Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Jahreswachstumsbericht - Gesamtkonzept der EU zur Krisenbewältigung nimmt weiter Gestalt an - COM (2011) 11 endg.; Ratsdok. 18066/10

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Europäische Kommission
Brüssel, den 13.7.2012
C(2012) 4656 final

Herrn Horst Seehofer
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
D-10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Präsident,
im Namen der Europäischen Kommission danke ich Ihnen für die Stellungnahme des Bundesrates zum ersten Jahreswachstumsbericht der Kommission {KOM (2011) 11 endg.}. Bitte entschuldigen Sie unsere verspätete Antwort. Im Folgenden möchte ich Sie über die Fortschritte während des Europäischen Semesters informieren und die derzeitigen Pläne für die wirtschaftspolitische Koordinierung erläutern.

Das erste Europäische Semester wurde am 12. Juli 2011 mit der Verabschiedung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen des Rates der Europäischen Union an die Mitgliedstaaten abgeschlossen. An Deutschland wurden vier konkrete Empfehlungen' gerichtet, von denen zwei teilweise in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen. Auf diese Empfehlungen möchte ich näher eingehen.

Der Rat empfiehlt der Bundesrepublik, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, indem sie u.a. einen gerechteren Zugang zum allgemeinen und beruflichen Bildungssystem schafft. Außerdem stellt der Rat fest, dass der Bildungsgrad junger Menschen in Deutschland im Tertiär- und oberen Sekundarbereich unter dem EU-Durchschnitt liegt. Diese Empfehlung wurde im Rat vor dem Hintergrund der zu erwartenden demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland sowie der damit verbundenen Herausforderungen zur Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs angenommen. Sie erfolgte im Kontext der mittel- bis langfristigen Ziele der Strategie Europa 2020 und ist damit in Bezug auf die langfristigen Prognosen über den demografischen Wandel, die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur sowie den Humankapitalbedarf vor allem als Richtschnur zu verstehen, nicht jedoch als unmittelbare Kritik am aktuellen Bildungsstand der Bevölkerung. Darüber hinaus möchte ich festhalten, dass die obigen Ausführungen in keiner Weise die positive Einschätzung einer profunden Erstausbildung im deutschen dualen Berufsbildungssystem durch die Kommission in Frage stellen, die eine wichtige Grundlage für die in der aktuellen Wirtschaftssituation vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland darstellt.

Ich freue mich, dass der Bundesrat die Forderung der Kommission nach konsequenter Haushaltskonsolidierung in den Mitgliedstaaten unterstützt. Haushaltskonsolidierung schließt auch die Stabilisierung des Bankensektors in den Mitgliedstaaten ein, um damit verbundene Haushaltsrisiken zu minimieren. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Rat der Bundesrepublik, die strukturellen Schwächen im Finanzsektor zu beheben. Insbesondere für die Landesbanken schlägt der Rat eine Restrukturierung vor, um für diese ein rentables Geschäftsmodell zu schaffen.

Das Follow-up dieser Empfehlungen fand während des zweiten Europäischen Semesters statt; am 30. Mai 2012 wurden neue länderspezifische Empfehlungen veröffentlicht.

Gemäß den Vorschlägen der Kommission zur wirtschaftspolitischen Koordinierung vom 23. November 2011, insbesondere die vorgeschlagene Verordnung zur Stärkung der Überwachung der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets2, hat die Kommission das Recht, zur Haushaltsplanung der einzelnen Mitgliedstaaten Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Bundesrat versichern, dass die Entscheidung über die Höhe der staatlichen Ausgaben allein bei den nationalen Parlamenten verbleibt. Die vorgeschlagene Verordnung tastet die Haushaltsautonomie der Mitgliedstaaten nicht an.

Abschließend möchte ich festhalten, dass die wirtschaftspolitischen Empfehlungen des Rates das Subsidiaritätsprinzip nicht berühren und dass die Kommission nicht die Absicht hat, in die Kompetenzverteilung innerhalb der Bundesrepublik einzugreifen.

In diesem Sinne hoffe ich auf weiterhin konstruktive Zusammenarbeit im Rahmen des Europa-2020-Prozesses.

Mit freundlichen Grüßen