Empfehlungen der Ausschüsse zu Punkt der 813. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2005
Nationaler Strategiebericht Alterssicherung 2005

A

Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik,

der Ausschuss für Frauen und Jugend und
der Ausschuss für Familie und Senioren
empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Der Bundesrat stellt fest,

dass der Nationale Strategiebericht Alterssicherung 2005 aktuelle Entwicklungen ausblendet, wie das schwächer ausfallende Wirtschaftswachstum und den Abbau der gesamten Rücklagen der Rentenversicherung. Die Bundesregierung erweckt in dem Bericht außerdem zu Unrecht den Eindruck, elementare Ziele der Beitragsstabilität und der langfristigen Tragfähigkeit seien bereits sichergestellt.

Die Bundesregierung greift bei der Darstellung der Reformmaßnahmen des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes 2004 auf ökonomische Grundannahmen der Rürup-Kommission aus dem Jahr 2003 zurück. Diese Basis der langfristigen Berechnungsannahmen - ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von l,7 % und eine durchschnittliche Lohnsteigerung von 3 % jährlich - wird jedoch heute bei weitem verfehlt. Die Annahme einer langfristigen durchschnittlichen

Lohnsteigerung von 3 % ist unter den Einflüssen von EU-Osterweiterung und Globalisierung mit erheblichen Risiken verbunden. Der Bericht ignoriert damit, dass die das Renten- und Beitragsniveau dämpfende Wirkung des in die Rentenformel eingefügten Nachhaltigkeitsfaktors auf längere Sicht ausgehebelt werden könnte, wie dies bereits bei der Rentenanpassung 2005 der Fall ist.

Die vorbehaltlose Darstellung des im Jahr 2004 beschlossenen Nachhaltigkeitsfaktors als Garant für die Ziele der Sicherung der finanziellen Tragfähigkeit und Beitragsstabilität, der Sicherung der Generationengerechtigkeit und der Gewährleistung von Transparenz und Vertrauen der Bürger lässt sich deshalb vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen nicht aufrechterhalten.

2. Der Bundesrat stellt außerdem fest,

dass der Bericht der Bundesregierung im Hinblick auf die demografische Entwicklung in Deutschland keine geeignete Strategie aufzeigt, mit welcher die vom Europäischen Rat beschlossene Zielsetzung einer generationengerechten und auch in der Zukunft finanziell tragfähigen Ausgestaltung der Alterssicherung erreicht werden kann. Der Bericht begreift die demografische Entwicklung in Deutschland lediglich als nicht beeinflussbare Rechengröße, gibt aber nicht zu erkennen, in welcher Weise die Bundesregierung auf die sich abzeichnende demografische Entwicklung reagieren will und welche Konzepte sie dieser gegenüberstellt. Voraussetzung einer dauerhaft tragfähigen Alterssicherung und eines Gleichgewichts zwischen Erwerbspersonen und Rentnern ist auch langfristig ein deutliches Ansteigen der zu niedrigen Geburtenrate. Aussagen dazu fehlen im vorliegenden Bericht.

3. Die Bundesregierung erweckt in ihrem Bericht den Eindruck,

die von ihr getroffenen Maßnahmen seien geeignet, eine flächendeckende Verbreitung zusätzlicher privater Altersvorsorge in Deutschland zu erreichen. Sie sieht keinen weiteren Handlungsbedarf. Der Bundesrat teilt diese Einschätzung nicht. Bis heute hat nur rund ein Fünftel des förderberechtigten Personenkreises einen staatlich geförderten betrieblichen oder privaten Altersvorsorgevertrag abgeschlossen. Die von der Bundesregierung im Altersvermögens- und im Alterseinkünftegesetz ergriffenen Maßnahmen reichen nicht aus. Bislang ist der Anteil der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft mit einem Anspruch auf Betriebsrente lediglich von 38 % auf 43 % angestiegen.

Der Bundesrat stellt fest, dass der Bericht bei der Darstellung der Verbreitung zusätzlicher Altersvorsorge zudem unberücksichtigt lässt, ob in ausreichender Höhe vorgesorgt wird, um das erwartete Absinken des Rentenniveaus tatsächlich ausgleichen zu können. Der Verweis der Bundesregierung auf ein allmählich wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit zusätzlicher Altersvorsorge geht an dem fortbestehenden Problem ihrer mangelnden Verbreitung vorbei, wenn dieses Bewusstsein nicht auch dazu führt, dass verstärkt zusätzliche Vorsorge betrieben wird. Eine solche Tendenz ist jedoch nicht erkennbar. Dies lässt letztlich nur den Schluss zu, dass die private Altersvorsorge attraktiver, d.h. einfacher und den Bedürfnissen der Menschen entsprechend ausgestaltet werden muss.

B

4. Der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss

empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.