall auch eine Entscheidung für eine abweichende Vollstreckungsreihenfolge zu ermöglichen. Damit kann ein Gericht eine aktuelle dringende Therapiebedürftigkeit der suchtkranken Person berücksichtigen.

Mit der Neuregelung folgt der Entwurf den Empfehlungen der Arbeitsgruppe "Reihenfolge der Vollstreckung von Maßregel und Strafe bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt" (70. Konferenz der Justizministerinnen und -minister Juni 1999). Ein entsprechender Änderungsvorschlag war bereits im Gesetzentwurf des Bundesrates zur Verbesserung der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (BT-Drs. 014/8200) vorgesehen und wurde erneut von der Arbeitsgruppe "Fragen der Maßregelvollstreckung" aufgegriffen (74. Konferenz der Justizministerinnen und -minister Juni 2003).

Als problematisch erweisen sich Fälle, in denen eine in einer Entziehungsanstalt untergebrachte Person einem ausländischen Staat angehört und die Beendigung ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland in naher Zukunft zu erwarten ist. Nicht selten kommt es in der Praxis z.B. vor, dass durchreisende Rauschgiftkuriere aufgegriffen werden, die selbst betäubungsmittelabhängig sind. Sofern die weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen, müssen sie untergebracht werden, obwohl Maßnahmen zur Beendigung ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland zu erwarten sind. Zweifelhaft kann in diesen Fällen schon sein, wie viel Zeit für eine Therapie überhaupt zur Verfügung steht. Eine sinnvolle Therapieplanung ist deshalb schwierig. Für die Therapie selbst besteht das Problem, dass einerseits ein Wille der untergebrachten Person zur (Re-)Integration in die Gesellschaft des Gastlandes oft nicht mehr erwartet werden kann, andererseits die im Heimatland auf die untergebrachte Person zukommenden Anforderungen nicht hinreichend klar einschätzbar sind und die Therapie sich deshalb an ihnen nicht ausrichten kann. Hinzu können kulturelle und sprachliche Barrieren kommen, die die Behandlung besonders schwierig und aufwändig machen. Zusätzlich entsteht nicht selten das Problem, dass Erprobungen in der Lockerung im Hinblick auf eine erhöhte Fluchtgefahr nicht gewährt werden können. Deshalb sind die Therapieaussichten von vornherein eingeschränkt. Schließlich erscheint der Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben der Strafe zur Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht erforderlich, wenn ohnehin aufenthaltsbeendigende Maßnahmen anstehen.

Dieser Problematik wird durch das geltende Recht nicht in angemessener Weise Rechnung getragen. Zwar kann in den Fällen der bevorstehenden Auslieferung oder Ausweisung der verurteilten Person gemäß § 456a StPO im Interesse der Entlastung des Vollzugs von der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßnahmen ganz oder teilweise abgesehen werden. Von dem im Hinblick auf das noch gegebene Strafvollstreckungsbedürfnis in vielen landesrechtlichen Richtlinien geregelten Grundsatz, dass das Absehen von der Vollstreckung von der Verbüßung der Hälfte der Strafe abhängig ist, lassen die Richtlinien gerade für die hier problematischen Fällen auch oftmals Ausnahmen zu. Diese Sonderregelungen erlauben es zu prüfen, ob auch von der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung von vornherein gemäß § 456a StPO abgesehen werden kann. Ein Absehen nur von der Vollstreckung der Maßregel dürfte demgegenüber nicht zulässig sein. Denn sie würde die gegenwärtig bestehenden gesetzgeberischen Wertungen zum Verhältnis zwischen Strafe und Maßregel unterlaufen. Das mögliche Absehen von jeglicher Vollstreckung nicht nur der Maßregel sondern auch der Strafe erscheint indes im Hinblick auf die Sühnefunktion des Strafrechts in vielen Fällen nur schwerlich vertretbar.

Zur Lösung dieser Problematik wird dem Gericht deshalb künftig die Möglichkeit gegeben, bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anzuordnen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist (§ 58 Abs. 2 AufenthaltsG). Erfasst werden damit neben den Fällen einer bestandskräftigen Ausweisung z.B. auch diejenigen der unerlaubten Einreise des oder der Verurteilten (§ 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthaltsG). In diesen Fällen wird meist davon ausgegangen werden können, dass der Aufenthalt der verurteilten Person in der Bundesrepublik Deutschland noch während oder am Ende des Vollzugs der Strafe auch tatsächlich beendet werden kann, sofern von § 456a Abs. 1 StPO Gebrauch gemacht wird. Sollte dies im Einzelfall nicht zu erwarten sein, so hat das Gericht dies im Rahmen der Ausübung seines Ermessens ("Soll-Regelung") zu beachten. Ebenso hat es im Rahmen seiner Ermessensausübung zu beachten, ob etwa der Zustand der betroffenen Person ihre therapeutische Betreuung in einer Entziehungsanstalt zur Abwehr unmittelbarer gesundheitlicher Gefahren notwendig erscheinen lässt.

Darüber hinaus wird eine Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge auch dann zugelassen, wenn zu erwarten ist, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht eintreten wird. Zusätzlich hat das Gericht allerdings zu berücksichtigen, welchen zeitlichen Rahmen das weitere aufenthaltsrechtliche Verfahren noch in Anspruch nehmen und ob es voraussichtlich noch während der Verbüßung der Freiheitsstrafe oder im unmittelbaren Anschluss daran zu einer tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person in der Bundesrepublik Deutschland kommen wird. Davon dürfte regelmäßig nur dann auszugehen sein, wenn bereits ein entsprechendes aufenthaltsrechtliches Verfahren eingeleitet ist.

Zu Artikel 1 Nr. 2b) (§ 67 Abs. 3)

Buchstabe aa) enthält eine Folgeänderung zur Erweiterung des Absatzes 2 und dehnt die Möglichkeit der nachträglichen Änderung der Vollstreckungsreihenfolge auf die Fälle aus, in denen das Gericht entweder nach der Soll-Regelung des Absatzes 2 Satz 2 den teilweisen Vorwegvollzug der Strafe angeordnet hat oder in denen das Gericht aufgrund besonderer Umstände von dieser Anordnung abgesehen hat, nachträglich aber Umstände in der Person der oder des Betroffenen eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge angezeigt erscheinen lassen.

Die Änderung in Buchstabe bb) ermöglicht eine nachträgliche Änderung der Vollstreckungsreihenfolge zum einen auch in den Fällen, in denen erst nach der Verurteilung die Voraussetzungen für eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 oder 5 eintreten. Zum anderen zwingt sie das Gericht aber auch zur Korrektur einer entsprechenden Anordnung, wenn ihre Voraussetzungen entfallen, es also zu der ursprünglich erwarteten Überstellung, Auslieferung, Ausweisung oder Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nicht kommt. Dasselbe gilt, wenn aus anderen Gründen, also z.B. im Hinblick auf eine zwischenzeitliche Aufenthaltsgewährung in Härtefällen (§ 23a AufenthaltsG), eine alsbaldige Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zu erwarten ist.

Zu Artikel 1 Nr. 2c) (§ 67 Abs. 4)

Unter den im psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten gibt es Täterinnen und Täter, deren hohe Gefährlichkeit sich therapeutisch derzeit nicht hinreichend senken lässt und die somit auch im psychiatrischen Krankenhaus auf längere Dauer nur "verwahrt" werden können. Sie stellen den Maßregelvollzug vor allem dann vor nicht unerhebliche Probleme, wenn sie den Vollzug und die Behandlung der übrigen Patienten stören. Darüber hinaus bestehen bei ihnen nicht selten eine erhöhte Fluchtgefahr und besondere Sicherheitsrisiken, weil sie in absehbarer Zeit keine Aussichten auf Vollzugslockerungen und Entlassung haben.

Insbesondere von den forensischpsychiatrischen Anstalten ist daher gelegentlich die Forderung erhoben worden, entweder die Unterbringung nach § 63 StGB generell von der Therapierbarkeit abhängig zu machen oder zumindest nachträglich die Überweisung psychisch schwer gestörter, aber nicht therapierbarer gefährlicher Personen in die nicht angeordnete Sicherungsverwahrung zuzulassen. Diese beiden Forderungen sind abzulehnen. Gegenüber psychisch kranken Straftäterinnen und Straftätern, denen über das Maß ihrer Schuld hinaus die Freiheit entzogen wird, besteht eine Verpflichtung des Staates, ihnen ausreichende Behandlungschancen zu gewähren und sie auch nicht nachträglich auf Dauer von solchen auszuschließen. Auch nach einiger Zeit erfolglosen Maßregelvollzugs kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich in Zukunft doch noch therapeutische Ansätze bieten. Die Erfahrung zeigt, dass sich im Laufe der Zeit auch bei Personen, deren Therapieaussichten als gering eingeschätzt werden, nicht ganz selten, mitunter unerwartet eine therapeutische Erreichbarkeit einstellt (so der Bericht der im Jahre 1994 in Nordrhein-Westfalen eingesetzten Unabhängigen Expertenkommission "Sexualstraftäter im Maßregelvollzug"; vgl. auch Leygraf, "Verschiedene Möglichkeiten, als nicht therapierbar zu gelten", R&P 2002, S. 3 f). Dem Maßregelvollzug bleibt hier aufgegeben, alle sich im weiteren Verlauf der Zeit etwa ergebenden Ansätze und Chancen für eine Therapierbarkeit zu fördern und wahrzunehmen.

Im Interesse der Funktionstüchtigkeit des Maßregelvollzugs, aber auch im Interesse der Untergebrachten, die nach wiederholten erfolglosen Behandlungsbemühungen nicht selten Therapiemüdigkeit, ja sogar einen Widerwillen gegen weitere Behandlungsversuche entwickeln, gestaltet der Entwurf das Verhältnis des Maßregelvollzugs zum Strafvollzug allerdings durchlässiger: Er erweitert bei Täterinnen und Tätern, die neben ihrer Unterbringung nach § 63 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden, die Möglichkeit, die Vollstreckungsreihenfolge nachträglich zu ändern, wenn die Unterbringung mindestens ein Jahr vollzogen worden ist und ihre Resozialisierung durch die Fortsetzung des Vollzugs der Maßregel derzeit nicht gefördert werden kann. In diesen Fällen kann dann zunächst die Freiheitsstrafe insgesamt oder zum Teil vollstreckt werden. Im Anschluss daran kehren die Betroffenen ggf. (bei Fortbestehen ihrer Gefährlichkeit) in den Maßregelvollzug zurück.

Die Neuregelung zielt damit vor allem auf Untergebrachte mit Persönlichkeitsstörungen, deren Gefährlichkeit sich - bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - mit den Mitteln der forensischen Psychiatrie auf absehbare Zeit nicht hinreichend senken lässt und deren sichere Unterbringung und - soweit sinnvoll - psychotherapeutische Versorgung, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt ( § 9 StVollzG), ebenso gut oder besser im Strafvollzug gewährleistet werden kann. Sie gewährt den Gerichten einen weiten Ermessensspielraum ("Kann-Regelung"). Im Rahmen seiner Ermessensausübung wird das Gericht namentlich zu berücksichtigen haben, ob die untergebrachte Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung der besonderen Obhut oder Betreuung in einer forensischpsychiatrischen Klinik bedarf, die im Strafvollzug nicht gewährleistet werden kann.

Zu Artikel 1 Nr. 2d) (§ 67 Abs. 4 Satz 2 -alt-)

Wird eine Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, sieht § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB vor, die Zeit des Vollzuges der Maßregel auf die Strafe anzurechnen, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Nach § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB ist diese Anrechnung jedoch ausgeschlossen, wenn das Gericht eine Anordnung nach § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB trifft. Der Ausschluss betrifft demnach diejenigen Fälle, in denen das Gericht nachträglich bestimmt hat, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen, weil ihr Zweck aus Gründen, die in der Person der oder des Untergebrachten liegen, nicht erreicht werden kann.

Mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 16. März 1994 wurde die Vorschrift des § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB für nichtig erklärt (BVerfGE 91, 1). Die Regelung lasse sich vor dem Freiheitsgrundrecht nicht rechtfertigen, da der undifferenzierte Anrechnungsausschluss auch diejenigen Fällen treffe, in denen die Betroffenen für die Weigerung, an der Behandlung mitzuwirken, achtenswerte Gründe hätten, die etwa in Verhältnissen der Anstalt, der angewandten Therapiemethode oder in der Person der Therapeutin oder des Therapeuten liegen könnten. Ein völliger Ausschluss der Anrechnung sei verfassungsrechtlich nur dann ge rechtfertigt, wenn sich das Scheitern der Behandlung eindeutig und nachweislich auf eine Therapieunwilligkeit der betroffenen Person ohne achtbare Gründe zurückführen lasse (BVerfGE 91, 1, 32, 36).

Eine Neuregelung der Nichtanrechnung setzt demnach voraus, dass Therapieunwilligkeit von Therapieunfähigkeit in der Vollzugspraxis tatsächlich unterschieden und dies auch festgestellt werden kann. Allerdings haben die vom Bundesverfassungsgericht befragten zwölf Kliniken, in denen Maßregeln nach § 64 StGB vollzogen werden, ausgeführt, dass die rechtliche Unterscheidung zwischen Therapieunwilligkeit und -unfähigkeit keine reale Entsprechung in der psychiatrischen Diagnose habe (BVerfGE 91, 1, 22). Unbehandelbarkeit sei ein Ausdruck der Schwere der seelischen Störung.

Da somit eine ausreichend feststellbare Abgrenzung zwischen Therapieunwilligkeit und -fähigkeit nicht möglich ist, sieht der Entwurf eine ersatzlose Streichung des § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB vor.

Zu Artikel 1 Nr. 2e) (§ 67 Abs. 6)

Der Entwurf erweitert die Möglichkeit der Strafrestaussetzung zur Bewährung gemäß § 67 Abs. 5 StGB nach Erledigung der Hälfte der Strafe, die bisher auf die Fälle des Vorwegvollzugs der Maßregel beschränkt ist, auf die Fälle, in denen gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB-E ein Teil der Freiheitsstrafe vor Vollzug der Unterbringung in der Entziehungsanstalt vollstreckt worden ist. Denn die Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge nach Absatz 2 Satz 2 darf nicht dazu führen, den Verurteilten die im Falle des Erfolgs der Therapie bislang mögliche Entlassung nach der Hälfte der Strafe künftig zu verwehren, die auch einen Anreiz für die Mitwirkung an der Therapie bietet.

Mit der Regelung des § 67 Abs. 5 StGB wollte der Gesetzgeber Gesichtspunkten der Spezialprävention Vorrang vor den zeitlichen Begrenzungen des § 57 Abs. 1 StGB geben und insbesondere dafür sorgen, dass ein schon erreichter Therapieerfolg nicht wieder gefährdet wird. Sie stellt sicher, dass nach einer an therapeutischen Notwendigkeiten orientierten Unterbringungsdauer eine Bewährungsentscheidung zumindest möglich ist und sich im Falle einer solchen Entscheidung sowohl eine Rückverlegung in eine Justizvollzugsanstalt als auch eine unnötige Verlängerung der Maßregel erübrigen. Auch die Entziehungstherapie selbst wird ihrem eigentlichen Zweck näher gebracht, den Verurteilten auf ein abstinentes Leben in Freiheit vorzubereiten.

Der Regelungsvorschlag folgt einer Empfehlung der Arbeitsgruppe "Reihenfolge der Vollstreckung von Maßregel und Strafe bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt" (70. Konferenz der Justizministerinnen und -minister Juni 1999). Eine entsprechende Änderung war bereits im Gesetzentwurf des Bundesrates zur Verbesserung der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (BT-Drs. 014/8200) vorgesehen und ist im Gesetzentwurf des Bundesrates zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (BT-Drucks. 15/3652) ebenfalls enthalten.

Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 67a)

Der Entwurf fasst § 67a StGB insgesamt neu. Inhaltliche Neuregelungen enthalten Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 2. Im Übrigen wird die Vorschrift geschlechtsneutral umformuliert.

Zu Absatz 2 Satz 2: Das Recht des Maßregelvollzugs lässt in einem gewissen Maß den Vollzug der Unterbringung in einer anderen als der angeordneten Maßregel zu: Zwischen dem Vollzug der Unterbringungen nach § 63 und § 64 StGB kann zur besseren Förderung der Resozialisierung gemäß § 67a Abs. 1 StGB aufgrund gerichtlicher Anordnung gewechselt werden. Aus der Sicherungsverwahrung kann unter den gleichen Voraussetzungen gemäß § 67a Abs. 2 StGB in den Vollzug der Unterbringungen nach § 63 und § 64 StGB überwiesen werden. Aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe ist eine solche Überweisung demgegenüber nicht möglich. Diese Entscheidung des Gesetzgebers, einen Wechsel aus dem Strafvollzug in eine nicht angeordnete Maßregel generell nicht zuzulassen, ist angesichts des grundlegenden Unterschieds zwischen Strafe und Maßregel nach wie vor richtig. Sie führt aber dann zu Ungereimtheiten, wenn neben der Freiheitsstrafe die - gemäß § 67 Abs. 1 StGB zwingend erst im Anschluss an die Strafe zu vollstreckende - Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Als Reaktion auf eine psychische Erkrankung während des Strafvollzugs verbleiben nach geltender Gesetzeslage lediglich die in § 65 StVollzG geregelten Möglichkeiten der Verlegung in ein Anstaltskrankenhaus oder eine für die Behandlung der Krankheit besser geeignete Vollzugsanstalt bzw. in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs. Diese Möglichkeiten zur Behandlung schwerer psychischer Störungen sind nicht immer ausreichend. Die in einigen Fällen besser geeignete Überweisung in den Vollzug der Unterbringung nach § 63 StGB ist demgegenüber erst nach Verbüßung der Strafe aus dem Vollzug der Sicherungsverwahrung heraus möglich.

Der Entwurf nimmt daher eine Ergänzung des § 67a Abs. 2 StGB vor und ermöglicht in Fällen, in denen neben Freiheitsstrafe auch Sicherungsverwahrung angeordnet ist, zur Förderung der Resozialisierung bereits während des Strafvollzugs die Überweisung in den psychiatrischen Maßregelvollzug. Zeigt sich bereits während des Vollzugs der Freiheitsstrafe, dass der Resozialisierung durch die Verlegung in ein psychiatrisches Krankenhaus oder in eine Entziehungsanstalt besser gedient ist und dadurch auch die Sicherungsverwahrung überflüssig werden könnte, so erscheint es sinnvoll, dass nicht der Beginn der Sicherungsverwahrung abgewartet werden muss, bevor die Überweisung in den Maßregelvollzug erfolgen kann. Da in den Überweisungsfällen im Maßregelvollzug weiterhin die Freiheitsstrafe vollzogen wird, ist die Zeit des Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik ohne Einschränkung auf die Strafe anzurechnen. Die Ausgestaltung des Vollzuges richtet sich nach den für den psychiatrischen Maßregelvollzug geltenden Vorschriften (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auf1., 2004, § 67 Rdn. 5).

Die Entscheidung über die Überweisung von Personen, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet ist, in den psychiatrischen Maßregelvollzug wird regelmäßig sachverständiger Stellungnahme bedürfen, da sie eine auf eine bestimmte Behandlungsart bezogene positive Prognose erfordert (vgl. OLG Hamm NStZ 1987, 93; Horstkotte in StGB - Leipziger Kommentar, 10. Auf1., 1985, § 67a StGB Rdn. 42; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auf1., 2004, § 67a Rdn. 4).

Zu Absatz 4 Satz 2: § 67a Abs. 3 Satz 2 StGB gibt bereits gegenwärtig eine erleichterte Möglichkeit, die Überweisung aus der Sicherungsverwahrung in den Vollzug einer anderen Maßregel wieder rückgängig zu machen, wenn dort kein Erfolg erzielt werden kann. Damit langdauernde Fehlplatzierungen von Personen, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, in Maßregelvollzugsanstalten vermieden werden, sieht die Neuregelung des § 67a Abs. 4 Satz 2 StGB-E vor, dass die Frage der Rückverlegung vom Gericht in regelmäßigen Abständen überprüft werden muss. In allen Fällen, in denen Sicherungsverwahrung angeordnet und die Verurteilten in den Maßregelvollzug des § 63 oder § 64 StGB überwiesen wurden, ist erstmals nach Ablauf von einem Jahr zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rückverlegung vorliegen. Wurde die oder der Betroffene aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe in den Maßregelvollzug verlegt, so ist diese Prüfung im Abstand von jeweils zwei Jahren bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung (§ 67c StGB) zu wiederholen. Sobald die Vollstreckung der Unterbringung begonnen hat, also auch in Fällen, in denen die Verlegung erst aus dem Vollzug der Sicherungsverwahrung stattgefunden hat, bieten demgegenüber die nach § 67e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB im Abstand von ebenfalls jeweils zwei Jahren vorzunehmenden gerichtlichen Überprüfungen die Gewähr dafür, dass auch die Frage einer Rückverlegung mit überprüft wird.

Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 67d Abs. 5)

Die bisherige Regelung in § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB sieht vor, dass das Gericht nach einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, die mindestens ein Jahr vollzogen ist, nachträglich bestimmen kann, die Unterbringung nicht weiter zu vollziehen, wenn ihr Zweck aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, nicht erreicht werden kann.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 16. März 1994 (BVerfGE 91, 1) ist diese Bestimmung nichtig. Sie ist unvereinbar mit der aus Artikel 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Forderung, die Behandlung abzubrechen und die Unterbringung in der Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen, sobald festgestellt werden kann, dass für den Untergebrachten keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (BVerfGE 91, 1, 34). Da auch der Vollzug der Unterbringung an die Feststellung einer hinreichend konkreten Aussicht auf Behandlungserfolg geknüpft ist, darf die Unterbringung nicht weiter vollzogen werden, wenn entgegen einer anfänglich positiven Prognose keine Aussicht auf einen solchen Behandlungserfolg mehr besteht (BVerfGE 91, 1, 31). Regelmäßig kann dies bereits nach drei bis sechs Monaten erkannt werden (vgl. BVerfGE 91, 1, 34).

Der Entwurf sieht daher in § 67d Abs. 5 StGB-E vor, die Unterbringung zu beenden, wenn die oben genannten Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB-E nicht mehr vorliegen, wenn also nicht mehr zu erwarten ist, dass die Behandlung die untergebrachte Person davon abhalten wird, künftig erneut erhebliche rechtswidrige Taten zu begehen, die auf ihren Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen.

Abweichend von früheren Regelungsvorschlägen knüpft der Entwurf die Zulässigkeit einer Erledigungsentscheidung nicht an den Ablauf einer bestimmten Mindestdauer der Unterbringung. Zwar ist in der Regel eine Unterbringungsdauer von wenigstens drei Monaten erforderlich, um überhaupt den ernsthaften Versuch einer therapeutischen Arbeit mit der untergebrachten Person unternehmen zu können. Ausnahmefälle sind jedoch möglich (so z.B., wenn sich unmittelbar nach Beginn der Unterbringung bei einer Patientin oder einem Patienten ein Hirntumor herausstellt). Im Übrigen nimmt meist das Erledigungsverfahren als solches eine Dauer von mehreren Monaten in Anspruch.

Zu Artikel 1 Nr. 5 (§ 67e)

Die Regelung enthält eine klarstellende Folgeänderung zu der Normierung der Erledigungserklärung in § 67d Abs. 6 StGB durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1838). Sie erstreckt die regelmäßige Überprüfung der Unterbringung neben der Prüfung der Aussetzungsfähigkeit auch auf diejenige der Erledigung.

Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozeßordnung)
Zu Artikel 2 Nr. 1a) (§ 126a Abs. 2)

Mit den Änderungen in Absatz 2 Satz 1 werden die Regelungen der §§ 116, 116a, 123, 124 StPO betreffend die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls und Entscheidungen über Ersatzmaßnahmen und Sicherheiten auch im Rahmen der einstweiligen Unterbringung anwendbar.

Mit der damit eröffneten Möglichkeit, einen Unterbringungsbefehl nach Maßgabe des § 116 StPO aussetzen zu können, wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in einer Weise Rechnung getragen, wie das bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur befürwortet wird (vgl. OLG Celle NStZ 1987, 524; Hilger, in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auf1., § 126a, Rdn. 12; Paeffgen, in Systematischer Kommentar - StPO, § 126a, Rdn. 8; Paeffgen, "Übersicht über die obergerichtliche Rechtsprechung in Haftsachen", NStZ 1989, 417, 419). Die Aufnahme des § 123 StPO in die Verweisungskette ist als Folgeänderung erforderlich.

Die §§ 116a und 124 StPO sind in die Verweisungskette aufgenommen worden, obwohl eine Auflage nach § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StPO (Sicherheitsleistung), auf die sich die §§ 116a und 124 StPO beziehen, als alleinige Auflage bei der Aussetzung eines Unterbringungsbefehls nicht in Betracht kommen dürfte. Es kann aber bei der Aussetzung der einstweiligen Unterbringung durchaus sinnvoll sein, diese Auflage in Verbindung mit einer anderen Auflage zu verhängen.

Die in Absatz 2 Satz 2 unter Maßgaben vorgesehene entsprechende Einbeziehung der Regelungen über die Sechsmonatshaftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO trägt dem bei vorläufigen freiheitsentziehenden Maßnahmen in besonderer Weise zu beachtenden Beschleunigungsgebot Rechnung. Auch im Hinblick auf die bei einer einstweiligen Unterbringung regelmäßig veranlasste Einholung von Gutachten erscheint die grundsätzliche Anwendung der

§§ 121, 122 StPO vertretbar. Allerdings lassen sich insoweit die Maßstäbe des Rechtes der Untersuchungshaft nicht vollständig auf das Recht der vorläufigen Unterbringung übertragen. Hauptzweck der Untersuchungshaft ist die Verfahrenssicherung. Bei der einstweiligen Unterbringung steht demgegenüber der Schutz der Allgemeinheit im Vordergrund. Diesem Umstand ist es geschuldet, hier einen anderen Prüfungsmaßstab anzulegen als bei der Sechsmonatshaftprüfung, die eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in zeitlicher Hinsicht darstellt und es insoweit nicht zulässt, die (in der zur Last gelegten Straftat zu Tage getretene) Gefährlichkeit des oder der Betroffenen als maßgebliches Kriterium für die Fortdauer der Untersuchungshaft zu berücksichtigen. Dementsprechend sieht die vorgesehene Regelung vor, dass das Oberlandesgericht lediglich prüft, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen. Hierbei können Umstände wie etwa die Gefährlichkeit des Betroffenen oder die Bedeutung der Sache Berücksichtigung finden. Damit wird dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit entsprochen und zugleich eine beschleunigte Bearbeitung durch die Strafverfolgungsbehörden sichergestellt, die spätestens nach sechs Monaten über den Fortgang des Verfahrens Rechenschaft ablegen müssen.

Zu Artikel 2 Nr. 1b) (§ 126a Abs. 4)

Mit der Erweiterung der bisher in Absatz 2 Satz 2 geregelten Bekanntgabepflicht wird in Absatz 4 nunmehr klargestellt, dass der Unterbringungsbefehl und Entscheidungen über ihn gemäß den Absätzen 1 bis 3 dem gesetzlichen Vertreter oder der gesetzlichen Vertreterin stets bekannt zu geben sind. Auch Vorsorgebevollmächtigte, die zur Unterbringung des Vollmachtgebers oder der Vollmachtgeberin befugt sind, weil er oder sie die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 5 BGB erfüllt, sollen wie ein Betreuer oder anderer gesetzlicher Vertreter benachrichtigt werden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Personen, deren vorläufige Unterbringung etwa im Hinblick auf eine psychische Erkrankung angeordnet ist, in ihrer Fähigkeit zur Wahrnehmung der eigenen Interessen oft eingeschränkt sind. Die Existenz eines oder einer Bevollmächtigten kann über das von der Bundesnotarkammer geführte Vorsorgeregister abgefragt werden.

Zu Artikel 2 Nr. 2a) (§ 463 Abs. 3)

Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 wurden nicht nur die gesetzlichen Kriterien für die Aussetzung einer Maßregel zur Bewährung umformuliert. Die Aussetzungsentscheidung wurde vielmehr auch generell von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abhängig gemacht (§ 463 Abs. 3 Satz 3, § 454 Abs. 2 StPO). Demgegenüber ist die Aussetzung des Rests einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren nur dann von einer Begutachtung abhängig, wenn die Strafe wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Taten verhängt wurde (§ 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

Die für die Aussetzung von Maßregeln bestehenden Begutachtungserfordernisse gehen damit über das gesetzgeberische Ziel hinaus, Sexual- und Gewaltvergehen und Verbrechen zu verhindern. Sie verursachen im Maßregelvollzug aufgrund der Dauer und des Umfangs eines regulären Begutachtungsverfahrens einen "Entlassungsstau", der in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verlängerung der Unterbringungszeiten beigetragen hat. Bei der Unterbringung nach § 64 StGB ist es darüber hinaus auch unter Behandlungsgesichtspunkten problematisch, Patienten in einer "Warteschleife" zu halten, deren Suchtbehandlung so weit fortgeschritten ist, dass sie von der in stationärem Rahmen möglichen Behandlung nicht mehr profitieren (Maier, Mache, Klein, "Woran krankt der Maßregelvollzug?" MschrKrim 2000, S. 74).

Künftig sollen die Begutachtungserfordernisse, soweit sie die weitere Vollstreckung von Maßregeln nach § 63 oder § 64 StGB betreffen, nur dann gelten, wenn die Maßregel wegen einer rechtswidrigen Tat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art angeordnet worden ist. Unabhängig von der Straftat soll eine Begutachtung aber dann erfolgen, wenn es sich um einen Täter handelt, der sich in der Sicherungsverwahrung befindet. In den übrigen Fällen liegt der Strafvollsteckungskammer regelmäßig eine fachärztliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung vor, die es ihr ermöglicht, die Risiken einer Aussetzung der Maßregel hinreichend sicher einzuschätzen. Außerdem hat sie immer nach den allgemeinen Regeln die Möglichkeit, auch in den von der Neuregelung nicht umfassten Fällen ein Sachverständigengutachten einzuholen, wenn sie dies ausnahmsweise für notwendig hält.

Zu Artikel 2 Nr. 2b) (§ 463 Abs. 4)

Nach § 67e Abs. 2 StGB hat das Vollstreckungsgericht zumindest jeweils nach einem Jahr vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu überprüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen ist. Im Aussetzungsverfahren muss das Gericht alle ihm möglichen Erkenntnisquellen über eine fortbestehende Gefährlichkeit der untergebrachten Person ausschöpfen. Bei Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, besteht in der Regel die Pflicht, erfahrene Sachverständige hinzuzuziehen ("Gebot bestmöglicher Sachaufklärung"; vgl. BVerfGE 70, 297, 309). Bevor das Gericht das Prognoseergebnis auf Grund eigener Wertung kritisch hinterfragen kann, hat es zu überprüfen, ob das Gutachten bestimmten Mindeststandards genügt (2 BvR 983/04 vom 14. Januar 2005). Nur ein fundiertes schriftliches Gutachten versetzt das Gericht in die Lage, die Art der von der untergebrachten Person drohenden Straftaten und das mit der vorzeitigen Entlassung verbundene Risiko für die betroffenen Rechtsgüter zuverlässig einzuschätzen.

§ 463 Abs. 4 StPO-E normiert im Hinblick auf diese verfassungsrechtlichen Anforderungen eine Verpflichtung des Gerichts, im Rahmen der regelmäßigen Überprüfungen nach § 67e Abs. 1 Satz 2 StGB im Fünfjahresabstand externe Sachverständigengutachten einzuholen. D.h. diese Gutachten müssen von einer oder einem Sachverständigen erstellt werden, die oder der nicht mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein darf und auch nicht in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten darf, in dem sich die untergebrachte Person befindet. Auch insoweit orientiert sich der Entwurf an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der aufgrund der Wirkkraft des Freiheitsgrundrechtes um so strengere Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind, je länger die Unterbringung bereits dauert. Danach ist es zur Vorbeugung der Gefahr von Routinebeurteilungen in der Regel geboten, von Zeit zu Zeit anstaltsfremde Sachverständige hinzuzuziehen (BVerfGE 70, 297, 310 f). Wenn sich die untergebrachte Person schon seit fünf Jahren in psychiatrischer Behandlung befindet, ist sie in der Regel schon mehrfach begutachtet worden. Bei dieser Sachlage kann erst die Hinzuziehung einer oder eines bisher nicht mit ihr befassten Sachverständigen die nötige kritische Distanz zu den bisherigen Gutachten schaffen und damit die Prognosesicherheit des Gerichtes entscheidend verbessern.

Da ein solches Gutachten die Kenntnis der bisherigen Behandlung und Entwicklung der untergebrachten Person erfordert, ist die Gutachterin oder der Gutachter befugt, die entsprechenden Patientendaten des Krankenhauses einzusehen (§ 463 Abs. 4 Satz 2 StPO-E).

Durch die in Satz 3 vorgesehene Verweisung auf § 454 Abs. 2 StPO wird angeordnet, dass die oder der Sachverständige mündlich zu hören ist. Von dem Termin sind die untergebrachte Person, ihre Verteidigerin oder ihr Verteidiger, die Staatsanwaltschaft und das Krankenhaus zu benachrichtigen. Durch das gesetzlich verankerte Frage- und Erklärungsrecht der an der Anhörung Beteiligten verdeutlicht der Entwurf, dass der Anhörungstermin Gelegenheit bieten soll, das Sachverständigengutachten eingehend zu diskutieren und das Votum der oder des Sachverständigen zu hinterfragen. Die Einbeziehung des § 454 Abs. 2 Satz 7 StPO in die Verweisung ermöglicht es dem Gericht allerdings, von der mündlichen Anhörung der oder des Sachverständigen abzusehen, wenn alle Prozessbeteiligten darauf verzichten.

Um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, auch bei dieser für sie wesentlichen Überprüfung ihre Rechte adäquat geltend zu machen, sieht der Entwurf in § 463 Abs. 4 Satz 4 StPO-E vor, der untergebrachten Person, soweit sie noch unverteidigt ist, eine Verteidigerin oder einen Verteidiger zu bestellen. Die Gesetzgebung kommt damit ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung nach, einer untergebrachten Person eine Pflichtverteidigerin oder einen Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn es wegen Besonderheiten und Schwierigkeiten im Diagnose- und Prognosebereich als evident erscheint, dass sie sich angesichts ihrer Erkrankung nicht selbst verteidigen kann (vgl. BVerfGE 70, 297, 323).

Zu Artikel 2 Nr. 2c) (§ 463 Abs. 5 und Abs. 6)

Es handelt sich um Folgeänderungen zu Artikel 2 Nr. 2b).

Zu Artikel 2 Nr. 2d) (§ 463 Abs. 7)

Durch die Aufnahme des § 67d Abs. 5 StGB-E in § 463 Abs. 7 StPO-E wird die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die zu treffenden Nachtragsentscheidungen auch für den Fall des gesetzlichen Eintritts der Führungsaufsicht mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausdrücklich bestimmt. Dieser Fall des Eintritts der Führungsaufsicht wird in dem bisherigen § 463 Abs. 6 StPO nicht angeführt, was zu berechtigter Kritik im Schrifttum geführt hat (vgl. Wendisch, in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auf1., 1997, § 463 Rdn. 17). Es ist in der Tat kein Grund ersichtlich, hinsichtlich der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer die Fälle des § 67d StGB, in denen kraft Gesetzes Führungsaufsicht eintritt, unterschiedlich zu behandeln.

Im Übrigen handelt es sich um eine Folgeänderung zu den bereits durch das am 31. Januar 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten (BGBl. I S. 160) vorgenommenen Änderungen in § 67d Abs. 3 und 4 StGB und der Einführung des § 67d Abs. 6 StGB durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1838).

Zu Artikel 3 (Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Artikel 1 Nr. 2d).

Zu Artikel 4

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.