Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von im politischen Leben des Volkes stehenden Personen - Antrag des Landes Rheinland-Pfalz -

983. Sitzung des Bundesrates am 29. November 2019

A

Der federführende Rechtsausschuss (R) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 1 ( § 188 Absatz 3 StGB)

In Artikel 1 Nummer 1 sind in § 188 Absatz 3 die Wörter "europäischer, bundes-, landes- oder kommunalpolitischer Ebene" durch die Wörter "europäischer Ebene, Bundes- oder Landesebene oder auf Ebene einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit" zu ersetzen.

Folgeänderungen:

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches), Zu Nummer 1 - § 188 Absatz 3 StGB-E" sind in Absatz 1 Satz 1 nach den Wörtern "kommunaler Ebene" die Wörter "und Bezirksebene" einzufügen.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Die Formulierung "Person, die auf europäischer, bundes-, landes- oder kommunalpolitischer Ebene aktiv tätig ist" steht in Bezug auf Politikerinnen und Politiker der Bezirksebene beispielsweise in Hamburg (und wohl auch in Berlin) in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot.

Beispielsweise ist die Freie und Hansestadt Hamburg - anders als Flächenstaaten - nicht in weitere Gebietskörperschaften als Verwaltungs(unter)einheiten gegliedert. Vielmehr gilt in Hamburg nach Artikel 4 Absatz 1 HmbVerf, dass staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt werden (sogenannte Einheitsgemeinde). Gleichwohl ist das Stadtgebiet Hamburgs in Teilgebiete (sogenannte Bezirke) untergliedert, in denen Bezirksämter gebildet werden, denen Verwaltungsaufgaben übertragen werden können. Mit Ausnahme des Fachbegriffs "Einheitsgemeinde" ist die Verwendung der Bezeichnung "Gemeinde" in Hamburg vollständig durch die Verwendung der Bezeichnung "Bezirk" überlagert. Folglich wird auch fast nie (auch nicht auf den offiziellen Wahlunterlagen) von Kommunalwahlen, sondern stattdessen von Bezirkswahlen bzw. Bezirksversammlungswahlen gesprochen.

Versteht man "kommunalpolitisch" als "die Politik der Gemeinden oder Kommunen betreffend", wäre nicht hinreichend bestimmbar, ob eine auf bezirklicher Ebene politisch aktive Person unter den Begriff "kommunalpolitisch aktiv" fiele. Die verwaltungsrechtliche Bezeichnung Hamburgs als Einheitsgemeinde und die Formulierung der Hamburger Verfassung, dass "staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt" werden, steht dem nicht entgegen, da es sich insoweit um einen reinen Fachsprachgebrauch handelt, der den Sprachgebrauch der Normadressaten praktisch nicht beeinflusst.

Es bestehen mithin erhebliche Zweifel daran, dass die vorgeschlagene Legaldefinition in § 188 Absatz 3 StGB-E politisch aktive Personen auf Bezirksebene in einer dem Bestimmtheitsgrundsatz genügenden Weise erfasst.

Es wird daher eine an § 108e Absatz 3 Nummer 2 StGB orientierte Formulierung vorgeschlagen.

Der Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e StGB erfasst Mitglieder einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder (Absatz 1), Mitglieder einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft (Absatz 3 Nummer 1) sowie Mitglieder "eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit" (Absatz 3 Nummer 2).

Die Nummern 1 und 2 in Absatz 3 etablieren eine Unterscheidung, die gerade den Besonderheiten in einem Stadtstaat wie Hamburg Rechnung trägt. Diese Unterscheidung lässt sich auf die vorgeschlagene Definition des § 188 Absatz 3 StGB-E übertragen.

Die Formulierung räumt zum einen Zweifel aus, die sich daraus ergeben, dass beispielsweise die Bezirke in Hamburg keine Selbstverwaltungseinheiten und somit keine Gebietskörperschaften sind. Zum anderen würden so alle Personen erfasst, die auf irgendeiner unteren Verwaltungsebene politisch aktiv sind, unabhängig davon ob diese als Gemeinde, Bezirk, Ortschaft, Ort oder Ähnliches bezeichnet wird.

Eine etwaige alternativ in Betracht kommende, einfacher gehaltene Formulierung "kommunal- und bezirkspolitischer" erfasste diese Bereiche nicht mit dem erforderlichen Grad an Sicherheit, zumal sie - anders als die Regelungen in § 108e Absatz 3 StGB - dem Strafgesetzbuch bislang fremd ist. Die vorgeschlagene Formulierung trüge damit auch zu einer einheitlichen Verwendung von Begriffen innerhalb des Strafgesetzbuches und zur Rechtssicherheit bei.

2. Zu Artikel 1 Nummer 1 ( § 188 Absatz 3 StGB)

In Artikel 1 Nummer 1 sind in § 188 Absatz 3 die Wörter "landes- oder kommunalpolitischer" durch die Wörter "landes-, kommunal- oder bezirkspolitischer" zu ersetzen.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Je nach Auslegung könnte die Formulierung "kommunalpolitische Ebene" allein nicht ausreichen, um auch Politikerinnen und Politiker der Bezirksebene zu umfassen. Die Formulierung "kommunalpolitische Ebene" setzt dem allgemeinen Sprachgebrauch nach eine Kommune oder kommunale Gebietskörperschaft voraus. Beispielsweise gemäß § 2 Absatz 1 BezVwG BE 2011 handelt es sich bei den Bezirken Berlins aber um "Selbstverwaltungseinheiten Berlins ohne Rechtspersönlichkeit". Auch die Tatsache, dass Berlin gemäß Artikel 1 Absatz 1 Verf BE zugleich Stadt und Land ist, führt zu keiner anderen Bewertung. Daher wird aus Gründen des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots eine Klarstellung befürwortet, um zweifelsfrei auch Bezirkspolitikerinnen und Bezirkspolitiker zu erfassen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b (§ 241 Absatz 3 StGB)

In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b ist § 241 Absatz 3 wie folgt zu fassen:

(3) Wird die Tat gegen eine in § 188 Absatz 3 genannte Person aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung der bedrohten Person im öffentlichen Leben zusammenhängen und ist die Tat geeignet, ihr öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren."

Als Folge sind der Begründung zu "B. Besonderer Teil,

Zu Artikel 1, Zu Nummer 3 - § 241 Absatz 1 und 3 StGB-E -, zu Buchstabe b - § 241 Absatz 3 StGB-E" folgende Absätze anzufügen:

"Da diese höhere kriminalpolitische Schutzbedürftigkeit aus der Amts- bzw. Mandatsträgerschaft folgt, ist eine Erhöhung des Strafrahmens indes nur in den Fällen angezeigt, in denen die Straftaten unmittelbar mit der Wahrnehmung des politischen Amtes im Zusammenhang stehen. Bedrohungen, die gegenüber einem entsprechenden Amts- oder Mandatsträger im privaten Umfeld, also ohne Bezug zu dessen öffentlichem Amt, geäußert werden, sollen nicht von Absatz 3 erfasst werden.

Aus diesem Grund sowie mit Blick auf eine einheitliche Gesetzessystematik ist die Formulierung in § 241 Absatz 3 StGB-E an die bereits bestehende Formulierung in § 188 Absatz 1 StGB anzulehnen."

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Im Sinne einer einheitlichen Gesetzessystematik ist eine gleichlaufende Sanktionierung von Straftaten gegenüber im politischen Leben des Volkes stehenden Personen erforderlich, unabhängig davon, ob es sich hierbei um Üble Nachrede, Verleumdungen oder Bedrohungen handelt.

Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Qualifikation des § 241 Absatz 3 StGB-E verzichtet indes bisher - anders als § 188 Absatz 1 StGB - auf einen Zusammenhang zwischen der Bedrohung und der Stellung des Bedrohten im öffentlichen Leben sowie auf die Eignung der Tat, das öffentliche Wirken des Bedrohten zu erschweren.

Dies hätte zur Folge, dass der erhöhte Strafrahmen des § 241 Absatz 3 StGB-E auch im Falle einer Bedrohung greifen würde, die gegenüber einem entsprechenden Amts- oder Mandatsträger im privaten Umfeld, also ohne Bezug zu dessen öffentlichem Amt, geäußert würde.

Dies stünde nicht nur im Widerspruch zu § 188 Absatz 1 StGB, sondern würde auch über den Sinn und Zweck der vorgeschlagenen Gesetzesänderung - nämlich den Schutz vor Straftaten, die mit der Wahrnehmung des politischen Amtes im Zusammenhang stehen - hinausgehen.

B

4. Der Rechtsausschuss schlägt dem Bundesrat ferner vor, Staatsminister Herbert Mertin (Rheinland-Pfalz) gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen zu bestellen.